TIERGESUNDHEIT Hemmstoffe in der Milch wie kommt man dem Schreckgespenst bei? Hemmstoffe in der Milch - das bedeutet einen Monat lang Strafabzug je Liter Milch und die Schadensersatzforderung der Molkerei für die Entsorgung der Milch. Die Nachweisgrenze eines Wirkstoffes liegt bei 1 Mikrogramm pro kg Milch. Das entspricht dem Nachweis eines Stück Würfelzuckers (2 ,7 g) in 2,7 Mio. Liter Wasser. Bei der Schreckensmeldung gilt es, grundsätzlich zuerst einen klaren Kopf zu bewahren und die Ursachen zu erforschen. Dafür sollten folgende Fragen bedacht und geklärt werden. Dr. Andrea Fiedler, München Was sind Hemmstoffe? • "Hemmstoffe" hemmen das Bakterienwachstum Hemmstoffe beeinträchtigen die Herstellung von Milchprodukten Prozess- und Produktqualität von Milch und Milchprodukten kann nicht garantiert werden Durch die Lieferung von hemmstoffhaltiger Milch können große Mengen einwandfreier Milch verderben oder säuerungsträge werden. Arzneimittel und Desinfektionsmittel bekämpfen nicht nur Krankheitskeime, sie töten auch die Kulturen ab, die die Molkereien der Milch beigeben, um Sauermilcherzeugnisse herzustellen. Die Molkerei darf hemmstoffhalti ge Milch nicht als Konsummilch in den Handel bringen, da sie für die Verbraucher - besonders natürlich für Säuglinge und Kleinkinder - eine Bedrohung der Gesundheit darstellt und zu latenten Resistenzen führen kann. Welche Hemmstoffe gelangen in die Milch? Hemmstoffe in der Milch: • Antibiotika • Futtermittel-Inhaltsstoffe • Reinigungs- und Desinfektionsmittel 16 • Milchpraxis 112015 (49. Jg.) • ,.- ~-~ .:::..::::-<, Lactam~Milchteststreifen groß Ab wann können Hemmstoffe nachgewiesen werden? Hemmstoffe können noch in geringsten Konzentrationen nachgewiesen werden; es reicht also eine Kuh in der Herde, um den ganzen Tank mit Hemmstoffen zu belasten. Auch geringste Rückstände von Desinfektionsmitteln können beim Spülen in die Milch gelangen. Die Nachweisgrenze eines Wirkstoffes liegt bei 1 Mikrogramm pro kg Milch. Das entspricht dem Nachweis eines Stück Würfelzuckers (2,7 g) in 2,7 Mio. Liter Wasser. Wie werden Hemmstoffe nachgewiesen? Grundsätzlich werden bestimmte, ausgewählte Laborkeime auf einer Testplatte Foto: Qu/dee angesiedelt. Anschließend wird im Falle der Milchprobe entsprechende Milch auf die Testplatte aufgebracht. Die Platte wird in einem warmen Brutschrank eine festgelegte Zeitdauer "bebrütet". Ist die Milch einwandfrei, werden die Testkeime nicht im Wachstum gehemmt. Sie können sich sehr gut sichtbar vermehren. Oftmals ist der Platte noch ein Farbstoff zugesetzt, den die wachsenden Bakterien verändern. Es kommt zu einem sichtbaren Farbumschlag, wenn ausreichend Keime gewachsen sind. Enthält die Milch hemmende Stoffe , die die Bakterien am Wachstum hindern, ist dies nach der Bebrütungszeit am fehlenden. Wachstum zu erkennen. Zudem entfallt dann der erwartete Farbumschlag (s.o.). Durch diesen im Milchlabor durchgeführten Test mit Bakterien können neben Antibiotika auch andere hem- TIERGESUNDHEIT mende Stoffe nachgewiesen werden (Desinfektionsmittet Reinigungsmittet hemmende Futtermittel-Inhaltsstoffe). Wer kann einen Test durchführen? 1. Die Molkerei führt im Labor sehr genaue Tests durch. In den insgesa mt 96 Vertiefungen befindet sich ein Nährmedium mit Testkeimen und einem blauen Farbstoff. 