AG 10 Sicheres Umgehen mit der Heimaufsicht

AG 10
Sicheres Umgehen mit der Heimaufsicht aus
juristischer Sicht
1. Grundsätze und Begrifflichkeiten des Heimrechts
2. Verfahren der behördlichen Qualitätssicherung, Befugnisse der
WTG-Behörden
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
 Mängelberatung
 Anordnungen und Sanktionen
 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
4. Rechtsmittel der Leistungsanbieter
5. Praxisfall
1. Grundsätze und Begrifflichkeiten des Heimrechts
 Heimrecht ist Ordnungsrecht
 Was bedeutet das?
 Definition Ordnungsrecht: Gesamtheit der Rechtsvorschriften, die der
Abwehr von Gefahren und Beeinträchtigungen der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung dienen
 d.h., dass die Heimaufsichten bzw. WTG-Behördenhoheitlich auf dem
Gebiet der Gefahrenabwehr tätig werden
 Verwaltungsorganisatorisch gehören Heimaufsichten bzw. WTGBehörden zu den kommunalen Ordnungsämtern
 Welche Gefahren sollen von wem abgewehrt werden?
1. Grundsätze und Prinzipien des Heimrechts
 Heimrecht ist Ordnungsrecht
 Was folgt daraus für die Heimaufsichten?
 es gilt der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (hergeleitet aus
dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip)
 Ordnungsbehörden dürfen nur tätig werden, wenn sie vom
Gesetzgeber hierzu ermächtigt sind,
 d.h., Maßnahmen der WTG-Behörden sind nur auf Grundlage
eines Gesetzes rechtmäßig
 es bedarf daher einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage
2. Verfahren/ Befugnisse der Heimaufsicht
§ 14 WTG NRW als Ermächtigungsgrundlage
Die von der zuständigen Behörde mit der Überwachung der Wohn- und
Betreuungsangebote beauftragten Personen sind u.a. befugt,
 die für die Wohn- und Betreuungsangebote genutzten Grundstücke
und Räume sowie die Geschäftsräume der Leistungsanbieter zu
betreten
 Einsicht in die Dokumentation zu nehmen
 den Pflegezustand von pflegebedürftigen Bewohnern in
Augenschein nehmen
 die Beschäftigten zu befragen
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
(1) Mängelberatung (§ 15 Abs. 1)
(2) Erlass von Anordnungen (§ 15 Abs. 2),
insbesondere:
 Anordnung eines Belegungsstopps (zeitlich begrenzte
Untersagung der Aufnahme neuer Bewohner)
 Anordnungen zum Schutz privater Rechte (Einhaltung der
leistungsrechtlichen Vereinbarung)
 Ausspruch von Beschäftigungsverboten
 Betriebsuntersagungen
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
(1) Mängelberatung (§ 15 Abs. 1)
Wird festgestellt, dass die Anforderungen nach diesem Gesetz oder auf
Grund dieses Gesetzes nicht erfüllt werden, soll die zuständige
Behörde zunächst über die Möglichkeiten zur Abstellung dieser Mängel
beraten. (…).
 d.h. Beratung vor Anordnung
 Beratung in welcher Art und Weise der Leistungsanbieter den
Mangel in angemessenem Zeitraum abstellen kann
 Anspruch auf Beratung an einem gesonderten Termins unter
Hinzuziehung eines Verbandsvertreters (o.a. eines
Rechtsanwaltes)
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
(1) Mängelberatung (§ 15 Abs. 1)
Anhörung nach § 28 VwVfG NRW trotz Beratung erforderlich?
Anhörung= Gelegenheit des Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens,
sich vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in seine Rechte eingreift,
zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu. aüßern
 grds. ja.
 Beratung und Anhörung können zwar miteinander verbunden
werden, sind aber rechtlich voneinander zu trennen.
 die ordnungsmäße Durchführung der Anhörung ist
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der späteren Maßnahme
(Anordnung)
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
(1) Mängelberatung (§ 15 Abs. 1)
Was ist ein Mangel?
Def.: Nichterfüllung der Anforderungen nach dem WTG oder aufgrund
des
WTG
durch
den
Leistungsanbieter
(Betreiber),
die
Einrichtungsleitung oder die Beschäftigten der Einrichtung.
 Jede Nichterfüllung einer gesetzlichen Anforderung ist daher
ein Mangel und zwar unabhängig von Umfang, Verursacher
oder Verschulden!
 Das Verhalten von Beschäftigten wird dem Leistungsanbieter
(Betreiber) daher zugerechnet. Ordnungsrechtlich ist er
verantwortlich, wenn der Beschäftigte gesetzliche
Anforderungen nicht einhält.
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
(2) Anordnungen
a. zeitlich begrenzter Belegungsstopp (EGL : § 15 Abs. 2 WTG)
 erfordert einen kausalen Zusammenhang zwischen Mangel und der
Belegungsquote
 die Anordnung eines Belegungsstopps kommt daher bei Mängeln in
Betracht, die sich bei steigernder Auslastung der Einrichtung noch
verschärfen würden
 Belegungsstopp endet mit dem Erreichen seines Zwecks, d.h.
Belegungsstopp muss von vornherein befristet oder mit auflösender
Bedingung versehen werden
 Befristung: abhängig vom Einzelfall: Prognose: wann kann mit einer
Beseitigung des Mangels gerechnet werden, sinnvoll: zunächst 1 Monat
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
(2) Anordnungen
b. Betriebsuntersagung (EGL : § 15 Abs. 2 WTG)
 Betriebsuntersagung ist letztes Mittel „wenn Anordnungen zur
Beseitigung der Mängel nicht ausreichen“
 Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Abwägung zwischen
den Interessen der Leistungsanbieter (Betreiber) und dem Schutz
der Nutzer (Bewohner)
 Nur bei gravierenden, zu Gesundheitsgefährdungen führende
Mängel in der Betreuung , etwa bedingt durch fehlendes
Betreuungs- und/oder Pflegepersonal
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
(2) Anordnungen
b. Betriebsuntersagung (EGL : § 15 Abs. 3 WTG)
 der Betrieb eines Wohn- und Betreuungsangebotes kann ferner untersagt
werden, wenn die Leistungsanbieterin oder der Leistungsanbieter,
 die Anzeige über die beabsichtigte Aufnahme des Wohn- und
Betreuungsangebotes unterlassen oder unvollständige Angaben gemacht
hat,
 Anordnungen zur Mängelbeseitigung nicht innerhalb der gesetzten Frist
befolgt oder
 Personen entgegen einem Beschäftigungsverbot beschäftigt werden
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
(2) Anordnungen
b. Beschäftigungsverbote (EGL : § 15 Abs. 5 WTG)
 tatsächliche Anhaltspunkte für die mangelnde Eignung sind ausreichend
 bezieht sich auf die fachliche und persönliche Eignung, vgl. die personellen
Anforderungen in § 4 Abs. 9 sowie §§ 21, 28, 39 WTG
 bezieht sich nunmehr ausdrücklich auf Beschäftigte und andere im Wohnund Betreuungsangebot tätigenden Personen
 Ausspruch des Beschäftigungsverbotes ggü. dem Leistungsanbieter
 Sowohl der Leistungsanbieter als auch der von der Entscheidung betroffene
Mitarbeiter müssen vor Anordnung eines Beschäftigungsverbotes gehört
werden
3. Mittel der behördlichen Qualitätssicherung
(3) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Die verschiedenen Überwachungsmittel sind nicht beliebig wählbar,
sondern sind als gestaffeltes Instrumentarium zu begreifen. Der
Gesetzgeber spricht in der Begründung von einem abgestuften, dem
Prinzip der Verhältnismäßigkeit folgenden Verfahren
 Beratung vor Anordnung
 vorrübergehender Belegungsstopp vor dauerhaften
Betriebsuntersagung
 Beschäftigungsverbot vor Betriebsuntersagung
 usw.
4. Rechtsmittel gegen die Anordnungen der Heimaufsicht
 Wie wehre ich mich gegen Anordnungen der Heimaufsicht?
 Widerspruch oder Klage?
 Welches Gericht ist zuständig?

