Ischias: Therapien gegen die Pein im Bein

Münchner Merkur Nr. 191
MEINE SPRECHSTUNDE
Redaktion Medizin: (089) 53 06-418
[email protected]
Telefax: (089) 53 06-86 61
Medizin im Netz: www.merkur-online.de/gesundheit
Leben
.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
17
DIE AKTUELLE
MEDIZIN
Wann laktosefreie
Produkte wichtig sind
Prof. Dr. Volkmar Jansson
ist Direktor der Orthopädischen Klinik des Klinikums
der Universität München.
Prof. Dr. Christian Stief
Als Chefarzt im Münchner Klinikum Großhadern
erlebe ich täglich, wie wichtig medizinische Aufklärung ist. Meine Kollegen und ich (www.facebook.de/UrologieLMU) möchten den Merkur-Lesern daher jeden Montag ein Thema vorstellen, das
für ihre Gesundheit von Bedeutung ist. In den Ferien wiederholen wir einige Beiträge, die viele Leser
interessieren. Die Autoren des heutigen Artikels
sind Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Volkmar Jansson,
Dr. med. Christof Birkenmaier und Dr. med. Bernd
Wegener. Sie erklären, welche Therapien Patienten mit Ischiasbeschwerden wirklich helfen.
Dr. Christof Birkenmaier
ist Oberarzt an der Orthopädischen Klinik der LMU.
Leserfragen an die Experten:
[email protected]
Ischiasschmerzen strahlen bis in die Beine aus. Die Ursachen der Beschwerden sind ebenso
vielfältig wie die Therapiemethoden.
FOTOS: KLOSTERFRAU/FKN
Dr. Bernd Wegener
ist Oberarzt an der Orthopädischen Klinik der LMU.
Ischias: Therapien gegen die Pein im Bein
Kaum einer, der nicht irgendwann in seinem Leben unter Ischiasbeschwerden leidet. Entsprechend groß ist auch
das Angebot an Therapien, die oft stark beworben werden. Die Wirksamkeit vieler Methoden
ist allerdings zweifelhaft.
VON CHRISTOF BIRKENMAIER,
BERND WEGENER UND
VOLKMAR JANSSON
Ischiasschmerzen sind eine
besondere Form des Beinschmerzes. Sie strahlen entlang des Ischiasnervs vom
Kreuz über das Gesäß und die
Hinter- oder Außenseite des
Beins aus, oft bis in den Fuß
hinein. Im Gegensatz zum reinen Kreuzschmerz, der sehr
unterschiedliche
Ursachen
haben kann, lässt sich bei Ischiasbeschwerden häufig eindeutig eine bestimmte Nervenwurzel als Auslöser bestimmen, die gereizt oder geschädigt wird.
Wie entstehen
Ischiasschmerzen?
Ursache der Ischiasbeschwerden kann eine Vorwölbung oder ein Vorfall der
Bandscheibe sein. Eine Bandscheibe besteht aus einem
Knorpelkern, der sich im Inneren eines festen Faserrings
befindet. Dieser kann nach
hinten überdehnt werden,
wenn der Druck zu groß wird.
Er drückt dann auf die Nerven
im Wirbelkanal. Ist der Faserring noch intakt, spricht man
von einer Vorwölbung. Reißt
er und der Knorpelkern tritt
aus, hat der Patient einen
Bandscheibenvorfall.
Ursache der Ischiasbeschwerden kann aber auch eine Verengung des Wirbelkanals (Spinalkanal) sein oder
an den Stellen, an denen die
Nerven aus dem Kanal austreten. Seltener sind Gleitwirbel
der Auslöser. Dabei verschiebt sich ein Wirbelkörper
meist bauchwärts und kann
dadurch die Nerven im Wirbelkanal quetschen. Auch Infektionen oder Tumore können die Auslöser der Beschwerden sein. Stress und
emotionale Belastung können
ebenfalls zu anhaltenden Rückenschmerzen führen.
Wie stellt der Arzt
die Diagnose?
Hat ein Patient Lähmungen an den Muskeln von Bein
und Beckengürtel, ist mögli-
cherweise rasch eine Operation nötig. Vor allem jedoch
bei Störungen der Blasen-,
Mastdarm- oder Sexualfunktion sollte man schnellstmöglich abklären, ob ein chirurgischer Eingriff erforderlich ist.
