„Entdeckungsraum Verwaltung“ Ob geboren, geheiratet oder gestorben wird, das Auto ab-, an- oder umgemeldet werden muss, das Haus gebaut, der Privatwald angelegt oder der Kindergarten in Betrieb genommen werden kann, ein Gastronom eine Konzession erhält, ob, wo und welches Verbotsschild aufgestellt wird, wer wieviel und welche Sozialleistungen erhält, wer wieviel und welche Grundsteuern oder Abgaben zu zahlen hat, einen Reisepass beantragen will oder eine Beglaubigung braucht, eine Fronleichnamsprozession durchführen oder eine Demonstration abhalten will, wer, wo, wie, wann, wie lange und für welche Gebühr mit seinem Auto parken darf, wer eine Grabstätte benötigt oder einen Wohngeldzuschuss, wer den Hahn des Nachbarn nicht in seinem Garten dulden will, genauso wenig wie dessen schwarze Mamba - sie alle benötigen dazu die Verwaltung. Da man „die Verwaltung“ in allen Lebenslagen braucht, ist sie etwas, was jeder kennt, womit jeder Erfahrungen gemacht hat, worüber jeder reden kann. Verwaltung ist aus dem Leben der Menschen nicht wegzudenken, sie ist omnipräsent. Aufgrund spezifischer Abläufe im Verwaltungshandeln, das eigenen Regeln unterworfen ist, trifft der Bürger auf ein System, dass in seinen Entscheidungen eine Nachvollziehbarkeit nach definierten Regeln gewährleisten muss. Diese dem Recht, den Gesetzen und Verordnungen geschuldete Strukturierung wirkt für viele Nutzer irritierend, da diese, oft aus Mangel an Detailkenntnis, das Regelwerk nicht verstehen, nach dem Verwaltung funktioniert und funktionieren muss. In diesem Bereich können Kommunikationsprobleme und Reibungspunkte entstehen. Da dies vielen Menschen so geht, sind ganz unterschiedliche Stereotype über Verwaltung entstanden, die die Menschen, die dort arbeiten, mit einbeziehen. Bemerkungen wie:„Schnarchnasenverein“, „typisch Behörde“, oder der Hinweis auf „Beamtenwitze“, „Karikaturen“ oder „Spottlieder“ verdeutlichen die Spannbreite dieses Unbehagens. In der Regel transportieren sie ein Negativimage von Verwaltung. Ein Positivimage von Verwaltung ist in der Regel mit Distanz verbunden. Das Fotoprojekt „Entdeckungsraum Verwaltung“, das von Fotografin Maren Katerbau durchgeführt und der Leiterin des Stadtarchivs Bad Kreuznach Franziska Blum-Gabelmann begleitet wird, will mit fotografischen Mitteln eine Annäherung an die Stadtverwaltung Bad Kreuznach und zugleich deren Dokumentation erreichen. Dies eröffnet den Blick auf den Menschen in der Verwaltung, auf deren menschliches Gesicht, aber auch auf die reale Arbeitssituation, auf die Räumlichkeiten und Begrenzungen, in denen sich Mitarbeiter der Verwaltung bewegen. Wie sieht Verwaltung aus, dort wo kein Bürger hinkommt? Frau Katerbau nimmt dazu einen Perspektiv- und Standortwechsel vor. Sie gelangt hinter den Tresen, blickt hinter die Fassaden. Sie kann sich deshalb vom vorgegebenen eindimensionalen „Schalterblick“ des Bürgers lösen und weitgehend frei bewegen. Damit kann sie Verwaltung als Entdeckungsraum begreifen und nutzen, einen Raum, der ihr zudem als Außenstehender per se fremd ist. Frau Katerbau fotografiert weitgehend unbeschränkt in den Fluren, den Aufenthalts- und Sozialräumen, den Besprechungs- und Sitzungszimmern, den Arbeitsstätten und den Büros der städtischen Mitarbeiter. Sie dokumentiert, was sie vorfindet: die Innenansicht einer scheinbar bekannten Sphäre. Daraus wählt sie subjektiv Ausschnitte. Oft sind es Kompositionen von Gegenständen, die miteinander in einem Bezug stehen und insbesondere an Arbeitsplätzen und in den Büros von den Mitarbeitern der Verwaltung unbewusst oder bewusst so gestaltet wurden; Zeugnisse einer individuellen, spezifischen Raumgestaltung unter begrenzten und reglementierten Rahmenbedingungen und Möglichkeiten. Katerbau dokumentiert das Sichtbare. Sie bildet das Systemeigene ab und versucht sich dem nicht Offensichtlichen, dem Non-verbalen, dem Unausgesprochen oder gar Systemfremden zu nähern. Katerbau hält in ihren Fotografien einen Spannungsbogen fest, der sich zwischen dem Vorgefundenen und dem Versteckten bewegt. Dabei nimmt sie keine Wertung vor, sondern lässt sich von ihren Entdeckungen treiben, die sie durch die vielen Gebäude der Verwaltung führen, wo sie Menschen begegnet, die sie portraitiert, wenn diese es zulassen. Damit dokumentiert sie nicht nur eine weitgehend verborgene Innensicht der Verwaltung, sondern auch deren menschliches Gesicht. Bisher entstandenen mehrere Fotos, allesamt Ausschnitte aus dem Verwaltungsinnenleben. Die farbigen Fotografien von Katerbau vermitteln eine Distanz, die vergessen lässt, dass der Betrachter Sequenzen aus real existierenden Räumen sieht. Scheinbar Belangloses gewinnt in diesen entkontextualisierten, komponiert wirkenden Darstellungen eine andere Bedeutung. Sie wirken teilweise wie barocke Stillleben und bilden doch ab, was in Räumen der Verwaltung vorgefunden wurde. Dieser Text soll nur eine kurze Orientierung über das Projekt sein. Das Projekt wird in Intervallen bis voraussichtlich 2020 fortgeführt. Aktuell ist eine Ausstellung Ende November geplant, zu der alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung herzlich eingeladen sind. Zur Veranschaulichung des Vorgehens von Frau Katerbau sind hier einige Fotos eingestellt, die 2014 und 2015 entstanden sind.
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