Handout Psychpathie

N N e t z w e r k P s y c h o l o g i e P Praxis am See
Dipl.-­Psych. Dr. Angelika Schrodt
Kliniken Mettnau
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Handout Psychopathie
Dieses Handout fasst die aktuellen Forschungsergebnisse über Psychopathen zusammen.
Glücklicherweise gibt es seit ca. 20 Jahren eine wissenschaftliche Erforschung der Psychopathie unter klinisch-psychologischen und psychiatrischen Gesichtspunkten, so dass zunehmend besser erkennbar wird, worum es bei dieser psychodiagnostischen Kategorie eigentlich
geht. Entstanden ist das Handout im Rahmen einer Fortbildung für psychiatrisches Personal
und es hat darüber hinaus auch das Ziel, zur möglichst weiten Verbreitung von gesicherten
Erkenntnissen über Psychopathen beizutragen. Denn das ist das erklärte Ziel der damit über
viele Jahre befassten Forscher, einen praktischen Beitrag zu einem gesellschaftlichen Immunsystem zu leisten: Den gesunden normalen Menschen Wissen und Instrumente in die
Hand zu geben, um Frühwarnzeichen psychopathischen Verhaltens erkennen zu können, um
es damit den im Grunde wenigen Psychopathen unter uns immer schwerer zu machen, in gesellschaftlichen Positionen Fuss zu fassen, wo eigentlich warmherzige und ethisch einwandfreie Persönlichkeiten gebraucht werden.
Insbesondere haben wir viel bessere Chancen bei der Überwindung der mittlerweile umfassenden Führungskrise in allen Lebensbereichen, wenn wir Psychopathen rechtzeitig erkennen und stoppen können, wenn es ihnen immer seltener gelingt, uns zu blenden und zu manipulieren.
Zur Einführung in das Thema psychopathischen Verhaltens empfehlen wir den Film „Ich bin ein Psychopath“, auf youtube unter:
http://www.youtube.com/watch?v=iCaXUFJUSZo
Interessant sind auch die durchaus amüsanten und aus klinisch-psychologischer Sicht auch diagnostisch spannenden Interviews mit dem Hochstabler Gerd Postel, der es immerhin bis zum Chefarzt eines psychiatrischen Krankenhauses geschafft hatte (siehe unter youtube).
1
1. Begriffsklärung
„PSYCHOPATHEN sind soziale Raubtiere, die sich mit Charme und Manipulation skrupellos ihren Weg durchs Leben pflügen, und eine breite Schneise gebrochener Herzen, enttäuschter Erwartungen und geplünderter Brieftaschen hinterlassen.“
Dr. Robert Hare (Vorwort seines Buches „Gewissenlos“, siehe Literaturverzeichnis)
und bei Wikipedia:
Psychopathie bezeichnet eine schwere Persönlichkeitsstörung, die bei den Betroffenen mit dem
weitgehenden oder völligen Fehlen von Empathie, sozialer Verantwortung und Gewissen einhergeht. Psychopathen sind auf den ersten Blick mitunter charmant, sie verstehen es, oberflächliche Beziehungen herzustellen. Dabei sind sie mitunter sehr manipulativ, um ihre Ziele zu
erreichen. Oft mangelt es Psychopathen an langfristigen Zielen, sie sind impulsiv und verantwortungslos.[1] Psychopathie geht mit antisozialen Verhaltensweisen einher, so dass oft die
Diagnose einer dissozialen/antisozialen Persönlichkeitsstörung gestellt werden kann.
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Psychopathie
Es wäre auch zu kurz gegriffen zu glauben, dass es nur um materielle oder körperliche Schäden bei
den Opfern geht, es geht um mehr, es geht um die Seele des jeweiligen Opfers:
„ Doch letztendlich kann nur das jeweilige Opfer bestimmen, was es bei einer solchen Dynamik
verloren hat - und das ist oft weit mehr als nur materielles Gut. Auf eine gewisse Weise scheint
es, dass Psychopathen Seelenfresser sind - Psychophagen. „
Quelle: http://de.sott.net/article/1024-Der-Psychopath-Teil-1-Die-Maske-der-Vernunft
2. Häufigkeit
Es gibt in der Literatur sehr unterschiedliche Angaben darüber, wieviel Prozent der Bevölkerung psychopathisch sind. Die Angaben variieren von 1 – 4 % (Dr. Robert Hare) bis zu 10% der weiblichen und
sogar 30% der männlichen Bevölkerung1 (Martha Stout, Jon Ronson, Literaturverzeichnis).
