Der Himmel ist offen - Sensum · Graphikbüro

Der Himmel ist offen
Lyrik & Gebet
Annegrete Feckler
Für die Besucherinnen und Besucher von
Seelsorge & Begegnung
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort Seelsorge & Begegnung.................................4
Vorwort Künstlerseelsorge.............................................5
Ich schreibe..........................................................................7
Annegrete Feckler
© 2011 der vorliegenden Ausgabe: Edition Octopus
Die Edition Octopus erscheint im
Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG Münster
www.edition-octopus.de
© 2011 Annegrete Feckler
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Sensum · Graphikbüro · Wiesbaden
Umschlag: Sensum · www.sensum.de
Bilder: Annegrete Feckler
Druck und Bindung: MV-Verlag
ISBN 1-234567-89-0
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Ziel...........................................................................................8
Hoffnung...............................................................................9
Herausgerissen................................................................. 10
Du weißt um mich........................................................... 11
Schwüle............................................................................... 12
Wimpernschlag................................................................ 13
Ostern.................................................................................. 14
Februar................................................................................ 16
Licht...................................................................................... 17
In der Krypta...................................................................... 18
Nachts.................................................................................. 20
Hab keine Angst.............................................................. 21
Heimat................................................................................. 22
Hüter meiner Seele......................................................... 23
Morgenröte....................................................................... 24
Stille sein............................................................................. 25
Du.......................................................................................... 26
Beten.................................................................................... 28
Traum................................................................................... 29
Schmerz.............................................................................. 30
Ich brauche........................................................................ 31
Anker.................................................................................... 32
Hände.................................................................................. 34
Lebenskunst...................................................................... 35
Heimweh............................................................................ 36
Atem..................................................................................... 37
Herbst.................................................................................. 38
Gesang................................................................................ 39
Jesaja.................................................................................... 40
Impressum......................................................................... 43
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Vorwort Seelsorge & Begegnung
Vorwort Künstlerseelsorge
„Der Himmel ist offen“
Verborgener Raum der Seele
„Lyrik und Gebet“ von Annegrete Feckler
Annegrete Feckler legt mit diesem Band eine Lyrik vor, die aus langer
Annegrete Feckler kenne ich nunmehr seit zehn Jahren. Ich erinnere mich an
seelsorgliche Gespräche, in denen wir beide in ein tiefes und langes Schweigen
hineinlauschten - in ein gefülltes Schweigen. Achtsam versuchen wir den Ton der
Stille zu hören und ihm eine Sprache des verbalen Ausdrucks und Verstehens zu
geben.
Fast immer am Ende unserer Begegnungen empfinde ich ein leises Glück. Es
ist mehr als unser beider Gedanken. Es hat sich atmosphärisch etwas Drittes
zwischen uns kreiert und ist jetzt präsent - ist es Gott?
Leiderfahrung erwachsen ist. In konzentrierter Sprache spiegeln ihre Gedichte
diesen existenziellen Hintergrund. Ihr lyrischer Ton ist von zupackender Klarheit,
kennt Kaskaden und abrupte Brechungen, die keinen gefälligen Klang aufkommen
lassen. Verstörungen werden nicht geglättet, keine vordergründige Harmonie
wird suggeriert. Trotzdem fragmentieren die Gedichte nicht, zerfallen in keine
ausweglose Leere, sondern schaffen eine authentische Atmosphäre ungeschönter
Ehrlichkeit und tragfähiger Hoffnung.
In der Krypta
Annegrete Fecklers Lyrik bewegt sich immer wieder an der Grenze zum Gebet. Aus
dieser Grenzerfahrung ist die Lyrik geschichtlich erwachsen, aus den Hymnen, den
Worte der Seele
Bitten und Rufen menschlicher Not und Dankbarkeit.
schweben in Hallen
Kraft ihrer Sprache ist für mich eine lebendige Quelle ausdrucksstarker Hoffnung.
Im Titel des vorliegenden Bandes „Lyrik und Gebet“ wird diese menschliche
getragen vom Chor
Hier begegne ich einem Glauben, der sich in der Bewältigung eines schweren
Grunderfahrung ausgesprochen. Auch die Gebete sind Dichtung, wenden
und steinigen Lebensweges sprachlich immer wieder neu durchgräbt auf einen
sich freilich nicht an den Leser, sondern an Gott und laden den Leser ein, diese
tragenden Lebensgrund.
