Erinnerungen an die Straßenbahnlinie 6 Nur wenige der einstmals 40 Hamburger Straßenbahnlinien sind über die Jahre ihrer Streckenführung treu geblieben. Durch das Stadtbild mäandernd, tauchten viele von ihnen an allen nur denkbaren Ecken auf und hatten mit ihrer ursprünglichen Route nichts mehr zu tun. Manche wurden eingestellt und auf anderen Wegen neu eingerichtet, andere wurden umnummeriert und blieben tatsächlich doch die alten. Eine der wenigen, die zumindest östlich der City Zeit ihres Bestehens Nummer und Streckenführung treu blieb, war die Linie 6. Von der Vergabe der Liniennummern im Jahre 1900 bis zur Einstellung der Linie am 30. Mai 1965 befuhr sie von der Langen Reihe über die Hamburger und Fuhlsbüttler Straße bis Ohlsdorf immer denselben Weg. Ausnahmen gab es auf dem Westast durch die Steinwege bis zur Reeperbahn; aber auch hier tauchte die 6 immer wieder auf und beendete dort ihr Dasein. Umfangreiche Siedlungsaktivität vor den Toren der damaligen Stadt und entsprechend wachsende Verkehrsnachfrage entstanden 1860 durch Wegfall der Torsperre. Hiervon profitierte in erheblichem Maße das Dorf Barmbeck (ab 1946 ohne „c“), das bis 1894 auf die stattliche Einwohnerzahl von 38.000 wuchs. Ursache war neben dem allgemeinen Bevölkerungswachstum der Abbruch der hafennahen Wohnbebauung von 1.100 Häusern auf dem Brook für den Bau der Speicherstadt, bei dem ca. 20.000 Menschen ihre Wohnung verloren hatten. Bereits die erste der in Hamburg tätigen Straßenbahn-Gesellschaften, die Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft (PEG), richtete 1867 von ihrer Wandsbeker Linie einen Abzweig über die Schürbeker Straße und Mundsburg nach Barmbek Zoll ein. Zu einem weiteren Ausbau im Barmbeker Raum kam es zunächst nicht, erst die neue Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) trieb ab 1880 die Erweiterung des Netzes weiter voran. Bereits ein Jahr später übernahm sie die PEG und sorgte in der Folgezeit für die Verknüpfung der Teilnetze beider Gesellschaften. Führte die Strecke nach Barmbek zuvor noch über Steindamm und Schürbeker Straße, wurde nun eine Verkürzung des Weges durch Verknüpfung mit dem Alsterring in zwei Etappen erreicht: 1881 über Graumannsweg und Kuhmühle und ab 1892 auf dem endgültigen Weg über Mundsburger Damm. Das alles fiel noch in die Pferdebahnzeit und fand unter ausschließlicher Regie der SEG statt. Auf dem westlichen Ast durch die Neustadt nach St. Pauli war die Situation eine andere, da hier bereits eine StraßenbahnGesellschaft etabliert war, die Hamburg-Altonaer PferdebahnGes. (HAP), der die Strecke über Alter und Neuer Steinweg, die Reeperbahn und weiter nach Altona gehörte. Hier trat zudem eine weitere Gesellschaft in Erscheinung: die Große Hamburg-Altonaer Straßenbahn, die trotz ihres Namens nur zwei Linien einrichtete und gerade einmal vier Jahre bestand. Eine davon führte seit 1890 über die Gleise der HAP durch die Neustadt bis zur Reeperbahn. Ein Jahr später übernahm die SEG die „Große“ und bekam damit auch den Zugang zur HAP-Strecke nach St. Pauli für die spätere Linie 6. Bis zur Fertigstellung der letzten Erweiterung der zukünftigen „6“ auf dem östlichen Ast von Barmbek bis Ohlsdorf vergingen noch einmal drei Jahre. Die Stadt Hamburg hatte zu Beginn der 