Inhalt Vorwort von Marta Campiotti . . . . . . . . . 7 Teil 1 An Lisa, die ein Kind erwartet . . . . . . . . 9 An Lisa – Brief von Frédérick Leboyer . . . . . . 11 Briefe von Frauen . . . . . . Zen in der Kunst des Gebärens Weheneinleitung . . . . . . . Kaiserschnitt . . . . . . . . . Das Wunder der Geburt . . . . . . . . 29 29 65 71 83 Teil 2 Die Kunst des Atmens und Singens . . . . . 87 Die Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Das Singen des Tons A. . . . . . . . . . . E. . . . . . . . . . . O . . . . . . . . . . I . . . . . . . . . . . U . . . . . . . . . . M . . . . . . . . . . Zu den Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 99 100 101 102 103 104 107 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Zum Gebrauch der CD . . . . . . . . . . . . . Während der Schwangerschaft . . . . . . . . . . Während der Wehen . . . . . . . . . . . . . . . 115 115 116 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 CD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Vorwort Lieber Frédérick, wie Du ja weißt, hat mich die Lektüre Deines ersten Buches Geburt ohne Gewalt vor mehr als fünfundzwanzig Jahren in meinem tiefsten Inneren getroffen. Sie war entscheidend für meinen beruflichen Werdegang und für mein Leben. Ich war ganz sicher, dass ich Hebamme werden wollte, um auf diese Weise als Frau den Frauen zu helfen. Heute wende ich mich erneut an Dich, da mein Berufsalltag inzwischen so entmutigend ist. Alle Frauen, und ich meine tatsächlich alle, wollen nichts mehr davon hören, ohne Periduralanästhesie zu entbinden. Aber sie versäumen damit nicht nur die größte und wichtigste Erfahrung im Leben einer Frau, sondern sie machen sich auch keine Vorstellung davon, welche überaus schädlichen Nebenwirkungen ein solcher Eingriff hat. Im Übrigen hütet man sich, sie darüber aufzuklären. Du sagst, dass Du gerade dabei bist, ein neues Buch zu schreiben, welches den Frauen zeigt, wie sie aus ihrer Entbindung den schönsten, den herrlichsten Tag ihres Lebens machen können, ein Buch, das zusätzlich die Aussagen von zahlreichen Frauen enthält, die das Glück hatten, den anderen Weg des Gebärens zu wählen. Nie wurde ein solches Buch dringender benötigt. Wann wird es veröffentlicht? Und wann ins Italienische übersetzt? 7 Sei im Voraus in meinem Namen und im Namen aller Frauen bedankt für all Deine Mühe. Varese 2004 Marta Campiotti Vorsitzende der Associazione Nazionale Ostetriche Parto a Domicilio e Casa Maternità (Nationale Hebammenvereinigung für Hausgeburten und Geburtshäuser, Italien) 8 Teil 1 An Lisa, die ein Kind erwartet Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir in ein solches Irrenhaus geraten sind. shakespeare An Lisa – Brief von Frédérick Leboyer Liebe Lisa, danke für Deinen schönen Brief, in dem Du mir mitteilst, dass Du ein Kind erwartest. Ich beglückwünsche Dich dazu! Du erzählst mir außerdem, dass Dir eine Freundin zu diesem Anlass mein erstes Buch Geburt ohne Gewalt zum Lesen gab und Du nach dieser Lektüre ganz erfüllt und voller Begeisterung ausriefst: »Ja! Genau so möchte ich entbunden werden!« Und dann fragst Du mich nach der Adresse eines Krankenhauses, einer Geburtsklinik, nach dem Namen eines Arztes oder einer Hebamme, die diese Methode anwenden. Ich hoffe, Du bist mir nicht böse, wenn ich Dir sage, dass ich bezweifle, ob Du mich richtig gelesen und richtig verstanden hast. Anstatt Dir diese Namen, diese Adressen zu geben, möchte ich Dir lieber meine Hilfe anbieten und Dir zeigen, inwiefern 11 Du mich missverstanden hast. Lass mich das näher erklären. Du hast da etwas durcheinander gebracht, aber das ist nicht allein Deine Schuld. Die Niederkunft ist eine ambivalente Sache. Es ist wie bei einer Medaille oder einer Münze, die ein einziger Gegenstand ist, der aber zwei Seiten hat. Lass mich auch das erklären. Am Ende ihrer Schwangerschaft hat eine Frau Wehen und bringt schließlich ein Kind zur Welt. Der Begriff dafür ist »Entbindung«. Was das Kind anbetrifft, so sagt man: »Es kommt auf die Welt«. Das heißt, es wird »geboren« – wie Du siehst, ein doppelt außergewöhnliches Erlebnis: Da ist das Erlebnis der Frau, die ein Kind auf die Welt bringt. Und dann, ja, dann ist da das Erlebnis des Kindes, welches die Gebärmutter verlässt und sich in eine Welt