Bewegung mit zu vollziehen. Diese Verschränkung von Lyrik und Gebet findet ihren
In unregelmäßigen Abständen erhalte ich von Annegrete eine eigenhändig
künstlerisch gestaltete Karte mit einem Gedicht oder einem Gebet. Die poetische
der Seelen Ängste
überzeugenden Ausdruck in einem Gedicht, das überschrieben ist: In der Krypta.
und Freuden
einer verschlossenen, isolierten Zurückgezogenheit öffnete Annegrete sich immer
Die Krypta ist ein verborgener Raum in der Unterwelt eines Kirchenhauses. Oft
tanzen Lichtkreuze
mehr für den Reichtum zwischenmenschlichen Zusammenseins. So widmet sie
birgt er den geschichtlichen Ursprung der Kirche. Märtyrer und Heilige ruhen hier.
diese kleine Publikation den Besucherinnen und Besuchern von
Durchdrungen ist dieser gründliche Raum von Gebeten aller Zeiten. Sie schweben
Seelsorge & Begegnung, um so in ihrer Poesie, aber eben auch in ihrem Ringen,
in den Hallen, sind Worte der Seele. Gegenwart und Vergangenheit zerfließen,
Glauben und Zweifeln berührbar zu werden. Mögen ihre Gedichte und
verlieren ihre trennenden Konturen. Lichtkreuze tanzen in der Dämmerung,
Gebete zu neuen, heilsamen Begegnungen inspirieren.
geformt aus Ängsten und Freuden. Die Wände haben uralte Gebete aufgesogen,
In diesen zehn Jahren durfte ich eine wunderbare Entwicklung miterleben. Aus
werfen Schatten
an die Wände
uralter Gebete
sind durchdrungen von Angst und Freude. In der Krypta, dem verborgenen
Raum schweben die Worte der Seele. Die Lyrik von Annegrete Feckler lässt den
verborgenen Raum der Seele hörbar werden.
Pfarrer Karl-Hermann Büsch
Leiter von Seelsorge & Begegnung
Prälat Josef Sauerborn
Künstlerseelsorger im Erzbistum Köln
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Ich schreibe
Ich schreibe mir ein Gedicht,
um die Wogen meiner Seele zu glätten.
Ich schreibe mir ein Gedicht,
um die Grenzen meines Lebens zu überschreiten.
Ich schreibe mir ein Gedicht,
tanze damit gegen die Schwere meiner Schritte.
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„Ich gebe dir ein langes, erfülltes Leben;
du wirst die Hilfe erfahren,
auf die du wartest.“
Ziel
die Uhr
schlägt 12
(Ps. 91, 16)
Hoffnung
der Zug
fährt ab
Plötzlich gehen die Lichter der Hoffnung an.
In den Wänden hoch und dunkel
ich bleibe
entdecke ich Nischen und Erker
zurück
mit tausenden von kleinen Lichtern:
sehe
strahlen Ahnung,
die Gleise
flüstern verheißungsvoll.
flimmernd
im Glutlicht
Gott ist stärker als das Nein in mir.
des Sommers
Sein Weg ist auch mein Weg.
Ich bin nicht allein.
ferne am Horizont
Mein Leben wird mir gelingen:
treffen sie sich
seine Versprechen,
verschmelzen
seine Wahrheit.
als hätten
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am Ende
Tausend kleine Lichter der Hoffnung
alle Wege
zeigen mir den Weg
nur
durch meinen langen dunklen Gang
ein
und eines Tages komme ich an,
einziges Ziel
denn du hast es mir gesagt.
