Heimweh ist ganz normal

Nummer 27 · 5.-Juli
KirchenZeitung
Die2015
Woche im Bistum Hildesheim vom 5. Juli 2015
Eltern & Schule
Heimweh ist ganz normal
Wenn die vertraute Umgebung fehlt: Die Sehnsucht zu überwinden, macht selbstbewusst
weinen. „Gerade in den ersten
Tagen kann es zu Heimwehattacken kommen, besonders wenn
die Kinder zur Ruhe finden oder
freie Zeit für sich haben“, erklärt
Jan-Hendrik Wernsing, Zeltlagerleiter in St. Nikolaus im niedersächsischen Ankum. „Wir geben
Eltern immer den Tipp: Rufen
Sie Ihr Kind am Anfang bitte erst
einmal gar nicht an, damit es sich
gut eingewöhnt.“ Erfahrungsgemäß verschwindet Heimweh
dann schnell. Auch wenn mal ein
paar Tränen fließen, sei dies kein
Grund zur Panik. „Das hilft, weil
so die Gefühle von Verlassenheit
und Sehnsucht rauskommen.
Dann ist schon mal ein großer
Teil vom Schmerz weg“, beruhigt
der erfahrene Betreuer.
Von Heike Sieg-Hövelmann
Wenn Kinder zum ersten Mal
allein verreisen, schleicht sich
oft ein unerwünschter Begleiter unter die Bettdecke oder in
den Schlafsack: Heimweh. Eltern können einiges tun, damit
die Sehnsucht nach zu Hause
nicht zu stark wird.
„Du brauchst keine Angst zu haben“, sagt Ben, „ich bin ja bei
dir.“ Fest drückt der Achtjährige
seinen Teddy an sich und schaut
auf die anderen schlafenden Kinder in seinem Zelt. Das Kuscheltier sieht genauso fröhlich drein
wie immer, doch der Junge wälzt
sich hin und her. Was die jetzt
wohl gerade zu Hause machen?
Vielleicht kuscheln alle auf unserer gemütlichen Couch, und
Mama liest noch eine Geschichte
vor. Wie gern wäre er jetzt auch
dort, und nicht hier, wo vieles
noch fremd ist und anders als
daheim. „Ich will nach Hause“,
denkt er immer wieder und spürt
eine unangenehme Last auf seinem Herzen.
Kinder auf Reisen „vermissen
nicht nur die Eltern, sondern
sie haben auch Heimweh nach
der vertrauten Umgebung, den
bekannten Abläufen, vielleicht
nach dem Essen, den üblichen
Ritualen, den Geschwistern oder
auch dem Haustier“, erklärt
Eva-Maria Zenses, Teamleiterin
bei der Erziehungsberatung des
Caritasverbandes für Stadt und
Landkreis Hildesheim. „Und diese Sehnsucht tut dann weh, ist
aber ein ganz normales Gefühl.
Gerade bei Kindern, die noch nie
für längere Zeit von zu Hause
weg waren.“
Kinder sollten Gelegenheit
haben, sich abzunabeln
Psychologisch habe dies mit
zwei an sich widersprüchlichen Bedürfnissen zu tun: dem
menschlichen Wunsch nach Sicherheit und der gleichzeitig
verlockenden Herausforderung,
bekannte Pfade zu verlassen
und Neues zu erleben – wie in
einem Zeltlager oder einer Ferienfreizeit mit anderen Kindern.
„Heimweh auszuhalten und zu
überwinden, ist eine starke Erfahrung. Das hebt Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl.“ Ein
Schritt in Richtung Abnabelung,
der für die Persönlichkeitsentwicklung unerlässlich ist. Denn
Schwellensituationen, wo Kinder
den familiären Rahmen verlassen müssen – angefangen beim
Kindergarten, über Schule bis
zu den ersten Ferien allein oder
Klassenfahrten – gehörten nun
mal auch zum kindlichen Leben.
Deshalb sei es unerlässlich, ihnen
Gelegenheit zu bieten, sich diesen Ängsten zu stellen.
Tipps
Im Zeltlager helfen
die Gruppenleiter
Fröhlich unterwegs: Die meisten Kinder schaffen die erste eigene Reise in
den Ferien auch ohne fremde Hilfe.
Fotos: imago
Auch Eltern müssten lernen,
loszulassen, gibt die Psychologin
zu bedenken. „Für sie ist es genauso aufregend, wenn das Kind
zum ersten Mal für länger allein
unterwegs ist.“ Natürlich machen
sie sich Sorgen und hoffen, dass
es ihm gefällt. Sie sollten das
Kind ermutigen und mit ihm die
Vorfreude auf die Reise teilen:
Fotos vom Zielort anschauen, eine Landkarte oder das Programm
begeisternd durchstöbern. Wichtig: ein kurzer und zuversichtlicher Abschied, der signalisiert:
„Du wirst es packen, und wir
kommen auch sehr gut alleine
zurecht.“ Sätze, wie: „Wir vermissen dich schon jetzt“ oder
„Du wirst uns fehlen“ besser
vermeiden, damit sich das Kind
nicht womöglich um die Eltern
ängstigt und Heimweh bekommt.
