Mediation des Konflikts der beiden Brüder Karl und Franz Moor in

Mediation des Konfliktes aus „Die Räuber“
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Mediation des Konflikts der beiden Brüder Karl und Franz Moor in
Schillers „Die Räuber“
Studentinnen: Ramona Jäger, Regina Lanz
Wintersemester 2012/2013
Grundzüge der Mediation
Mediation und Die Räuber
Bereits zu Beginn von Die Räuber, lässt sich erahnen, dass die Brüder Franz und Karl in
keiner einfachen Beziehung zueinander stehen. Dies wird beispielsweise durch die Fälschung
des Briefs von Karl durch seinen Bruder Franz deutlich (erster Akt, erste Szene). Während der
ganzen Handlung kommt es aber zu keiner Aussprache. Die Handlungen verstricken sich
immer mehr und das Ende von Die Räuber verläuft sehr tragisch. Der Vater der beiden Brüder
verstirbt aufgrund der Aufregung. Franz begeht Selbstmord. Und Karl wird
höchstwahrscheinlich hingerichtet. All dies hätte mithilfe einer Mediation dieses Konflikts
vielleicht verhindert werden können.
Im Jahr 2011 wurde das Verfahren der Mediation juristisch anerkannt. Dabei wurde definiert,
dass „Mediation ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren ist, bei dem Parteien mit Hilfe
eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche
Beilegung ihres Konflikts anstreben.“ (MediationsG, Artikel 1, § 1).
Nun stellt sich die Frage, ob mit einer Mediation im Verlauf des Dramas der
Handlungsverlauf hätte verändert werden können. Ein neu anerkanntes Verfahren soll also auf
ein Drama angewendet werden, was bereits 1781 von Schiller geschrieben wurde.
Dabei wurde nicht angestrebt, die Handlung umzuschreiben, sondern lediglich mögliche
Handlungsänderungen und Ausgänge zu betrachten.
Relevanz der Mediation in Die Räuber
Einer der wichtigsten Punkte, der für eine Mediation spricht ist der Verlauf der Handlung,
nämlich der eines Dramas. Alle Protagonisten sterben, was eventuell hätte verhindert werden
können.
Eine der Voraussetzungen für die Durchführung einer Mediation ist, dass es sich bei den
Parteien um keinen Einmalkontakt handelt. Da Franz und Karl Brüder sind und somit
lebenslang familiär verbunden sein werden, kann die Voraussetzung als erfüllt angesehen
werden (von Schlieffen, Ponschab, Rüssel & Harms, 2006). Von der Gesprächsbereitschaft
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beider Parteien – einer weiteren Voraussetzung – sind wir in unserem hypothetischen Fall
ausgegangen (von Schlieffen et al., 2006).
Die Räuber im Rahmen der Mediationsübung
Im Rahmen einer Mediationsübung wurde der Konflikt von mehreren Gruppen unabhängig
voneinander bearbeitet.
Wie eine solche Mediation hätte aussehen können, wird im Folgenden anhand der einzelnen
Schritte skizziert.
Um einen Einstieg in die Situation zu geben, wurden den Teilnehmern der Mediation einige
grundlegenden Informationen gegeben. Die Geschichte aus Schillers „Die Räuber“ wurde
kurz dargestellt und die ausgewählte Situation kurz skizziert. Außerdem bekamen die
jeweiligen Personen, die Karl und Franz in der Mediation verkörperten noch eine kurze
Einführung in ihre jeweiligen Charaktere.
Infomaterial: Charakterisierung Karl
Karl Moor ist ein politisch engagierter, idealistischer Rebell von attraktiver und
charismatischer Erscheinung. Er ist eine ehrliche Haut und es verletzt ihn sehr, als er sich von
seinem Vater zu Unrecht verstoßen glaubt. Er hat eine enge Bindung zu einer Gruppe von
Männern in Leipzig, die gemeinsam über gesellschaftskritische Themen debattieren und
studentische „Narren“-streiche organisieren. Dabei zeigt sich, dass Karl und seine Kumpanen
festgeschriebenen, gesellschaftlichen Strukturen kritisch gegenüberstehen und eine liberale
Weltordnung anstreben. Karl ist der ältere der beiden Söhne, der eine sehr enge und innige
Beziehung zu seinem Vater hat. Als Erstgeborener stehen ihm als Erbe das Schloss und die
Grafschaft des Vaters zu. Karl ist vor der geschilderten Situation mit dem Gesetz in Konflikt
geraten und bittet deshalb seinen Vater in dem Brief um Vergebung. Es ist ihm sehr wichtig
die gute Beziehung zum Vater aufrechtzuerhalten, weshalb er auch nach seinem Studium nach
Hause zurückkehren will.
Infomaterial: Charakterisierung Franz
Franz Moor ist der jüngere Sohn des Grafen von Moor, dessen ganze Liebe stets Karl galt.
