KAPITEL 8 Zahlenreihen 8.1 Geometrische Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 8.2 Konvergenzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 8.3 Absolut konvergente Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Lernziele 8 • Eigenschaften der geometrischen Reihe, • Begriffe: Reihe, Folge, Partialsumme, Konvergenz der Reihe, • Rechenregeln für konvergente Reihen, • geometrische Reihe, • Integralkriterium, • Vergleichskriterium I und II, • notwendiges Konvergenzkriterium, Divergenz-Test für Reihen, • Leibniz-Kriterium für alternierende Reihen, • absolute Konvergenz, bedingte Konvergenz, • Quotienten- und Wurzelkriterium 151 8 Zahlenreihen Definition 8.1 Die aus der Zahlenfolge {ak }n≥0 gebildete Folge {SN }N ≥0 mit Sn := n X ak = a1 + a2 + ... + an , n ≥ 0, k=0 heißt unendliche Reihe, sie wird mit P∞ k =0 ak bezeichnet. • Die Zahlen ak heißen Glieder der Reihe und die Summe Sn := Partialsumme der Reihe. Pn k =0 ak n-te • Man sagt, dass die Reihe konvergiert bzw. divergiert, wenn die Folge der Partialsummen konvergiert bzw. divergiert. • Im Fall lim Sn = S ∈ R ∪ {∞} ∪ {−∞} nennt man S den Wert oder die Summe n→∞ P∞ der unendlichen Reihe und schreibt k =0 ak = S. Bemerkung 8.2 Die Konvergenzsätze für Zahlenfolgen übertragen sich auf Reihen, da die Konvergenz einer Reihe, die Konvergenz der Folge der Partialsummen ist. Beispiel 8.3 Die Reihe 1 + 0, 1 + 0, 01 + 0, 001 + 0, 0001 + ... = k ∞ X 1 10 k =0 hat die Partialsummen Sn = k n X 1 k =0 Diese können wir günstig ausrechnen: 1 Sn − Sn = 10 1 =1+ + 10 1 1− 10 1 10 2 + Sn = 1 10 3 ⇐⇒ 152 10 + ... 1 10 n 1 1− 10 1 − − 10 Sn = 1 − 1 10 2 1 10 − ... − n+1 1 10 n ⇐⇒ Sn = − 1− 1 1 10 n+1 1 n+1 10 . 1 − 10 8.1 Geometrische Reihe Damit erhält man für den Grenzwert der Folge der Partialsummen lim Sn = lim n→∞ Damit ist ∞ P k=0 1 k 10 = n→∞ 1− 1 1 n+1 10 1 − 10 ! = 1 1− 1 10 = 10 . 9 10 . 9 Allgemein gilt für die 8.1 Geometrische Reihe Satz 8.4 ∞ P k Die Reihe q mit dem allgemeinen Glied ak := q k , k ∈ N0 heißt geometrische k =0 Reihe. Für die Summe der Reihe gilt S= ∞ X qk = k =0 ∞, 1 , 1−q falls falls q ≥ 1, |q | < 1, divergent, falls q ≤ −1. Beweis: Für die Folge der Partialsummen gilt Sn = n X q k = 1 + q + q 2 + q 3 + ... q n k =0 n X qSn = q | ·q (q 6= 0), q k = q + q 2 + q 3 + q 4 + ... q n+1 k =0 Deshalb ist Sn − qSn = (1 − q)Sn = 1 − q N+1 ⇐⇒ Sn = 1 − q n+1 1−q (q 6= 0, q 6= 1). Das Verhalten der Folge der Partialsummen ergibt sich nun aus der Konvergenz/Divergenz von lim q n+1 (siehe Beispiel 7.8 auf Seite 132 . Für q = 0 konvergiert die Reihe offensichtlich n→∞ gegen 1 und für q = 1 ist die Reihe divergent. # 153 8 Zahlenreihen Beispiel 8.5 Die geometrische Reihe mit q = lim n→∞ 2 3 hat die Reihensumme n k X 2 k=0 3 = lim n→∞ 1− 1 2 n+1 3 − 32 = 3. Beispiel 8.6 Die unendliche Reihe 9 9 9 9 9 + 2 + 3 + 4 + ... = 10 10 10 10 10 1 1 1 1+ + 2 + 3 + ... 