resilienz gegenüber stress und Burn-out

Forschungsprojekt
Resilienz gegenüber Stress und Burn-out
Wissenschaft, die Mut macht:
Wie kann ein verbesserter Schutz vor Stress und Burn-out
erreicht werden?
Forschungsprojekt gibt Psychotherapeuten und Medizinern vollkommen
neue Perspektiven in der Behandlung von psychischen Erkrankungen –
Das Weltbild eines „genetischen Fatalimus“ gerät ins Wanken
„Die Folgen von Stress und Burn-out rücken in den Fokus der Forschung
– und zwar zu Recht, denn sie überschatten oft nicht nur das Leben der
Betroffenen und ihrer Familien, schränken Gesundheit und Wohlbe­
finden ein, sondern sind ein Phänomen, das mittlerweile unsere gesamte
Gesellschaft in erheblichem Umfang beeinflusst“, stellt Professor Dr.
Martin Reuter fest. Der Psychologe und Neurowissenschaftler beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit den Folgen emotionaler Belastungen.
Martin Reuter (l.o.) mit einigen Mitarbeitern der
Arbeitsgruppe (v.l.u.):
Thomas Plieger, Sebastian
Markett und Gesine Voigt
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Forschungsprojekt
Resilienz gegenüber
Stress und Burn-out
„Es existieren zwischen verschiedenen Individuen allerdings große
Unterschiede in der Fähigkeit, mit Stress umzugehen. Es ist deshalb von
größter Wichtigkeit, schützende und gesundheitsfördernde Einflussfaktoren zu erkennen – um diese prophylaktisch sowie therapeutisch zu
nutzen.“ Nach dem Wissenschaftlichen Institut der AOK sind Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen seit 1999 um rund 80 Prozent
angestiegen. Bereits jeder zehnte Fehltag am Arbeitsplatz ging im Jahre
2010 auf das Konto der akuten Erschöpfung und Depression.
Auf der Suche nach schützenden
erblichen und psychologischen Faktoren
Seit diesem Jahr fördert die Stiftung das wissenschaftliche Projekt
„Erforschung der genetischen, epigenetischen und psychologischen
Komponenten der Resilienz gegenüber Stress und Burn-out“. Es wird
zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren mit einem Betrag von
100.000 Euro pro Jahr gefördert. Wissenschaftlicher Leiter ist Martin
Reuter, der seit 2006 den Lehrstuhl „Differentielle und Biologische
Psychologie“ an der Universität Bonn innehat.
Thomas Plieger (Psychologe
BSc) bei der Arbeit an der
Gel-Elektrophorese-Unit.
Die Gel-Elektrophorese ist
eine analytische Methode der
Chemie und Molekularbiologie, um verschiedene Arten
von Molekülen zu trennen.
„Bei dem Forschungsprojekt beschäftigen wir uns mit den erblichen und
psychologischen Komponenten der Resilienz gegenüber Stress und Burnout. Traditionell versteht man unter Resilienz die Fähigkeit eines
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Resilienz gegenüber
Stress und Burn-out
Individuums, mit Widrigkeiten umzugehen und ein ‚normales Funktionieren‘, also Wohlbefinden und Gesundheit, aufrechtzuerhalten.“
Bereits seit Jahren beschäftigt sich die Forschung mit dem Zusammenhang von Stress und dessen körperlichen Auswirkungen. So sind
die hierbei ablaufenden biologischen Vorgänge mittlerweile gut bekannt: Vor allem chronische psychische Belastungen oder körperlicher
Schmerz führen zu einer gesteigerten Ausschüttung von sogenannten
Glukokortikoiden, wie Cortisol, ins Blut. Dieses in der Nebennierenrinde
produzierte, das Immunsystem dämpfende und entzündungshemmende
Hormon ruft jedoch eine ganze Reihe von Begleitsymptomen hervor.
Bei Dauerbelastung kann es zu erheblichen Ungleichgewichten bis hin
zu Ausfällen im menschlichen Hormonkreislauf kommen.
Die Folgen sind weitreichend und können sich etwa in chronischen
Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder sogar Gedächtnisausfällen und
Depression äußern. Auffällig dabei: Menschen mit bestimmten Gen­
varianten scheinen weniger anfällig gegen Stress und Burn-out zu sein
als andere. Bei solchen Genvarianten handelt es sich um Mutationen,
die man von seinen Eltern vererbt bekommt.
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Forschungsprojekt
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Umweltfaktoren beeinflussen unsere Gene
Zunehmend erkennen Wissenschaftler die Bedeutung verschiedener
Genvarianten, die den hormonellen Regelkreis bei Stress beeinflussen.
