Neue Hoffnung bei Alzheimer HÖRZU Nr. 7 vom 12.02.2016 Seite 20 - 23 / Ratgeber GESUNDHEIT Neue Hoffnung bei Alzheimer Moderne Arzneimittel und vielversprechende Therapieerfolge machen Mut im Kampf gegen das Vergessen Alzheimerdemenz gilt als das am schnellsten wachsende Gesundheitsproblem. Jedes Jahr erkranken in Deutschland über 200.000 Menschen an dieser unaufhaltsamen Störung des Gehirns - etwa so viele, wie die Stadt Mainz Einwohner hat. Für die Betroffenen ist die Diagnose ein Schock. Denn Alzheimer gilt als unheilbar. Zumindest bislang. Doch aktuelle Studien machen Hoffnung, dass der Kampf gegen den schleichenden Gedächtnis-und Persönlichkeitsverlust erfolgreich sein kann. "Das Hauptproblem in der Behandlung von Alzheimerpatienten ist, dass wir die komplexen Vorgänge im Gehirn noch immer viel zu wenig verstehen", erklärt dazu Prof. Thomas Arendt. "Deshalb kennen wir auch die genaue Ursache der Erkrankung nicht", resümiert der Direktor des Leipziger Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung. Heilung ohne Medikamente Umso spektakulärer klingen nun die Ergebnisse einer Studie der University of California: Studienleiter Prof. Dale Bredesen hatte Alzheimerkranken nicht etwa moderne Hochleistungsmedikamente verschrieben. Die Probanden sollten nur ihre Lebensweise ändern. Dazu erhielten sie einen individuell erstellten Maßnahmenkatalog. Ganz oben auf der Liste standen Punkte wie gesunde Ernährung (viel Obst, Gemüse, Nüsse und Samen) und möglichst der Verzicht auf Industriezucker sowie Weißmehlprodukte. Es folgten Anweisungen zu Stressvermeidung und -abbau, etwa mit Yoga. Dazu viel Schlaf, nicht weniger als sieben Stunden pro Nacht, Verbesserung der Mundhygiene - und viel Bewegung. Etwa Schwimmen, Walken oder Jogging, mindestens 30 Minuten an vier bis sechs Tagen pro Woche, damit das Gehirn gut durchblutet und mit Sauerstoff versorgt wird. Nach sechs Monaten verkündete Prof. Dale Bredesen: Neun der zehn teilnehmenden Alzheimerpatienten sind geheilt! Doch wie ist es möglich, dass einfache Verhaltensregeln so große Wirkung entfalten? Nach Meinung von Prof. Bredesen ist eine Ansammlung verschiedener Stoffwechselstörungen im Gehirn für die Demenzerkrankung verantwortlich - ausgelöst vor allem durch einen ungesunden Lebensstil. Mit der Kombination einzelner Maßnahmen werden viele der Stoffwechselstörungen gleichzeitig bekämpft. Ist Alzheimer also plötzlich heilbar? Experten wie Prof. Arendt sind skeptisch. Doch fest steht: Den Patienten ging es nach der Therapie besser. Einige konnten sogar wieder arbeiten. Arznei gegen das Vergessen Die Studie des US-Forschers macht Hoffnung. Zumal andere wirkungsvolle Therapien nicht verfügbar sind. "Bislang existieren nur Medikamente, die im frühen und mittleren Stadium die Symptome stabilisieren, das Fortschreiten der Krankheit aber nicht aufhalten", sagt Prof. Arendt. Hohe Erwartungen setzen viele Mediziner deshalb in neuartige Substanzen wie Solanezumab oder Crenezumab. Dabei handelt es sich um Antikörper, die gezielt typische Eiweißverklumpungen im Gehirn von Alzheimer patienten aufbrechen und ausschleusen. Bis diese Wirkstoffe Markt reife erlangen, werden aber noch einige Jahre vergehen. Ein weiterer Hoffnungsschimmer: Kürzlich gelang es australischen Wissenschaftlern, das Gehirn mit Ultraschall von solchen Ablagerungen zu reinigen - bei Mäusen. So aussichtsreich solche Erfolge auch klingen, Prof. Arendt gibt zu bedenken: "Womöglich sind Eiweißplaques aber gar nicht die Verursacher des geistigen Verfalls." Immerhin ging es vielen Patienten in klinischen Studien nach Einnahme der Antikörperwirkstoffe kaum besser. Vielleicht kam die Verabreichung der Arznei aber auch zu spät, war die Krankheit schon zu weit fortgeschritten. Wichtige Frühdiagnose Fest steht dagegen: Ausgangspunkt für die Krankheit ist der Hippocampus, die Hirnzentrale für das Speichern persönlicher und autobiografischer