Es braucht Fachwissen, Erfahrung und auch Intuition

Mittwoch, 24. Februar 2016
Berufe im Spital
bündner woche 14
«Es braucht Fachwissen, Erfahrung
und auch Intuition»
Die Geburtshilfe hat seit den Achtzigerjahren grosse Entwicklungen
durchgemacht, die auch vor der Gebärabteilung des Kantonsspitals
Graubünden keinen Halt machten. Die langjährige Leiterin der Gebärabteilung zieht vor ihrer Pension ein Fazit mit der Büwo.
■ Mit Ursula Schlittler sprach Michèle Albertin
eine individuelle Betreuung stattfinden
kann.
Wie ist die Umsetzung dieser Aspekte auf
Ihrer Abteilung gelungen?
Die Zeit war sehr bewegend, und es war
eine spannende Herausforderung. Es
brauchte viel Teamarbeit, Austausch, eine
Auseinandersetzung mit der Geburtshilfe.
Das Betreuungsteam musste sich zunächst
an die neuen Rollen gewöhnen. Mit der Renovation der Gebärabteilung in den Jahren
1995/96 wurde ein Zeichen in die richtige
Richtung gesetzt. Ich erlebe die Arbeit heute
als ein positives Miteinander zwischen Gynäkologen, Anästhesisten, Kinderärzten,
Hebammen, Pflegefachfrauen und werdende Eltern.
Ich gewährleiste die
erforderliche Unterstützung
Was ist für Sie im Hebammenberuf zentral?
Für mich als Hebamme ist es wichtig, dass
ich die Frauen und das Paar während der
Schwangerschaft, der Geburt und dem Wochenbett begleiten kann. Damit gewährleiste ich ihnen die erforderliche Unterstützung,
Betreuung und Beratung, sodass sie sich
orientieren und Entscheidungen treffen können.
Es ist mir ein Anliegen, die Frauen so zu begleiten, dass sie in einer Atmosphäre von Sicherheit und Geborgenheit ihre Geburt möglichst selbstbestimmt gestalten und erleben
können.
Ursula Schlittler tritt nach einer reich erfüllten Tätigkeit in die Pension.
Frau Schlittler, wie sind Sie in das Kantonsspital Graubünden gekommen?
Ich war schon früher als diplomierte Hebamme im Kantonsspital Graubünden tätig
und bewarb mich deshalb 1993 auf die Stelle der Leiterin für die Gebärabteilung. Zu
diesem Zeitpunkt befand sich die Geburtshilfe in einem Wandel und stellte die werdende Mutter mehr ins Zentrum, was zu
einer Umorientierung auf der Gebärabteilung führte. Die vakante Stelle war mit der
Umsetzung, die Frau bei der Geburt künftig
mehr in den Mittelpunkt zu stellen, verbunden. Dies entsprach mir natürlich sehr.
Wie ist es zu diesem Wandel gekommen?
Früher war die Geburtshilfe eher hierarchisch ausgerichtet, und die Gebärenden
hatten nicht so viel Mitspracherecht zum
Bilder Michèle Albertin
Beispiel bezüglich Gebärhaltungen und
Schmerztherapie. Durch die damaligen gesellschaftlichen Bewegungen fand ein Paradigmenwechsel statt, sodass den Frauen
mehr Selbstbestimmung gewährt wurde. In
dieser Zeit entstand beispielsweise auch das
Forum Geburt.
Die Frau und ihr Partner
stehen im Zentrum
Welche Faktoren stehen heute bei der Geburtshilfe im Zentrum?
Die Frau und ihr Partner stehen im Zentrum. Das Geburtsprozedere, Wünsche und
Anliegen werden gemeinsam besprochen.
Es gibt heute sehr viele unterschiedliche Angebote, sodass für jede Frau und jedes Paar
Es braucht viel Zeit
und eine gute Vertrauensbasis
Das hört sich nachvollziehbar an. Ist aber
sicher nicht ganz einfach.
