Neue Bedrohung Drohnen, selbstfahrende Autos und Hacker

Datum: 13.08.2015
Neue Bedrohung Drohnen, selbstfahrende Autos und
Hacker machen unser Leben gefährlicher. Versicherer
wollen davon profitieren und tüfteln an neuen Policen.
Risiko des
Fortschritts
NEUES RISIKO
SELBSTFAHRENDE AUTOS
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Auflage: 37'909
Argus Ref.: 58739114
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Dumme Menschen
Schuld ist in den meisten Fällen der Mensch.
Neun von zehn Verkehrsunfällen werden
durch Fehlverhalten der Fahrer ausgelöst.
Dass die Zahl der Verkehrstoten in der Schweiz
stetig sinkt, liegt denn auch nicht am steigenden
Talent der Automobilisten, sondern an den tech-
nischen Neuerungen. Zuerst kamen Gurte und
Airbags. Heute warnen Sensoren, wenn man zu
schnell fährt, anderen Autos zu nahe kommt oder
auf der Strasse ein Hindernis droht. Mit erfreu-
lichen Folgen. 2014 starben in der
Schweiz 243 Menschen durch Autounfälle, im traurigen Rekordjahr 1971
waren es noch 1770.
Geschäftsmodell stirbt aus
einer Studie von McKinsey. Vor allem die Risikobeurteilung und -berechnung werde sich ändern,
wenn nur noch Maschinen auf der Strasse fahren.
Das Szenario, dass nur noch selbstfahrende
Autos auf den Strassen unterwegs sind, dürften
die wenigsten von uns noch erleben, die Versicherer haben also Zeit, sich darauf vorzubereiten.
Viel kritischer hingegen ist die Übergangszeit, in
der sowohl autonom fahrende Autos als auch ma-
nuell gesteuerte Wagen im Strassenverkehr
unterwegs sind. Selbstfahrende
Autoversicherer Autos untereinander verstehen
sich nämlich gut. Sie sind alle auf
müss en ihr
die gleiche Weise programmiert
Geschä ftsmodell und könnten deshalb auch das
Fahrverhalten der anderen digitaüberd enken.
len Verkehrsteilnehmer antizipieren. Das Problem entsteht,
Das bemerkte man offenbar auch
bei Google. Der Technologieriese hat
in seinem Zukunftslabor Google X ein selbstfahrendes Auto entwickelt. Zunächst hatten die Forscher Modelle von Toyota und Honda umgerüstet.
Dann entwickelten sie einen eigenen Prototypen.
Was fehlt: Lenkrad, Gaspedal - alles, was man als
Fahrer so braucht. Die Menschen seien einfach
manchmal «zu dumm». Daher würden sie sich
wenn noch Menschen am Verkehr teilnehmen.
Denn Selbstfahrer handeln eben manchmal irrational.
Wer haftet?
Eine der wichtigsten Fragen wird daher sein:
Wer haftet, wenn ein selbstfahrendes Auto in
nicht als Backup für ein selbstfahrendes Auto eignen, so die Begründung von Google-X-Chef Astro
Teller. In der Schweiz war Swisscom im Mai dieses
einen Unfall verwickelt ist? Versicherer rechnen
damit, dass sich die Verantwortung auf die Her-
Jahres die erste Firma, die ein selbstfahrendes
nicht mehr beim Fahrer gebe, so würden sie dafür
in der Entwicklung entstehen.
So viele Gedankenspiele man auch durchgeht
- zu neuen Produkten äussern sich die Versicherer
noch nicht. Man beobachte den Markt aufmerksam, heisst es von den schweizerischen Assekuranzhäusern lediglich.
Auto auf die Strassen schickte. Man wolle Erfahrungen über den neuen Markt sammeln, hiess es
vom Unternehmen.
Auch auf Versicherer wirkt sich der Trend aus.
Das klassische Geschäftsmodell der Autoversicherer stehe vor grossen Änderungen, heisst es in
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steller verlagert. Wenn es menschliche Fehler
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DROHNEN
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Gefahr aus der Luft
Bis Drohnen uns auch die bestellte Pizza vor
die Tür - oder vielleicht vor das Fenster? -
liefern, dauert es wohl noch eine Weile.
Dennoch prognostizieren Experten schon für die
nahe Zukunft ein rasantes Wachstum des Marktes
für unbemannte Flugobjekte. So könnten etwa
Strom- oder Telekomanbieter die
kleinen Geräte nutzen, um Masten
zu inspizieren, Sicherheitsunterneh-
men könnten Menschenansammlungen überwachen, Bauern könnten mit Drohnen ihre abgelegenen
Felder inspizieren.