1870er Jahre in Ohlsdorf ein großes Areal gekauft, um dort die zentrale Begräbnisstätte für Hamburg einzurichten. Erste Beisetzungen in dem groß angelegten Parkfriedhof fanden 1877 statt. Die erste Bahnverbindung führte ab Juli 1880 vom Winterhuder Markt über die Alsterdorfer Straße dorthin, ab 1900 als „28“, nach dem Zweiten Weltkrieg in der Flughafenlinie 9 aufgehend. Als zweites kam 1895 die Verlängerung der Barmbeker Straßenbahn entlang der Fuhlsbüttler Straße hinzu. Im Jahr zuvor war mit der Elektrifizierung des Pferdebahnnetzes begonnen worden. Neue Linien, wie die zukünftige „6“, wurden von Beginn an elektrisch betrieben. Seit Januar 1895 war der Abschnitt Rathausmarkt - Barmbek elektrisch befahrbar, im April die Verlängerung nach Ohlsdorf. Die ältere Linie von Winterhude wurde hingegen vorerst noch mit Pferden betrieben. Im Mai 1895 kam die Strecke durch die Neustadt zur Reeperbahn unter Fahrdraht. Am 31. Mai 1895 schließlich wurde die Ohlsdorfer Linie über Rathausmarkt nach St. Pauli durchgebunden; damit hatte die spätere Linie 6 ihren Weg gefunden, den sie bis zum Ende im Mai 1965 – wenn auch mit zwischenzeitlichen Abweichungen – behalten sollte. Da es im Jahre 1895 noch keine Liniennummern gab, galt als Erkennungsmerkmal für die Linie von St. Pauli über Barmbek nach Ohlsdorf ein weißer fünfzackiger Stern auf grünem Kreis. Dieser Stern – in verschiedenen Farbgebungen – war im Übrigen das Kennzeichen aller SEGLinien, die über die Reeperbahn fuhren (nach Barmbek ab 1900 Linien 6,8,9); Barmbeker Linien, die nicht über die Reeperbahn kamen, trugen ein „B“ (ab 1900 Linie 7, 20). Nach zehn Jahren verschwand die „6“ vorerst wieder aus St. Pauli; 1905 verschwenkte die SEG sie vom Millerntor über Schulterblatt zum Eimsbüttler Markt. Ab 1910 verließ sie ihren angestammten Weg schon am Rathausmarkt und führte über Dammtor und Grindelallee zum Eppendorfer Krankenhaus. Unter der Hamburger Hochbahn, die die SEG 1918 über- nommen hatte, kam als neues Ziel 1925 Groß Borstel, 1929 wieder St. Pauli und 1932 für ein Jahr der Hohenzollernring. Barmbek und auch Ohlsdorf erreichte man seit 1906 bzw. 1912/14 auch mit der heutigen S- bzw. U-Bahn. Eine Besonderheit war der ab 1926/30 zunächst von Privatunternehmern durchgeführte und erst seit 1933/34 zur städtischen HHA gehörende Autobusbetrieb innerhalb des Ohlsdorfer Friedhofs, den man auch mit der Linie 6 erreichen konnte. Ab 1929 kam die „6“ dann wieder nach St. Pauli, nun aber nicht mehr über Rathausmarkt, sondern den Wallring. Nach verschiedenen kriegsbedingten, kurzfristigen Änderungen endete der Betrieb mit der Kapitulation Hamburgs am 3. Mai 1945. Das wichtigste Einzugsgebiet der „6“, Barmbek, war nahezu vollständig zerstört. Dennoch bestand ein Verkehrsbedürfnis, da auch die entlang der Hamburger Straße seit 1912 parallel zur Straßenbahn verlaufende Hochbahn-Strecke 1943 unterbrochen und erst 1950 wieder durchgehend befahrbar war. In Teilschritten nahm die „6“ ab 16. Mai 1945 ihren Betrieb wieder auf und konnte ab Januar 1946 wieder auf ganzer Länge von Ohlsdorf bis St. Pauli fahren, allerdings immer noch über Wallring und Glacischaussee. Der Weg über die Steinwege war für die Straßenbahn noch nicht wieder frei. Unabhängig davon kam es bereits im