Es braucht viel Zeit und eine gute Vertrauensbasis. Die Frauen haben sehr unterschiedliche Vorstellungen, Bedürfnisse und
Wünsche. Es braucht eine rasche Auffassungsgabe und Empathie, um eine individuelle Betreuung zu gewährleisten. Gerade
hier im Zentrumsspital erleben wir auch viele Momente, die schwierig sind. Frauen mit
Risikoschwangerschaften,
Neugeborene
kommen zu früh auf die Welt – und vieles
mehr.
Dies ist natürlich verbunden mit vielen Sorgen, Ängsten und Fragen der Eltern. In diesen schwierigen Situationen ist es wichtig,
den Eltern eine umfassende Betreuung an-
Berufe im Spital
Mittwoch, 24. Februar 2016
zubieten, das heisst, für sie da zu sein und
mit ihnen herauszufinden, was sie an Unterstützung brauchen.
Hat man im Arbeitsalltag überhaupt Zeit
für diese umfassende Betreuung?
Die Zeit ist ein zentraler Aspekt in der Geburtshilfe, und das ist die Stärke unseres
Teams. Wir organisieren uns so, dass wir in
den verschiedenen Situationen Zeit für die
Frauen haben. Hierfür ist aber viel Flexibilität und Unterstützung im Team nötig. Es gehört zu unserem Beruf, dass wir dann arbeiten, wenn die Kinder kommen und uns
brauchen. Und das funktioniert in unserem
Alltag sehr gut.
Die Themen
sind vielseitig
Mit welchen Themen ist die Hebamme bei
der Geburt noch konfrontiert?
Die Themen sind vielseitig, und es kommt
darauf an, in welchen Situationen sich die
Frauen befinden. Aber heute gibt es auch ein
breites Spektrum an Unterstützungsmöglichkeiten und Fachstellen. Wir arbeiten bei-
spielsweise mit der Stillberatung, dem Sozialdienst, der Mütterberatung und den freischaffenden Hebammen zusammen. Dies ist
sehr wertvoll und auch entlastend für uns.
Welches Wissen ist für diese Tätigkeit gefragt?
Es braucht das nötige Fachwissen, die Ausbildung findet auf Fachhochschulebene
statt. Es gibt Hebammen, die Vorerfahrungen in der Pflege mitbringen, andere lernen
den Hebammenberuf direkt. Neben der
schulisch mittlerweile hochstehenden Ausbildung sind in diesem Beruf aber auch die
Erfahrung und die Intuition wichtig. Es
macht Sinn, wenn in einem solchen Team
Personen mit verschiedenen Hintergründen
und in verschiedenen Altersgruppen arbeiten.
So deckt man viel ab und kann sich gegenseitig unterstützen. Bei dieser Arbeit ist der
Austausch wichtig, gerade auch mit den anderen Fachdisziplinen.
Was werden Sie vermissen, wenn Sie Ende
Monat in Pension gehen?
Die Frauen während einer Geburt begleiten
zu können, der zauberhafte Moment der Ge-
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burt, das Wunder Mensch, die vielen Situationen, die man mit den Eltern bewältigt. Die
Arbeit in diesem Team und der Austausch
mit den Fachpersonen werden mir ebenfalls
sehr fehlen.
Was wünschen Sie sich für die Gebärabteilung für die Zukunft?
Dass die Hebammen untereinander weiter
so gut arbeiten und funktionieren und damit
gestärkt sind, die Frauen individuell betreuen zu können.
Offenheit und
Flexibilität beibehalten
Und dass alle sehr offen sind für Neues und
ihre Offenheit und Flexibilität beibehalten.
Das Hebammenbild wird sich noch weiter
verändern. Dazu tragen viele Faktoren bei,
und es kommen neue Generationen in den
Beruf.
Mit diesen muss man mitgehen und doch
Gutes, was funktioniert, auch beibehalten.
Die Geburtshilfe ist ein Handwerk, für das es
weiterhin eine gute Mischung aus Fachwissen, Erfahrung und auch jede Menge Intuition braucht.
DER ALLTAG MIT NEUEM LEBEN
Die grosszügigen Gebärzimmer sind für viele
Geburtspositionen eingerichtet.
Im Hebammenalltag gibt es viele Absprachen im
Team.
In der Gebärabteilung herrscht eine freundliche
und ruhige Atmosphäre.
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