Christian Jeltsch

Christian Jeltsch zu Gast in der Kirche Unser Lieben Frauen
Donnerstag, 28. April, 19.30 Uhr
„Immer wieder sonntags: Das Böse nach der Tagesschau“
in der Reihe „Die Macht des Bösen – was das Böse macht“
Das Böse
nach der Tagesschau
Christian Jeltsch über Politik im Tatort,
das Böse in der Bibel und guten Stoff für Drehbücher
Tatort „Der hundertste Affe“
Pfingstmontag, 16. Mai, 20.15 Uhr, im Ersten
Manchmal habe er das Gefühl, die Tagesschau sei viel böser als der Tatort danach,
meint Christian Jeltsch. Er muss es wissen, denn er schreibt für die Radio Bremen-Krimis Drehbücher. „Der hundertste Affe“, sein fünfter Bremer Tatort, läuft am Pfingstmontag. „Schwarz-Weiß gibt es im Tatort nicht mehr. Die Figuren sind nicht mehr so
einfach zu durchschauen. Was Böse ist, lässt sich nicht so einfach sagen. Der Grat
zwischen dem Guten und dem Bösen ist oft schmal.“ Manchmal starten die bösen
Figuren mit einer guten Absicht, so wie in Jeltschs neuestem Tatort, bei dem es um
Gentechnik geht. „Wer kein Gehör für seine guten Anliegen findet, driftet vielleicht
ab und versucht es mit bösen Methoden.“ Jeltschs Tatorte haben meist einen politischen Hintergrund. „Politische Themen sind als Einzelstücke im Fernsehen kaum noch
unterzubringen. Investigativer Journalismus, der politische Missstände aufdeckt und
hinterfragt, ist teuer und findet heute leider viel zu selten Gehör. Politische Stoffe
unter dem Label Tatort zu transportieren ist leichter. Da sind sechs bis acht Millionen
Zuschauer dabei, die mit keinem dokumentarischen Format zu erreichen sind.“ Die
Kunst eines Drehbuchs liege darin, eine Botschaft zu haben, ohne belehrend zu sein.
„Die Zuschauer kommen selber ins Nachdenken, aber sie sind mit Recht sensibel,
wenn ihnen vorgegeben wird, was sie glauben sollen. Ein Tatort ist dann gut, wenn
man wahrhaftige, nachvollziehbare Figuren erzählt. Das gilt auch für die ‚Bösen‘, die
faszinierend und spannend erzählt werden müssen.“
Das Ermittlerteam und ein paar Hauptpersonen stehen vorher fest, ansonsten ist er
frei, seine Geschichte zu entwickeln. Die Drehorte sucht später der Regisseur aus.
Jeltsch wohnt mittlerweile in Bayern, hat aber lange Zeit in Bremen gelebt und als Regieassistent gearbeitet. „Ich mag die Stadt, die sehr offen und gleichzeitig übersichtlich ist. Bei Radio Bremen ist die Zusammenarbeit fast familiär und sehr vertrauensvoll. Ich werde informiert und wir reden zum Beispiel darüber, wie die Rollen besetzt
werden und der Film umgesetzt wird.“ Drehbuchautoren brauchen eine Botschaft,
ist Jeltsch überzeugt: „Wer nur danach fragt, was die Sender wollen, liegt falsch.
Hierzulande wird eher der Regisseur mit dem Film verbunden, nicht der Autor.“ Die
verkauften sich oft unter Wert: „Denn unser Job als Autoren ist es, nicht nur die Geschichten zu schreiben, sondern auch die Sender davon zu überzeugen, sie überhaupt
zu erzählen.“
Gespräch: Matthias Dembski | Foto: privat
„Gott hat dem Menschen Freiheit und Verantwortung gegeben“
Mit dem Baum der Erkenntnis sei der biblischen Erzählung nach das Böse bereits im
Paradies in die Welt gekommen: „Man kann das auch als großes Geschenk sehen,
denn damit haben die Menschen die freie Entscheidung bekommen, zwischen Gut
und Böse zu wählen. Gott ist wahnsinnig großzügig, den Menschen diese Freiheit und
damit eine große Verantwortung zu geben. Das finde ich toll.“ Er sei „kein kirchlicher
Christ“, meint Jeltsch, aber er habe eine große Bewunderung für Menschen mit einem tiefen Glauben,. „Der hilft ihnen im Leben.“ Doch das berechtige niemanden zu
agressiver Mission. „Die Kunst einer Religion liegt in der Toleranz, egal an wen und
was man glaubt. Es gibt unterschiedliche Wege, und es geht nicht um richtig oder
falsch. Wer einen anderen Glauben bekämpft, hat wahnsinnige Angst, der andere
könnte mehr recht haben als man selbst.“ Dass weltweit das Pendel des Fundamentalismus gerade ausschlage, findet er ebenso spannend wie beängstigend. „Menschen
sind noch immer leicht mit einfachen Botschaften und Schlagworten zu erreichen.“
Christian Jeltsch,
Tatort-Autor
Bei der Gentechnik verschwimmt die Grenze von Gut und Böse
Seine Stoffe findet der Drehbuchautor auch bei der täglichen Zeitungslektüre. „Man
muss aufmerksam auch ausländische Presse lesen und wach durch die Welt gehen. Auf den Stoff des jetzigen Tatorts bin ich durch eine Dokumentation über den
Agrotechnik-Konzern Monsanto gekommen, die auf Arte lief. Um das
Böse möglichst plastisch darzustellen, recherchiert Jeltsch auch, wie Verbrechen technisch und organisatorisch funktionieren. „Das sind Grenzbereiche, denn der Tatort soll ja keine Anleitung zur Kriminalität sein.“
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2016
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