Das lässt sich mit Hilfe der
Krankengeschichte
und
durch eine genaue körperliche Untersuchung feststellen.
Liegen solche Störungen vor,
müssen umgehend Röntgenbilder und eine Schnittbildgebung angefertigt werden.
Idealerweise ist dies in der
Regel eine Kernspintomografie, wenn so ein Gerät verfügbar ist, ansonsten ein Computertomogramm. Besteht der
Verdacht auf eine Infektion,
sind auch Blutuntersuchungen sinnvoll.
Liegen keine neurologischen Störungen vor, so ist
bei den weiterführenden Untersuchungen nur in Einzelfällen Eile geboten. Etwa bei
Patienten mit bestimmten
Vorerkrankungen, die ein hohes Risiko für Infektionen,
Tumore oder andere gefährliche Folgeerkrankungen haben.
Besteht kein erhöhtes Risiko, sollte man zunächst bis zu
sechs Wochen konservativ
behandeln. Nehmen die Beschwerden aber nicht ab oder
werden sie sogar schlimmer,
sollte man mit weiteren Untersuchungen nicht zu lange
warten. So lässt sich verhindern, dass die Schmerzen
chronisch werden.
plettes Spektrum von Methoden beherrscht. So kann er
die im jeweiligen Fall optimale auswählen.
Manchmal löst sich bei einem
Bandscheiben-Vorfall
ein Teil des ausgetretenen
Knorpelkerns und kann sich
dann frei im Wirbelkanal bewegen (freier Bandscheibensequester). In so einem Fall
kann man diese oft endoskopisch entfernen, was aber
auch bei anderen Vorfällen
häufig gut möglich ist. Dazu
ist nur ein wenige Millimeter
langer Schnitt notwendig.
Diese Öffnung reicht aus, um
die
Operationsinstrumente
einzuführen. Ist der Wirbelkanal (Spinalkanal) verengt,
lässt sich die Engstelle oft mikrochirurgisch, also unter
Verwendung eines Mikroskops, beseitigen. Die Nerven
werden dadurch entlastet. Ist
ein Gleitwirbel Ursache der
Beschwerden, kann man die
Wirbelsäule mit Schraubensystemen stabilisieren.
wenigen schlecht erreichbaren Bereichen im Wirbelkanal abgesehen, lassen sich auf
diese Weise vor allem freie
Bandscheibensequester gut
entfernen. Weil dafür nur ein
kleiner Schnitt notwendig ist,
heilt die Wunde schneller. Eine kleine Kamera verschafft
dem Arzt während des Eingriffs die nötige Sicht.
Wann ist eine offene
Operation nötig?
Ein
allmählicher
Verschleiß der Bandscheiben
kann nach vielen Jahren zu
einer Verkrümmung der Wirbelsäule führen. Die Bandscheiben, die wie Polster zwischen den Wirbelkörpern liegen, verlieren zudem an Höhe. Solche Veränderungen
können ebenfalls zu Ischiasschmerzen führen. Denn oft
werden die Nerven dadurch
an den Stellen eingeklemmt,
an denen sie aus dem Wirbelkanal austreten.
Wann können
Spritzen helfen?
Nicht immer ist eine Operation nötig, wenn eine konservative Behandlung keine
Besserung bringt. Es gibt
auch eine Vielzahl von Injektionstherapien und anderen
interventionellen Methoden.
Entscheidet sich der Arzt für
so eine Therapie, braucht er
Bilder der Wirbelsäule, die
ihm idealerweise ein Kernspintomograf liefert. Damit
kann er den Verlauf der Nervenwurzeln genau erkennen –
und den Ort, an dem diese
eingeengt sind.
Die einfachste Methode ist
eine
Infiltrations-Therapie.
Sie wird häufig angewandt,
wenn Nervenwurzeln gereizt
werden, etwa bei einem
Bandscheibenvorfall.
Der
Arzt spritzt dann gezielt ein
örtlich wirkendes Betäubungsmittel und ein entzündungshemmendes Kortisonpräparat an die Stelle, an der
Welche Therapien
helfen den Patienten?
