Das „Ossarium“ auf dem Austerlitzer Schlachtfeld Mitten in der fruchtbaren Gegend, zwischen der Nordbahn- und der Vlarapaß- Strecke liegt das Austerlitzer Schlachtfeld. Foto: Austerlitz, Denkmal Im Jahre 1905, dem hundertsten Jahrestag der Austerlitzer Schlacht, hatten es sich einige Männer zur Aufgabe gemacht, daselbst ein Denkmal zu errichten. Zwischen Austerlitz und Sokolnitz liegt ein Hügel, von dem aus man die ganze Gegend übersehen kann und da sollte es errichtet werden. Der sogenannte Pratzer Berg gehörte zu der Herrschaft Sokolnitz und ist auch von dieser Bahnstation am leichtesten zu erreichen, darum entschloß man sich zu diesem Hügel. Ich will keinen geschichtlichen Artikel schreiben, sondern nur meinen Landsleuten über die Entstehung dieses Denkmals, das ihnen ja allen bekannt sein dürfte, erzählen. Der Sokolnitzer Kasinowirt, Kommandant der Veteranen, war eigentlich der Anreger; mein Vater griff den Gedanken auf und leitete die nötigen Schritte ein. Das Komitee wurde bewilligt und gegründet und zu dessen Obmann Professor P. Alois Slowak vom tschechischen Gymnasium in Brünn gewählt. Trotz Schwierigkeiten — der unrühmliche Ausgang der Schlacht für Österreich — ging alles langsam aber sicher vonstatten. In allen umliegenden Ortschaften fand man Überreste der damaligen Schlacht, bei Ausgrabungen und Erdaushebungen und auch in einzelnen Grabstellen. So z. B. war eine Grabstelle bei Sokolnitz beim sogenannten Napoleonhügel, die ein großes verwittertes Steinkreuz mit der kaum noch leserlichen Jahreszahl 1805, kennzeichnete. Alle diese Funde wurden in den umliegenden Schulen untergebracht und die Gebeine der Gefallenen in einer Truhe verwahrt. Was nicht wunder nahm, fanden natürlich die Manöver der Brünner Garnison sehr oft in dieser Gegend statt, wie auch die Königsfelder InfanterieKadettenschule, ja sogar auch die Wiener Kriegsschule wiederholt ihre Mappierungen dort abhielten. Der Grundstein wurde gelegt, obwohl man sich über die Art des Denkmals nicht ganz einig war und auch die nötigen Gelder noch nicht aufgebracht waren. Mein Vater plädierte für ein Denkmal mit Aussichtsturm, Professor Slowak natürlich für eine Kapelle, da es doch ein Grabmal für gefallene Helden werden sollte. So kam es dann doch zu dem Bau des Ossariums mit Gruft und Kapelle ohne Aussichtsturm. Das Denkmal, ein in seiner Art einzig dastehendes Kunstwerk, wurde von einem Wiener Architekten entworfen. Mir persönlich und auch wohl vielen anderen tat es herzlich leid, daß die Idee des Aussichtsturmes nicht durchdrang, denn wie oft stieg ich während des Baues auf das Gerüst, um mir die Gegend anzusehen. Gegen Norden sah ich die Fenster des Lichtensteinischen Schlosses in Butschowitz in der Sonne funkeln, im Süden standen klar und deutlich die Pollauer Berge vor mir, westlich breitete sich Brünn aus und dahinter unsere schönen Wälder an der Schwarzawa und wenn es ein besonders schöner, klarer Herbsttag war, da konnte man auch den Wiener Stephansturm in weiter Feme als ganz zarte Silhouette sehen, Frankreich, der damalige Siegerstaat, wurde für dieses Denkmal interessiert und stiftete einen namhaften Betrag, ebenso die anderen Staaten. Nur unsere Regierung wurde sich nicht über die Höhe der Subvention einig. Da entschloß sich das Komitee, eine Abordnung nach Wien zu entsenden und ich entsinne mich, daß mein Vater sich sogar einen neuen Frack bauen ließ, da mit dem Empfang auf der Hofburg zu rechnen war. Da man nun schon dann einmal in Wien war, besuchte man auch die Vertreter der anderen Staaten und so schritt dann der Bau nun richtig und rasch vorwärts. Leider wurde er aber zum gegebenen Zeitpunkt doch nicht fertiggestellt. In der Bauhütte lag ein Buch auf, in das sich alle in- und ausländischen Gäste eintrugen und da gab es so manchen „Prominenten“ darunter. Eines Tages, wir saßen gerade beim Mittagstisch, meldete das Mädchen einen Besuch an. Die Türe ging auf und zwei große, elegante Offiziere in russischer Uniform traten ein: Oberst Martschenko, der damalige Militärattache in Wien, der später auch die Kriegserklärung an die Österr.Ungarische Monarchie überreichte, mit seinem Adjutanten. Papa ließ den Wagen vorfahren und fuhr mit den beiden Herren auf den Pratzerberg, wo sie auch in dem noch nicht fertiggestellten Ossarium einen Kranz mit Schleife in ihren Staatsfarben niederlegten, gleichzeitig Papa einen Scheck aushändigten. So kamen viele Fremde in unser Haus und meinem Vater fielen immer die Repräsentationspflichten zu. Viele Abordnungen. Vereine usw. legten Kränze mit Schleifen in Staats- Landes- und Vereinsfarben nieder und ehrten die Helden aller vier Nationen, die vor 100 Jahren ihr Leben lassen mußten. Veteranen, Feuerwehr, Staats- und Stadtvertreter fanden sich zur Weihe des Ossariums ein. Die Masse der Ausflügler fand aber selten den Weg zu diesem Heldenmal, denn der Anziehungspunkt, Wald und Berge fehlten dieser Gegend, nur wogende Getreidefelder und große Flächen von Zuckerrüben und Kartoffeln breiteten sich da aus. Im Jahre 1930 war ich wohl das letzte Mal oben. Beide Nationen haben an der Errichtung dieses Denkmals vereint und friedlich gearbeitet. Bei diesem meinem letzten Besuch mußte ich feststellen, daß alles, was die damalige Einigkeit darstellte und daran erinnerte, restlos weggeschafft wurde. Selbst die Ehrenzeichen Österreich-Ungarns und Deutschlands mußten daran glauben. Fünf Jahre später, als bei einem großen Empfang französische Offiziere auch das Austerlitzer Schlachtfeld-Denkmal besuchten, wurde mein Vater, der damals ein hoher 70er war, als einziges, überlebendes Mitglied des „Komitee zur Errichtung eines Ossariums auf dem Schlachtfeld von Austerlitz" offiziell eingeladen und begrüßt; wohl auch als einziger Deutscher. Man überreichte ihm einen Blumenstrauß und sprach auch nur deutsch mit ihm, denn obwohl er jahrzehntelang in der dortigen Gegend seinen Beruf in der Zuckerindustrie ausübte, hat er die tschechische Sprache nie ordentlich erlernt und blieb seiner schlesischen Heimat bis zu seinem Tode treu Mitzi Raab, Wien I, Seilerstätte 16 K. (BHB 1951 )
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