Wenn man nicht mehr für sich sorgen kann

Wenn man nicht mehr für sich sorgen kann…
Die rechtliche Betreuung - Erfahrungen und Anforderungen
Fachgespräch am 10.11.2015 im Hotel Berlin
Teil 2, TOP 5, 18.20 Uhr –Statement von Gerhard Sauer Korruptionsprävention in der rechtlichen Betreuung
- Anforderung an Instrumente und Gesetze –
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
wie wir gehört haben, geht es bei Korruption um Macht und die Möglichkeit des
Machtmissbrauchs, um einen persönlichen Vorteil zu erlangen oder um einen Vorteil für
einen Dritten zu erreichen.
Und über diese Definition kommen wir sehr schnell zum Betreuungsrecht:
In der rechtlichen Betreuung gibt es gewachsene Machtstrukturen beim Betreuungsgericht
und auch bei Betreuern. Der Richter hat aufgrund seiner Unabhängigkeit Macht,
der Rechtspfleger hat in seinem Aufgabenbereich genauso wie der Richter Macht,
weil er ebenfalls unabhängig ist und weil der Richter nicht sein Vorgesetzter ist…. und der
Betreuer – ob nun Berufsbetreuer oder Angehöriger - hat Macht im Rahmen seiner
Entscheidungsverantwortlichkeit.
Transparenz ist der Tod der Korruption, so die Aussage des Oberstaatsanwalts Wolfgang
Schaupensteiner, Frankfurt am Main, der vor Jahren erfolgreichste Staatsanwalt in
Deutschland.
Nicht von ungefähr heißt die hier anwesende Organisation „Transparency International“,
die der internationalen Korruption den Garaus wünscht, weil fehlende Transparenz die
Nachvollziehbarkeit von Vorgängen verhindert und der Korruption ihren Nährboden gibt.
Auch durch dieses Stichwort – Transparenz – kommen wir wieder schnell zum
Betreuungsrecht, weil das Wesensmerkmal der Betreuung leider Intransparenz ist und -wie
gesagt - ist Intransparenz der Nährboden für Korruption.
Das System im Betreuungsrecht ist in sich burgähnlich abgeschottet. Es ist intransparent.
Als dritten Punkt stelle ich hinzu, über fremdes Vermögen verfügen zu dürfen.
Das steigert das Risiko nochmals.
Deshalb mein Appell:
Aufsicht und Kontrolle müssen wirksamer gestaltet werden.
Erst Transparenz macht risikobehaftete Vorgänge nachvollziehbar. Oder anders
aufgedrückt: Transparenz ist das notwendige Licht, das die Korruption scheut.
Korruption findet im Verborgenen statt.
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Zur Ausgangslage:
Weit über eine Million Menschen in Deutschland ist auf Betreuung durch Verwandte
oder auf fremde Hilfe angewiesen. Das Durchschnittsvermögen eines Betreuten
beträgt knapp 100.000,- €. Ein Berufbetreuer, der in auskömmlichen Verhältnissen
leben möchte, benötigt oft 50 und mehr Fälle. Hieraus schließen wir, dass er häufig
über ein fremdes Vermögen von mehreren Millionen Euro verfügen kann.
Vermögensbetreuer geben dem Betreuungsgericht jährlich einen Vermögensbericht
ab, der die Vermögensentwicklung mit Ein- und Ausgaben aufzeigt.
Die Rechtspflege prüft den Vermögensbericht und testiert seine „sachliche und
rechnerische Richtigkeit“.
Meine Damen und Herren,
natürlich wissen wir, dass die weitaus größere Zahl der Betreuer engagiert und korrekt
arbeitet, aber – und das ist Ihnen nicht fremd – „Schwarze Schafe“ verderben den Ruf.
Und die Anständigen haben kein Interesse, dass ihr Ruf ruiniert wird und dass sie mit den
Unanständigen in einen Topf geworfen werden.
Meine Erkenntnis, aber vielleicht auch Ihre Erfahrungen:
Nicht jeder Mensch kann Versuchungen widerstehen, wenn die Rahmenbedingungen,
sich unerlaubt einen Vorteil zu verschaffen, günstig sind und wenn das
Entdeckungsrisiko gering ist. Wenn persönliche finanzielle Schwierigkeiten
hinzukommen – und solche Fälle wird es auch unter Betreuern geben - wird bei
geringem Entdeckungsrisiko die Verlockung, Unerlaubtes zu tun, gesteigert.