Diese Differenzen erklären sich aus der Statistik zu Grunde gelegten Grundgesamtheit sowie der unterschiedlich gesetzten Trennlinie in dem Kontinuum ethisch exzellentem (guten) und ethisch verwerflichem (asozialem) Verhaltens.
Diese Schätzung erscheint sehr hoch und ist m.E. Ausdruck der Schwierigkeit, antisoziale Verhaltensweisen
(gelegentlich, abhängig vom sozialen Kontext) von antisozialen Persönlichkeitsstörungen (generell, u.a. basie-­
rend auf hirnorganischen Defiziten) abzugrenzen.
1
2
Ausserdem gibt es kulturelle Unterschiede in der Häufigkeit psychopathischen Verhaltens, die mit
grundlegenden Unterschieden bei der Sozialisation und kulturellen Werteorientierung erklärt werden
könne. (Martha Stout, Literaturverzeichnis)
Bemerkenswert ist, dass es Psychopathen in allen gesellschaftlichen Schichten und Familienstrukturen gibt, wo sie psychisch gesunden Eltern ein Rätsel sind und neben normalen Geschwistern aufwachsen.
Immerhin fand man bei 3,6% des Führungspersonals 30 Punkte in der Psychopathie-Checkliste PCLR von Dr. Robert Hare (Jon Ronson, S 136, Literaturverzeichnis). Damit ist nicht auszuschliessen,
dass Psychopathie in manchen gesellschaftlichen Bereichen sogar ein Vorteil sein kann.
Diese beängstigende These verfolgt der polnische Psychiater Andrzej M. Lobaczewski für ganze Gesellschaften und kann aufzeigen, wie Psychopathen, sind sie erst einmal in eine Machtposition gelangt, die gesamte Gruppe oder Gesellschaft psychopathisch infizieren kann, so dass eine Pathokratie
entsteht. Die grossen menschlichen Katastrophen der Geschichte weisen alle in beängstigendem
Gleichklang – mal deutlicher und mal verdünnter - diese Merkmale und Phasen eine Pathokratie auf,
egal, ob unter Stalin, Pol Pot u.a., ebenso wie in den heutigen Diktaturen dieser Welt. Lobaczewski
fordert uns auf, wachsam zu sein und Psychopathen möglichst frühzeitig zu identifizieren. Er und andere Psychopathieforscher plädieren dafür, so etwas wie ein gesellschaftliches Immunsystem zu installieren.
3. Diagnostik
es fällt oft schwer, einen Psychopathen zu erkennen,
•
weil wir denken, dass die anderen Menschen so wie wir selbst oder ganz ähnlich empfinden
und entscheiden, wie wir,
•
weil wir anderen einen Vertrauensvorschuss geben und zunächst keine unlauteren Absichten
unterstellen,
•
weil Psychopathen oft sehr charmant und anziehend (oft auch erotisch anziehend) wirken und
ihren Charme auszuspielen verstehen,
3
•
weil Psychopathen darauf spezialisiert sind, ihre Gegenüber geschickt zu manipulieren und
einzuwickeln, d.h. auch zu bewirken, dass das Gegenüber sich ihnen verpflichtet fühlt
•
weil Psychopathen es verstehen, das Wertesystem des Gegenübers geschickt zu ihrem egoistischen Vorteil zu nutzen, d.h. glauben zu machen, dass es sich beim Entgegenkommen des
Opfers um eine gute Tat handelt,
•
weil Psychopathen die psychologischen Bedürfnisse der Opfer blitzartig erfassen und zu befriedigen scheinen bzw. entsprechende Erwartungen nach Bedürfnisbefriedigung beim Opfer
verstärken
•
weil Psychopathen sehr geschickt sind, ihr Ausnützen anderer zu verschleiern,
•
weil Psychopathen ohne Zögern und ohne rot zu werden, lügen, so dass sie erstaunlicherweise selbst bei skurrilen Behauptungen glaubwürdig erscheinen
•
usw. usw.
