Multidimensionales Risikomanagement

BESCHAFFUNG
Freuen sich über die Auszeichnung
(von links): Jake Stone, Manager Contract & Risk Management; Jan Theissen,
Director Strategy & Methods; Stefan
Wiemers, Project & System Manager.
Multidimensionales Risikomanagement
D
er US-amerikanische Landtechnikkonzern AGCO gehört
mit einem Umsatz von rund elf
Milliarden US-Dollar zu den
weltweit größten Herstellern
von Traktoren und Landmaschinen. Deutschen Landwirten ist vor allem die AGCOMarke Fendt ein Begriff. Weitere Kernmarken sind Challenger, Massey
Ferguson, Valtra und GSI. Die Einkaufsstrukturen des Konzerns waren bis Anfang 2012 regional und markenbezogen.
Das Beschaffungsvolumen ist mit sieben
Milliarden US-Dollar nicht eben klein.
Was AGCO im Einkauf bis dato fehlte,
waren Synergieeffekte durch eine konzernweite Volumen-Bündelung, ein einheitliches Lieferantenmanagement, gemeinsame Prozesse und eine integrierte
IT-Landschaft. Auch das Risikomanagement in der krisengeschüttelten Branche,
die seit einem Jahr unter rückläufigen
Umsätzen und Insolvenzen ihrer speziali26
sierten Zulieferer leidet, war konzernweit
schwierig. Heute ist das anders.
„n-Tier“-Modellierung. Seit knapp einem
halben Jahr verfügt AGCO über eine automatisierte, multidimensionale Risikomanagementlösung („Supply Risk
Network“ von riskmethods), die die gesamte Supply Chain abdeckt und für
alle Risiko-Objekte eine „n-Tier“-Modellierung vornimmt, in der die komplette
Lieferkette mit allen Zulieferern und Sublieferanten einbezogen ist. Für die
durchgängige Umsetzung des konzernweiten Risikomanagements erhielt das
Unternehmen jetzt den BME-Award
„Excellence in eSolutions 2015“.
Bis dahin hat AGCO einiges an Vorarbeit geleistet. So hat der Konzern seine
Einkaufsaktivitäten gebündelt und eine
übergreifende Einkaufsorganisation mit
einer verbindlichen Einkaufsstrategie
geschaffen. Es gibt ein globales Material-
gruppen- und Lieferantenmanagement
mit dem Schwerpunkt Risikoabsicherung.
Eine speziell entwickelte IT-Landschaft
unterstützt die einheitlichen Prozesse zur
Verbesserung der Lieferantenperformance. Der ASPIRE getaufte Ansatz
schafft nicht nur Transparenz, sondern
unterstützt den Einkauf und die Entwicklung gezielt bei der Steigerung der Innovationsfähigkeit durch selektierte und
entwickelte Partner. ACGO erwartet dadadurch einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. „Wir wollten beim Risikomanagement tief in die Lieferkette einsteigen, die
globalen Prozesse berücksichtigen und
sehen, was an den logistischen Knotenpunkten passiert. Heute wissen wir, was
auf dem Land- oder Seeweg geschieht,
was in den kritischen Häfen, aber auch
direkt vor Ort bei unseren Lieferanten“,
erklärt Jan Theissen, Director Strategy &
Methods. Der innovative, ganzheitliche
Ansatz entstehe durch die mehrdimenBIP 3 · 2015, 6. Jahrgang
Foto: Dirk Uebele
Siegerkonzept. Mit einem innovativen Risikomanagementsystem überwacht
der US-Traktoren- und Landmaschinenhersteller AGCO seine weltweite Lieferkette.
Dafür gab es den BME-Award „Excellence in eSolutions 2015“.
sionale Bündelung der Datenquellen.
Compliance-relevante Informationen, Finanzinformationen, Risikoinformationen
aus der Lieferkette und Daten zur Lieferantenperformance, all das fließt in die
Risikobetrachtung ein. „Durch die Informationstiefe und die Verknüpfung erkennen wir schnell, wo wir aktiv werden und
mit was wir rechnen müssen“, erklärt der
Projektverantwortliche. Schließlich biete
nur die Komplettüberwachung der Lieferkette Schutz vor Gefährdung. „Über 50
Prozent der Lieferkettenunterbrechungen resultieren aus den Sub-Lieferantenbeziehungen“, so die Erfahrung von
Heiko Schwarz, Geschäftsführer von
riskmethods.
