Hausarbeit im Öffentlichen Recht für Anfänger SS 2016

Prof. Dr. Heinrich de Wall
FRIEDRICH-ALEXANDER
UNIVERSITÄT
ERLANGEN-NÜRNBERG
Lehrstuhl für Kirchenrecht,
Staats- und Verwaltungsrecht
FACHBEREICH
RECHTSWISSENSCHAFT
Hausarbeit im Öffentlichen Recht
für Anfänger SS 2016
In den strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands ist zwischen den einzelnen Gemeinden
ein Wettstreit um die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen entbrannt. Jede Gemeinde
versucht, durch noch größere Anreize Gewerbe anzulocken. Ein besonders beliebtes
Instrument der Kommunen ist die Senkung des Hebesatzes der Gewerbesteuer, wodurch auch
die Steuerlast der Unternehmen gesenkt wird. Das ist im Wettbewerb um Unternehmen ein
Standortvorteil.
Die Regierungskoalition des Bundes möchte durch eine einheitliche Regelung der Steuern den
Wettstreit der Gemeinden unterbinden. Deshalb soll ein Mindesthebesatz von 200% im
GewStG festgeschrieben werden. Es bleibt jedoch auch nach der Änderung freigestellt, einen
höheren Hebesatz festzusetzen.
Bei den Beratungen des Gesetzes im Bundestag griff der Abgeordnete C seinen Vorredner X
aus der ökologisch orientierten Regierungspartei an mit den Worten: „Sie Hippie, Sie hatten ja
noch nie Ahnung von Wirtschaftszusammenhängen! Wie kommen nur so vollkommene
Trottel wie Sie und Ihresgleichen in die Regierung?“ Der Bundestagspräsident rügte, dass C
von dieser unparlamentarischen Ausdrucksweise Abstand nehmen möge. Doch C redete sich
derart in Rage, dass er sämtlichen Befürwortern der Gesetzesänderung den Verstand absprach
und sie als „der Kanzlerin hörige Idioten“ bezeichnete. Darauf erhielt er vom
Bundestagspräsidenten einen Ordnungsruf. Während seiner weiteren Rede bemühte sich C
zwar um eine angemessene Ausdrucksweise, überschritt aber die ihm zugeteilte Redezeit um
5 Minuten, ohne zum Ende seiner Rede zu kommen. Daraufhin entzog ihm der
Bundestagspräsident das Wort.
Im Laufe der Debatte wurde die überwiegende Zustimmung für das Gesetzesvorhaben
deutlich, so dass einige Abgeordneten der Mehrheitsfraktionen ihr Erscheinen zur
Abstimmung für entbehrlich hielten. Tatsächlich gaben am Tag der Abstimmung von den
anwesenden 230 MdB 140 ihre Stimme für Ja, 67 ihre Stimme für Nein, ab. 23 Enthaltungen
wurden gezählt.
Auch im Bundesrat, dem die Gesetzesänderung ordnungsgemäß weitergeleitet wurde, waren
die Meinungen geteilt. Selbst unter den Vertretern des strukturschwachen Bundeslandes M
bestand Uneinigkeit. Bei der Abstimmung waren von den abzugebenden 69 Stimmen 34
Nein-Stimmen und 32 Ja-Stimmen. Aus dem Bundesland M stimmten zwei Minister mit
Nein, der Ministerpräsident des Landes mit Ja. Die Nachfrage des Bundesratspräsidenten
brachte kein anderes Ergebnis. Der Bundespräsident fertigte das Gesetz ordnungsgemäß aus
und verkündete es im Bundesgesetzblatt.
Der Bundesgesetzgeber begründet die Neuregelung damit, dass es anderenfalls bundesweit zu
nicht mehr hinnehmbarer Rechtszersplitterung durch die Schaffung von Steueroasen komme,
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die wiederum bundesweit zu Wanderbewegungen von Unternehmen führe. Hierdurch verlören
Gemeinden, die einen höheren Hebesatz haben, durch den Wegzug von Unternehmen ihre
Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Außerdem werde der Wettbewerb zwischen den
Kommunen verzerrt. Es sei deshalb eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich, um die
Ungleichbehandlung zwischen den Gemeinden auszugleichen.
Der Deutsche Städte- und Gemeindetag wendet sich vehement gegen das Gesetz und
bezeichnet es als verfassungswidrig. Es verstoße massiv gegen die den Gemeinden
grundgesetzlich zugesicherte Finanzhoheit. Auch sei es nicht verfassungsmäßig zustande
gekommen. Zum einen seien weit weniger als die Hälfte der Abgeordneten überhaupt bei der
Abstimmung anwesend gewesen. Zum anderen könne es doch auch nicht sein, dass im
Bundesrat ein Land seine Stimmen unterschiedlich abgebe.
Auch C ist mit dem Zustandekommen des Gesetzes unzufrieden. Hätte er ausreden dürfen, so
ist er sich sicher, hätte er seine brillante Argumentation gegen die Gesetzesänderung zu Ende
führen können, so dass er die Mehrheit der Zuhörer von der Richtigkeit seiner Meinung
überzeugt hätte. Außerdem fürchtet er um sein öffentliches Ansehen, wenn der Makel eines
Ordnungsrufes auf ihm lastet. Er legt deshalb Widerspruch nach § 39 GO BT ein, der aber
abschlägig entschieden wird. Nun möchte er rechtliche Schritte einleiten und fragt, ob er
gegen die Maßnahmen während seiner Rede mit Erfolg vorgehen kann.
Frage 1: Ist die Änderung des GewStG verfassungsgemäß?
Frage 2: Hat ein Vorgehen des C gegen die Maßnahmen des Bundestagspräsidenten
Aussicht auf Erfolg?
Fertigen Sie ein Gutachten an, das auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen eingeht.
Hinweise: Von der Verfassungsmäßigkeit der GOBT ist auszugehen.
Allgemeine Regeln für die Bearbeitung: Die Hausarbeit darf nicht durch Dritte oder mit
deren Hilfe angefertigt werden (Unterschleif). Als Unterschleif gilt auch die Übernahme von
Textpassagen aus Druckwerken oder aus dem Internet, sofern sie nicht durch
Anführungszeichen und Quellennachweis kenntlich gemacht werden. Bei Unterschleif wird
die Arbeit mit “ungenügend” bewertet. Werden identische oder teilweise identische Arbeiten
abgegeben, werden alle diese Arbeiten mit “ungenügend” bewertet.
Der Umfang des Gutachtens soll 40.000 Zeichen mit Leerzeichen und Fußnotentext nicht
überschreiten. Literaturverzeichnis und Inhaltsverzeichnis werden nicht mitgezählt. Das
Gutachten ist sowohl in Papierform abzugeben als auch in elektronischer Form.
Über die formalen Anforderungen, deren Einhaltung in die Bewertung der Arbeit einfließt,
informiert ein Merkblatt, das auf der Homepage des Hans-Liermann-Instituts zu finden ist.
Abgabetermin der Hausarbeit ist der 12. April 2016 bis spätestens 09.45 Uhr. Die
schriftliche Version ist entweder im Briefkasten des Hans-Liermann-Instituts für Kirchenrecht
oder in der Vorlesung Grundrechte abzugeben, die elektronische Fassung ist bei studon (unter
dem folgenden Pfad: Angebote/ 2. RW/ 2.1 Rechtswissenschaft/Abschlussklausuren und
Abschlusshausarbeiten/Abschlusshausarbeiten/Abschlusshausarbeit im Öffentlichen Recht für
Anfänger) hochzuladen.
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