„Mit falschen Betreuerangaben wird nicht nur der Kunde in die Irre

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Beratung
… die Agentur beziehungsweise ein Finanzvertrieb oder ein Servicecenter des Versicherers. Und das, oobwohl der Kunde sich
einen Makler zur Beratung gesucht hatte. Einige Versicherer ignorieren auf diese Weise noch immer den Willen ihrer Kunden. Schon
vor zwei Jahren hatte der Bundesgerichtshof ein Machtwort zur
Korrespondenzpflicht gesprochen, jetzt haben zwei Oberlandesgerichte weitere Ohrfeigen für den HDI und die Aachen-Münchener
verteilt, allerdings bleibt noch eine Frage offen.
HDI auch in zweiter Instanz gescheitert
Gegen
wollte
weiter
dieren
die Entscheidung hat der HDI Berufung eingelegt. Er
vor dem Oberlandesgericht Celle erreichen, dass man
unmittelbar mit dem Versicherungsnehmer korrespondarf, auch wenn dem Versicherungsmakler vom Kunden
„Mit falschen Betreuerangaben
wird nicht nur der Kunde in die
Irre geleitet, sondern auch andere
Verkehrskreise.“
Michael Otto
Otto Assekuranzmakler
eine Postempfangsvollmacht erteilt wurde und der Makler den
Schriftverkehr über sein Büro erbeten hat. Doch schon in seinem
Hinweisbeschluss vom 31. März 2015 wiesen die Richter darauf
hin, dass die Berufung des HDI in Sachen Postempfangsvollmacht
Ausgabe 04_August/September 2015_portfolio international
Es betreut Sie
weiterhin ...
Bild: stockphoto
Den Versicherungsmakler Michael Otto kennen aufmerksame Leser schon länger. Er hat mit seiner Firma Otto Assekuranzmakler
KG in Isernhagen bei Hannover schon manchen Versicherer vor
Gericht gebracht und zum Nachdenken über den Umgang mit
Maklern angeregt. „Der streitbare Michael Otto“ (siehe Ausgabe 3/2013), lautete deshalb der Titel einer Geschichte um den
Streit mit der DKV Deutsche Krankenversicherung, die in Sachen
Korrespondenzpflicht und falschen Betreuungshinweisen in der
Kundenkorrespondenz erst nach mehreren Prozessen, die Otto
gewonnen hat, eingelenkt hatte.
Nun ist Otto wieder mal aktiv geworden, diesmal gegen die HDI
Lebensversicherung. Der Versicherer hatte in seinem Kundenanschreiben eigene Vertriebs- und Betreuungsorganisationen als
Ansprechpartner benannt, obwohl Makler Otto mit diesem Kunden Versicherungen und einen Maklervertrag abgeschlossen hatte
und schon deswegen als Ansprechpartner hätte genannt werden
müssen. Als der HDI später die Courtagezusage kündigte, nannte
er nur noch die eigenen Vertriebspartner als Kontakt für den Bestandskunden. Dagegen wehrte sich Otto und reichte schließlich
eine Unterlassungsklage ein. Das Landgericht Hannover gab dem
Makler im Juni 2014 Recht und verurteilte den HDI auf Unterlassung, weil durch die falschen Ansprechpartner der Makler in
seiner Arbeit behindert und der Kunde gezielt über seinen richtigen
Ansprechpartner getäuscht wird (Az.: 23 O 102/13). Das Gericht
ging sogar noch einen Schritt weiter. Da Otto sich zusätzlich
vom Kunden eine Postvollmacht ausstellen ließ, damit sämtlicher
Schriftverkehr des HDI mit dem Kunden direkt über ihn läuft, der
HDI diese Vollmacht jedoch unterlief, sahen die Richter auch hier
eine spürbare Beeinträchtigung und untersagten dem HDI fortan
den Direktkontakt zum Kunden.
zurückzuweisen ist. Im späteren Beschluss des OLG Celle vom
10. Juni 2015, der einem Teilurteil gleichkommt, bestätigte das
Gericht die Korrespondenzpflicht: Die Entscheidung des Kunden,
Versicherungsangelegenheiten an einen Dritten zu delegieren,
„muss der Versicherer grundsätzlich respektieren“ (Az.: 13 U
119/14 – rechtskräftig).
Allerdings glauben die Richter, dass die Angabe der Adresse des
HDI-Servicecenters in Kundenanschreiben – statt Ottos Adresse – keine Irreführung des Kunden sei. Über diesen einen Punkt
(fehlerhafte Betreuungsangabe) soll am 29. September mündlich
verhandelt werden. Otto erwartet, dass der HDI in Kundenanschreiben ausschließlich einen Betreuungshinweis auf ihn abgibt.