10 10 10 hat die Folge der Partialsummen 9 Sn = 10 1 1 1 1 1+ + 2 + 3 + ... + n−1 10 10 10 10 1 10n 1 − 10 1− 9 = 10 1 ! und die Reihensumme ist deshalb 9 0, 9999999 = lim n→∞ 10 1 10n 1 − 10 1− 1 ! 9 = 10 1 1− 1 10 ! = 1. 8.2 Konvergenzkriterien An der geometrischen Reihe sehen wir, dass die Reihe nur dann konvergiert, wenn die Partialsumme in jedem Schritt immer weniger wächst. Würden die Zuwächse irgenwann konstant bleiben, dann würde die Reihe (bestimmt) divergieren. Genauer gilt das folgende notwendige Konvergenzkriterium. 8.2.1 Notwendiges Konvergenzkriterium Satz 8.7 (Notwendiges Konvergenzkriterium) Die Glieder einer konvergenten Reihe bilden eine Nullfolge. Beweis: Konvergenz, d.h. ∞ P ak = lim Sn = lim Sn−1 = L und damit ist k=0 n→∞ n→∞ lim an = lim (Sn − Sn−1 ) = lim Sn − lim Sn−1 = L − L = 0.# n→∞ n→∞ n→∞ n→∞ Die Folgen {Sn }n≥0 und {Sn+1 }n≥0 haben den gleichen Grenzwert, da sie ab S1 identisch sind. 154 8.2 Konvergenzkriterien Bemerkung 8.8 Es handelt sich um ein notwendiges Konvergenzkriterium, d.h. auch wenn dieses Kriterium erfüllt ist, muss die Reihe nicht konvergieren, ist es aber nicht erfüllt, so divergiert die Reihe. Satz 8.9 (Divergenz-Test für Reihen) ∞ P Gilt lim an 6= 0, dann divergiert die Reihe an . n→∞ n=0 Beweis: Das notwendige Konvergenzkriterium ist nicht erfüllt. # Beispiel 8.10 ∞ n P n divergiert, da an = Die Reihe n! n=0 nn n! keine Nullfolge ist: n · n · n···n nn n · n · n · · · n = ≥ = 1 6→ 0. n! 1 · 2 · 3···n n · n · n···n Eine andere Möglichkeit eine Reihe auf Konvergenz zu untersuchen ohne den Grenzwert zu berechnen, liefert das 8.2.2 Integralkriterium Satz 8.11 (Integralkriterium) Ist f (x) auf [m, ∞), m ganzzahlig, positiv und monoton fallend, so haben ∞ X f (n) n=m und Z ∞ f (x) dx m gleiches Konvergenzverhalten. Im Prinzip beruht der Beweis auf der folgenden Skizze: 155 8 Zahlenreihen 1 f (x) ist positiv, stetig und monoton fallend 1 X 1 X ak = k=1 f (k) k=1 Z 0,5 1 f (x)dx 1 1 X f (k) = k=2 0 1 2 3 1 2 3 4 5 6 … 7 n 8 n+1 1 X ak k=2 9 10 …. Integralkriterium Damit die Skizze richtig ist, muss die Funktion positiv sein, ansonsten entspricht des Integral zwar dem vorzeichenbehafteten Flächeninhalt, muss aber nicht gleich dem Flächeninhalt sein. Damit wir problemlos integrieren können, muss f stetig sein. Weil die Obersumme größer als die Untersummen vorausgesetzt. Genauer: ∞ P k =2 f (k) = ∞ P k =1 ∞ P f (k) k=1 f (k + 1) sein muss, wird f als monoton fallend Beweis: Es gilt f (n) ≥ f (x) ≥ f (n + 1) für alle x ∈ [n, n + 1] und jede ganze Zahl k ≥ m. Nach Integration über [n, n + 1] folgt f (n) ≥ Z n+1 n f (x) dx ≥ f (n + 1). Die Summation über n von m bis N ergibt N X n=m f (n) ≥ Z N+1 m f (x) dx ≥ N X f (n + 1) = n=m n+1 X f (n). n=m+1 Aus dem Monotonie-Kriterium für Zahlenfolgen und damit Zahlenreihen sowie der Konvergenz/Divergenz uneigentlicher Integrale folgt die Behauptung des Satzes.