Über den Zustand der Europäischen Union im Herbst 2015 Eine Fragestunde der Siebtklässler der ESK mit Herrn Daniel Caspary, MdEP Die Europäische Schule Karlsruhe hat die natürliche Aufgabe, das Bewusstsein für die Annäherung der Länder Europas zu fördern. Aus diesem Grund hat die Oberschulbibliothek ein Sondersammelgebiet Literatur zur Europäischen Union begründet. Dort werden Titel gesammelt, die sich explizit mit der komplexen Materie befassen. Da man die Europäische Union jedoch nicht ins Regal stellen kann, soll eine Veranstaltungsreihe der Oberschulbibliothek einmal jährlich die europäische Union zum Thema machen. Die Veranstaltung vom 23.10 wurde von allen Lehrern des Faches Sciences Humaines intensiv im Unterricht vorbereitet. Die europäische Einigung geht seit Jahren durch schwierige Zeiten. Es besteht Bedarf an optimistischer Perspektive. Mehrfach wurden Aufrufe in namhaften Zeitschriften veröffentlicht, die Vorschläge machen, wie die Entwicklung in die Nähe der früheren optimistischen Sichtweise zurückgeführt werden kann. Auf diesem Hintergrund stellte sich am 23. Oktober 2015 Herr Daniel Caspary, MdEP, in der Aula der ESK den Fragen junger EU-Bürger von der Europäischen Schule. Da Herr Caspary ausgewiesener Handelsexperte ist, nahmen etliche Fragen Bezug darauf. Wir lernten, dass die EU Handelsverträge mit 11 Ländern geschlossen hat: offener Warenaustausch bringt Wohlstand. Beim Thema TTIP wurden die Zuhörer mit einem Kurzlehrgang in politischer Verhandlungsführung geschult. Die meisten Fragen bezogen sich auf die aktuelle Immigrationsproblematik. Dass sich das relativ wohlhabende EU-Europa seinen humanitären Verpflichtungen nicht verweigern wird, steht außer Frage, die näheren Umstände, wie das für alle Seiten angemessen zu geschehen hat, sind Gegenstand der politischen Diskussion. Auch die Vorgehensweise der ungarischen Regierung, die einen Zaun bauen ließ, wurde zum Thema, und mit einer differenzierten Antwort gewürdigt: da die EU seit den Schengen-Verträgen (1985) praktisch keine Binnengrenzen mehr hat, müssen die Außengrenzen geschützt werden. Wie das geschieht, steht in der Verantwortung der jeweiligen Regierung. Nichts zu tun, obwohl vertragliche Verpflichtungen bestehen, ist die schlechtere Lösung. Weitere Fragen bezogen sich auf die Separatismus-Tendenzen in einigen Staaten und dem „offiziellen“ Umgang damit, insbesondere auf Eingriffsmöglichkeiten der EU-Institutionen. Ein Problem aller Beobachter ist, die begrenzte Kompetenz der zahlreichen EU-Institutionen zu verstehen. Das „Sagen“ in der EU hat der Europäische Rat, das Entscheidungsgremium der Regierungschefs souveräner Staaten. Als Fazit des Gesprächs bleibt haften: Die EU hat genügend Regeln und Gesetze für eine den Aufgaben entsprechende Leistung, sie müssen nur angewendet werden. Herr Caspary ließ sogar offen, ob man wirklich alle Regeln benötigt. Der Kern des Problems ist, dass die EU eine Rechtsordnung ohne Vollstreckungsorgane besitzt, alles beruht auf Freiwilligkeit. Lediglich die EURO-Gruppe hat mit der gemeinsamen Währung einen wesentlichen Teil ihrer staatlichen Souveränität aufgegeben. Die Weiterentwicklung der EU funktioniert nach Erkenntnis des Gastes derzeit so, dass nur Probleme, deren ein einzelner Staat nicht mehr Herr wird, die Solidargemeinschaft wachrütteln und zu begrenzten Weiterentwicklungen führen. Siehe das Bankenrettungssystem. Die optimistische Standardfrage, ob die Zukunft Europas in einem Staatenbund (wie bisher), oder einem Bundesstaat (Modell USA) liegen soll, wird derzeit und angesichts der anstehenden Probleme als akademisch eingestuft. N. Skurcz Oberschulbibliothek
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