Zur konservativen Therapie gehören vor allem Medikamente, Krankengymnastik
und physikalisch-medizinische Anwendungen, zum Beispiel Massagen. Allgemein
sollten sich die Patienten
nicht zu lange schonen. Insbesondere von längerer Bettruhe rät man heute ab. Denn
Studien haben gezeigt, dass
das den Betroffenen mehr
schadet als nützt. Die Behandlungen müssen dabei auf
den Einzelnen abgestimmt
werden. Vor allem die Auswahl der Medikamente ist dabei oft nicht einfach, weil viele Patienten an Begleiterkrankungen leiden oder ein Arzneimittel nicht vertragen.
Welche Methoden
der OP gibt es?
Ist eine Operation nötig, ist
die Wahl der Strategie entscheidend. Dabei ist es für die
Patienten ein großer Vorteil,
wenn der Chirurg ein kom-
Das Kreuz mit dem Ischias: Der Ischiasnerv (links, gelb markiert) verläuft vom Wirbelkanal in
die Beine bis zu den Füßen. Wird er gereizt, führt das zu Schmerzen, die bis in die Beine ausstrahlen. Die Ursachen der Beschwerden sind vielfältig. Oft ist ein Bandscheiben-Vorfall der
Auslöser der Beschwerden. Reißt der Faserring (rechter Teil der Abb.), drückt der Gallertkern
auf den Nerv – und löst heftige Schmerzen aus.
GRAFIK: APOTHEKEN-UMSCHAU
Welche Vorteile
hat die Endoskopie?
Insbesondere die endoskopischen Verfahren haben sich
in den vergangenen Jahren
verbessert. Sowohl die Operationsmethoden als auch die
Instrumente sind stark weiterentwickelt worden. Bei so
einer endoskopischen Operation führt der Chirurg die Instrumente von hinten zwischen den Wirbelbögen an
die verletzte Bandscheibe heran. Er kann diese aber auch
seitlich durch die Nervenaustrittspunkte einführen. Von
Eine endoskopische Operation ist dann nicht sinnvoll.
Mit so einem Eingriff ließen
sich lediglich die Engstellen
beseitigen – was jedoch zu
weiteren Problemen führen
könnte. Denn dadurch würde
die Wirbelsäule noch instabiler werden und sich dann umso rascher noch weiter verkrümmen. In so einem Fall ist
es darum wichtig, das zugrunde liegende Problem zu beheben. Dafür ist eine offene OP,
also ein Eingriff mit größerem
Schnitt, nötig. Dabei stabilisiert und korrigiert man die
verkrümmte Wirbelsäule.
die Nervenwurzeln eingeengt
sind – und von der die
Schmerzen ausgehen. Diese
Methode nennt man daher
auch „Wurzelblockade“ oder
periradikuläre
Therapie
(PRT). Damit der Arzt die
richtige Stelle trifft, wird die
Behandlung unter Röntgen
oder computertomografischer
Kontrolle durchgeführt.
Wie senkt man den
Druck auf den Nerv?
Ist eine Vorwölbung der
Bandscheibe die Ursache der
Ischiasbeschwerden, besteht
auch die Möglichkeit, das Volumen der Bandscheibe zu reduzieren und so den Druck
auf die gereizten Nerven zu
verringern. Dazu wird der
Gallertkern der Bandscheibe
entweder abgesaugt, mit Hilfe
von Enzympräparaten ausgetrocknet oder das Volumen
mit einem anderen Verfahren
reduziert. Auch diese Eingriffe erfolgen minimalinvasiv,
das heißt, es ist nur ein kleiner Schnitt oder Stich nötig.
Behandlung mit
Enzymen oder Laser
Das erste Verfahren dieser
Art war die Chemonukleolyse. Bei diesem Eingriff hat
man ein Enzym aus der Papayafrucht in die Bandscheibe gespritzt. Es bewirkt ein
Austrocknen und damit ein
Schrumpfen des Bandscheibenkerns. Allerdings führte
das Enzym bei vielen Patienten zu Allergien. Weil es inzwischen neuere Verfahren
als Alternative gibt, wird die
Chemonukleolyse heute nur
noch sehr selten angewendet.
Ein anderes minimalinvasives Verfahren ist immer noch
weit verbreitet: die Perkutane
Laser-Diskus-Dekompression (PLDD). Dabei führt der
Arzt eine Glasfaser unter
Röntgenkontrolle
in
die
Bandscheibe ein. Damit lässt
sich Laserlicht gezielt in das
Bandscheibengewebe leiten –
und dieses damit verdampfen.