# Beispiel 8.12 Eine hilfreiche Reihe zum Vergleichen ist ∞ X 1 n=1 np = ( konvergent, falls p > 1, divergent, falls 0 < p ≤ 1. Wir werden dies mit dem Integralkriterium nachweisen. Für die entsprechenden unei- 156 8.2 Konvergenzkriterien gentlichen Integrale gilt: Z 1 ∞ 1 dx = lim A→∞ xp Z 1 A A 1 1 dx = lim · x 1−p = p A→∞ (1 − p) x 1 ( divergent, 0 < p < 1, 1 α−1 , p > 1. Auch im Fall p = 1 ergibt sich Z ∞ 1 1 dx = lim A→∞ x Z 1 A 1 A dx = lim ln x |1 = lim ln A = ∞ A→∞ A→∞ x und das unbestimmte Integral ist divergent. 8.2.3 Vergleichskriterium I Satz 8.13 (Vergleichskriterium I) Besteht für die Reihenglieder die Abschätzung 0 ≤ ak ≤ bk für k ≥ k0 , dann gilt • Ist die Reihe ∞ P bk konvergent, so ist auch die Reihe k=0 ∞ P ak konvergent. k=0 • Divergiert die Reihe ∞ P k=0 ak = ∞, so divergiert auch die Reihe ∞ P k =0 bk = ∞. Die Folge der Partialsummen ist monoton wachsend, ist sie zusätzlich beschränkt, dann konvergiert die Reihe, ist die Folge der Partialsummen bestimmt divergent, dann divergiert die Reihe. # Beispiel 8.14 ∞ P sin(k 3 +3) Die Reihe ist konvergent, da 2k 3 +2k +1 k =1 sin(k 3 + 3) 1 2k 3 + 2k + 1 ≤ 2k 3 , (da 2k 3 + 2k + 1 > 2k 3 ) ist und die Reihe ∞ P k =0 1 2k 3 für wegen k ≥1 1 2k 3 ≤ 1 k2 konvergent ist. 157 8 Zahlenreihen Beispiel 8.15 Die Reihe ∞ X 1 k=0 Wie man leicht sieht gilt k! =1+ 1 1 1 + + + ... 1! 2! 3! 1 1 1 1 1 1 1 1 = , = ≤ 2 , ... , = ≤ n−1 , 2! 2 3! 2 · 3 2 n! 2 · 3 · 4 · · · n 2 d.h. 0 < ak = 1 k! ≤ bk = 1 2k −1 für k ≥ 2. Weil die Reihe ∞ X bk = k =1 ∞ X 1 k=1 konvergiert, konvergiert auch die Reihe 2k −1 P∞ = ∞ X 1 k =0 2k =2 1 k=0 k ! . 8.2.4 Vergleichskriterium II Satz 8.16 (Vergleichskriterium II) Sind an > 0 und bn > 0 für alle n > N, und existiert der Grenzwert lim n→∞ an =L bn und ist endlich und positiv, d.h. 0 < L < ∞, dann konvergieren entweder beide Reihen ∞ P an und n=1 ∞ P bn oder beide Reihen divergieren. n=1 Beweis: Wegen an > 0 und bn > 0 und lim n→∞ gibt es ein M > 0 mit 0< 158 an < L + 1, bn an =L bn für alle n > M. 8.2 Konvergenzkriterien Deshalb gilt 0 < an < (L + 1)bn und aus dem Vergleichskriterium (siehe Satz 8.13) folgt, dass sich aus der Konvergenz der Reihe ∞ P bn die Konvergenz der Reihe n=1 sich die Divergenz der Reihe ∞ P an ergibt bzw. aus der Divergenz der Reihe n=1 ∞ P ∞ P an n=1 bn ergibt. n=1 Analog folgen Divergenz bzw. Konvergenz aus lim n→∞ bn 1 = . an L Damit ist der Satz bewiesen. Beispiel 8.17 Die verallgemeinerte harmonische Reihe ∞ X n=1 1 , a > 0, a, b ∈ R, an + b ∞ P divergiert, da die harmonische Reihe Mit an = 1 an+b und bn = 1 n n=1 1 n divergiert. gilt bn > 0 und an > 0 für n > − ba . Weiterhin ist 1 an+b n→∞ 1 n lim = lim n→∞ n 1 = lim = an + b n→∞ a + b n = 1 > 0. a Deshalb divergieren beide Reihen gleichzeitig. Mit Hilfe dieses Kriteriums kann man „komplizierte“ algebraische Reihen mit der Reihe n=1 vergleichen: Reihe ∞ P n=1 ∞ P n=1 ∞ P n=1 Vergleichsreihe 1 3n2 −4n+5 √ 1 3n−2 n2 −10 4n5 +n3 ∞ P ∞ P n=1 ∞ P n=1 ∞ P n=1 Beispiel 8.18 ∞ P Wir untersuchen die Reihe n=1 Ergebnis 1 n2 beide Reihen konvergieren √1 beide Reihen divergieren n n2 n5 = 1√ . n+ n ∞ P n=1 1 n3 1 np beide Reihen konvergieren Alle Glieder der Reihe sind positiv, wir können deshalb versuchen das Vergleichskriterium I bzw. II anzuwenden. 