Lässt sich ein Gespräch durch die räumliche Position zueinander

Lässt sich ein Gespräch durch die räumliche Position zueinander
beeinflussen?
Die Antwort in Kürze: Ja – sowohl positiv, als auch negativ.
In der Familienaufstellung und der systemisch Strukturaufstellung gibt die räumliche Stellung der
Protagonisten zueinander und im Raum selbst eine wichtige Information über die wahrgenommenen
Beziehungen zueinander. Dabei zeigte sich auch, das die Informationen aus Körpersprache und Anordnung
gegenüber den sprachlichen Inhalte dominieren. In der systemischen Strukturaufstellung wurde dieses
Phänomen in einer „Grammatik der Anordnung“ formalisiert.
Für 2er- und 3er-Gespräche kann das Wissen über den Einfluss der Anordnung zueinander hilfreich sein,
um den Gesprächsverlauf gezielt zu beeinflussen.
Die typische Verhandlungsposition ist Gesicht-zu-Gesicht, frontal zugewendet mit dem
Verhandlungsgegenstand zwischen den Akteuren. Diese Anordnung wird selbst bei einem recht großen
Abstand (2 – 4m) häufig als Konfrontation erlebt. Man blickt sich wie Feinde direkt in die Augen, der
Körper des Gegenübers wird als starke Silhouette wahrgenommenen. Tiere zeigen ihre Drohgebärden in
einer solchen Position zum Gegner, um maximalen Eindruck zu erzeugen! Sofern Sie also auf
Konfrontation und Drohgebärden aus sind, kann mit dieser Anordnung das noch deutlich gesteigert
werden. Beabsichtigen Sie Kooperation und neutrale Gespräche ist dies kontraproduktiv.
Für Verhandlungen untypisch, bei Kollegengesprächen häufig zu sehen ist die Stellung im rechten Winkel
zueinander. Dies öffnet einen Raum zwischen den beiden Personen, in dem der Gesprächsgegenstand
oder das Thema „platziert“ ist. Beide sprechen aus einer eigenen Position über ein Thema. Ist zusätzlich
eine geringe Distanz (max. 30cm) zwischen ihnen, spielt die Umwelt eine immer geringere Rolle, das
Erleben der Nähe zum Anderen wird relevant. In dieser Konstellation ist kooperatives Verhalten
wahrscheinlich – vielleicht nicht unbedingt in der Sache selbst, jedoch in der Art des Gesprächs.
© Jens Heidenreich (2012). Coaching Center Ruhr, Essen; www.coaching-center-ruhr.de
Und wenn der Winkel zueinander noch weiter geöffnet wird entsteht ein Erleben von „gemeinsam auf
etwas Drittes (das Thema, die Umwelt, …) bezogen“. Man spricht nun nicht mehr gegeneinander, sondern
gemeinsam über etwas, das vor den beiden „platziert“ ist. So als ob sich Freunde oder Bekannt auf einer
Parkbank unterhalten. Ein geringer Abstand zueinander fördert dieses Erleben, eine (Fast-) Berührung
reduziert das Erleben der eigenen Unabhängigkeit deutlich. In dieser Gesprächsanordnung spricht man
eher gemeinsam aus einem ähnlichen Blickwinkel über etwas, das vor beiden ist.
Die Position des „nebeneinander aneinander vorbeisehens“ wirkt ambivalent: Beide sind nah und doch
kontrovers. Jeder sieht in seine Richtung, ohne den Einfluss des Anderen darauf. Und doch sitzt man
irgendwie in Konfrontation. Bei Bedarf kann man sich vom Anderen etwas abwenden, und ihn somit von
seinem Gedankenraum ausschließen. Oder auch sich gezielt zuwenden, um Nähe und Gemeinsamkeit zu
fördern. Eine sehr ambivalente Anordnung mit vielen Möglichkeiten zur situativen Variation – und auch der
Irritation.
Und welche Anordnung ist die Beste?
Es gibt keine „beste Anordnung“. Abhängig von der aktuellen Situation und davon, was sie beabsichtigen –
ob Konfrontation, Kooperation, Ideenaustausch – kann eine bestimmte Konstellation förderlich sein, eine
andere hinderlich. Eine „Funktionsgarantie“ im Sinne von „wenn – dann“ gibt hier nicht. Sie sind jedoch
eine starke Einladung an den Anderen ein entsprechendes Verhalten zu zeigen.
Experimentieren Sie doch bei nächster Gelegenheit mit den räumlichen Position; übergehen Sie einmal die
Konventionen, und beobachten Sie, wie sich das Gespräch entwickelt.
Sie könnten überrascht sein …
Zum Weiterlesen:
Insa Sparrer (2007). Einführung in Lösungsfokussierung und Systemische Strukturaufstellung. Heidelberg: Carl-AuerSysteme Verlag.
Matthias Varga von Kibéd, Insa Sparrer (2005). Ganz im Gegenteil (5. Ausg.). Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag.
© Jens Heidenreich (2012). Coaching Center Ruhr, Essen; www.coaching-center-ruhr.de