Der Eingriff kann auch endoskopisch mit einer Kamera
vorgenommen werden.
Es gibt jedoch eine Reihe
neuerer Verfahren, mit denen
sich das Volumen des Bandscheibenkerns ebenfalls reduzieren lässt. Dazu gehört zum
Beispiel die Nukleoplastie,
bei der Radiowellen statt Laserlicht eingesetzt werden.
Bessern sich die Beschwerden jedoch weder durch eine
konservative
Behandlung
noch durch Injektionen oder
eine Schmerztherapie, ist
meist eine Operation nötig.
Wie findet man
einen guten Arzt?
Generell gilt, dass die Auswahl der richtigen Therapie
viel Erfahrung erfordert, weil
sie auf den Patienten und seine Beschwerden genau abgestimmt werden muss. Dazu ist
eine kompetente Beratung
durch einen Spezialisten nötig. Empfehlungen kann zum
Beispiel der Hausarzt oder
ein Orthopäde geben. Wer
sich unsicher ist, kann sich an
eine Klinik mit spezieller Wirbelsäulen-Abteilung wenden.
Im Darm grummelt es, der
Bauch fühlt sich aufgebläht an: Vielleicht liegt es
daran, dass Milch im Essen war. Denn immerhin
15 Prozent der Deutschen
vertragen keinen oder nur
wenig Milchzucker (Laktose). Sie sind laktoseintolerant. Ihr Dünndarm produziert das Verdauungsenzym Laktase, das den
Milchzucker spaltet, nicht
mehr ausreichend. Die
Folge: Der Zucker gelangt
in den Dickdarm, wo ihn
Bakterien vergären – und
damit die Beschwerden
auslösen. Um das zu vermeiden, sollten sich Betroffene laktosearm ernähren. Verzichten müssen sie
dabei auf wenig: Egal ob
Milch, Käse, Tortellini
oder Pizza – immer mehr
Produkte tragen den Hinweis „laktosefrei“. Doch
die sind nicht nur teurer.
Einige sind sogar unnötig.
„Eine Intoleranz ist keine
Allergie“, erklärt Christine
Leicht, Ernährungsberaterin am Klinikum rechts der
Isar in München. Kleinere
Mengen würden die meisten Betroffenen daher ohne Probleme vertragen.
Milch gibt es heute auch
ohne Laktose.
DPA
Kaum Laktose in Käse
„Bei Butter und Hartkäse
kann man sich die laktosefreie Variante sparen“,
sagt Leicht. Butter etwa
enthalte ohnehin fast keinen Milchzucker. Weniger
als ein Gramm stecken in
100 Gramm Butter. Käse
enthält zwar etwas mehr.
„Aber man isst nur zwei
oder drei Scheiben Käse.
Dann nimmt man nur sehr
wenig Laktose auf“, sagt
die Ernährungsberaterin.
Da man von Milch oder
Joghurt meist mehr esse,
sei bei diesen Produkten
die laktosefreie Variante
sinnvoll. „Wer Milchzucker verträgt, muss aber
keines dieser Produkte
kaufen“, sagt Leicht. Sie
seien zwar nicht bedenklich. Aber einen positiven
Effekt, wie manche Kunden wohl glauben, hätten
sie nicht.
Butter enthält kaum Laktose. Spezielle Produkte
sind daher unnötig.
DPA
Einfacher Atemtest
Im Säuglingsalter vertragen noch fast alle Menschen Milch. „Mit zunehmendem Alter nimmt die
Laktase-Produktion ab“,
sagt Leicht. Sogar Menschen über 50 Jahren können noch eine Intoleranz
entwickeln. Sie kann aber
auch Folge einer Darmerkrankung sein: Bei Morbus Crohn wird die Darmschleimhaut angegriffen.
Dann produziert der Körper das Enzym Laktase
nicht mehr. Ob die Beschwerden wirklich auf eine Intoleranz zurückzuführen sind, kann man mit
einem einfachen Atemtest
feststellen: Nach nur zwei
Stunden steht fest, ob man
künftig laktosefreie Milch
kaufen muss. BETTINA DOBE