Und das Entdeckungsrisiko ist leider zu häufig gering, weil Aufsicht und Kontrolle durch
das Betreuungsgericht sicher nicht den Vorstellungen der Menschen entsprechen, die nicht
mehr für sich sorgen können. Nur können diese nicht mehr geschäftsfähigen Menschen ihre
Anliegen nicht selbst vertreten und sich selbst wehren.
Wir hier Anwesende sind schon wegen unseres Insiderwissens moralisch verpflichtet,
die Politik auf Risiken hinzuweisen, damit diese agieren kann, um unerwünschten
Entwicklungen entgegen zu steuern.
Die Einfallstore für Unerlaubtes - und das wünsche ich mir - wollen wir mit Hilfe der Politik
verkleinern, und zwar
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indem wir Risiken aufzeigen und aufklären
Beteiligte sensibilisieren
Maßnahmen zur Vorbeugung treffen und
dadurch Menschen, die nicht mehr für sich sorgen können, schützen.
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Nach dem Betreuungsgesetz steht der oder die Betreute im Mittelpunkt des Interesses.
Fremde Interessen sind nachrangig. Die augenblicklichen Strukturen lassen es zu, dass
fremde Interessen in den Mittelpunkt des Interesses geraten können.
Deshalb meine Überzeugung:
Strukturelle Schwachstellen werden durch eine Risiko- und
Schwachstellenanalyse offenkundig. Dabei werden komplexe Arbeitsvorgänge von
Analysten und Fachleuten in einzelne Schritte zerlegt und auf Risiken und
Schwachstellen hin untersucht. Verbesserungen werden formuliert.
Die Ergebnisse wertet eine Fachgruppe aus und regt Entscheidungen an.
Wir haben das Bundesministerium der Justiz, hier: Herrn MinDgt Dr. Wichard
bei der Klärung z. B. bei folgender Fragen zu unterstützen:
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Welche Informationen braucht das Betreuungsgericht, um Aufsicht und
Kontrolle wirksamer durchführen zu können? (z. B. bekannte Hinweise der
Landesrechnungshöfe auswerten)
Wie kann Transparenz verbessert werden? Welche elektronischen Daten
werden für Kontrollzwecke benötigt? (Welche Informationen müssen wem
zugänglich sein und was ist verzichtbar?)
Wie sollte der Fragebogen zur Vermögenserklärung aktualisiert und der
Erhebungszeitraum geändert werden? (Erfassungszeitraum auf Kalenderjahre
anpassen und Vermögenswerte vollständiger abfragen, z. B. Forderungen und
weiterhin Systematik dem Steuerrecht angleichen, schon um Doppelstrukturen
zu vermeiden und auf Vorhandenes zurückgreifen zu können.)
Welche Vorgänge sind besonders risikobehaftet?
(z.B. Vermögensumschichtungen und Haushaltsauflösungen, Konsequenzen
hieraus: Transparenz durch erweiterte Dokumentation, 4-Augen-Prinzip,
Personalrotation)
Welche Maßnahmen mindern das Risiko?
(z.B. Bestellung von Betreuern zu Amtsträgern im Sinne des
Strafgesetzbuches zur Verbesserung der Strafbarkeit zwecks Abschreckung
und Aufkündigung von Verträgen mit unzuverlässigen Betreuern. Aber auch
Aufklärungsarbeit über Risikofelder)
Warum werden vermehrt Berufsbetreuer eingesetzt, obwohl Angehörige
bevorzugt bestellt werden sollen? (Verfolgen Betreuungsgerichte andere
Interessen als die Politik? Will sich die Politik das bieten lassen?)
Empfehlung:
Das Bundesministerium der Justiz greift Anregungen/Kernaussagen des heutigen
Gesprächskreises auf, um eine Risiko- und Schwachstellenanalyse durchzuführen.
Ziel: Ein Maßnahmenkatalog zur Weiterentwicklung des Betreuungsrechts wird
mit Terminvorgabe erarbeitet. Der Expertengruppe wohnen auch Fachleute aus der
Revision, der Wissenschaft und der Korruptionsbekämpfung bei. Politik entscheidet.
Gerhard Sauer, 04.11.2015
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