159 8 Zahlenreihen Offensichtlich gilt 1 n+ und die Reihe ∞ P n=1 √1 n 1 √ <√ n n ist nach dem Integralkriterium divergent. Das Vergleichskriterium I liefert keine Aussage, da mit einer divergenten Reihe nach oben abgeschätzt wurde. Auch das Vergleichskriterium II ist so nicht anwendbar, da 1√ n+ n lim n→∞ √1 n √ n √ = 0. = lim n+ n→∞ n Offensichtlich hilft es nicht den Bruch anders rum zu schreiben, da dann √1 n lim 1√ n→∞ n+ n = lim √ n √ =∞ n+ n→∞ n und das Vergleichskriterium II auch hierfür keine Aussage liefert. Wir haben mit der falschen Reihe abgeschätzt bzw. verglichen! Damit das Vergleichskriterium I hier funktioniert müssen wir entweder mit einer konvergenten Reihe nach oben oder mit einer divergenten Reihe nach unten abschätzen. Wegen 2n = n + n > n + √ 1 √ > n ⇐⇒ n n 11 2n schätzen wir mit einer divergenten Reihe nach unten ab, ∞ ∞ X 1X1 1 √ , < 2 n n+ n n=1 so dass auch die Reihe ∞ P n=1 1√ n+ n n=1 divergiert. Beim Vergleichskriterium II haben wir die falsche Vergleichsreihe gewählt. Bei der Auswahl sollte man immer die höchste Potenz in n im Zähler und Nenner wählen und anschließend den Bruch kürzen, bei der vorliegenden Reihe genügt es, die höchste Potenz im Nenner P 1 zu wählen und wir erhalten als Vergleichsreihe die Reihe ∞ n . Das Vergleichskriterium II n=1 ergibt nun 1√ n+ n lim 1 n→∞ n Folglich haben die Reihe Reihe P n→∞ ∞ P n=1 1 n 1√ n+ n und = lim P n→∞ n→∞ 1 n n n+ n das gleiche Konvergenzverhalten, d.h. da die divergiert, divergiert auch die Reihe ∞ P n=1 Als Schlussfolgerung aus dem Beispiel ergibt sich: 160 √ = 1. 1√ . n+ n 8.2 Konvergenzkriterien Bemerkung 8.19 Vergleichskriterien ermöglichen sowohl Aussagen über Konvergenz als auch Divergenz. Eine sinnvolle Anwendung des Vergleichskriteriums I besteht darin, entweder mit einer konvergenten Reihe nach oben oder mit einer divergenten Reihe nach unten abzuschätzen. Beim Vergleichskriterium II ist es wichtig mit der richtigen Reihe zu vergleichen. Die Glieder der Reihe wachsen bzw. fallen proportional zu den Gliedern der Vergleichsreihe, deshalb ergibt sich auch das gleich Konvergenzverhalten, d.h. beide Reihen konvergieren oder divergieren gleichzeitig. Um eine geeignete Vergleichsreihe zu finden, nehme man die höchste Potenz im Zähler bzw. im Nenner und kürze den Bruch anschliessend (siehe auch Tabelle zum Vergleichskriterium II). 