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Herausgerissen
Herausgerissen
aus der Erde
dem Mutterboden
der Heimat
der Geborgenheit
Hineingerissen
in den Strudel
den Untergang
den Schmutz
die Dunkelheit
Aufgestanden
inmitten der Not
des Elends
der Vergänglichkeit
des Verlorenseins
Entgegengestellt
der Macht
Du weißt um mich
Du sammelst meine Tränen in deinem Krug
Du schreibst alle meine Nöte in ein Buch
Du weißt um meine einsamen Nächte
Du hörst die längst verstummten Rufe in mir
Ich muss meine Sehnsucht nicht verstecken
Ich muss meinen Hunger nicht verbergen
der Ohnmacht
dem Sog in dir und mir
den Unabwendbarkeiten
Zurückgekehrt
in das Leben
Du weißt auch um Trauer und Schmerzen
Du weißt um die Ohnmacht in meinem Herzen
Du Herr, sammelst meine Tränen in deinem Krug
das Licht
das Ja
die Möglichkeiten
Leben gelernt
mit dir und mir
dem Leben, dem Tod
dem Aufgehobensein
in DIR
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Schwüle
hängt
schwer
in der Luft
mühselig
jeder Schritt
Füße
kein Platz
zum Gehen
kein Raum
Wimpernschlag
gefangen
im Schmerz
Gewitterleuchten
Leer geweinte Augen
schauen in dein Licht
Schwefel
schauen auf zu dir
klebt in den Poren
finden Hoffnung
Spannung
will brechen
in deinem Wimperschlag
am Morgen.
sich entladen
und sprengt
Wie Balsam
und kracht
legst du deine Wärme
den Weg
auf meine tiefen Wunden.
sich frei
Blitze zucken
Freundlich
spalten Welten
schaust du mich an
gestern
nach
morgen
Gewitterregen.
mittendrin
im Auge des Orkans
Erkennen
dann steigt der erste Stern
ruhig
silberweiß
leuchtet es
über den atmenden Weiten
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Ostern
Trinke, meine Seele
vom Wasser des Lebens.
Breite deine Flügel aus und fliege,
heraus aus den alten Gemäuern
hinaus in unendliche Weiten.
Nasche vom Nektar
des göttlichen Friedens,
lege ab die Kleider der Mühe
tanze mit dem Morgennebel.
Trinke und atme,
der Stein ist längst fortgerollt.
Du, meine Seele: lebe!
Breite deine Flügel aus und fliege.
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Februar
Nie hörte ich
einen schöneren Lobgesang
als das Singen
der schweigenden schwarzen Bäume
vor dem endlosen Grau
der Traurigkeit
nie sah ich jemanden
sich so geduldig und wehrlos recken
wie die nackten Zweige
Licht
zieht Kreise
am Himmel
der Bäume
in unserem Garten
fliegt
mit den Vögeln
von niemandem habe ich es
eigene Weisen
wie von ihnen gelernt:
das Hoffen
und Schweigen
und Flehen
Licht
in stummen Gebärden
spendet Leben
im Garten
und manchmal
singen sie so schön
dass mein Herz begreift:
es gibt keine Grenze
zwischen hier und einst
duftet
mit den Blumen
bunte Reigen
Gottes Atem weht bereits
in allem
hier und jetzt
der Himmel ist offen
ich höre
Licht
du wartest auf mich
ich weiß es
ich fühle es atmend
im schweigenden Lobgesang
schwarzer Bäume
vor dem endlosen Grau
der Traurigkeit
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In der Krypta
Worte der Seele
schweben in Hallen
getragen vom Chor
der Seelen Ängste
und Freuden
tanzen Lichtkreuze
werfen Schatten
an die Wände
uralter Gebete
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Nachts,
wenn der Mond
vom Himmel fällt
und der Wind
in schwarzen Weiden
Trauerlieder singt,
steigen Nebelgeister
Hab keine Angst
wenn der Schmerz nach dir greift:
aus der Seelen
tiefstem Grab
schrei
will heraus
mit mir den Schrei am Kreuz.
das Sehnen,
Ich werde dich hören.
Weinen, Klagen
Wirf dich mit mir
Harfe spielt mein Geist
in meines Vaters Hand!
auf dünnen Nervensträngen
Er wird uns halten.
bis alle Saiten reißen
und die Verzweiflung
nichts mehr hält
schrei, meine Seele, schreie
Gott wohnt gleich nebenan
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Heimat
Ein Flüstern
im jungen Birkengrün;
Hüter meiner Seele
Wind spielt Heimat –
weide mich
Heimat nie gewesen.
auf den sonnendurchfluteten Plätzen
deiner Freundlichkeit
Ein Lächeln
zaubert Gesang
Hüter meiner Seele
im Windspiel der Weiden
bewahre mich
träume Heimat -
in den Himmelsgewölben
Heimat nie gewesen.
deiner schützenden Hände
Das Rauschen
in endlosen Wäldern
ist Heimat –
Heimat nie gewesen.