Auch die Schweizerische Post
will in Kooperation mit der Frachtdivision der Fluggesellschaft Swiss
und dem Hersteller Matternet Drohnen einsetzen. Die fliegenden Helfer
sollen Pakete und Briefe in abgelegene Gegenden zustellen. Online-
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kann eine Luftfahrzeug-Einzelversicherung abschliessen. Das ist indes
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ein Hilfskonstrukt, das nicht exakt
auf Drohnen zugeschnitten ist. In
Kanada ist das anders. Als einer der
ersten Anbieter weltweit lancierte
die Zurich Insurance dort eine Drohnenversicherung für Unternehmen.
Total Militärische Zivile
Total
Markt Nutzung Nutzung
Nutzung
Dank den Multikoptern sollen Pakete dereinst in 30 Minuten beim Empfänger ankommen.
Das Geschäft hat Zukunft, glauben Experten.
Der Wert des globalen Drohnen-Marktes soll sich
bis 2024 deutlich steigern, von 6,5 auf 11,6 Milliarden Dollar oder mehr als 75 Prozent, schätzen die
Analysten der Teal Group. Der Anteil der zivilen
Nutzung dürfte dabei deutlich zunehmen, während
der der militärischen leicht abnimmt (siehe Grafik).
Darin sehen auch die Versicherer Potenzial.
Denn: Was passiert, wenn bald die Multikopter
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Ein Unternehmen, das Drohnen
kommerziell nutzt und dafür auch
eine Betriebsbewilligung besitzt,
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Riese Amazon testet das bereits.
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den? Für solche Fälle müssen die Betreiber vorsorgen. Doch spezielle Versicherungen gibt es in
der Schweiz derzeit noch nicht.
Eine teilweise Deckung ist momentan nur über Umwege möglich.
Marktentwicklung
Marktentwic
klung
Zivile Nutzu
Nutzung
Zivile
ng von
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Dollar
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Post will mit Drohnen arbeiten
von Amazon, Post oder Medienunternehmen
miteinander kollidieren, Eigentum von anderen
beschädigen oder vielleicht sogar gehackt wer-
QUELLE: TEAL
TEAL GROUP
GROUP
Nach und nach global
In der Police abgedeckt sind so-
wohl Beschädigung der Drohnen
selbst als auch Haftungsschäden.
Auch Schaden durch kriminelle Eingriffe wie etwa Hacking sind gedeckt. Entwickelt
hat Zurich die Versicherung gemeinsam mit dem
auf Luftfahrtpolicen spezialisierten britischen Unternehmen Global Aerospace Underwriting Ma-
nagers. Nach und nach wolle man das Produkt
auch global anbieten, heisst es - je nach Bedarf in
einzelnen Ländern. Die Post hält einen DrohnenLieferdienst in fünf bis zehn Jahren für realistisch
- eigentlich die ideale Einstiegsmöglichkeit für die
Schweiz.
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sicherer - genauso wie Probleme. Denn: Man kann
LAURA FROMMBERG
Das Flugzeug befand sich im Anflug
auf Warschau. Als die LufthansaMaschine auf 700 Metern war, sahen
die Piloten aus dem Fenster plötzlich ein unbekanntes Flugobjekt gefährlich nahe bei ihrem Flieger.
Wie sich später herausstellte, hatte
ein Hobbypilot eine Drohne zu nah am Flughafen steigen lassen. Geschehen ist dabei zum Glück nichts.
Vorfälle wie der in der polnischen Hauptstadt sind
keine Einzelereignisse mehr. Gefährliche Begegnungen
zwischen Passagierflugzeugen und Drohnen nehmen
mit einem beunruhigenden Tempo zu. Und das ist erst
der Anfang. Auch Unternehmen wollen die fliegenden
Helfer bald für sich einsetzen, entsprechende Pilotprojekte laufen bereits. Das bekannteste Beispiel ist das
Online-Versandhaus Amazon. Hierzulande plant die
Schweizerische Post den Drohnen-Einsatz.
Doch was, wenn dann wirklich einmal etwas passiert? Die Frage treibt nicht nur die Unternehmen um,
sondern auch Versicherer. Drohnen sind eines der neuen Risiken, die in den kommenden Jahren auf die Branche zukommen.
«Der technologische Wandel macht sich in der Ver-
sicherungsbranche stärker bemerkbar als in irgendeinem anderen Bereich», erklärt Stephen O'Hearn, der
bei der Beratungsfirma PwC für Versicherungen zuständig ist. Daraus entstünden grosse Chancen für Ver-
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zwar zahlreiche neue Produkte entwickeln. Doch Prämien für diese zu berechnen, wird schwer. Die Spezialisten der Versicherer nutzen dafür normalerweise historische Daten - und die liegen bei neuen Risiken nicht
vor.
Zudem ist es kaum möglich, das Ausmass allfälliger
Schäden einzuschätzen. Niemand weiss, wie sich das
Risiko von Hacker-Attacken entwickelt, wie gut sich
selbstfahrende Autos verkaufen und wie sicher sie sein
werden oder wie die Anwendungen von und Vorschriften für Drohnen sich entwickeln. All das hat aber Einfluss auf die Höhe der Versicherungsprämien.