8.2.5 Leibniz-Kriterium für alternierende Reihen Satz 8.20 (Leibniz-Kriterium für alternierende Reihen) Für jede monoton fallende Nullfolge a0 ≥ a1 ≥ a2 ≥ ... ≥ 0 konvergiert die alternierende Reihe ∞ X n=0 (−1)n an = a0 − a1 + a2 − a3 ± ... . Beweis: Wir betrachten die Teilfolgen der Folge der Partialsummen {s2l } und {s2l+1 }. Dann gilt s2l+1 = 2l −1 X n=0 (−1)n an = (a0 − a1 ) + (a2 − a3 ) + ... + (a2l − a2l+1 ), da an ≥ an+1 ist die Folge {s2l −1 } monoton wachsend. Andererseits gilt s2l+1 = 2l −1 X n=0 (−1)n an = a0 − (a1 − a2 ) − (a3 − a4 ) − ... − (a2l −1 − a2l ) − a2l+1 ≤ a0 − a2l+1 ≤ a0 und die Folge s2l+1 ist nach oben durch a0 beschränkt und konvergiert folglich gegen einen Grenzwert C. Weiterhin ist s2l = 2l −1 X k=0 (−1)k ak = s2l+1 − a2l+1 . 161 8 Zahlenreihen Deshalb konvergiert auch die Teilfolge s2l gegen C. Insgesamt konvergiert deshalb die Folge der Partialsummen gegen C. # Beispiel 8.21 P∞ Die alternierende harmonische Reihe n=1 (−1)n+1 n1 konvergiert nach dem Leibniz-Kriterium P∞ und es ist n=1 (−1)n+1 n1 = ln 2. Beispiel 8.22 Auf die alternierende Reihe ∞ X 1 22 33 44 nn − 2 + 3 − 4 ± ... = (−1)n+1 2 3 4 5 (n + 1)n n=1 ist das Leibniz-Kriterium nicht anwendbar, da lim an = lim n→∞ n→∞ 1 1 nn 1 = lim n = n = 6= 0 n 1 1 n →∞ (n + 1) e 1+ n limn→∞ 1 + n ist. D.h. das notwendige Konvergenzkriterium ist nicht erfüllt und die Reihe ist folglich divergent. Beispiel 8.23 Auf die alternierende Reihe 1− ∞ X 1 1 1 1 1 1 1 + − + − ± ... 3 − ± ... = (−1)n+1 an 2 8 3 27 4 n n+1 n=1 mit a2k −1 1 = 3 k und a2k ist das Leibniz-Kriterium nicht anwendbar, da wegen (an )n≥1 nicht monoton fallend ist. 1 k3 1 = , k = 1, 2, ... , k +1 < 1 k +1 für k ≥ 2 die Folge der Glieder Beispiel 8.24 Die alternierende Reihe ∞ X 1 1 1 1 − + ± ... = (−1)n+1 ln 2 ln 3 ln 4 ln(n + 1) n=1 ist konvergent nach dem Leibniz-Kriterium, da die Folge der Glieder (an )n≥1 mit an = eine monoton fallende Nullfolge ist. 1 ln(n+1) 8.2.6 Cauchy-Kriterium Das Cauchysche Konvergenzkriterium macht eine Aussage über Konvergenz bzw. Divergenz der unendlichen Reihe anhand der Glieder der Folge der Partialsummen, es ist nicht notwendig die Reihensumme zu berechnen. 162 8.2 Konvergenzkriterien Satz 8.25 (Cauchysches Konvergenzkriterium für Reihen) P∞ Die Reihe k=0 ak ist genau dann konvergent, wenn es zu jeder noch so kleinen Zahl > 0 einen Index N() gibt, so dass |sn − sm | = |am+1 + am+2 + ... + an | < für alle m, n ≥ N(). Idee des Cauchyschen Konvergenzkriteriums sn 2.5 2 ε = 0, 2 1.5 n0 = 15 1 ε = 0, 4 ε = 0, 1 n0 = 6 n0 = 30 0.5 0 5 10 15 20 25 30 n 8.2.7 Rechenregeln für konvergente Reihen Satz 8.26 (Rechenregeln für konvergente Reihen) P∞ P∞ Für alle c ∈ R und konvergente Reihen k =0 ak = a und k =0 bk = b, a, b ∈ R, gilt ∞ X k=0 (ak ± bk ) = a ± b und ∞ X k =0 (c · ak ) = ca. 8.2.8 Welche Umformungen sind i.Allg. nicht erlaubt? Elementare Umformungen, die bei endlichen Summen den Summenwert nicht verändern, sind bei unendlichen Reihen („unendlichen Summen“) nicht ungeschränkt erlaubt! 1. Es ist i. Allg. nicht erlaubt Klammern wegzulassen. P∞ Beispiel: Die Reihe k=0 ak mit ak = (1 − 1) = 0 ist konvergent. Lässt man aber die P∞ Klammern weg, so divergiert die Reihe 1 − 1 + 1 − 1 + 1 − ... = k =0 bk mit bk = (−1)k . 