„Viele Bürger haben die Schnauze voll“

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„Viele Bürger haben die Schnauze voll“
André Poggenburg: Der AfD-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt über den Wahlkampf
und das Umfragehoch seiner Partei
Marcus Schmidt
Die AfD zieht in Sachsen-Anhalt mit dem 40 Jahre alten Unternehmer André Poggenburg in
die Landtagswahl. Poggenburg, der seinen Betrieb zur Reparatur von Autokühlern derzeit
ruhen läßt, gehört dem nationalkonservativen Flügel der AfD an.
Herr Poggenburg, die AfD liegt in Sachsen-Anhalt in den Umfragen kurz vor der Wahl am
13. März bei 17 Prozent. Überrascht Sie das?
Poggenburg: Nein, ehrlich gesagt rechnen wir damit, daß wir am Wahltag sogar 20 Prozent
plus x bekommen. Wir werden damit die SPD auf jeden Fall überholen und mit der
Linkspartei um Platz zwei hinter der CDU kämpfen.
Warum ist die AfD ausgerechnet in Sachsen-Anhalt so stark?
Poggenburg: Im Osten wird der Protest stärker gezeigt als in den westlichen Bundesländern.
Vielleicht, weil das politische Interesse hier noch wacher ist. Daß die Protestbereitschaft
größer ist, zeigt sich ja auch an den vielen Demonstrationen. Das wird sich auch bei den
Wahlen niederschlagen.
Sind das also alles Protestwähler?
Poggenburg: Ein Großteil sicherlich. Andererseits war die AfD in Sachsen-Anhalt bislang
sehr gradlinig. Wir haben immer gesagt: Wir sind liberal- und nationalkonservativ und stehen
rechts von der CDU. Das hatte anfangs zu einigen Protesten geführt – auch innerhalb der
Partei. Aber wir sind unserer Linie treu geblieben. Dazu gehört auch, daß wir uns deutlich
nach ganz rechts abgrenzen. Es gab bei uns keinen Eiertanz. Ich glaube, das kommt gut an.
Viele Bürger haben, um es deutlich zu sagen, die Schnauze voll von einer Politik, die keine
Versprechen mehr hält. Das zeigt sich im Wahlkampf, wenn die CDU plötzlich AfD-Themen
aufgreift. Niemand glaubt ihr mehr. Die Union hat im Gegensatz zu uns keine
Glaubwürdigkeit mehr.
Haben Sie nicht Angst, Sie könnten die hohen Erwartungen der Wähler enttäuschen?
Poggenburg: Nein, aber wir haben sehr großen Respekt vor der anstehenden Arbeit im
Landtag. Wir werden fachlich einiges lernen müssen und als Einsteiger nicht alles gleich
perfekt hinbekommen. Aber wir werden uns dem Gegenwind unserer politischen Gegner
stellen. Uns interessiert einfach auch nicht, wenn irgendeine Zeitung dann schreibt, die AfD
ist rechtspopulistisch, weil wir einen bestimmten Antrag stellen. Wir werden da ganz
glaubwürdig sein und bleiben. Das ist unser Anspruch, und darauf hoffen auch unsere
Wähler.
Welche Themen spielen im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt eine Rolle?
Poggenburg: Natürlich steht auch in Sachsen-Anhalt die Asylkrise im Vordergrund. Das hat
aber weniger mit der AfD zu tun. Das Thema begleitet uns derzeit in Deutschland von
morgens bis abends. Wenn ich jetzt der Presse erkläre, daß wir uns auch für die Stärkung des
Ehrenamts einsetzen, wird das leider kaum wahrgenommen. Alles wird von Themen rund um
Asyl überlagert. Weitere Schwerpunkte der AfD sind die Direkte Demokratie sowie die
Bildungs- und Familienpolitik. Wir fordern beispielsweise kostenfreie Kita-Plätze ab dem
vierten Lebensjahr. Das sehen wir als gesellschaftliche Aufgabe an. Wichtig ist uns auch das
Thema Frühsexualisierung. Wir halten es für unverantwortlich, daß Frühsexualisierung im
Vorschulalter, aber auch in der Grundschule ein solch intensives Thema sein soll. Das gehört
dort nicht hin, sondern in das vorpubertäre Alter. Viele Eltern laufen dagegen Sturm und sind
erbost, weil sie ihre Kinder da hinschicken müssen.
Ihre Parteifreunde in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz berichten von Übergriffen im
Wahlkampf. Haben Sie damit auch zu kämpfen?
Poggenburg: Ja, unsere Plakate werden mit Hakenkreuzen und Hitlerbärtchen beschmiert
oder gleich ganz zerstört. Aber das ist fast auch schon eine Art Wahlkampf für uns. Die
Menschen sehen, was für eine Schieflage wir in unserem Land haben. Hier soll der Erfolg
einer demokratischen Partei verhindert werden, nur weil die Programmatik einigen nicht in
den Kram paßt. Andererseits erleben wir eine unheimliche Unterstützung aus der
Bevölkerung, etwa bei den Unterstützungsunterschriften oder dem Verteilen von Flyern. So
gesehen macht der Wahlkampf richtig Spaß.
Sie sind während des Wahlkampfes mit der Meldung „Haftbefehl gegen Poggenburg“ in die
Schlagzeilen geraten.
Poggenburg: Die Meldung stimmte so nicht ganz. Es gab Hafterzwingungsanträge gegen
mich wegen ausstehender Zahlungen. Aber die wurden alle erledigt, weil ich die Beträge
entsprechend zahlte. Der höchste Betrag, um den es dabei ging, waren ca. 3.000 Euro. Es war
also nie etwas Existenzgefährdendes, und niemand ist zu Schaden gekommen. Aber das ist
egal, es waren meine Versäumnisse. Allerdings stimmt es auch nicht, daß ich insolvent sei.
Ich muß daher nicht in den Landtag, um mich zu sanieren. Im Gegenteil: Ich habe 30.000 bis
50.000 Euro seit 2013 an Fahrtkosten und Verdienstausfall in die Partei investiert. Seit Ende
2015 lasse ich meinen Betrieb ruhen. Sollte es mit dem Einzug in den Landtag nicht klappen,
würde ich dort die Arbeit wieder aufnehmen.
Ihre Partei tritt als Alternative zu den Etablierten an. Schaden Ihnen da solche Schlagzeilen
nicht?
Poggenburg: In den Umfragewerten gab es dadurch keinen Abbruch, im Gegenteil, die
waren weiter gestiegen.
Haben Sie an Rücktritt gedacht?
Poggenburg: Nein, im Gegenteil. Ich bin vom Landesvorstand bestätigt worden. Es wurde
gesagt: „André, laß dich nicht beirren.“ Wir haben im Landesverband einen großen
Zusammenhalt. Und einige Medien wollen ja nichts anderes, als daß wir uns auf der
Zielgeraden zerlegen.
Was hat Sie in die AfD geführt?
Poggenburg: Ich habe meine Heimat in der AfD gefunden, weil sie sich dafür ausspricht, daß
wir in Deutschland zu unserer Identität stehen können, ohne dafür angefeindet zu werden. Das
muß auch in Deutschland endlich normal werden. Wir wissen ob der Verantwortung vor
unserer Geschichte. Aber dennoch muß ein gesundes Nationalgefühl möglich sein, ohne dafür
vom politischen Gegner und Teilen der Medien mit Haßtiraden überschüttet zu werden.
Zudem gefiel mir die Kritik am Euro und dem EU-Zentralismus.