Als Zweitgeborener hat Franz keinerlei Ansprüche auf ein Erbe und ist selbst als Erwachsener
nicht allein rechtsfähig, sondern untersteht dem Vater. Obendrein ist er im Gegensatz zu
seinem Bruder Karl missgestaltet und unbeliebt, dabei von scharfer Intelligenz und
heimtückischem Charakter. Doch der solchermaßen benachteiligte Franz will sich der
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naturgegebenen (Rechts-)Ordnung nicht fügen, sondern sich für die empfundene
Ungerechtigkeit rächen. Da Karl immer der Bevorzugte war, entstand für Franz ein
Liebesdefizit, das ihm die „sinnliche Welt“ der Leidenschaft unerträglich machte. So fixierte
er sich auf eine rationalistische Denkweise und wird zum gefühlskalten, amoralischen,
egoistischen Materialisten und Nihilisten. Neid und Eifersucht gegenüber seinem Bruder sind
mit den Jahren in blinden Hass umgeschlagen. Deshalb intrigiert Franz gegen Karl, damit
dieser die gleiche emotionale Zurückweisung durch den Vater erfährt wie Franz selbst. So
handelt Franz ohne Skrupel und erreicht schließlich sogar fast den väterlichen Verstoß Karls.
Die interaktive Mediation wurde protokolliert und zeigte folgendes Ergebnis:
1. Themensammlung
Franz
Karl
Gleichberechtigung/Fairness  Erbe und
Sorge um den Vater  Vater aus dem
Aufmerksamkeit durch den Vater
Konflikt heraushalten
Respektvoller Umgang miteinander
Vertrauensbruch von Franz
Respekt und Anerkennung
Rückkehr aufs Schloss
Verhältnis zum Bruder Franz
Zusammengefasst:
Umgang miteinander: Vertrauen, Respekt
Rollenverteilung und Gleichberechtigung
2. Interessen
Umgang miteinander:
Franz
Karl
Will respektvollen Umgang
Fordert Vertrauen
Will in seiner Rolle ernstgenommen werden
Wahrheit
Ehrlichkeit und Verlässlichkeit im Umgang
Offenheit von Franz
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Rollenverteilung und Gleichberechtigung
Franz
Gleiche Chancen  möchte studieren
Karl
Möchte für seine Verantwortung respektiert
werden
Möchte Erbe geteilt haben
Möchte Verantwortung auch gern teilen
Will Verantwortung übernehmen
Trägt die Last auf seinen Schultern
Wünscht sich Unterstützung von Karl
Will frei und eigenständig sein
3. Optionen
Daraus erarbeiteten die beiden im Laufe der Erarbeitung von Optionen folgende
Möglichkeiten:
Franz darf studieren  erfolgreicher Abschluss
Franz übernimmt danach Finanzen (3 Jahre Probezeit)
¼ vom Erbe – danach fest und Gehalt
4. Bewertungskriterien
Festgelegt wurden die oben genannten Bewertungskriterien, anhand derer überprüfbar ist, ob
die Vereinbarungen eingehalten werden:
erfolgreicher Abschluss
Probezeit als Finanzbeauftragter
5. Verhandeln & 6. Vereinbarung Abschluss
Im Rahmen von zwei Sitzungen konnten aufgrund des zeitlichen Rahmens keine Verhandlungen
geführt werden und somit kein Abschluss erzielt werden. Im Verlaufe des Prozesses wurde jedoch den
Beteiligten deutlich, wie wichtig die Interessensfindung für eine erfolgreiche Mediation ist.
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Fazit und Kritik
Der dargestellte Fall zeigt eindrücklich, welches Potential eine Mediation auch in schwierigen
Konflikten haben kann, denn selbst in der Simulation dieses Falls wurden bereits nach kurzer
Zeit tiefgründige Interessen und vielversprechende Lösungsansätze herausgearbeitet. Durch
die interaktive Mediation und das anschließende Feedback der Beteiligten wurde jedoch auch
deutlich, dass es die Komplexität dieses Falls einen sehr hohen zeitlichen Aufwand erfordert.
Mit den angesetzten 2 Sitzungen war der Fall noch nicht so aufgearbeitet, dass es zu einer
konstruktiven Lösungsfindung kommen konnte. Es wird dabei sehr schön deutlich, wie
wichtig es ist eine Mediation gut zu strukturieren. Im Laufe der Mediation ist aufgefallen,
dass es sehr wichtig ist, ein besonderes Augenmerk auf die Themen- und Interessensfindung
zu legen. Denn hierbei werden die wichtigen Aspekte des Konflikts herausgearbeitet. Nur
wenn hierbei eine ordentliche Trennung zwischen verschiedenen Themenbereichen
stattfindet, kann daraufhin auch im Sinne der Bedürfnisse und Interessen der Beteiligten an
sinnvollen Lösungen gearbeitet werden. Findet diese Trennung nicht statt, wird es auch später
schwer klare Vereinbarungen zu treffen, da teilweise Interessen untergehen oder verschiedene
Interessen vermischt werden und somit nicht im eigentlichen Sinne respektiert werden
können.
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Literatur
Mediationsgesetz: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss).
Berlin: H. Heenemann GmbH & Co.
Von Schlieffen, K., Ponschab, R., Rüssel, U., & Harms, T. (2006). Mediation und
Streitbeteiligung, Verhandlungstechnik und Rhetorik. Berlin: BWV-GmbH.