hier: Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht

richtige Klageart: Anfechtungsklage (Klagebegehren:
Aufhebung eines Verwaltungsaktes, hier die Anordnung)

Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 15
Abs. 8 WTG NRW), d.h. Anordnung kann trotz Klageerhebung
sofort vollzogen werden
4. Rechtsmittel gegen die Anordnungen der Heimaufsicht
 Was prüft das Gericht in einem Klageverfahren?
Die Anfechtungsklage ist gem. § 113 Abs. 1, Satz 1 VwGO
begründet, soweit der VA rechtswidrig und der Kläger dadurch
in seinen Rechten verletzt ist.
(1) Die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung
(2) Die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung
(3) Die Rechtsverletzung des Klägers
Ist die Anordnung rechtswidrig und der Kläger (Leistungsanbieter)
dadurch in seinen Rechten verletzt, gibt das Gericht der Klage statt und
verurteilt die Beklagte (WTG-Behörde) zur Aufhebung des VA (z.B. des
Belegungsstopps).
4. Rechtsmittel gegen die Anordnungen der Heimaufsicht
 Was prüft das Gericht in einem Klageverfahren?
A. Formelle Rechtmäßigkeit
Zuständigkeit der Behörde (WTG-Behörde)
Verfahren, insbes. Mängelberatung, Durchführung der Anhörung
Form, insbes. Begründung nach § 39 VwVfG
B. Materielle Rechtmäßigkeit
Ermächtigungsgrundlage
Auswahl des richtigen Adressaten
Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, insbes. Bestimmtheit und
Verhältnismäßigkeit der Anordnung
bei Ermessensentscheidungen: keine Ermessensfehler
C. Rechtsverletzung des Klägers
5. Der praktische Fall
 Hätte eine Klage gegen die Anordnung der Heimaufsicht vorliegend
Aussicht auf Erfolg?
 Eine Klage gegen die Anordnung der Heimaufsicht hat Erfolg, wenn
und soweit die Anordnung rechtswidrig war und der
Kläger(Leistungsbetreiber) dadurch in seinen Rechten verletzt
würde.
(1) Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung?
(2) Materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung?
(3) Rechtsverletzung des Klägers?
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!