Leseprobe 2 : Der Sturm Jacob war müde und er fröstelte. Schon seit dem frühen Morgen standen sie zum Angriff bereit. Am Abend zuvor war kostenlos Rheinwein und Branntwein ausgeteilt worden. Zusammen mit Wulf und ein paar Männern aus den Nachbarzelten hatte er dem Branntwein zugesprochen. Und plötzlich hatten die Kanonen aufgehört zu schießen, die Stille war befremdlich und lediglich durch die Geräuschkulisse des Lagers unterbrochen worden. Die restliche Nacht hatte er bei Margaretha verbracht. Nackt und eng aneinandergeschmiegt lagen sie unter der Decke. „Die Seelen schlafen miteinander“, hatte Margaretha im Halbschlaf noch geflüstert, und beiden war wohl klar, dass dies vielleicht ihre letzte Nacht zusammen war, aber sie hatten nicht darüber gesprochen. Kummer, Leid und Tod sollten vor dem Wagen bleiben. Margarethas gleichmäßige Atemzüge zeugten von ihrem tiefen Schlaf, doch Jacob konnte lange keine Ruhe finden. Er dachte über die Zukunft nach, eine Zukunft mit Margaretha an seiner Seite. Aber wovon sollte er eine Familie ernähren? Wenn er noch auf dem Gut des Vaters arbeiten würde, wäre alles viel einfacher. Aus seiner Heimat hatte er schon lange keine Nachricht mehr erhalten. Vielleicht war das Gut abgebrannt oder verwüstet? So viele Höfe waren zerstört worden, sodass es ihm geradezu unwahrscheinlich vorkam, dass der Hof seines Vaters von den Wirren des Krieges verschont geblieben wäre. Konnte er hier genug erbeuten, um sich seinen Traum von einer eigenen Pferdezucht zu erfüllen? Noch lange vor dem Morgengrauen hatte er sich aus dem Wagen geschlichen und sich zusammen mit Wulf bei Heinrich gemeldet. Der Sturm sollte früh am Morgen von vier Seiten gleichzeitig erfolgen. Als Losung war Jesus Maria vereinbart. Ein einzelner Kanonenschuss sollte das Zeichen zum Angriff geben. Sein Fähnlein war gegen das neue Werk auf dem Marsch eingeteilt. Nun warteten sie hier schon seit Stunden, aber das Zeichen ertönte immer noch nicht. Wulf schimpfte: „Wenn wir hier noch lange rumstehen, bekomme ich wieder Durst. Ich hatte gehofft, das Frühstück von den Magdeburgern serviert zu bekommen.“ Jacob prüfte noch einmal sein Bandelier. Plötzlich vernahmen sie aus der Stadt die Schüsse von Musketen. Was hatte dies zu bedeuten? Der Angriff hatte doch noch gar nicht begonnen. Auf einmal ging es wie ein Lauffeuer durch die Reihen: „Pappen- heim hat schon in der Nacht einen Graben aufgefüllt und Sturmleitern gelegt. Jetzt stürmt er, ohne das Signal abzuwarten.“ Das konnte eine Niederlage bedeuten. Sie standen ja noch weit vor den Toren, und die Stadt würde nicht leicht zu überrennen sein. Die Magdeburger hatten ein Joch an der großen Elbbrücke herausgesprengt, sodass die vorderste Reihe erst das Loch mit Balken und Bohlen überbrücken musste. Ob die Reiter Pappenheims in den engen Gassen so lange standhalten konnten? Endlich donnerte ein einzelner Schuss von einer der großen Stücke – das Leseprobe 2 : Der Sturm Zeichen zum Angriff. Alles strömte nach vorn, denn jeder wollte schnell in die Stadt, um sich einen möglichst großen Anteil an der Beute zu sichern. Jacob wurde einfach mitgerissen. Wie gierige Raubtiere kannten sie jetzt nur noch ein Ziel.
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