Ben ist am nächsten Morgen
wieder bester Laune. Voller Freude genießt er die Spiele in der
Gruppe. Bei der ganzen Ablenkung ist das Heimweh wie weggeblasen. Doch abends taucht
es plötzlich wieder auf: dieses
nagende Gefühl der Sehnsucht
und Traurigkeit. Der Junge muss
Zur Sache
Studie zum Sommercamp-Blues
„Heimweh ist eine normale
Reaktion, wenn Kinder von zu
Hause weg sind und gehört
zum Erwachsenwerden dazu.“
Zu diesem Schluss kommt der
Psychologe Christopher Thurber
an der Phillips Exeter Academy
(Boston), der seit vielen Jahren
das Phänomen erforscht. In einer
Studie befragte er mehr als 1000
Mädchen und Jungen im Alter
von acht bis 16 Jahren, die für
zwei oder mehr Wochen ihre
Ferien in einem Sommercamp
verbrachten. Demnach hatten
90 Prozent der Kinder mindestens einen Tag Heimweh. Ältere
Kinder waren seltener betroffen, jüngere, schüchterne und
ängstlichere häufiger. In wenigen
Fällen kamen Symptome wie
Bauchweh oder Kopfschmerzen hinzu. Um die Gedanken
an zu Hause zu vertreiben und
Heimweh zu bewältigen, sei das
Ablenken, zum Beispiel, durch
Aktivitäten oder neue Freunde
der beste Weg. Beruhigend: Die
meisten Kinder überwanden die
Gefühle. (hsh)
Soll man vor der Reise explizit
über Heimweh sprechen? „Darüber gehen die Meinungen auseinander“, weiß Wernsing. Tabu
sind jedoch seiner Ansicht nach
Aussagen wie: „Wenn es dir dort
nicht gefällt, holen wir dich sofort ab.“ Besser sei es, im Vorfeld
in Ruhe zu besprechen, worauf
sich das Kind besonders freut,
aber auch nachzuhorchen, ob es
mögliche Unsicherheiten oder
Ängste hat. Eltern täten gut daran, die Kinder zu ermutigen, sich
ihren Gruppenleitern anzuvertrauen. Denn vor Ort ließen sich
die Ursachen am besten abklären
und beseitigen. Denn das Kind
könne auch belastet sein, weil es
versteckte Streitereien gab oder
es sich noch nicht so wohlfühlt
in der Gruppe. Mit Anrufen sollten sich Eltern zurückhalten,
denn auch das könne Heimweh
auslösen oder hervorrufen. Am
besten halten sich die Eltern an
die Absprachen, die in der Regel
dazu vor den Freizeiten getroffen
werden. „Wir geben Eltern mit
auf den Weg: Wenn sich Ihr Kind
nicht meldet, ist alles okay.“
Schafft es ein Kind partout
nicht, die Trennung zu ertragen,
und bei extremem Heimweh, ist
es natürlich möglich, es abzuholen. Jedoch sollte das immer die
letzte Lösung sein. Besser ist es
zu beschwichtigen. „Du hattest
doch so viel Spaß. Schlaf erst mal
darüber.“ Verlässt es die Freizeit
eher, bloß keine Vorwürfe machen. „Du hast es schon so lange geschafft. Wir sind stolz auf
dich. Beim nächsten Mal klappt
es sicher noch besser.“ Das komme aber höchst selten vor, betont
Wernsing: „Ich habe es noch nie
erlebt.“
Ben hat sein Heimweh übrigens so gut überstanden, dass
er am Ende der Reise sagt: „Ich
freue mich auf zu Hause, aber
auch aufs nächste Jahr. Dann
möchte ich auf jeden Fall wieder
beim Zeltlager dabei sein.“
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Deshalb sei es unerlässlich, ihnen zwei oder mehr Wochen ihre
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5. Juli 2015 Gefühle. (hsh)
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er am Ende der Reise sagt: „Ich
freue mich auf zu Hause, aber
auch aufs nächste Jahr. Dann
möchte ich auf jeden Fall wieder
beim Zeltlager dabei sein.“
Tipps
An eigene Erfahrungen denken und Kinder stärken
Üben: Die Übernachtung ohne
Eltern bei Freunden, Paten oder
Großeltern trainieren. Je mehr
Erfahrung, umso leichter fällt es,
sich anderswo allein zurechtzufinden und zu vergnügen. Um
die Umstellung vor einem Zeltlager zu erleichtern, im Schlafsack
probeschlafen.
Reiselust wecken: Die Vorfreude
steigern durch Beschäftigung mit
dem Reiseziel und dem Mitmachprogramm sowie gemeinsames Einkaufen und Kofferpacken. Positive innere Bilder
vermitteln.
Tröster: Beim Zubettgehen in
der Ferne kann der gewohnte
Geruch eines Kuscheltieres oder
Schlafkissens hilfreich sein.
Eventuell einen aufmunternden
Brief mitgeben oder ein Familienfoto für den Brustbeutel.
Notfallplan: Kinder sollten wissen, an wen sie sich unterwegs
wenden können. Über heimwehgefährdete Kinder vorab informieren und besprechen, wie mit
Eltern kommuniziert wird.
Ein vertrautes Kuscheltier kann in
der Ferne hilfreich sein.
Sich zurückerinnern: Meldet sich
das Kind, weil es unter Heimweh
leidet, ruhig bleiben und überlegen, was einem selbst in einer
solchen Situation geholfen hat.
Herausfinden, was zuvor passiert
ist: Möglicherweise handelt es
sich nur um eine akute Verstimmung. Das Kind ernst nehmen,
aber auch auf schöne Ereignisse
aufmerksam machen, die noch
vor ihm liegen. Es ermuntern,
sich an Aktivitäten zu beteiligen
und versichern: „Traurige Gefühle können vergehen, das hast
du doch schon erlebt.“ Kleine
Ziele abstecken und vereinbaren,
wann es wieder einen Austausch
mit den Eltern geben soll. (hsh)
KiKA: Das Fürch
entschlossene Moor
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