«Um mit der zunehmenden Technologisierung mitzuhalten, investieren die Versicherer stark in Innovationsförderung», sagt O'Hearn. Viele ziehe es zum Beispiel ins Silicon Valley, um von den dortigen Technolo-
giefirmen zu lernen. Dazu gehört etwa die Schweizer
Versicherung Mobiliar. Sie entsendet ausgewählte Mitarbeitende für ein bis drei Monate ins kalifornische
Palo Alto. Man hofft, dass sie dort neue Ideen sammeln
und dass durch den Aufenthalt ihr Innovationsdrang
gefördert wird.
Auch Kooperationen mit Universitäten sollen beim
Umgang mit den neuen Risiken helfen. Bei Axa gibt es
etwa einen Forschungsfonds. Der unterstützt die Professur «Reliability & Risk Engineering» der ETH Zürich
mit einem Betrag von 2 Millionen Euro. Der Lehrstuhl
ist Teil des ETH Risk Center, das sich mit Auswirkungen
neuer Risiken auseinandersetzt
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CYBER-ATTACKEN
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Anonymer Angriff
Wenn es schon eine eigene Fernsehserie
darüber gibt, kann Hacking wirklich
kein Randphänomen mehr sein. In der
dukten», so eine Mobiliar-Sprecherin. «Für IT-Experten gibt es nur zwei Typen von Unternehmen.
Die, die schon Opfer von Hacker-Angriffen geworden sind, und die, denen das noch bevorsteht», so
Carin Gantenbein, die bei der Zurich Insurance
Group für den Bereich zuständig ist.
neuen, erfolgreichen US-Produktion «Mr. Robot»
spielt eine Art digitaler Superheld die Hauptrolle.
Im ICapuzenpulli wühlt er sich nachts durch die
Online-Profile von Freunden und Feinden, um die
Guten zu schützen, die Existenz der Bösen zu zer- Schäden wie bei Naturkatastrophen
stören. Tagsüber arbeitet er als IT-Mitarbeiter bei
Die Schäden, die solche Angriffe weltweit vereiner Firma, die ihre Kunden vor Leuten wie ihm ursachen, nähern sich denn auch nach und nach
schützen soll, und wehrt Hacker-Angriffe ab.
denen von Naturkatastrophen an. Die Kosten beDas Geschäftsmodell von Mr. Rotrugen bei Hacker-Angriffen 2014
bots Arbeitgeber ist ein reales. Bös113 Milliarden Dollar, gegenüber
Cyber- Angriffe
willige Hacker können Unterneh140 Milliarden durch Naturkatastrobiete n ein
men grossen finanziellen Schaden
phen. Aus diesem Grund bieten inzufügen - gefasst werden die anonyzwischen auch fast alle grossen Verenor mes
men Angreifer selten. Das wohl prosicherer Schutz vor den digitalen
Marktpotenzial.
minenteste Beispiel stammt vom
Attacken an.
vergangenen November: Bei Sony
erbeuteten Hacker, die sich selbst «Guardians of
Peace» (Hüter des Friedens) nennen, nach eigenen Angaben über 100 Terabyte an Daten und
brachten pikante Details an die Öffentlichkeit -
Dennoch ist es für die Versicherer sehr schwer abzuschätzen, wie sich die
von internen E-Mails über Gehaltslisten bis hin zu
Kosten entwickeln. Kriegt man die Attacken mittel- bis langfristig in den Griff, weil zum Beispiel
die Besten der Besten unter den Hackern auf die
«gute Seite» wechseln, oder läuft es genau anders-
Informationen zu noch unveröffentlichten Fil-
herum? Von der Antwort auf diese Frage hängt
men. Über ein Jahr soll der Angriff unbemerkt geblieben sein.
vieles ab.
Das führe dazu, dass Prämien auf diese Versi-
Eines der wichtigsten Felder
Für Versicherer ist das Feld eines der wichtigs-
cherungen sehr hoch angesetzt würden, um den
Unsicherheitsfaktor aufzufangen, erklärt Martin
Eling, Leiter und Direktor des Instituts für Ver-
ten. Denn: Cyber-Kriminalität bietet auch ein
enormes Marktpotenzial. Das hat man auch in der
Schweiz erkannt. «Wir arbeiten an einer Deckungsanpassung der Rechtsschutzversicherung
im Bereich Cyber-Kriminalität in all unseren Pro-
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sicherungswirtschaft an der Universität St. Gallen
(siehe Interview). Auch die Deckungsgrenzen, die
man bei den Policen setze, seien sehr strikt, weil
die Schadenshöhe je nach Angriff enorm variieren
könne.
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