163 8 Zahlenreihen 2. Man darf i. Allg. aber auch keine Klammern setzen. Im vorigen Beispiel kann man dadurch aus einer divergenten Reihe durch Klammerung eines konvergente Reihe. 3. Eine Umordnung der Reihenglieder ist ohne Zusatzvoraussetzungen nicht erlaubt. Beispiel 8.27 Wir betrachten das folgende Beispiel: 1 2 3 2 + ln 2 = 1 ln 2 = 0 ln 2 = Umordnung − + 1 2 1 2 + 1 3 + 0 1 3 1 3 1 + 0 + 1 − 1 2 + = ln 2 − − − − 1 4 1 4 1 2 1 4 + 1 5 + 0 + 1 5 1 5 + − + 1 6 1 6 + 1 7 + 0 1 7 1 7 + 0 + − 1 6 + − − − − 1 8 1 8 1 4 1 8 ... ... ... ... Aber: Satz 8.28 In einer konvergenten Reihe darf man beliebig Klammern setzen: s = a0 + a1 + a2 + ... = (a0 + ... + ak1 ) + (ak1 +1 + ... + ak2 ) + ... . Beweis: Die Partialsummen sn0 = (a0 + ... + ak1 ) + ... + (akn−1 +1 + ... + akn ) der „geklammerten“ Reihe bilden eine Teilfolge der konvergenten Folge der Partialsummen sn und konvergieren deshalb gegen denselben Grenzwert. # 8.3 Absolut konvergente Reihen Definition ∞ 8.29 P Die Reihe ak heißt absolut konvergent, wenn die Reihe der Beträge k=0 ∞ X k =0 |ak | = |a0 | + |a1 | + |a2 | + ... konvergiert. Reihen, die zwar konvergieren, aber nicht absolut konvergieren, nennt man bedingt konvergent. 164 8.3 Absolut konvergente Reihen Beispiel 8.30 ∞ P Die alternierende harmonische Reihe (−1)k +1 k1 ist eine bedingt konvergente Reihe, da k =1 die Reihe selbst nach dem Leibniz-Kriterium konvergiert, die Reihe der Beträge, d.h. die harmonische Reihe, ist aber divergent. Satz 8.31 (Eigenschaften absolut konvergenter Reihen) ∞ P 1. Jede absolut konvergente Reihe ist konvergent, d.h. konvergiert die Reihe |ak | so konvergiert auch die Reihe 2. Die Reihe men ∞ P k =0 P∞ k=0 k =0 ak . ak ist genau dann absolut konvergent, wenn die Folge der PartialsumSn := n X k =0 beschränkt ist. |ak | = |a0 | + |a1 | + |a2 | + ... + |an | Der Beweis zu 1. folgt aus dem Cauchyschen Konvergenzkriterium (siehe Satz 8.25). 2. ergibt sich daraus, dass die Folge der Partialsummen eine monoton wachsende Folge ist. # Die nun folgenden Kriterien sind die in der Praxis am häufigsten angewandten zur Untersuchung von Reihen. Sie basieren auf der geometrischen Reihe. 8.3.1 Quotientenkriterium Ein besonderes nützliches Kriterium ist das Satz 8.32 (Quotientenkriterium) ak+1 Ist ak 6= 0 für alle k ≥ k0 und konvergiert die Folge der Quotienten ak , dann gilt: ∞ P • Ist lim aak+1 < 1, dann ist die Reihe ak absolut konvergent. k k →∞ k=0 ∞ P • Ist dagegen lim aak+1 > 1, dann ist die Reihe ak divergent. k k →∞ k=0 165 8 Zahlenreihen Bemerkung 8.33 Im Fall lim aak+1 = 1 kann man keine Aussage treffen, die Reihe kann (bedingt) konvergent k k →∞ oder auch divergent sein. Dies kann leicht mit der alternierenden harmonischen bzw. der harmonischen Reihe belegt werden. Denn es ist lim k →∞ k = 1. k +1 Wobei wie bereits gezeigt, die alterniernde harmonische Reihe konvergiert, die harmonische Reihe selbst aber divergiert. ak +1 Beweis: Wir weisen die Konvergenz nach. Gilt lim ak < 1, so gibt es eine reelle Zahl k →∞ ak +1 q mit 0 < q < 1, so dass ak < q für alle k ≥ n0 ∈ N. Dann kann man aber abschätzen: |an0 +k | ≤ q |an0 +k −1 | ≤ q 2 |an0 +k −2 | ≤ ... ≤ q k |an0 | und die Reihe mit dem allgemeinen Glied bn0 +k = q k |an0 | ist eine konvergente Majorante, da nX nX nX ∞ ∞ ∞ 0 −1 0 −1 0 −1 X X X |an0 | l − n0 l bl = bl + |an0 | q = bl + |an0 | q = bl + . 