März 1946 zu einer Verlängerung im Westen über die Große Bergstraße zum Bf. Altona. Bis 1943 war hier die „31“ (Bahrenfeld-Billstedt) verlaufen, die nach dem Krieg über Palmaille-Landungsbrücken geführt wurde. Durch Tausch mit der „30“ übernahm die „6“ ab November 1950 die Bedienung zum Hochrad über Bernadottestraße statt Philosophenweg, fuhr zwischen Altona und Ohlsdorf auch im wieder eingeführten Nachtbetrieb, gab ab Mai 1951 in der Neustadt ein kurzes Intermezzo in der KaiserWilhelm-Straße und konnte ab Mai 1952 endlich wieder stadtauswärts über Großneumarkt / stadteinwärts ab Zeughausmarkt über Michaelisstraße fahren. Erleichterungen im Betriebsablauf brachte eine Kehrschleife am Endpunkt Hochrad 1952, so dass Einrichtungswagen zum Einsatz kommen konnten sowie 1953 eine Schleife an der Brambergstraße hinter dem Barmbeker Krankenhaus. Von hier aus fuhren Verstärkerzüge bis zur Kehre Bleickenallee (Ziel „Ottensen“). Im Zuge des Baus der heutigen LudwigErhard-Straße wurde die Straßenbahn 1957 aus der Michaelisstraße herausgenommen und auch in östlicher Richtung über Neuer und Alter Steinweg geleitet, die dafür ein zweites Gleis erhielten. Damit hatte die Linie 6 den Zenit ihrer Existenz erreicht. Der Niedergang begann im Mai 1959 mit der Stillegung der Strecke über den Westteil der Reeperbahn und die Große Bergstraße, welche Hamburgs erste Fußgängerzone wurde. Die „6“ wurde, um weiterhin nach Hochrad fahren zu können, noch für ein gutes Jahr wie Linie 1 (ex 31) über Landungsbrücken geleitet, dann gab sie diesen Ast an die „7“ ab und fuhr ab Oktober 1960 wieder zur Reeperbahn, wo sie bis zu ihrer Stilllegung am 30. Mai 1965 am Hamburger Berg wendete. Etwa zwei Jahre sah man danach auf der Reeperbahn noch Straßenbahnen, solange die „14“ (Alsterhalbring) von Eimsbüttel ihre Blockumfahrt hierher machte. Auf der anderen Seite hingegen war es mit der Straßenbahn nordöstlich der Mundsburger Brücke nach Mai 1965 vorbei. Die Gleise wurden entfernt, der Betriebshof am Mesterkamp war nach seiner Zerstörung 1943 nur für Busse wieder aufgebaut, der Betriebshof Ohlsdorf schon 1962 aufgegeben und vermietet worden. Die Straßenbahn nutzte das Gelände dort aber bis zum Schluss als Kehrschleife. Heute ist das Grundstück mit Wohnhäusern überbaut, nur der alte Warte-Pavillion hat denkmalgeschützt als Atelier einer Künstlerin überlebt. Nach Eröffnung der Wandsbeker U-Bahn 1962/63 fuhr ein Großteil der Fahrgäste aus den Walddörfern über eben diese Route, womit in den Hochbahn-Zügen auf dem Ring Platz für die bisherigen Straßenbahn-Kunden der „6“,“9“ und „16“ war, die die Stationen Barmbek und Dehnhaide fortan per Zubringerbus erreichten (sog. „gebrochener Verkehr“). 1967 kam der einheitliche HVV-Tarif, so dass man mit ein und demselben Fahrschein auch in die S-Bahn der DB umsteigen durfte. Parallel zur U-Bahn fährt entlang der Hamburger Straße seitdem nur noch der Schnellbus (Linie 37). Mit den Straßenbahn-Nachfolge-Stadtbuslinien (1)72 & (1)73 hingegen nutzte man die Chance, zuvor nur vom Schnellbus und der Alsterschifffahrt durchfahrene Gebiete in der Jarrestadt und im Musikerviertel fortan zum Normaltarif an das ÖPNV-Netz anzubinden und sie auch im Norden über die früheren Endstellen der Straßenbahn hinaus zu