Auch ist es verwirrend, dass es viele Bezeichnungen gibt, die weitgehend synonym verwendet werden:
Psychopathie
Soziopathie
Perversion (eher im französischen Sprachraum, im deutschen eher auf sexuelle Devianz
beschränkt)
oder als Persönlichkeitsstörung, und zwar als:
•
amoralische Persönlichkeitsstörung
•
antisoziale Persönlichkeitsstörung
•
asoziale Persönlichkeitsstörung
•
psychopathische Persönlichkeitsstörung
•
soziopathische Persönlichkeitsstörung
Im bei uns gebräuchlichen ICD-10-Klassifikationssystem wird die Diagnose „dissoziale Persönlichkeitsstörung“ verwendet:
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ICD-10: F 60.2
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Beschreibung:
Eine Persönlichkeitsstörung, die durch eine Missachtung sozialer Verpflichtungen und herzloses
Unbeteiligtsein an Gefühlen für andere gekennzeichnet ist. Zwischen dem Verhalten und den
herrschenden sozialen Normen besteht eine erhebliche Diskrepanz. Das Verhalten erscheint
durch nachteilige Erlebnisse, einschließlich Bestrafung, nicht änderungsfähig. Es besteht eine
geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges
Verhalten, eine Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für
das Verhalten anzubieten, durch das der betreffende Patient in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten ist.
Persönlich habe ich das Gefühl, diese Diagnose ist nicht präzise genug, klingt recht harmlos und glattgebügelt, vielleicht sogar verwässert, denn sie lässt für meine Begriffe zu viel Spielraum. Das Problem
bzw. die Diagnose ist zu ernst – in Hinsicht auf die Betreffenden und in Hinsicht auf die Opfer ebenso und sollte daher deutlichere Konturen zeigen.
Dazu einige illustrierende Beschreibung aus der Praxis
Quelle:
http://de.sott.net/article/1018-Der-Psychopath-Teil-7-Symptome-Checklisten-fur-Psychopathie
"Sehr oft wird der typische Psychopath besonders angenehm wirken und wird beim ersten Treffen einen ausgesprochen guten Eindruck machen. Aufgeweckt und freundlich in seiner Art kann
man sich sehr leicht mit ihm unterhalten und er scheint viele authentische Interessengebiete zu
haben. Es gibt nichts an ihm auszusetzen und er verkörpert in jeder Hinsicht eine gut angepasste, fröhliche Person. Durch seine Gelassenheit erscheint er auch nicht als jemand, der etwas
vortäuscht oder irgendetwas 'verkaufen' will. Er kann nur schwer mit einem 'professionellen
Schulterklopfer' verwechselt werden oder mit jemandem, der sich nur aus einem verdeckten
Grund integrieren will. Zeichen der Zuneigung oder exzessiver Freundlichkeit sind nicht charakteristisch. Er wirkt einfach echt."
"Sehr oft zeigen sich Andeutungen von gutem Gespür und folgerichtigem Denken. Es ist wahrscheinlich, dass man nach dem ersten Treffen denkt, dass diese normale und freundliche Person auch gediegene Fähigkeiten hat. Psychometrische Tests zeigen häufig, dass er von überlegener Intelligenz ist. Mehr noch als die durchschnittliche Person scheint er von sozialen oder
emotionalen Hindernissen frei zu sein - von den kleinen Problemchen, Ticks, und Unbeholfenheiten, die sogar unter den Erfolgreichen so zahlreich sind. "
"Es muss natürlich zugestanden werden, dass der Psychopath einen gewissen Affekt hat. Affekt
ist hier möglicherweise auch eine Komponente in der Summe der Reaktionen im Leben ,sogar
von einem einzelligen protoplasmischen Lebewesen. Natürlich ist sie auch in allen Säugetieren
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offensichtlich. Die relativ kleinen Bereiche von Freude, Ärgernis und Feindseligkeit von Psychopathen wurden bereits erwähnt.
Die hier vertretene Meinung ist, dass der Psychopath darin versagt, alle diese ernsteren und
tiefer bewegenden affektiven Zustände zu kennen, aus denen die Tragik und der Triumph des
ordinären Lebens, oder das Leben auf auf der Ebene wichtiger menschlicher Erfahrung besteht..."