Diese Genvarianten vermögen die Verfügbarkeit von Stresshormonen,
etwa von Cortisol, oder die Anzahl von Rezeptoren, über die sie auf den
menschlichen Körper einwirken, ganz erheblich zu beeinflussen. Dabei
werden diese Genschalter nicht fest und unabänderlich von den Eltern
auf die Kinder vererbt, sondern auch Umweltfaktoren selbst zeigen
erheblichen Einfluss auf die Aktivität dieser Gene. „Der Fatalismus­
gedanke, der mit Genforschung in Zusammenhang gebracht wurde, ist
in jüngster Zeit ins Wanken gekommen. Das Forschungsfeld der
Epigenetik untersucht, wie Umweltfaktoren das Ablesen der Gene be­
einflussen. So können etwa kritische Lebensereignisse oder Heilverfahren wie die Psychotherapie die Aktivität unserer Gene beeinflussen.
Diese aufregende Entdeckung gibt Psychotherapeuten und Medizinern
vollkommen neue Perspektiven in der Behandlung von psychischen
Erkrankungen“, erläutert Reuter seinen Forschungsansatz.
Brigitte Kastenmeier (MTA)
bei der Vorbereitung einer
Polymerase-Kettenreaktion
(PCR) an der Flow-Bank –
einer Sicherheitswerkbank
für gentechnische oder mikrobiologische Arbeiten oder
Arbeiten mit Zellkulturen.
Experimentelle Untersuchungen belegen, dass chronischer Stress bei
Mäusen zu epigenetischen Veränderungen bestimmter Genabschnitte
führte. Diesen Befund konnten israelische Wissenschaftler vom Weizmann Institute of Science jedoch nur in einer Gruppe unterlegener Tiere
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beobachten, die auf den Stress mit sozialem Vermeidungsverhalten
reagierten. Im Gegensatz dazu zeigten die Tiere, die sich im Verhaltensexperiment gegenüber Stress resistent zeigten, keinerlei epigenetische
Veränderungen.
Ziel ist ein ganzheitliches Modell
Reuters Forschungsvorhaben versucht diese neuartigen experimentellen
Befunde auf den Menschen zu übertragen. Zunächst sollen Blutproben,
soziodemographische und diagnostische Daten von mehreren Hundert
Patienten erhoben werden, die an einem beruflich bedingten Burn-out
leiden. In einem zweiten Schritt werden anhand soziodemographischer
Daten gesunde Kontrollprobanden untersucht, die trotz vergleichbarer
Arbeitsbelastung keine Symptomatik aufweisen.
Thomas Plieger (Psychologe
BSc) bei der Auswertung
der DNA-Banden am UVVisualizer. PCR-Produkte
werden auf ein Agarose-Gel
aufgetragen, und mittels
eines elektrischen Feldes
werden die unterschiedlich
großen DNA-Fragmente, die
sich aus dem Vorliegen/nicht
Vorliegen von Genvariationen
(Polymorphismen) ergeben,
aufgetrennt.
Abschließend soll ein ganzheitliches Modell erarbeitet werden, das sowohl psychologische als auch genetische Variablen identifiziert, die diese Resilienz gegenüber Stress erklären können. „Obwohl unsere Studie
der Grundlagenforschung zuzurechnen ist, lassen sich aus den Ergebnissen neuartige und praxisrelevante Erkenntnisse für die Therapie eines
stressbedingten Erschöpfungssyndroms ableiten“, so Reuter. „Dieses
Modell soll biologische und psychologische Ansätze der Stressforschung
schlüssig miteinander verbinden.“
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Zur Person
Martin Reuter studierte an der Universität Gießen Psychologie und
Medizin und promovierte 2001 an der Universität Würzburg über den
Zusammenhang von „Cortisol und Emotion“. 2003 wurde er mit dem
Nachwuchswissenschaftlerförderpreis der Justus-Liebig-Universität
Gießen ausgezeichnet, 2004 erhielte er den Preis der G.-A.-LienertStiftung zur Nachwuchsförderung in Biopsychologischer Methodik.
Im Jahr 2005 habilitierte er sich mit einer Arbeit zur „Rolle des dopaminergen Systems für Nikotinabhängigkeit und Persönlichkeit“.
Seit 2006 ist Martin Reuter Professor für Differentielle und Biologische
Psychologie und Persönlichkeitsforschung an der Universität Bonn.
Am Center for Economics and Neuroscience der Universität Bonn
(CENs), dessen Vizedirektor er ist, forscht er auf dem Gebiet der Neuroökonomie.
Pilotstudie zu dem Resilienz-Projekt bereits erschienen
Martin Reuter, Sebastian Markett, Martin Melchers and Christian
Montag: „Interaction of the cholinergic system and the
hypothalamic-pituitary-adrenal axis as a risk factor for depression:
evidence from a genetic association study.“
In: NeuroReport 2012, Vol 23, No 12, p 717–720
(Copyright sämtlicher Fotos: Daimler und Benz Stiftung/Homann)
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