1−q l=0 l=0 l=n0 l=0 l=0 l=0 Nachweis der Divergenz: Unter den obigen Annahmen ist (an )n≥0 keine Nullfolge.# Bemerkung 8.34 Aus |an0 +k | ≤ q k |an0 | mit 0 < q < 1 folgt automatisch, dass das notwendige Konvergenzkriterium erfüllt ist, da lim an0 +k ≤ lim q k |an0 | = |an0 | lim q k = 0. k →∞ k →∞ k →∞ Beispiel 8.35 ∞ n+1 P n ist nach dem Quotientenkriterium divergent, da Die Reihe (n+1)! n=1 (n+1)n+2 (n+2)! lim n+1 n→∞ n (n+1)! (n + 1)n+2 (n + 1)! 1 = lim = lim 1 + n+1 n→∞ n→∞ (n + 2)!n n Beispiel 8.36 Die Reihe n 1 1+ n ∞ X 4 8 16 2 2n + + + + ... = 1+ 2! 3! 4! 5! (n + 1)! n=0 ist nach dem Quotientenkriterium konvergent, da 2n+1 (n+2)! lim n n→∞ 2 (n+1)! = lim n→∞ 2n+1 (n + 1)! 2 = lim = 0. n n →∞ (n + 2)!2 n+2 8.3.2 Wurzelkriterium Analog kann man das Wurzelkriterium nachweisen: 166 n+1 = e > 1. n+2 8.3 Absolut konvergente Reihen Satz 8.37 (Wurzelkriterium) • Ist lim k →∞ ∞ p P k |ak | < 1, dann ist die Reihe ak absolut konvergent. k =0 • Ist dagegen lim k →∞ p k |ak | > 1, dann ist die Reihe ∞ P k =0 ak divergent. Bemerkung 8.38 p Wie beim Quotientenkriterium kann der Fall lim k |ak | = 1, sowohl für konvergente als auch k →∞ für divergente Reihen erfüllt sein. In diesem Fall ist also kein Aussage über das Konvergenzverhalten möglich. Beweis: Nachweis der Konvergenz: Gilt lim 0 < q < 1, so dass ist ∞ X k =0 ak ≤ p k ∞ X k=0 k →∞ |ak | < q |ak | ≤ ⇐⇒ nX 0 −1 k=0 = |ak | + nX 0 −1 k=0 p k |ak | < 1, so gibt es eine reelle Zahl q mit |ak | < q k für alle k ≥ n0 ∈ N und damit ∞ X qk = k=n0 nX 0 −1 k=0 |ak | + q n0 ∞ X |ak | + q n0 qk = k =0 nX 0 −1 k =0 ∞ X q k −n0 k=n0 |ak | + q n0 . 1−q Nachweis der Divergenz: Unter den obigen Annahmen ist (an )n≥0 keine Nullfolge.# Bemerkung 8.39 Aus |ak | < q k , 0 < q < 1, folgt automatisch, dass (ak )∞ k =0 eine Nullfolge ist und damit das notwendige Konvergenzkriterium erfüllt ist. Beispiel 8.40 Die Reihe 1 + 3 2 2 5 + 3 3 7 + 4 4 9 + ... = n=1 ist nach dem Wurzelkriterium konvergent, da lim n→∞ Beispiel 8.41 ∞ P Die Reihe k =1 lim k →∞ 2 k 3 1+ 2 1 (k ) k s k k 2 3 1+ r n ∞ X n n 2n + 1 n n n 1 = lim = < 1. n →∞ 2n + 1 2n + 1 2 ist nach dem Wurzelkriterium divergent, da 1 k (k 2 ) = lim k →∞ 2 3 1+ 1 k k = 2 · e ≈ 1, 81 > 1. 