Die Psychopathie-Checklisten von Cleckley und von Hare helfen, antisoziales Verhalten einzuschätzen und zu klassifizieren und so einen Psychopathen zu erkennen.
Der Gefängnispsychologe Dr. Robert Hare hat in einem Vierteljahrhundert Forschung das Phänomen
Psychopathie bei Straftätern umfassend untersucht und darüber der Welt berichtet. Seine Motivation
entspringt dem Wunsch, zu einem gesellschaftlichen Immunsystem beizutragen, um auch Nichtfachleute mit Frühwarnzeichen und Abwehrmöglichkeiten bekannt zu machen. Dieselbe Motivation, nämlich einen Beitrag zu einem psychosozialen und gesellschaftlichen Immunsystem leisten zu wollen, um
arglose Menschen im Alltag vor gewissen- und gefühllosen antisoziale Individuen zu warnen, haben
auch die meisten der anderen Forscher und Autoren formuliert.
Checkliste nach Cleckley
Quelle: http://de.sott.net/article/1018-­Der-­Psychopath-­Teil-­7
-­Symptome-­Checklisten-­fur-­Psychopathie 1. Beträchtlicher, übernatürlicher Charme und durchschnittliche, oder leicht überdurchschnittliche
Intelligenz
2. Abwesenheit von Größenwahn oder anderen Anzeichen irrationalen Denkens
3. Fehlen von Angst oder anderen 'neurotischen' Symptomen; beträchtliche Selbstsicherheit,
Ruhe, und verbale Fertigkeit
4. Unzuverlässigkeit, Missachtung von Verpflichtungen, kein Verantwortungssinn in großen oder
kleinen Dingen
5. Unaufrichtigkeit, Unehrlichkeit
6. Antisoziales Benehmen, das planlos ausgeführt wird, scheinbar stammend von einer unerklärlichen Impulsivität
7. Antisoziales Benehmen, motiviert in in einem unverhältnismäßig großem Ausmaß
8. Schlechtes Urteilsvermögen und Versagen, aus Erfahrungen zu lernen
9. Pathologische Egozentrik. Totale Selbstgefälligkeit, Unfähigkeit zur Empfindung echter Liebe
und Verbundenheit
10. Allgemeine Gefühlsarmut von tiefen und andauernden Emotionen
11. Fehlen jeder echten Einsicht; Unfähigkeit, sich selbst so zu sehen wie andere
12. Undankbarkeit für speziellen Aufwendungen, Freundlichkeit und Vertrauen
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13. Fantastisches und verwerfliches Verhalten unter Alkoholeinfluss, manchmal auch ohne Alkoholeinfluss; Obszönität, Grobheit, Launenhaftigkeit, Spielen von Streichen
14. Keine Vorgeschichte von echten Selbstmordversuchen
15. Ein unpersönliches, triviales und schlecht integriertes Sexleben
16. Führen des Lebens nicht nach Plan oder nach geordneten Wegen, außer es handelt sich um
Pläne der Selbst-Vereitelung
Checkliste nach Hare
Hares PCL-R 20 Punkte Liste basiert auf Cleckleys 16 Punkte Checkliste.
1.
Glatter und oberflächlicher Charme
Die Tendenz, kantenlos, engagiert, charmant, glatt und verbal einfach zu sein. Psychopathischer
Charme ist überhaupt nicht schüchtern, aber selbstsicher und fürchtet sich nicht, etwas zu sagen. Ein
Psychopath ist nie auf die Zunge gefallen. Sie haben sich selbst von den sozialen Konventionen befreit, zum Beispiel das Abgleiten in Gesprächen.
2.
Grandioser Selbstwert
Eine extrem aufgeblasene Sichtweise ihrer eigenen Fähigkeiten und ihres Selbstwertes. Ist selbstbestätigend, voreingenommen, großspurig und ein Prahler. Psychopathen sind arrogante Leute, die
glauben, sie seien höherwertige Menschen.
3.