88 Vertiefungen einer Testplatte können mit einer entsprechend vorbereiteten Milchprobe befüllt werden, dann wird die Platte "bebrütet", Sind keine Hemmstoffe in der Milch, wachsen Keime, die den Farbstoff in "Gelb" um schlagen lassen. Dies geschieht auch in den 4 (Negativ-)Kontrollen, in die keine Milch eingefüllt wird (Test, ob Nährmedium und Farbstoff intakt sind). Ist Hemmstoff in der Milch, bleibt die Vertiefung blau. Hierzu gibt es ebenfalls 4 (Positiv-)Kontrollvertiefungen, die schon Hemmstoffe enthalten. 2. Der Landwirt kann einen Schnelltest selbst durchführen, ggf. durchführen lassen. Beispielsweise CHARM-Test, Milch test MT, Eco-Test, Hoftest etc. - es gibt inz wischen zahlreiche Schnell tests, die im Stall nach einigen Stunden bis wenigen Minuten Antibiotika-Hemmstoffe in der Milch anzeigen (Produktliste nicht vollständig). Während zunächst nur ß-Laktam-Antibiotika (a m häufigsten verwendet - Penicilline, Cephalosporine) nachgewiesen werden konnten , können nun auch Tetrazykline angezeigt werden. Dabei ist es wichtig, dass der gewählte Test genau, kostengünstig, einfach und rasch anwendbar Hemmstoff nachweist. Achten Sie auf den kombinierten Nachweis von ß -Lactam Antibiotika und Tetrazyklinen, falls Sie beide Wirkstoffgruppen aufIhrem Betrieb einsetzen. Für den Landwirt eignen sich hier sehr gut Produkte, die mit einer einfachen Pipette, entsprechenden Einmal-Pipettenspitzen, Teströhrchen und Teststreifen auskommen (z. B. Eco-Test easy, MilkGuard Hemmstoff-Schnelltest u. a. - Produktliste nicht vollständig). Milch wird sauber gemolken, dann mit der Pipette kontrolliert in ein Teströhrchen eingefüllt und der Teststreifen in das Röhrchen gestellt. Hier ist dann kein zusätzlicher elektrischer Inkubator oder aufwendiges Laborgerät notwendig und da s Ergebnis lässt sich nach wenigen Minuten anhand des Teststreifens ablesen. Die Rohmilch jedes Milchsammelwagens wird auf Hemmstoffe untersucht Foto Autor Wie funktioniert ein Hemmstofftest? Wachstum Testkeim Optimale Bedingungen gehemmtes Wachstum :i Hemmstoffe (Antibiotika o.ä.) Andere Tests entsprechen im "Kleinformat" dem beschriebenen HemmstoffTest der Molkereien (z. B. Milchtest MT Farm u. a., Produktliste nicht vollständig) , benötigen aber auch eine mehrstündige Bebrütungszeit in einem elektrischen Inkubator. Die Nachweisgrenzen dieser Tests liegen meist deutlich unter den gesetzlichen Bestimmungen (zulässige RückstandsHöch stmengen MRL). Bei Penicillin, Ampicillin, Amoxicillin, aber auch bei Cefoperazon oder Ceftiofur (ll. a.) ist der Test ausreichend für den Nachweis die ser MRL. Achtung: "falsch positive" oder "falsch negative" Ergebnisse sind möglich: vor allem wenn kein Hemmstoff angezeigt wird, obwohl etwas in der Milch enthalten ist ("falsch negativ"), ist der Ärger groß! Während früher diese falschen Ergebnisse bei 30 bis 50 % (!) der Proben vorkamen, sind die neueren Tests sicherer. Der Milchprüfring Bayern e. V. hat einen Test begleitet. Der Milk-Gllard -Hemmstoff-Schnelltest hat z. B. bei 164 Proben kein einziges falsch negatives Ergebnis gezeigt. Ganz im Gegenteil - bei einigen wenigen Proben wurde eine schwach positive Reaktion angezeigt, obwohl das Vergleichslabor nichts auszusetzen hatte. Ein Schnelltest kann jedoch letztendlich niemals den Test im Milchlabor ersetzen! Hemmstoffe können noch in geringsten Konzentrationen nachgewiesen werden, hier Aufnahme