3 167 8 Zahlenreihen 8.3.3 Cauchy-Produkt und Umordnungssatz Ohne Beweis zwei nur für absolut konvergente Reihen gültige Rechenregeln: Satz 8.42 (Cauchy-Produkt) P∞ P∞ Für absolut konvergente Reihen k =0 ak und k =0 bk gilt die Produktformel ∞ X k=0 ak ! ∞ X k =0 bk ! = ∞ n X X n=0 k =0 ak bn−k ! = a0 b0 +(a2 b0 +a0 b1 )+(a2 b0 +a1 b1 +a0 b2 )+... . Satz 8.43 (Umordnungssatz) P∞ Ist die Reihe k=0 ak absolut konvergent mit dem Summenwert s, dann konvergiert jede P∞ aus k=0 ak durch Umordnung der Glieder entstandene Reihe ebenfalls gegen s. Bemerkung 8.44 ∞ P Vorgehen bei der Konvergenzuntersuchung von Zahlenreihen an : n=0 1. Ist lim an = 0 ? Wenn dem nicht so ist, dann divergiert die Reihe nach dem n→∞ Divergenz-Test (siehe Satz 8.9 auf Seite 155). 2. Ist die Reihe eine spezielle Reihe: geometrische Reihe (siehe Satz 8.4 auf Seite 153), vom Typ ∞ P n=1 1 np (siehe Beispiel 8.12 auf Seite 156) oder alternierend (siehe Satz 8.20 auf Seite 161)? 3. Kann das Quotientenkriterium (siehe Satz 8.32 auf Seite 165), das Wurzelkriterium (siehe Satz 8.37 auf Seite 167) günstig angewandt werden ? 4. Kann die Reihe mit einer speziellen Reihe verglichen werden? (Siehe Vergleichkriterium I, Satz 8.13 auf Seite 157, oder Vergleichskriterium II, Satz 8.16 auf Seite 158, sowie das Beispiel 8.18 auf Seite 159.) 168 8.3 Absolut konvergente Reihen Beispiel 8.45 Reihe ∞ P n=1 ∞ P n=1 ∞ P n=1 ∞ P n+1 3n+1 π n 6 1 3n+1 (−1)n n=1 ∞ P n=1 Ergebnis Divergenz-Test Reihe divergiert geometrische Reihe q= Vergleichstest II Vergleich mit π 6 < 1 Reihe konvergent ∞ P n=1 1 . n Reihen sind divergent. n=1 ∞ P Kriterium n! 10n n 3 4n+1 n+1 n 2n+1 Leibniz-Kriterium alternierende Reihe, Reihe konvergiert. Quotientenkriterium Für n! ist diese Kriterium vorteilhaft. Reihe ist konvergent. Wurzelkriterium Reihe ist konvergent. 169 8 Zahlenreihen Kriterium bzw. Reihe Bedingung(en) Bedingung(en) für die Konvergenz für die Divergenz Name der Reihe ∞ X notwendiges Kriterium lim an 6= 0 n→∞ an ∞ X aq Nicht zum Nachweis der Konvergenz verwendbar n=1 geometrische Reihe Bemerkungen |q | < 1 n |q | ≥ 1 Reihensumme ∞ X n=0 n aq = n=0 ∞ X 1 n=1 Leibniz-Kriterium für alternierende Reihen Integralkriterium (f stetig, positiv und monoton fallend) ∞ X p>1 p≤1 np (−1) n−1 Nützlich beim Vergleichskriterium an n=1 0 < an+1 ≤ an Nicht gültig für andere und lim an = 0 Reihen n→∞ ∞ X a 1−q ∞ Z an , m n=m f (x) dx m konvergiert an = f (n) ≥ 0 ∞ Z f (x) dx divergiert Das uneigentliche Integral konvergiert, wenn der Grenzwert lim Z A→∞ A f (x)dx m existiert und endlich ist. Wurzelkriterium ∞ X lim an n→∞ p n |an | < 1 p n lim n→∞ |an | > 1 lim n=1 Quotientenkriterium ∞ X n→∞ an an+1 <1 lim n→∞ an an+1 >1 lim n→∞ an 0 < |an | ≤ bn und 0 < bn ≤ an und ∞ X ∞ X n=1 Vergleichskriterium I (an , bn > 0) ∞ X an n=1 bn konvergiert (an , bn > 0) ∞ X n=1 an Keine Aussage für an+1 lim =1 n→∞ an bn divergiert an > 0, bn > 0 an > 0, bn > 0 Für 0 < L < ∞ an 0 < lim =L<∞ n→∞ bn an 0 < lim =L<∞ n→∞ bn sind beide Reihen entweder konvergent oder divergent und ∞ X n=1 170 p n |a n | = 1 n=1 n=1 Vergleichskriterium II Keine Aussage für bn konvergiert und ∞ X n=1 bn divergiert 8.3 Absolut konvergente Reihen 171
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