15. LANDTAG VON BADEN-WÜRTTEMBERG 150. Sitzung Donnerstag, 18. Februar 2016, 09:30 Uhr TOP 1 Aktuelle Debatte Gute Arbeit für Baden-Württemberg – Den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen bekämpfen Rede von Felix Schreiner MdL Es gilt das gesprochene Wort. Felix Schreiner MdL, CDU: Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen heute im 15. Landtag zur letzten Sitzung zusammen, die 150. Sitzung in diesem Hohen Haus. Eigentlich wäre es ja ein Grund zu feiern. Eigentlich. Wäre da nicht die SPD mit ihrer Aktuellen Debatte, die wieder einmal diese Aktuelle Debatte dafür nutzt, um eine Schaufensterposse zu präsentieren. In der Regie übrigens altbekannte Gesichter – eigentlich habe ich Claus Schmiedel erwartet –, altbekannte Gesichter, eine Ministerin, der ich an dieser Stelle gute Besserung wünsche. Jene Akteure, die schon im Juni 2013 exakt an dieser Stelle, exakt zum selben Titel, exakt mit denselben Akteuren die fast identische Debatte geführt haben. Übrigens exakt damals kurz vor einer Wahl, und zwar vor der Bundestagswahl. Dramaturgisch läuft es sogar alles ziemlich ähnlich ab. Gestern verkündet das Sozialministerium über die Presse eine Bundesratsinitiative in Berlin, statt heute darüber zu diskutieren. Gestern lautete die PM, die CDU solle jetzt endlich einmal ihre Blockadehaltung aufgeben. Heute dann die große Wahlkampfarbeiterrede der SPD, wie man dem Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen Herr werden will. Ich stelle gleich zu Beginn einmal die richtige Frage: Wissen Sie eigentlich, wer in Berlin mitregiert? Wissen Sie eigentlich, wer in Berlin die Bundesarbeitsministerin ist? Wissen Sie eigentlich – Nein, Herr Schmiedel, das ist heute ein wirkliches Eigentor. Sie haben die Ar-beitsministerin in Berlin und wollen heute eigentlich darüber reden, was sie dort umsetzen sollte. Mindestens aber müssen wir eine Scheindebatte über ein Thema führen, für das der Bund zuständig ist und zu dem wir ja auch stehen. Vor allem – bevor es in der Debatte untergeht – möchte ich an dieser Stelle auch betonen, dass wir denen, die über Leiharbeit und Werkverträge tätig sind, unseren Respekt entgegenbringen, dass sie auch unsere Anerkennung verdienen und dass sie das genauso tun, wie andere Beschäftigte. Leiharbeit und Werkverträge – um das ganz klar zu sagen – dürfen kein Mittel sein, um Lohndumping durchzusetzen. Da sind wir uns einig, dafür setzt sich auch die CDU entschieden ein und da sind wir uns auch hier im Landtag einig, wie wir es schon in vielen Debatten gehört haben. Aber gleichzeitig müssen wir in der Diskussion auch vergegenwärtigen, dass das alles Instrumente sind, die Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen auch Chancen bieten, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dass der Schutz der in diesem Bereich tätigen Personen wichtig ist, steht außer Frage. Aber gleichzeitig müssen wir auch erkennen, welche Funktion Leiharbeit und Werkverträge haben. Es geht auch darum, der Wirtschaft ein Instrument an die Hand zu geben, damit sie die notwendige Flexibilität hat, Auftragsspitzen zu bewältigen. Wir brauchen also eine gesunde Balance zwischen dem Schutz der Arbeitnehmer und einem gutes Investitionsklima. Um zu sehen, dass der Werkvertrag ein gutes und bewährtes Instrument ist, reicht schon ein Blick ins BGB, dort ist er seit langen Jahren verankert. Jedoch stellt sich für mich die Frage, warum Sie dann hier immer wieder ein bundespolitisches Thema in dieser Forma thematisieren. Sie haben in der Begründung zu Ihrem Antrag Punkte als Begründung angeführt, die allesamt im Koalitionsvertrag stehen. Da stellt sich wirklich die Frage, warum die SPD-Fraktion heute hier im Landtag darüber sprechen möchte, was sie in Berlin selbst nicht umsetzen. Ich will Ihnen sagen, warum das nicht stimmt, wenn Sie Ihre Bundesratsinitiative ankündigen und sagen, die CDU hätte eine Blockadehaltung. Das BMAS, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, hat im November beim Bundeskanzleramt einen Diskussionsentwurf vorgelegt. Ein Diskussionsentwurf, der über das im Koalitionsvertrag Vereinbarte noch hinaus ging, aber dem vor allem die Sozialpartner nicht zugestimmt haben. Das Bundeskanzleramt hat