von Milchproben. Foto: landpixel • Milchpraxis 1/2015 (49. Jg.) 17 TIERGESUNDHEIT Mögliche Fehlerquellen für Hemmstoffe in der Milch • Wartezeit nicht eingehalten • vorzeitiges Abkalben nach TrockensteIler unbemerkte Mastitis öffnet Blut-Milch-Schranke fal sche Gabe von Präparaten - in den Muskel (i.m.) statt unter die Haut (s.c.), - in da s Euter (intramammär) statt in den Muskel! unter die Haut Verschleppung durch Unachtsamkeit Verschleppung durch Kontamination Verschleppung durch Spülfehler • Verschleppung durch falsche Melkreihenfolge Melken Verschleppung Wie gelangen Hemmstoffe in die Milch? 1. Antibiotika Nach der Behandlung mit Antibiotika direkt ins Euter ("Eu tertuben") können selbstverständ lich einige Zeit Rückstände in die gemolkene Milch gelangen. Besonders bedeutsam ist dies bei sogenannten lang wirke nden "Trockenstellern", die man bereits ei ni ge Wochen vor dem Melken in das Euter verbrin gt. Allerdings ist hier der Zusammenhang Euterkrankheit - Antibiotikum - Milch eindeutig. Werden Antibiotika gespritzt, bei Euterentzündungen, Gebärmutterentzündungen, aber auch bei Kai se rschnitt, Klauenoperationen etc., können viele dieser Antibiotika aus der Blutbahn in die Milch gelangen (B1ut-Euter-Schranke). DESHALB MÜSSEN WARTEZEITEN UNBEDINGT EINGEHALTEN WERDEN! 2. Reinigungs- und Desinfektionsmittel, Futtermittel-Inhaltsstoffe Hier handelt es sich oftmals um "Spül- i fehler", wenn nach dem Reinigen und ' Desinfi zieren der Melkanlage Fehler geschehen. Oder die Produ kte kommen direkt mit der Milch in Berührung. Erweiterter Hemmstofftest und Rückstandsanalysenmonitoring ermöglichen den Nachweis weiterer Schadstoffe in der Milch Vo n der Lebensmittelüberwachung (Veterinärämter der Kreisverwaltungen) und Laboren werden während der Pro duktionsproz esse regelmäßig stichpro benartige Kon trollproben entnommen und im Landesuntersuchungsamt, Fachbereich Tiermed izin, ana lysiert. Somit können auch andere verbotene Stoffe neben den angesp ro chenen Hemmstoffen aufgedeckt werden. Aflatoxin- und Chloramphenicolmonitoring Regelmäßig werden die Milchsam melwagen (Motorwagen und -anhänger) auf erweiterte Hemmstofftests nach EG VO Nr. 2377/00, 675/02 Il (Tetracycline, Aminoglycoside usw.), Afl.toxin MI und Chloramphenicol analysiert. Hier geht es dann nicht nur um Antibiotika, so ndern auch um andere Substanzen, die entweder eine Wartezeit haben oder gänzlich verboten sind. Bei Ve rstößen würden die Molkereien mit empfindlichen Strafen (Ordnungsgelder bis hin zu Betriebssperren) belegt, der Verursacher wird ebenfalls ermittelt und belangt. Auch die Veterinärämter sind da nn ebenfalls an der Verfolgung beteiligt. 18 • Milchpraxis 1/2015 (49. Jg.) Wann kann ich die Fehlerkette unterbrechen? nach Ende der Wartezeit: kostenloser Hemmstotftest der Molkerei, Schnelltest am Hof bei eigenem Verdach t (Versehen beim Melken etc.) der Verunrei nigu ng d er gesamten Tankmilch: Sch nelltest am Hof, empfehlenswert: ko stenlo se r Hemmstofftest der Molkerei (umgehend anrufen, Unterstützung anfragen) regelm äßig am Betrieb: regelmäßiges Audit-Qualitätsmanagement MPR regelmäßig am Betrieb: regelmäßiger Hemmstoff-Test MPR täglich in der Molkerei: HemmstoffTest zur Qualitätssicherung Folgen bei Hemmstoffnachweis im Tank Entzündete Euter haben oft keine intakte Blut-Euter-Schranke. Auch gespritzte Antibiotika