Bedarf an Stimulation bzw. Hang zur Langeweile
Ein exzessives Bedürfnis nach neuer, spannender und aufregender Stimulation. Ergreifen die Gelegenheit und machen riskante Dinge. Psychopathen haben oft eine niedrige Selbstdisziplin um Aufgaben zu beenden, da sie leicht gelangweilt werden. Sie sind zum Beispiel nicht in der Lage, den gleichen Beruf eine längere Zeit durchzuführen, oder Aufgaben, die sie als stumpf oder eintönig empfinden.
4.
Pathologisches Lügen
Kann moderat bis hoch sein. In moderater Form sind sie schlau, verschlagen, listig, verstohlen und
raffiniert; in der extremen Form sind sie täuschend, irreführend, betrügerisch, hinterlistig, verstohlen,
skrupellos, manipulativ und unehrlich.
4.
Beherrschung und Manipulation
Der Gebrauch von Betrug und Täuschung, um Andere für den persönlichen Mehrwert zu betrügen,
hereinzulegen oder zu hintergehen. Unterscheidet sich von Nr. 4 nur durch den Grad der vorhandenen
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Ausnutzung und gemeinen Skrupellosigkeit, was sich in einem Mangel an Rücksichtnahme für die Gefühle und Leiden seiner Opfer spiegelt.
6.
Mangel an Reue oder Schuldgefühl
Ein Mangel an Gefühlen oder Rücksichtnahme für die Verluste, Schmerzen und Leiden der Opfer.
Eine Tendenz, unbeteiligt, leidenschaftslos, kaltherzig und ohne Empathie zu sein. Dieses Problem
äußert sich gewöhnlich durch die Verachtung seiner Opfer.
7.
Oberflächlicher Affekt
Emotionale Armut oder einen eingeschränkten Bereich oder Tiefe der Gefühle. Zwischenmenschliche
Kälte, trotz Zeichen offener Geselligkeit.
8.
Abgebrühtheit und Mangel an Empathie
Ein Mangel an Gefühlen gegenüber Menschen im Allgemeinen. Kalt, Geringschätzig, Rücksichtslos
und Taktlos.
9.
Parasitärer Lebensstil
Ein absichtliche, manipulative, selbstsüchtige und ausnutzende finanzielle Abhängigkeit von anderen,
was sich durch einen Mangel an Motivation, niedriger Selbstdisziplin und Unfähigkeit, Verantwortlichkeit anzufangen oder zu beenden, äußert.
10.
Schlechte Kontrolle des Verhaltens
Ausdrücke von Reizbarkeit, Verärgerung, Ungeduld, Drohung, Aggression und verbaler Missbrauch;
inadäquate Kontrolle von Ärger und Temperament. Handelt voreilig.
11.
Wahlloses sexuelles Verhalten
Eine Vielzahl von kurzen, oberflächlichen Beziehungen, unzählige Affären und wahllose Wahl sexueller Partner. Das Aufrechterhalten mehrerer Beziehungen zur gleichen Zeit. Eine Geschichte von Versuchen, Andere in sexuelle Aktivitäten zu zwingen oder stolz über die sexuellen Ausbeutungen oder
Eroberungen zu diskutieren.
12.
Frühzeitige Verhaltensstörungen
Eine Vielzahl von Verhaltensweisen vor dem 13. Altersjahr, wie lügen, stehlen, betrügen, Vandalismus,
prügeln, sexuelle Aktivität, legen von Feuer, Klebstoff schnüffeln, Alkohol Missbrauch, und von zu Hause weglaufen.
8
13.
Mangel an realistischen, langfristigen Zielen
Eine Unfähigkeit oder ständiges Versagen, langfristige Pläne und Ziele zu entwickeln und auszuführen. Eine nomadische Existenz, ziellos, ohne Richtung im Leben.
14.
Impulsivität
Das Auftreten von Verhalten, die unbeabsichtigt sind und einen Mangel an Überlegung und Planung
aufweisen. Unfähigkeit, Versuchungen, Frustrationen und Drängen zu widerstehen. Ein Mangel an
Vorsicht, ohne die Konsequenzen zu berücksichtigen. Tollkühn, unbesonnen, unvorhersehbar, sprunghaft und verwegen.
15.
