16 Anhang: C ∞ -Zerlegungen der Eins Im ersten Schritt benutzen wir die Exponentialfunktion, um eine C ∞ -Funktion f : R → [0, ∞) zu konstruieren, die ein vorgegebenes Intervall [a, b] ⊂ R als Träger besitzt. Lemma 16.1. Für a, b ∈ R mit a < b wird durch f : R → R, −1 e (x−a)(b−x) ; a < x < b f (x) = 0 ; sonst eine C ∞ -Funktion auf R definiert. Beweis. Wir betrachten zunächst die Funktion e− x1 ; x > 0 g : R → R, g(x) = 0 ; x ≤ 0. Wir zeigen induktiv, dass für jedes k ∈ N die Funktion g k-mal differenzierbar ist mit g (k) (0) = 0 und dass mit einem geeigneten Polynom pk ∈ R[x] gilt p ( 1 )e− x1 ; x > 0 k x (k) g (x) = 0 ; x ≤ 0. Für k = 0 ist dies klar. Ist die Behauptung für ein k ∈ N gezeigt, so folgt zunächst für alle x > 0 1 1 1 1 1 1 1 (k+1) 0 −x g (x) = −pk + pk e = pk+1 e− x 2 2 x x x x x mit pk+1 (x) = (pk (x) − p0k (x))x2 . Hat pk die Form pk (x) = n X ai xi , i=0 so folgt für x > 0 (Satz 11.8 in [Ana2]) g (k) (x) − g (k) (0) = pk x i+1 N X 1 (x↓0) 1 1 −1 1 e x = ai e− x −→ 0. x x x i=0 Also ist g (k + 1)-mal differenzierbar auf R und g (k+1) hat die behauptete Form. Als Komposition von je zwei C∞ -Funktionen sind die Funktion g1 : R → R, g1 (x) = g((b − a)(x − a)), g2 : R → R; g2 (x) = g((b − a)(b − x)) C ∞ auf R. Also ist auch die Funktion f = g1 g2 unendlich oft differenzierbar auf R. Als Folgerung erhalten wir ein erstes Resultat über die Existenz von C ∞ -Abschneidefunktionen. 117 Lemma 16.2. Sei δ > 0 beliebig. Zu δ gibt es eine Funktion ψ ∈ C ∞ (Rn ) mit 0 ≤ ψ ≤ 1, ψ ≡ 1 auf Bδ (0) und ψ ≡ 0 auf Rn \ B2δ (0). Beweis. Seien a, b ∈ R mit a < b und sei f ∈ C ∞ (R) die in Lemma 16.1 definierte C ∞ -Funktion. Dann definiert Zx F : R → R, F (x) = Zb f (t)dt/ a f (t)dt a ∞ eine C -Funktion mit 0 ≤ F ≤ 1 und F ≡ 0 auf (−∞, a], F ≡ 1 auf [b, ∞). Setze η = δ 2 und wähle die Funktion F ∈ C ∞ (R) wie oben zu a = −4η, b = −η. Dann definiert ψ : Rn → R, ψ(x) = F (−kxk2 ) eine C ∞ -Funktion mit den gewünschten Eigenschaften. Lemma 16.3. Sei K ⊂ Rn kompakt und seien Ui ⊂ Rn (i = 1, . . . , r) offen mit K ⊂ U1 ∪ . . . ∪ Ur . Dann gibt es Funktionen f1 , . . . , fr ∈ Cc∞ (Rn ) mit (i) fi ≥ 0 für i = 1, . . . , r, (ii) supp(fi ) ⊂ Ui für i = 1, . . . , r, (iii) Pr i=1 fi ≥ 1 auf K. Beweis. Für jedes x ∈ K wählen wir einen Index i(x) ∈ {1, . . . , r} und ein δx > 0 mit B 2δx (x) ⊂ Ui(x) . Da K kompakt ist, gibt es x1 , . . . , xs ∈ K mit K⊂ s [ Bδxi (xi ). i=1 Nach Lemma 16.2 existieren C ∞ -Funktionen ψ1 , . . . , ψs ∈ Cc∞ (Rn ) mit 0 ≤ ψi ≤ 1 auf Rn , ψi ≡ 1 auf B δxi (xi ) und ψi ≡ 0 auf Rn \ B2δxi (xi ) für i = 1, . . . , s. Nach Konstruktion kann man paarweise disjunkte Indexmengen I1 , . . . , Ir ⊂ {1, . . . , s} Sr wählen so, dass i=1 Ii = {1, . . . , s} ist und B 2δxj (xj ) ⊂ Ui für i = 1, . . . , r und j ∈ Ii . Dann definiert für i = 1, . . . , r fi = X ψj ∈ Cc∞ (Rn ) j∈Ii eine nichtnegative Funktion mit supp(fi ) ⊂ [ supp(ψj ) ⊂ j∈Ii und Pr i=1 fi = Ps j=1 [ j∈Ii ψj ≥ 1 auf K. 118 B 2δxj (xj ) ⊂ Ui Lemma 16.4. Sei K ⊂ Rn kompakt und sei U ⊂ Rn offen mit K ⊂ U . Dann gibt es eine Funktion f ∈ Cc∞ (U ) (siehe Definition 11.1) mit 0 ≤ f ≤ 1 und f ≡ 1 auf K. Beweis. Nach Lemma 16.3 (angewendet mit r = 1) gibt es eine Funktion g ∈ Cc∞ (U ) mit g ≥ 0 auf Rn und g ≥ 1 auf K. Der Beweis von Lemma 16.2 zeigt, dass eine Funktion F ∈ C ∞ (R) existiert mit 0 ≤ F ≤ 1, F ≡ 0 auf (−∞, 0] und F ≡ 1 auf [1, ∞). Dann ist f = F ◦ g ∈ Cc∞ (U ) eine Funktion mit den gewünschten Eigenschaften. Nach diesen Vorbereitungen können wir die Existenz endlicher C ∞ -Zerlegungen der Eins beweisen. Satz 16.5. (C ∞ -Zerlegungen der Eins). Sei K ⊂ Rn kompakt und seien Ui ⊂ Rn (i = 1, . . . , r) offen mit K ⊂ U1 ∪ . . . ∪ Ur . Dann gibt es Funktionen θ1 , . . . , θr ∈ Cc∞ (Rn ) mit (i) 0 ≤ θi ≤ 1 für i = 1, . . . , r, (ii) supp(θi ) ⊂ Ui für i = 1, . . . , r, (iii) Pr i=1 θi ≡ 1 auf K. Beweis. Nach Lemma 16.3 gibt es Funktionen f1 , . . . , fr ∈ Cc∞ (Rn ) mit fi ≥ 0 auf Rn , die die Bedingung Pr (ii) erfüllen und für die i=1 fi ≥ 1 auf K ist. Dann ist K enthalten in der offenen Menge U = {x ∈ Pr n n ∞ Rn ; i=1 fi (x) 6= 0} ⊂ R . Gemäß Lemma 16.4 gibt es eine Funktion f ∈ Cc (U ) mit 0 ≤ f ≤ 1 auf R und f ≡ 1 auf K. Für i = 1, . . . , r definiert θi : Rn → R, f (x)f (x)/ Pr f (x); x ∈ U i j=1 j θi (x) = 0 ; x∈ /U eine C ∞ -Funktion, denn θi |U ist Quotient von C ∞ -Funktionen, θi |Rn \supp(f ) ≡ 0 und U ∪(Rn \supp(f )) = Rn . Offensichtlich erfüllen die Funktionen θ1 , . . . , θr die Bedingungen (i)-(iii) aus Satz 16.5. Eine Familie (θi )ri=1 von Funktionen mit den in Satz 16.5 beschriebenen Eigenschaften nennt man eine C ∞ -Zerlegung der Eins bezüglich der offenen Überdeckung K ⊂ U1 ∪ . . . ∪ Ur . Literatur [ABR] Axler, S., Bourdon, P. and Ramey, W., Harmonic function theory, Springer, New York, 1992 [Cohn] Cohn, D.L., Measure theory, Birkhäuser, 1980. [Ana1] Eschmeier, J., Analysis I, Vorlesungsskript, Universität des Saarlandes, 2013. 119 [Ana2] Eschmeier, J., Analysis II, Vorlesungsskript, Universität des Saarlandes, 2014. [Forster 3] Forster, O., Analysis 3, Springer 2012 120
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