verlängern bzw. neue Zweiglinien (z.B. die 272 - die heutige M7 - nach Steilshoop) einzurichten. Wer wir sind und was wir machen… Der Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, Schienenfahrzeuge zu sammeln, zu restaurieren und zu erhalten, die im norddeutschen Raum auf Straßen– und Eisenbahngleisen in der Vergangenheit das Bild des öffentlichen Nahverkehrs geprägt haben. Mit dem Lokschuppen Aumühle besitzen wir seit 1972 Werkstatt- und Ausstellungsräumlichkeiten, in denen die Fahrzeuge aus dem Staats-, Kleinbahn- und S-Bahn-Bereich nach und nach als Ausstellungsobjekte oder für den Einsatz auf der Museumsbahn hergerichtet werden. Außerdem finden hier regelmäßig Ausstellungen zu Themen der hamburgischen Nahverkehrsgeschichte statt. Vom Museumsbahnhof Schönberger Strand an der Ostsee bei Kiel fahren seit 1976 unsere historischen Kleinbahnzüge nach Schönberg(Holst) bzw. Kiel ab. Als stilechte Ergänzung starten seit 1993 vom Bahnhofsvorplatz Straßenbahnwagen aus Hamburg, Hannover und Kiel zu Fahrten auf den Gleisen der Museumsstraßenbahn. Der Betrieb auf den Schönberger Museumsbahnen beginnt jedes Jahr im April und endet im Oktober. Den Fahrplan gibt es u.a. im Internet unter www.vvm-museumsbahn.de. Zudem betreiben wir das Nahverkehrsmuseum Kleinbahnhof Wohldorf im Gebäuderest des früheren Endbahnhofs der elektrischen Kleinbahn Altrahlstedt – Volksdorf, die 1961 dort ihren Restbetrieb einstellen musste. Hier zeigen wir Dokumente und Realien zur Geschichte dieser Bahn und zu ihrer Einbettung in den gesamten Hamburger Nahverkehr. Wenn Sie sich für uns interessieren… …werden Sie doch Mitglied! Für 60,00 € (ab 2016 80,00 €) Jahresbeitrag gehören Sie zu einer Gruppe von ca. 280 Gleichgesinnten, können sich aktiv an den vielfältigen Aufgaben innerhalb des Vereins beteiligen und erhalten regelmäßig unser Mitteilungsblatt Hamburger NahverkehrsNachrichten (HN) mit aktuellen Berichten über die Museumsbahnen sowie das Nahverkehrsgeschehen in Hamburg und seinem norddeutschen Umfeld. ***** Jahres-Chronik 2015 Wie schon im Jahre zuvor lassen wir in einer Chronik die Ereignisse im Nahverkehr des Nordens Revue passieren. ***** Vorschau: Im Sommer 2016 wollen wir daran erinnern, dass vor 150 Jahren zum ersten Mal eine Straßenbahn in Hamburg fuhr. Wir zeigen den Beginn, Aufstieg und Niedergang, Versuche der Erneuerung sowie die museale Bewahrung. Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn e. V. (gemeinnützig) Wenn Sie sich zur Mitgliedschaft noch nicht entschließen können, abonnieren Sie doch die HN und lassen Sie sich über das Geschehen auf dem Laufenden halten. Im übrigen finden monatlich in Kiel und Hamburg Mitgliedertreffen sowie Film- und Diaabende statt, bei denen auch interessierte Gäste gern gesehen sind. Fragen Sie doch mal! Kontaktanschrift und Fragen: Dr. Harald Elsner Kollaustraße 177, 22453 Hamburg www.vvm-museumsbahn.de Erinnerungen an die Linie 6 Jahres-Chronik 2015 78. Sonderschau Vom 3. Oktober 2015 bis 6. März 2016 sonntags von 11 bis 17 Uhr Besondere Aktionstage: 3. Oktober + 1. November 2015 Amateurfilme – Dias – Fahrzeugschau Modellstraßenbahn – Lehrstellwerk Draisinen- und Feldbahnfahrten – Buffetwagen www.vvm-museumsbahn.de
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