Unverantwortlichkeit
Wiederholtes Versagen, Verbindlichkeiten und Verpflichtungen und zu erfüllen oder honorieren, wie
das Nicht-Bezahlen von Rechnungen, mit dem Bezahlen von Darlehen im Rückstand sein, schlampige Arbeit abliefern, das Fernbleiben im Beruf oder zu spät Erscheinen, sowie das Nichteinhalten von
vertraglichen Abmachungen.
16.
Versagen für eigenen Taten Verantwortung zu übernehmen
Ein Versagen für die eigenen Taten Verantwortung anzunehmen, was durch niedrige Gewissenhaftigkeit, eine Abwesenheit von Pflichtbewusstsein, antagonistische Manipulation, Verleugnung von Verantwortung und eine Anstrengung andere durch diese Verleugnung zu manipulieren, gespiegelt wird.
17.
Viele kurzfristige eheliche Beziehungen
Ein Mangel an Verpflichtung für längerfristige Beziehungen, was sich durch inkonsistente, unabhängige und unstabile Verpflichtungen im Leben, Ehen miteingeschlossen, widerspiegelt.
18.
Jugendkriminalität
Verhaltensprobleme im Alter von 13 bis 18 Jahren. Meistens Verhalten, das kriminell ist oder Aspekte
von Antagonismus, Ausnutzung, Aggression, Manipulation oder abgebrühte, skrupellose Gedankenlosigkeit miteinbezieht.
19.
Entzug der bedingten Entlassung
Ein Entzug der Probezeit oder anderer bedingten Entlassungen wegen technischen Zuwiderhandlungen, wie Rücksichtslosigkeit, Unbedachtsamkeit oder durch Fernbleiben.
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20.
Kriminelle Vielseitigkeit
Eine Mannigfaltigkeit von Straftaten aller Art, ungeachtet ob die Person verhaftet oder überführt wurde. Sind voller Stolz, wenn sie bei Verbrechen nicht erwischt werden.
Auswertung der Psychopathie-Checkliste PCL-R
jedes der 20 Items (3-stufige Schätzskalen) wird bewertet mit
0 Punkte für nicht vorhandenen
1 Punkt für teilweise vorhandenen
2 Punkte für ausgeprägt vorhanden.
Die Punkte werden zu einem Gesamtpunktwert addiert.
In den USA gilt jemand mit einem Punktwert ab 30 und darüber als Psychopath. In Deutschland hat
man sich auf 25 Punkte als cut off (Trennlinie zwischen „noch normal“ und „psychopathisch“) geeinigt.
4. Neurobiologische Befunde
Es gibt dazu eine Reihe von Studien mit übereinstimmenden neurobiologischen Befunden:
•
eine Überaktivierung der Amygdala bei gleichzeitiger Unteraktivierung hemmender Areale im
Frontallappen
•
ein verringertes Ansprechen des serotonergen Systems
scheint für die Genese der Verhaltensauffälligkeiten der Psychopathen von Bedeutung.
Allerdings sind diese Befunde nicht spezifisch nur auf Psychopathen begrenzt. So wurde in EEG-Studienbei Schizophrenie und insbesondere bei Psychosen ebenfalls eine Unteraktivierung der Achse Frontalkortex-Limbisches System gefunden.
Diese EEG-Befunde passen zu der in anderen Studien gefundenen hohen Komorbidität von Schizophrenie und Psychopathie:
„ Psychopathie tritt auch in durchaus nennenswertem Ausmaß als komorbide Persönlichkeitsstörung bei Achse-1 Erkrankungen auf. In einem Sample von Massnahmepatienten mit Schizophrenie fanden Stompe und Schanda eine Prävalenz von nahezu 20%. „
in: Neuropsychiatrie, Band 23 Sonderheft 1 – 2009 (Literaturverzeichnis mit link)
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5. Rückfallprognose
„Bei der Rückfallprognose von Straftätern bewährt sich das Konzept der Psychopathie. Psychopathen weisen eine dreimal höhere Rückfallsrate auf als Nichtpsychopathen.“
Univ.-Prof. Dr. Thomas Stompe, Klinische Abteilung für Sozialpsychiatrie Wien und Justizanstalt Göllersdorf
in: Neuropsychiatrie, Band 23 Sonderheft 1 – 2009 (kann frei aus dem Internet runtergeladen werden,
siehe Literaturverzeichnis mit link)
Weiter mit Univ.-Prof. Dr. Thomas Stompe (ebenda) zum Thema:
Delinquenz, Rückfallsprognose
„Psychopathische und nicht psychopathische Rechtsbrecher unterscheiden sich deutlich in ihren
kriminellen Verhaltensmustern, und zwar unabhängig davon, ob die Psychopathie die Primärdiagnose darstellt oder als Komorbidität bei einer Achse-1-Störung besteht. Psychopathen sind im
Allgemeinen gewalttätiger als Nichtpsychopathen. Hare fand in seinen Untersuchungen von Gefängnisinsassen, dass gegenüber 74 Prozent von Nichtpsychopathen, 97 Prozent der Psychopathen zumindest einmal wegen eines schweren Delikts verurteilt gewesen waren. Auch dimensionale Unterschiede in der Ausprägung der Psychopathie scheinen einen Einfluss sowohl auf
den Schweregrad des Delikts als auch auf die Vielfalt des delinquenten Verhaltens zu haben.