ohne Wartezeit könnten nun in der Milch nachgewiesen werden. Die Molkerei muss die Prozess-Sicherheit und die Produkt-Sicherheit gewährleisten. Deshalb werd en drastische Maßnahmen ergriffen: • Milch wird über Tierkö rperbeseiti- TIERGESUNDHEIT Checkliste: Vermeidung von Hemmstoffen in der Sammelmilch o Kennzeichen: den muss. Am besten wird für das Melken behandelter Tieerst kennzeichnen (am besten doppelt), dann behandeln. re grundsätzlich ein separates, eigenes dafür bestimmtes Melkzeug verwendet. o Informieren: zentrale Informationstafel, alle melkenden Personen informieren. o TrockensteIler: Tiere sorgfältig kennzeichnen - bei vorzeitigem Abkalben die angegebene Gesamtwartezeit einhalten. o Wartezeit: immer einhalten; vor Lieferung Hemmstofftest in der Molkerei; Achtung: bei kranken oder schwachen Tieren kann die Hemmstoffausscheidung unter Umständen langsamer erfolgen! Wartezeit gilt nicht nur für das behandelte Viertel! o Packungsbeilage bzw. Anweisung des Tierarztes beachten: • bestimmungsgemäße Anwendung - keine andere Tierart, Verabreichungsart, Dosis, Behandlungsintervalle. da sich bei nicht bestimmungsgemäßer Anwendung die Wartezeiten erheblich verlängern können. o Ansaugen: Verhindern Sie zuverlässig, dass Kühe an behandelten Kühensaugen. o Kraft- und Ergänzungsfuttermittel: nur Produkte, die für Kühe bestimmt sind, verfüttern. o Dippbecher: Verwenden Sie nicht den gleichen Dippbecher für behandelte und unbehandelte Kühe. Gleiches gilt für den Euterlappen, welcher ein großes Verschleppungsrisiko darstellt. o Hände waschen: o Milch zugekaufter Tiere: vor der ersten Ablieferung untersuchen. o Reihenfolge beachten: melken Sie behandelte Kühe grundsätzlich zuletzt, wobei die Milchleitung zum Tank unbedingt unterbrochen wer- gung kostenpflichtig entsorgt (gesamte kontaminierte Milch: Die Milch eines hemmstoffpositiven Milchsammelwagens wird von den Molkereiunternehmen komplett entsorgt.) Lieferant wird umgehend über Lieferstopp benachrichtigt gesamte Milch kann nicht mehr geliefert werden Waschen Sie sich nach dem Umgang mit Arzneimitteln gründlich die Hände mit warmen Wasser und Seife. Dies ist v. a. in Melkstandbetrieben wichtig, da Behandlungen meist während des Melkens im Melkstand durchgeführt werden und somit hier die Gefahr der Arzneimittelverschleppung besonders groß ist. vor Freigabe der Lieferung muss eine negative Probe (selbstständig) in der Molkerei abgegeben werden im wiederholten Fall: Veterinäramt wird benachrichtigt mögliche Kürzung von Cross-Compliance-relevanter Zahlungen (Veterinärbehörde-Staatsanwaltschaft) « • KONTAKT ••• Dr. med . vet. Andrea Fiedler München d [email protected] Vorbeugen ist besser als Heilen Upersan d ip Erstes Z itze nd i ppmittel auf Peressigsäurebasis hocheffektives Mikrobizid gegen Mastitiserreger (Prophylaxe & Metaphy laxe von Euterinfektionen) sichere Abtötung euterpathoger Keime innerhalb 1 min, deshalb auch zum Predipping geeignet Zitzen nach jedem Melken mit der 10 %igen Gebrauchslösung dippen oder sprühen wird nach der Desinfektion zu Essigsäure, Sauerstoff und Wasser abgebaut K ESL A HYGI ENE AG BIozideVO/Slcl\Ug _ n. VCl Gob<aLJtl1 "." K""n."Ic~lIn<I_IiI"""""Uon" ...... Keslas traße 2 • 06803 Bitterfeld-Wolfen www.kesla.de·[email protected] • Milchpraxis 1/2015 (49. Jg J . 19
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