Kriseninfos in Echtzeit. Die Datenquellen,
aus denen sich die Risikobewertungen
speisen, sind vielfältig. So gehen in die
Betrachtung unter anderem Informationen von Munich RE Nathan (Naturgewalten), Creditsafe (Finanzinformationen),
Format (Prüfung der Sanktionslisten),
Transparency International (Korruptionsrisiken) sowie Weltbank, UN und CIA
(Länderrisiken) ein. Darüber hinaus
durchsucht das System mehr als 300 000
Online- und Social-Media-Quellen. Der
Automatisierungsgrad von 90 Prozent
reduziert den Pflegeaufwand auf ein Minimum. Informationen zu akuten Krisen
erhält AGCO in Echtzeit. AGCOs globaler
Risk Manager Jake Stone sitzt in der
BIP 3 · 2015, 6. Jahrgang
Konzernzentrale in Duluth, Georgia. Bei
ihm laufen die Risikomeldungen zusammen und gehen automatisiert per E-Mail
und iPhone-App an die verantwortlichen
Warengruppenmanager. Übermittelt
werden das Risiko-Event, die Quelle, die
Bedrohungsstufe sowie Schadensinformationen zu betroffenen Lieferanten,
Standorten, Ländern und Warengruppen.
Der Risikomanager muss wöchentlich
rund ein Dutzend Meldungen bewerten
und gegebenenfalls gemeinsam mit den
Fachbereichen und Commodity Managern aktiv werden: „Das zentrale Management stellt sicher, dass wir strukturiert
und standardisiert vorgehen. Eine Stimme in Richtung Management und eine
Stimme zum Lieferanten, dieses Prinzip
haben wir in unseren Prozessen und der
Organisation verankert.“
Im ersten Schritt überwacht das System
die zehn Toplieferanten aus den 25 Warengruppen und damit rund 90 Prozent
des Einkaufsvolumens. Die detaillierten
Risikoprofile beeinflussen die SourcingAktivitäten und Entscheidungen für
Neuvergaben (risikogesteuertes Advanced Sourcing) und fließen in das Lieferantenmanagement und die Warengruppenstrategie ein. Hierfür sind Risk
Management, E-Sourcing sowie Vertrags- und Lieferantenmanagement in
einem zentralen, webbasierten Dashboard zusammengefasst. Auch die Rolle
des Einkaufs hat sich durch das veränder-
te Vorgehen gewandelt. „Einkauf bedeutet, Werte schaffen und bewahren, und da
gehört es für jeden Warengruppenmanager und Einkäufer heute auch dazu, die
damit verbundenen und vielfältiger werdenden Risiken zu managen“, so Theissen. In die Risikobewertung fließen aber
nicht nur die Einschätzungen des Einkaufs.
„Wir wollen unsere Supply Chain besser
verstehen und schauen, wo die Knackpunkte sind. Dazu braucht es die Sichtweisen verschiedener Fachbereiche“, erklärt
Risk Manager Stone. Für ihn liegt deshalb
der Schlüssel zum erfolgreichen Risikomanagement in der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit.
Kosten vermeiden, Umsätze sichern. Von
dem preisgekrönten System verspricht
sich AGCO viel. Durch den Reaktionsvorsprung soll das Vorgehen im Akutfall in
erheblichem Umfang Kosten sparen,
Umsatzausfälle und Preissteigerungen
vermeiden und natürlich Reputationsschäden verhindern. Aufgrund der
hohen Automatisierung macht die Software die manuelle Informationsrecherche und Aktualisierung weitgehend
überflüssig und ermöglicht, kostenpflichtige Datenquellen günstig, weil
konzernweit, zu nutzen. Ein weiterer
Kostenvorteil ergibt sich durch reduzierte CBI-Policen aufgrund der transparenten Lieferketten.
Annette Mühlberger, Fachjournalistin
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