Psychopathen setzen deutlich häufiger als Nichtpsychopathen ihre asozialen und kriminellen
Verhaltensweisen auch im Gefängnis fort. Wie sich in einer Studie an 164 Insassen der Justizanstalt Göllersdorf (Maßnahme gemäß §21/1 StGB) zeigte, wurden Psychopathen etwa zehn
Jahre vor den Nichtpsychopathen erstmals straffällig und wiesen im Durchschnitt deutlich mehr
Vorverurteilungen auf. Zahlreiche Untersuchungen belegen inzwischen den Wert des Psychopathiekonzepts für die Rückfallsprognose von Straftätern. Psychopathen weisen dreimal höhere
Rückfallsraten als Nichtpsychopathen auf. Neuere Untersuchungen belegen, dass besonders
die Merkmale des Faktors zwei, der einen chronisch instabilen und antisozialen Lebensstil beschreibt, relativ hoch mit Rückfälligkeit korrelieren. Die PCL-R hat in den letzten zehn Jahren
auch in der deutschsprachigen forensischen Psychiatrie als Prognoseinstrument weite Verwendung gefunden. Das Münchner Prognoseprojekt ergab eine hochsignifikante prädikative Validität
der PCL-R zur Vorhersage von gewalttätigen kriminellen Rückfällen. Die Treffergenauigkeit der
PCL-R war anderen Prognoseinstrumenten überlegen, dies unabhängig von einer etwaigen
psychiatrischen Diagnose.“
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Ebenda (Neuropsychiatrie, Band 23 Sonderheft 1) wird die Münchner Studie zur Rückfallquote referiert.
Dabei bleibt dabei aber zu verkraften, dass gemäss der Münchner Studie die
„Falsch Positiven“ mit minimal 60% noch relativ hoch sind !!!!!
Nedopil, N. (2009), in: Neuropsychiatrie, Band 23 Sonderheft 1 – 2009 (Literaturverzeichnis mit link)
Nach wie vor sind wir daher bei der Erstellung der Prognose mit einer grossen Unsicherheit konfrontiert, mit der wie uns schon lange mühen und die uns oft genug Bauchschmerzen macht, denn wir
wissen, dass wir niemals ganz sicher sein können, ob wir bei der Prognoseerstellung nicht jemandem
bitter Unrecht tun: dem Täter, der weiterhin in der Einrichtung verbleiben muss, oder seinem möglichen zukünftigen Opfer, falls wir uns gutgläubig irren und ihn in die Freiheit entlassen.
Wo ist Hoffnung ?
Asoziales und insbesondere gewalttätiges Verhalten hat viele Ursachen, es gibt deutliche kulturelle
Unterschiede und die Rückfallquote ist niedriger als erwartet. Das kann man am besten mit einer Diversität unterschiedlich beeinflussender Faktoren auf dem individuellen Lebensweg erklären. Wir sind
alle auf unserem Lebensweg unterwegs in Richtung Weisheit und Einfühlung (Empathie), auf dem wir
alle Fehler machen. Doch die Richtung ist offenbar für alle dieselbe: wir sind alle unterwegs in Richtung Weisheit und Mitgefühl – so weit auch jeder von uns dabei kommen mag.
