So lebten Juden früher - Alte Synagoge Petershagen

14 Mindener Tageblatt
Petershagen
Nr. 260 · Samstag, 7. November 2015
Eine weißrussische Schülergruppe aus Grodno erfuhr bei ihrem Besuch in Petershagen Einzelheiten über Ausstattung und Anordnung der Synagoge und über individuelle Schicksale. Unter der Leitung von Wolfgang Battermann (3. v. r.) wurden OrigiFoto: Ulrich Westermann
nalgegenstände aus jüdischen Haushalten besichtigt.
So lebten Juden früher
Schülergruppe aus Weißrussland besucht in Petershagen das Informations- und
Dokumentationszentrum für jüdische Orts- und Regionalgeschichte.
Von Ulrich Westermann
Petershagen (Wes). Eine weißrussische
Schülergruppe aus Grodno besuchte in
Petershagen das Informations- und Dokumentationszentrum für jüdische Ortsund Regionalgeschichte.
21 Jungen und Mädchen waren zehn
Tage lang in der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule in Minden zu Gast. Die Organisation hatte Janine Kannegießer von der KTG
übernommen. Der Austausch mit der
Schule Nr. 15 in Grodno fand bereits zum
24. Mal statt.
Dabei geht es nicht um einen Besuch
der Schulen untereinander, sondern immer auch um gezielte Projektarbeit. Themen waren diesmal die erneuerbaren
Energien in Deutschland, interkulturelle
Kontakte und das jüdische Leben rund
um Minden.
Eine Station dabei war die Petershäger
Altstadt mit dem Synagogengebäude und
der benachbarten ehemaligen Schule.
Dort gab ihnen Wolfgang Battermann
von der Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen einen Einblick in das
frühere jüdische Leben. Unter dem Arbeitstitel „Nachhaltiges Lernen für eine
bessere Zukunft“ hatten sich die weißrussischen Schüler zum Ziel gesetzt, auf breiter Basis Wissen zu erwerben und Dinge
in größeren Zusammenhängen zu erfassen. „Sie wünschten sich, jüdische Geschichte zum Anfassen zu erfahren und
nicht die theoretische Auseinandersetzung damit“, betonte Wolfgang Battermann.
In Petershagen trafen die Besucher aus
Weißrussland auf ein komplett erhaltenes, in Norddeutschland einzigartiges jüdisches Zentrum, in dessen Mittelpunkt
die Synagoge und die ehemalige Schule
mit der Mikwe, dem Ritualbad der Juden,
jüdischen Mitbürger von Petershagen.
Besonders wurde dem Pogrom vor 77 Jahren mit der Ablaufschilderung am 9. und
10. November 1938 vor Ort gedacht. Beeindruckt und betroffen waren die Jungen und Mädchen, als sie im Zentrum der
Synagoge Sammelobjekte der jüdischen
Kultur und Religion (Judaika) in Augenschein nehmen konnten.
Zudem wurden in einer Dauerausstellung Originalgegenstände aus jüdischen
Haushalten in Petershagen und Umgebung präsentiert. Dabei geht es
unter anderem um Bücher, ein
Grabsteinfragment des jüdischen Friedhofs in Petershagen
„Sie wünschen sich, jüdische Geschichte
und eine Truhe von Erna Menzum Anfassen zu erfahren.“
del, die 1899 in Ovenstädt geboren wurde.
Weitere Gegenstände sind ein
gusseiserner Ofen aus einem
stehen. Dazu kommen der jüdische Fried- Mindener Haushalt und eine Brotschneihof (heute Gedenkstätte), frühere jüdi- demaschine der jüdischen Familie Hertz
sche Wohnhäuser und Stolpersteine auf aus Petershagen. Zu den Ausstellungsstüden Gehwegen vor diesen Gebäuden. Bat- cken gehört auch eine Sitzbank aus der
termann wies darauf hin, dass die jüdi- Synagoge in Osterode. Nach der Pogromschen Mitbürger heute fehlten. Die Natio- nacht 1938 gelangte diese Bank zunächst
nalsozialisten hätten 63 von 66 ermordet. nach Hannover und dann nach StadthaDie drei Überlebenden seien mittlerweile gen. 2013 wurde sie dem Förderverein der
verstorben, führte er weiter aus.
ehemaligen Synagoge in Stadthagen
Ein wichtiger Aspekt beim Rundgang übergeben und kurz danach als Leihgabe
durch die Gebäude war das Schicksal der in Petershagen aufgestellt.