hineingeworfen sieht, die so anders ist, dass es sich von diesem Schock niemals erholen wird. Denn schau mal, obwohl man weiß, dass die Entbindung für eine Frau vielleicht eine der schmerzvollsten Erfahrungen im Leben sein kann, hat sich vor dem Erscheinen meines Buches Geburt ohne Gewalt nie jemand gefragt, ob Geboren-Werden für ein Kind nicht genauso schmerzhaft, so entsetzlich sein könnte wie die Entbindung für seine Mutter. Aber ja, entgegen der früher üblichen Vorstellung »erlebt« das Kind seine Geburt, seine Ankunft in die Welt; es verfügt »schon« – und das seit geraumer Zeit – über ein Bewusstsein und über Empfindungen, ja sogar über einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, sodass es sich fragen muss: »Warum? Warum denn bloß? Was habe ich denn getan, um so vor die Tür gesetzt zu werden, um aus diesem Paradies des mütterlichen Schoßes vertrieben zu werden?« Wurde es 12 vor die Tür gesetzt oder hat es vielmehr gespürt, dass seine Zeit, sich auf den Weg zu machen, gekommen war? Davon handelt Geburt ohne Gewalt. Du siehst, es geht nur um das Drama, welches das Kind erlebt, über das Geboren-Werden, keine Silbe über das, was man »Entbindung« nennt. Um es mit anderen Worten auszudrücken: Wenn ein Neugeborenes schon jemand ist und nicht etwas, in englischer Sprache: wenn es schon somebody und nicht something ist, also eine Person und kein Gegenstand, dann ändert sich alles. Einen Gegenstand fasst man an, hantiert an ihm herum, ohne besonders rücksichtsvoll zu sein. Mit einer Person, einem Menschen geht man ganz anders um. Man schuldet ihm Achtung. Auf Deutsch gibt es eine schöne Redewendung, die sehr gut ausdrückt, worum es geht: Eine Frau sagt nicht, dass sie ein Kind »gehabt hat«, sondern dass sie ein »Kind bekommen hat«. Wie man ein Geschenk bekommt oder Besuch. Und was für einen Besuch! Einen Prinzen! Also noch einmal: in meinem Buch Geburt ohne Gewalt geht es nur um das Erleben des Kindes. Kein Wort über das, was die Frau während der Entbindung erlebt. Manche Frauen waren richtig verärgert. »Dieser Leboyer«, sagten sie, »kümmert sich nur um das Kind, unser Leiden ist ihm völlig gleichgültig.« Natürlich ist mir das überhaupt nicht gleichgültig! Wenn ich in Geburt ohne Gewalt nicht darüber spreche, gibt es dafür zwei Gründe: Erstens war ich so fasziniert, war derart in Anspruch genommen von – wenn ich das so sagen darf – »meiner Entdeckung«. Ich hatte nämlich erkannt, dass Geboren-Werden für das Kind schrecklich und grausam ist, und ich musste herausfinden, wie die13 ses neu angekommene Baby, das doch vor Freude strahlen sollte, weil es nicht mehr in seinem Gefängnis sitzt, sich von seiner eigenen Verstörtheit erholen kann. Es sollte außer sich sein vor Freude, anstatt bei seiner Ankunft in unserer Welt vor lauter Angst und Schrecken loszubrüllen. Es war eine so fantastische Entdeckung, dass ich sie einfach damit vergleichen musste, wie es war, als ein Mensch zum ersten Mal ein Samenkorn in die Erde legte und es zum Wachsen brachte. Dieser Mensch hatte den Ackerbau entdeckt, während ich gerade dabei war, eine Geburt ohne Leiden für das Kind, eine Geburt in Freude zu entdecken. Der andere Grund, der dazu führte, dass ich nichts über den Schmerz der Frau sagte und darüber, wie man ihn ihr ersparen konnte, war, dass ich zu der Zeit absolut nichts darüber wusste. Außerdem glaubte ich (doch wie hatte ich mich geirrt!), dass die Lösung bereits von denjenigen gefunden worden war, die das propagierten, was sie mit dem verlogenen Begriff »schmerzfreie Geburt« bezeichneten, mit dem man die Frauen glauben machen wollte, es sei möglich zu entbinden, ohne etwas zu spüren. Dabei ist eine Entbindung wie … ein Erdbeben, eine Sturmflut, ein Wirbelsturm. Sie kann ein mitreißendes Abenteuer für diejenige werden, die das Steuer zu halten versteht. Das heißt, es ist zwar für eine Frau nicht möglich zu entbinden, ohne etwas zu spüren, aber das, was sie spürt, kann für sie eine große Freude sein. Bevor ich mehr zu diesem Thema sage, welches der eigentliche Zweck dieses Buches hier ist, schauen wir noch einmal zurück, ich meine, zurück zu den falschen Vorstellungen, die Du Dir, wie so viele Frauen, bezüglich Deiner Entbindung machst. 14
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