Er hat gute Aussichten, dass das Gericht auf seine Argumentation
einschwenkt, denn „mit falschen Betreuerangaben wird nicht nur
der Kunde in die Irre geleitet, sondern auch Mitversicherte und
andere Verkehrskreise“, so Otto.
Dem Makler Otto, Vorstand der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler (IGVM), hat die IGVM nicht nur
finanzielle Hilfe geliefert, sondern für den Termin in Celle kurzfristig auch neue Argumente und Rechtsprechung, indem sie ein
anderes Mitglied in ähnlicher Weise vor dem Oberlandesgericht
Nürnberg unterstützte. Mit Erfolg: Am 30. Juni 2015 hat das
OLG Nürnberg einem Versicherer mit Sitz in Aachen sinngemäß
untersagt, zu Zwecken des Wettbewerbs in seinen Schreiben
an Kunden unter der Rubrik „Es betreut Sie“ den Berater des
Beratung
eigenen­ Allfinanzvertriebes zu benennen, wenn der Kunde einen
Vertrag mit einem Versicherungsmakler geschlossen und der dem
Versicherer eine entsprechende Vollmacht vorgelegt hat (Az.: 3 U
2086/14 – nicht rechtskräftig). Zugleich wurde dem Versicherer
sinngemäß untersagt, auch auf Versicherungsscheinen unter der
Rubrik „Ihr persönlicher Ansprechpartner“ den Berater eines
eigenen Allfinanzvertriebes zu benennen, wenn der Kunde einen
Maklervertrag geschlossen und der Makler dem Versicherer eine
entsprechende Vollmacht vorgelegt hat. Die Assekuranz darf bei
Kunden also nicht für konzerneigene Berater werben, die AachenMünchener etwa nicht mit der DVAG.
Aachen-Münchener muss umdenken
Erstritten hat das Urteil Dr. Sebastian Lux von der Nürnberger
Kanzlei Dr. Wiedemann, Dr. Bronnenmeyer, Dr. Zeug, Datzer
und Kollegen für seinen Mandanten, die Thummet Versicherungsmakler GmbH (Heroldsberg). Thummet, selbst IGVM-Mitglied,
war in der Vergangenheit das Verhalten mehrerer Versicherer ein
Dorn im Auge, die sich wenig um den Kundenwillen scherten und
trotz vorgelegter Maklerverträge in Anschreiben und Vertragsunterlagen als Betreuer oder Ansprechpartner Strukturvertriebe wie
die DVAG oder Ausschließlichkeitsorganisationen nannten. Da
solches Vorgehen meist bundesweit erfolgt, ließ das OLG Nürnberg auch wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils die
Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zu.
Das Besondere am Urteil, das sich vorwiegend um eine Wohngebäudepolice drehte: Das OLG Nürnberg hat die Argumente potenzieller Irreführungsmomente genau so gesehen, wie der Makler
sie über seinen Anwalt vorgebracht hatte. Die Richter bestätigten,
dass durch die Verwendung von „Ihr Betreuer“ und „Ihr persönlicher Ansprechpartner“ die maßgeblichen Verkehrskreise in die
Irre geführt werden können. „Das Gericht sieht, wie wir, eine
Irreführung darin, weil die Verkehrskreise glauben könnten, dass
anstelle des Versicherungsmaklers der Vertreter des Versicherers
tritt. Weiterhin sieht das Gericht eine Irreführung, weil die Verkehrskreise davon ausgehen werden, dass der Vertreter des Versicherers über den Versicherungsvertrag des Kunden Bescheid weiß,
was er aber mangels Daten nicht kann“, betont Rechtsanwalt Sebastian Lux mit Bezug auf das Urteil. Dort heißt es wörtlich: „Es
handelt sich dabei um eine zur Täuschung geeignete Angabe über
die wesentlichen Merkmale der Dienstleistung wie den Kundendienst. Hierzu zählen alle nachvertraglichen Serviceleistungen.“
Das OLG Nürnberg hat damit als erstes Gericht in vollem Umfang
den Standpunkt der Makler bestätigt.