Erinnerungen. Beschränkt sich der Ausbruch der Krankheit noch auf diese Region, sind Behandlungserfolge am wahrscheinlichsten. Darum ist die Früherkennung außerordentlich wichtig. Und eine Herausforderung. "Denn zwischen dem Beginn der Erkrankung und den ersten bemerkbaren Beeinträchtigungen liegen womöglich Jahrzehnte", sagt Prof. Arendt. Um dieses Problem zu lösen, suchen Mediziner immer häufiger nach sogenannten Biomarkern, etwa jenen Beta-Amyloid-und Tau-Proteinen, die an den Nervenzellen die vermeintlich schädlichen Verklumpungen verursachen. Diese Stoffe sind bei Seite 1 von 2 Neue Hoffnung bei Alzheimer Kranken nicht nur im Gehirn nachweisbar, sondern auch bei der Analyse der Rückenmarksflüssigkeit, und das bis zu zehn Jahre, bevor Patienten erste Alzheimersymptome zeigen! Inzwischen hat man geeignete Biomarker sogar im Blut entdeckt. Ein einfacher Bluttest auf Alzheimer könnte bereits in den nächsten Jahren möglich sein. Vielleicht verrät uns bald auch eine geringe Menge Urin, ob die Krankheit gerade im Begriff ist auszubrechen. Denn US-Wissenschaftler identifizierten im Harn von Alzheimermäusen eine ganz bestimmte Geruchssignatur, die in Zukunft bei der Erkennung der Erkrankung helfen könnte. Alzheimer keine Chance geben Je eher die Diagnose erfolgt, desto größer die Behandlungschancen. Noch besser ist, Alzheimer gar nicht erst entstehen zu lassen. Zur Vorbeugung verweisen Mediziner meist auf ähnliche Verhaltensregeln wie jene von Prof. Bredesen. Gern wird auch an die geistige Fitness appelliert. Indem man zum Beispiel eine neue Fremdsprache erlernt. Auch soziale Kontakte halten das Gehirn fit, etwa der Gedankenaustausch mit Freunden. Einsamkeit lässt unseren Geist hingegen verkümmern. FR 26.2. 3SAT 12.30 UHR LEBEN MIT DEM VERGESSEN Volkskrankheit Alzheimer. Doku aus der Reihe "Stolperstein" 5 Warnsignale für Alzheimer Bei diesen Symptomen sollte der Arzt konsultiert werden. Je eher die Diagnose erfolgt, desto besser die Behandlungschancen Sprachprobleme Alzheimerpatienten sind häufig schwer zu verstehen. Im Gespräch verlieren sie immer wieder den Faden. Oft fallen ihnen auch einfache Worte nicht ein, die sie dann durch unpassende Füllwörter ersetzen. Veränderung der Persönlichkeit Viele Betroffene sind oftmals leicht reizbar, streitsüchtig oder misstrauisch. Stimmungsschwankungen folgen, die besonders dann auftreten, wenn der Betroffene ahnt, dass er erkrankt ist. Orientierungsprobleme Alzheimerkranke haben sogar Probleme, von der eigenen Straße aus nach Hause zu finden. In der Fremde fällt es ihnen schwer, sich Orientierungspunkte zu merken. Oft wissen sie auch nicht, welcher Wochentag gerade ist. Begrenzte Urteilsfähigkeit Fällt eine Person dadurch auf, dass sie selbst im Winter leichte Sommerkleidung trägt oder einen Bademantel im Supermarkt? Dann könnte eine Alzheimerdemenz dafür verantwortlich sein. Vergesslichkeit Namen, Geburtstage, Termine entfallen den Betroffenen immer häufiger. Auffällig auch: Sehr oft stellen Demenzkranke im Gespräch immer wieder die gleichen Fragen. ALEXANDER WEIS Bildunterschrift: Aktivitäten Bewegung ist wichtig - und die Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff Familienkreis Soziale Kontakte mit Freunden oder Verwandten halten unser Gehirn fit Ernährung Viel Obst, Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte können Alzheimer vorbeugen Verwirrt Alzheimerpatienten wirken oft zerstreut. Tatsächlich wissen viele nicht mehr, ob sie zum Beispiel gerade Blumen gegossen haben Quelle: HÖRZU Nr. 7 vom 12.02.2016 Seite 20 - 23 ISSN: 0018-3113 Ressort: Ratgeber Rubrik: GESUNDHEIT Dokumentnummer: 142739150 Dauerhafte Adresse des Dokuments: https://www.genios.de/document/HOER__142739150 Alle Rechte vorbehalten: (c) FUNKE Programmzeitschriften GmbH © GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH Seite 2 von 2
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