Ich denke, das gilt auch für diejenigen, die wir heute als Psychopathen bezeichnen müssen. Sie stehen vielleicht noch ganz am Anfang des Weges. Wie auch immer, man sollte sie, meine ich als Psychotherapeutin, mit der Psychopathie-Checkliste konfrontieren und sie dazu motivieren, im therapeutischen Dialog ihre Zieldiskrepanz zu definieren. Es wäre für jeden einzelnen von ihnen interessant
herauszufinden, wie sie auf eine solche Schonungslosigkeit und Wahrhaftigkeit reagieren.
Die Frage stellt sich, was macht ein Psychopath, wenn Manipulation des Gegenüber sinnlos ist und
wenn er mit seiner persönlichen Wahrheit und seinem vorherzusehenden Lebensende konfrontiert ist.
Psychopathen haben allerdings in der Regel keine oder nur eine sehr vage Vorstellung von ihrer Zukunft. Das trägt sicherlich zu ihrem Fehlverhalten bei – sie können sich die Folgen nicht vorstellen –
für andere nicht und für sich auch nicht.
Denn: Psychopathen enden in der Regel sehr traurig, und die Liste solcher trostlosen Lebensläufe
liesse sich beliebig fortsetzen. (Martha Stout, S. 228 ff. Literaturverzeichnis)
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„ Im Gegensatz zu einem anscheinend populären Glauben bringt rücksichtsloses Verhalten am
Ende keineswegs einen Löwenanteil der guten Dinge des Lebens ein. Ganz im Gegenteil: man
könnte sogar sagen, dass für einen ausserordentlich geduldigen Beobachter eine probate Methode zur Erkennung eines Soziopathen wäre, bis zu dessen Lebensende zu warten und festzustellen, ob er sich ruiniert hat, teilweise oder vollständig. Hat er wirklich das, was Sie gerne in
Ihren Leben sehen würden, oder ist er statt dessen isoliert, ausgebrannt und gelangweilt?“
(Martha Stout, S. 231)
6. Literaturverzeichnis, teilw. mit links zum Internet:
HARE, Robert D.:(2005): „Gewissenlos. Die Psychopathen unter uns“ Springer Wien NewYork
Auszug aus dem Buch im Internet:
http://www.irwish.de/Site/Biblio/Psychologie/Hare.htm
HARTMANN, J., M. HOLLWEG und N. NEDOPIL (2001): „Quantitative Erfassung dissozialer und
psychopathischer Persönlichkeiten bei der strafrechtlichen Begutachtung. Retrospektive Untersuchung zur Anwendbarkeit der deutschen Version der Hare-Psychopathie-Checkliste“
Nervenarzt 72:365–370, Springer-Verlag
LOBACZEWSKI, M. Andrzej (2012): „Politische Ponerologie. Eine Wissenschaft über das Wesen des
Bösen und ihre Anwendung für politische Zwecke“ Les Editions Pilute Rouge, 2.korrigierte deutsche
Auflage
NEDOPIL N. (2009): „Psychopathy und die Rückfallprognose für Gewalttaten“
Neuropsychiatrie, Band 23 Sonderheft 1, 34 - 41.
RONSON, John (2012): „Die Psychopathen sind unter uns. Eine Reise zu den Schaltstellen der
Macht“ Tropen Stuttgart
STOUT, Martha (2006): „Der Soziopath von nebenan. Die Skrupellosen: ihre Lügen, Taktiken und
Tricks“ Springer Wien NewYork
eine gute Übersicht über das gesamte Thema findet man in:
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Neuropsychiatrie, Band 23 Sonderheft 1 – 2009: Forensische Psychiatrie: Psychopathie - Die Renaissance eines Persönlichkeitskonzeptes.
Sonderheft mit vielen interessanten Beiträgen kann aus Internet runter geladen werden unter:
https://www.i-med.ac.at/psychiatry/allgemeine_psychiatrie/forschung/Heft_S23_1.pdf
weiterführende links:
http://de.sott.net/article/1024-Der-Psychopath-Teil-1-Die-Maske-der-Vernunft
ff.
und den folgenden Kommentaren und Kapitel auf dieser Webseite, auch mit weiteren links
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