Nennung des falschen Betreuers führt in die Irre
Manche Versicherer berufen sich gern darauf, dass sie laut Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gezwungen seien, den Kunden
permanent zu beraten, es sei denn, der Kunde verzichtet schriftlich auf die Beratung durch den Versicherer (Paragraf 6 Absatz
4 VVG). Auf die Vorlage dieser Beratungsverzichtserklärung des
Kunden kommt es nach Auffassung des OLG Nürnberg aber gar
nicht an. Begründung: Ein solcher Verzicht ist für den Fall entbehrlich, wenn ein Makler von Anfang an den Kunden betreut
und die Beratungspflicht des Versicherers ohnehin ausscheidet
(Paragraf 6 Absatz 6 VVG). Allerdings lässt das Urteil offen, ob
der Versicherer weiter eigene Betreuer nennen darf, wenn die per
Maklervertrag übernommene Police von einem anderen Vertrieb
abgeschlossen worden war. Damit wollen Versicherer wohl die
Ansprüche ihrer Ausschließlichkeitsorganisationen auf Betreuungsentgelt weiter alimentieren und zugleich dem eigenen Vertrieb
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die Tür zum Kunden offenhalten. Ein BGH-Urteil steht noch aus.
Interessant ist die Position des OLG Nürnberg dazu. Über die historisch angeknüpfte Argumentation zum „Betreuer“ erkennen die
Richter hier ein Irreführungspotenzial in der konkreten Angabe
des Strukturvertriebskontaktes. Sähe das gegebenenfalls der BGH
auch so, müssten sich die Versicherer in der Folge sehr gut überlegen, wenn sie besonders vertrauenserweckende Formulierungen
verwenden wollen. Im konkreten Fall verhängte das OLG Nürnberg für den Wiederholungsfall 250.000 Euro Ordnungsgeld,
ersatzweise Ordnungshaft oder am Vorstandschef des jeweiligen
Versicherers zu vollziehende Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.
Irreführende falsche Betreuungshinweise führen zu erheblichem
Mehraufwand: Kunden rufen an und fragen, was da los ist. Doch
damit nicht genug. Im Schadenfall führt diese Täuschung womöglich auch dazu, dass wichtige Unterlagen beim falschen Vermittler
eingereicht werden und der eigentliche Makler nur lückenhafte
Informationen besitzt, was im Extremfall zu Nachteilen für den
Kunden und zu unnötigen Haftungsrisiken für den Makler führt.
„Mit gezielter Falschinformation wird die Makler-Kunden-Beziehung gestört“, sagt Rechtsanwalt Dr. Carsten Hoppmann von der
Kanzlei Brandi Rechtsanwälte, die den Makler Michael Otto vor
dem OLG in Celle vertritt.
„Es ist eine Irreführung, wenn
anstelle des Versicherungsmaklers
ein Vertreter des Versicherers in
Erscheinung tritt.“
Sebastian Lux, Kanzlei
Dr.Wiedemann und Kollegen
Zu den hartnäckigsten Verweigerern der Kundenkorrespondenz
über Makler gehört der Landwirtschaftliche Versicherungsverein
Münster (LVM). In letzter Instanz entschied der BGH am 29. Mai
2013, dass generell eine vertragliche Nebenpflicht des Versicherers
besteht, die Korrespondenz mit einem vom Kunden eingeschalteten Makler zu führen (Az.: IV ZR 165/12).
LVM und kein Ende
Der BGH entschied in Sachen LVM zugleich zur einzigen Ausnahmesituation, in der die Korrespondenzpflicht nicht gilt: wenn dies
für den Versicherer im Einzelfall unzumutbar wäre, etwa weil es
sich bei dem eingeschalteten Makler um einen ehemals bei diesem
Versicherer „beschäftigten“ Ausschließlichkeitsvertreter handelte
oder aber der Kunde dem Makler keine umfassende, sondern lediglich eine begrenzte Vollmacht erteilt hatte.
„Es genügt eine Einzel- oder Spartenvollmacht“, meint IGVM-Vorstand Wilfried E. Simon und ergänzt: „Keinesfalls müssen Makler
als Poststelle des LVM oder anderer Versicherer fungieren.“ Daher
empfiehlt er, im Anschreiben an Versicherer deutlich zu machen,
dass das Mandat auf einen oder genau bestimmte Verträge begrenzt ist. Das kann Makler Otto nicht passieren: Er will immer
jedes Dokument in Urschrift vom Versicherer erhalten und lässt
sich dazu von jedem Kunden in vollem Umfang bevollmächtigen.
Spannender Nebeneffekt: Somit hat er inzwischen auch eine dicke
Mappe mit Verstößen von verschiedenen Versicherern, die er von
Fall zu Fall dann auch vor Gericht bringt. Detlef Pohl
portfolio international_August/September 2015_Ausgabe 04