dann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gebeten, einen neuen Entwurf zu erarbeiten. Das hat Ihre Ministerin in Berlin übrigens auch akzeptiert. Denn es macht keinen Sinn, einen Gesetzentwurf einzubringen, den die Sozialpartner insgesamt ablehnen. Jetzt kommt in die Ressortabstimmung also eigentlich alles, was Sie unter der Politik des Gehörtwerdens ganz gut finden müssten. Aber das wissen Sie alles ganz genau. Das wissen Sie alles, und Sie präsentieren hier, wenige Wochen vor der Landtagswahl, einen Vorstoß, der doch eigentlich nur ein Eigentor ist. Ich will Ihnen auch sagen, warum die Ressortabstimmung wichtig ist: Weil es doch darum geht, dass wir nicht wieder Regelungen haben, die z. B. durch eine neue Verordnung auf den Weg gebracht werden und das eigentliche Instrument der Leiharbeit und der Werkverträge konterkarieren. Wir haben das beim Thema Mindestlohn ja schon erlebt. Da haben Sie auch, nachdem wir im Koalitionsvertrag eine Vereinbarung getroffen haben, mit einer Verordnung für ein ziemliches Chaos gesorgt. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist zufriedenstellend. Das hat übrigens sehr wenig mit der rot-grünen Landesregierung zu tun, sondern das ist die Leistung der Menschen in diesem Land, die Leistung der Betriebe, mit fast sechs Millionen Erwerbstätigen, davon 4,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Unterm Strich erhöhte sich sogar die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, da haben Sie Recht. Aber mit Blick auf die Leiharbeit sprechen wir von 2,6 % der Beschäftigten. 2,6 %! Hören Sie auf, liebe Freunde von der SPD, hier wiederum den Eindruck zu vermitteln, als sei ganz Baden-Württemberg über Zeitarbeit und Werkverträge angestellt und dies in zunehmendem Maße. Behalten wir den Blick für die Realität. Gefordert ist allein das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium. Ich mache Ihnen ein Angebot: Schicken wir doch gemeinsam heute hier einen Appell an die SPD-Ministerin Nahles, um eine unbürokratische Regelung vorzulegen, die den Spagat zwischen dem Schutz vor Lohndumping auf der einen Seite und der Sicherung der Flexibilität in der Wirtschaft auf der anderen Seite schafft. Ziehen wir das als Konsequenz aus der heutigen Sitzung, dann haben Sie nicht nur meinen Segen, sondern dann wünsche ich Ihnen auch, dass wir in der nächsten Legislaturperiode weiterhin eine gemeinsame gute Arbeitsmarktpolitik machen. Vielen Dank. 2. Runde Felix Schreiner MdL, CDU: Ich verstehe ja, dass Sie im Wahlkampf Ihre Themen setzen. Aber es steht doch außer Frage – das kann man doch einmal feststellen –, dass wir uns alle miteinander gegen den Missbrauch von Leiharbeitnehmern und Werkverträgen einsetzen. Da besteht zwischen uns doch überhaupt kein Dissens. Sie führen hier eine Scheindebatte, weil Sie auf Plakaten an den Straßen gerade Sprüche stehen haben wie „LEIH.ARBEIT.“, die der Wähler so vielleicht nicht versteht. Aber ich will Ihnen eines sagen, Herr Minister: Dagegen, dass Sie von einer strukturellen Beschäftigung in unserem Land sprechen, möchte ich mich schon ein bisschen wehren. Ich habe vorhin die Zahlen genannt, von wie vielen Personen wir da wirklich sprechen. Hören Sie bitte auf, die Betriebe in unserem Land unter Generalverdacht zu stellen. Die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben anständige Beschäftigungsverhältnisse; dafür sorgen die Unternehmer. Jetzt zum Entwurf: Sie haben die Begrenzung der Überlassungshöchstzeit auf 18 Monate genannt. Das steht im Koalitionsvertrag, den wir unterschrieben haben. „Equal Pay“ nach neun Monaten, Bezahlung wie bei der Stammbelegschaft. Auch das steht im Koalitionsvertrag. Da gibt es überhaupt keinen Dissens. Das Verbot des Einsatzes von Leiharbeitern als Streikbrecher – da sind wir uns einig. Dazu gibt es schon eine Einigung im Bund. Jetzt gibt es aus dem von Ihnen geführten Ministerium einen Entwurf, dem die Sozialpartner nicht zugestimmt haben, weil sie Gesprächsbedarf haben. Jetzt geht der Entwurf in die Ressortabstimmung. Das ist doch alles in Ordnung und kein Grund, heute hier eine Debatte vom Zaun zu brechen, die die Bezeichnung „Aktuelle Debatte“ gar nicht verdient hat. Danke schön.
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