Affiziert-Sein – Produktionsweisen der Außeralltäglichkeit

Call for Papers für eine Ad‐Hoc‐Gruppe am 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bamberg, 26.‐30.09.2016 Affiziert‐Sein – Produktionsweisen der Außeralltäglichkeit Neben einem breiten Interesse der Soziologie am Alltäglichen, Profanen und Ordinären hat sich das Fach seit seinen Anfängen – man denke nur an die Rolle des Sakralen in Durkheims Religionssoziolo‐
gie – für das Außeralltägliche, Besondere und Außergewöhnliche interessiert: Kultursoziologische Studien zu religiösen Riten und Festen sowie zu diversen Events (wie Sportereignissen oder politi‐
schen Veranstaltungen) legen ein breites Zeugnis davon ab. Immer wieder geriet dabei auch das Ver‐
hältnis von Außeralltäglichkeit und Affektivität in den Blick. Seltener wurde dieses Verhältnis aller‐
dings explizit und systematisch Gegenstand empirischer Untersuchungen und theoretischer Reflexi‐
on. Hierfür möchte die Ad‐Hoc‐Gruppe ein Forum für Austausch und Diskussion bieten. Der Zusammenhang zwischen Außeralltäglichkeit und einer besonderen Affiziertheit der beteiligten Handelnden erscheint zunächst unproblematisch. Doch greifen gängige Interpretationen, die entwe‐
der affektives Erleben als mechanische ‚Gefühlsreaktion‘ auf Außeralltäglichkeit charakterisieren, oder aber – in die umgekehrte Richtung – affektive Erfahrungen gleichsam als ‚Vehikel‘ der Herstel‐
lung von Außeralltäglichkeit auffassen, zu kurz. Vortragende sollen dementsprechend dazu angehal‐
ten werden, die reziproken und rekursiven Bedingungsverhältnisse und die komplexen Verweisungs‐
zusammenhänge von Außeralltäglichkeit und Affektivität genauer in den Blick zu nehmen. Deren Rekonstruktion erlaubt es, so die These, beide Seiten der Medaille zu erhellen und der Vielschichtig‐
keit von Phänomenen gerecht zu werden. Die Affektivität des Sozialen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und ihre jeweiligen Funktionen lässt sich dabei gerade an den ‚Schnittstellen‘ zwi‐
schen Alltag und Nicht‐Alltag bzw. an den Grenzen der Alltagswelt beispielhaft studieren. Dies gilt nicht nur für kurzlebige außeralltägliche affektive Episoden wie Erfahrungen des Überrascht‐
Seins. Auch bei der geplanten Herstellung von Außeralltäglichkeit müssen affektive Übergänge ge‐
schaffen werden – etwa durch Einstimmungen und emotionales Engagement, Prozesse des Sich‐
Fallen‐Lassens oder der Etablierung hintergründiger affektiver Erwartungen. Die Beschäftigung mit außeralltäglichen Phänomenen und Ereignissen scheint dementsprechend in besonderem Maße dazu angetan zu sein, der sozialen Bedeutung heterogener Formen des Affektiven auch jenseits diskreter Emotionen nachzuspüren – man denke etwa an Stimmungen und Atmosphären. In den Blick sollen dabei die „sozialen Experimentierräume“ (Willems), „kontrollierte Vergesellschaf‐
tung[en] des Außergewöhnlichen“ (Luckmann), Produkte „emotionaler Grenzziehungen“ (Illouz) und allgemein jene affektiven Räume bzw. Praktiken (Reckwitz) geraten, die sich der Produktion und/oder Bearbeitung von Außeralltäglichkeit verschrieben haben. Es handelt sich dabei um jene ‚geschlossenen‘, sich von der Alltagswelt abgrenzenden Sinnbezirke, denen einerseits das Potenzial zugeschrieben wird, Erfahrungen von Präsenz und Unmittelbarkeit (Gumbrecht), thrill und excitment oder Ruhe und Entnetzung (Stäheli) zu ermöglichen. Auf der anderen Seite lassen außeralltägliche Situationen Gefühle anomischer Orientierungslosigkeit entstehen oder stellen Zonen politischer und populistischer bis hin zu demagogischer Mobilisierung dar. 1 Vorträge, die sich konstruktiv und kritisch mit den vorgetragenen Thesen auseinandersetzen, können z.B. folgende Fragen und Themen zum Gegenstand haben: 
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Theoretisch informierte begriffsanalytische Auseinandersetzungen: Wie lassen sich Schlüs‐
selkonzepte wie Alltag, Außeralltäglichkeit oder Affektivität definieren und ihr Zusammen‐
hang erfassen? Qualitative bzw. ethnographische Studien zur situativen Herstellung von Außeralltäglichkeit unter Einbezug der Bedeutung unterschiedlicher Formen des Affektiven: Mittels welcher konkreter Praktiken und Methoden, Arrangements und Infrastrukturen (wie z.B. Architektu‐
ren) wird Außeralltäglichkeit produziert? Übergänge zwischen Alltag und Nicht‐Alltag und mögliche Ambivalenzen und Paradoxien im Hinblick auf Schließungs‐, Öffnungs‐ und ‚Grenzmanagement‘‐Prozesse: Inwieweit und in welcher Art und Weise dient etwa das Alltägliche im Außeralltäglichen als notwendige ‚Kon‐
trastfolie‘, das gesteigertes affektives Erleben als solches erst verbürgt? Die Rolle affektbezogener Diskurse und Imaginäre: Wie werden außeralltägliche und disrup‐
tive Praktiken im Zusammenhang mit Affektivität gerechtfertigt, gerahmt und – positiv wie negativ – konnotiert? Gesellschaftstheoretische Perspektiven: Welche ‚Funktionen‘ kommen der Herstellung affek‐
tiv erfahrener Außeralltäglichkeit in und zwischen unterschiedlichen Kulturen, Milieus und Gesellschaften zu? Welche institutionellen, organisatorischen und gesamtgesellschaftlichen Bedingungen erzeugen Angebot und Nachfrage? Bitte senden Sie Ihre Vortragsvorschläge (max. 2.400 Zeichen inkl. Leerzeichen) bis zum 20.04.2016 an Alexander Antony ([email protected]), Michael Hubrich ([email protected]) und Basil Wiesse ([email protected]). Die Vorträge sollten eine Länge von 25 Minuten nicht überschreiten. Über die Annahme der Abstracts wird zeitnah entschieden. 2