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Morgenröte
in der Morgenröte
zerbrechen
die Stunden in Sekunden
Stille sein
dem Atem lauschen
und dem fernen Rauschen
Gebrechen bricht Lanze
schürt Feuer im Ofen
behutsam
gebricht mir das Wort im Munde
den Weg ertasten
die Blüten nicht brechen
aufbrechen von Wunden
die gerade aufbrechen
aufbrechen wie Blüten
im Winter
Stille tanzt
auf leichten Schwingen
aufbrechen
zu dir, Morgenröte
Farbenklang
die Glocke schlägt
das Gesicht gerötet
im Eifer
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Du,
wie oft
habe ich
Deinen Namen
abgestaubt
und angehaucht
und aufpoliert
und bist mir doch
verblasst.
Da fand ich
neue Namen:
in Angst
in Schrei
in Glück
und Fragen.
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Traum
Ich träumte
ich flöge
wie ein Vogel
so leicht
getragen vom Wind
Beten
in deine Arme
und läge darin
wie ein Kind
Hände fassen
in samtweichen
fassungslos
Wolken.
starren
Ich träumte
auf das Festgehaltene
ich tanzte
Fesseln tragende
wie Elfen
so fein
entfesselt
in einem
drauf schlagen
schneeweißen Kleid
zerstören
über Wiesen
so bunt
entstört
und du
Hände falten
hieltest mich
beten
in deinen Armen
Ich träumte
es rauschten
die uralten Wälder
und sängen
die Vögel
von deinen Wundern
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Schmerz
Ich brauche deinen Sturm,
der das Unterste nach oben kehrt,
ausrasten
schreien
erwürgen
dich
brauche bisweilen einen Orkan,
die alten Hütten einzureißen,
bevor ich neue baue.
ausgerechnet dich
den ich nicht
zu fassen kriege
lahm
Ich brauche
dein Flüstern im Wind,
gelähmt
damit die Luft
schmerzlos
mich trägt.
ewig
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Anker
im Schiff aus Nacht
Anker werfen
Schlingen am Grund des Meeres
eine Taube fliegen lassen
mit gestutzten Flügeln
findet kein Land
meine Seele ist gefangen
wann wird der Himmel
aufreißen
in Goldengelb und Feuerrot
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Hände
Ich liebte deine Hände Mutter;
ich mochte es,
wie sie Zwiebeln schälten.
Mit meinen Augen folgte ich
den Furchen und Rissen –
ich kannte mich aus
zwischen den blauen dicklichen Adern.
Nur, berühren durfte ich deine Hände nicht.
Wie oft stellte ich mir vor,
deine Hände würden mich streicheln
und deine Arme mich halten.
Unendliche Geschichten
ließ ich mir von deinen Händen erzählen,
Lebenskunst
Vom Leben beschnitten werden
und dennoch wachsen.
Manchmal aus Trotz –
in alle Richtungen –
unbändig, wild,
verwahrlost,
aber lebendig.
in denen sie mich liebten.
Doch du kamst aus einer Zeit,
in der die Gefühle vertrockneten,
denn sie bekamen Blut statt Trost,
du lebtest in einem Land,
in dem man das Liebste verlor und sich zusammenriss,
in dem man starb und weitermarschierte
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Atem
Setze meine Füße
auf dein weites Land
gib mir Raum und Zeit und Kraft
Heimweh
dass ich tanze mit den Schmetterlingen
singe mit den Grillen
Heimweh nach der goldnen Sonne,
die lautlos über Felder gleitet.
Heimweh nach den bunten Wiesen,
auf denen Feuermonde glühen.
atme mit dem Grün der Bäume
den Atem deines Lebens
vertrocknet ist meine Seele
verarmt mein Geist
verloren das Land
Heimweh nach den wilden Flüssen,
die donnernd aus den Felsen stürzen.
atme mir neu
den Geist der Freiheit ein
setze meine Füße
auf dein weites Land
gib mir Raum und Zeit und Kraft
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Gesang
Ich öffne mein Fenster
sehe hinaus auf eine endlose Weite.
Herbst
Nebel liegt darüber, wie ein schützendes Kleid.
Ein Sonnenstrahl blitzt auf
kurz und heiß
verwandelt einen Regentropfen in funkelnde Farben.
war der Sommer
Ein Vogelschwarm löst sich von der Erde,
satt und schwer
steigt himmelan.
schwerer nun
hängt der Nebel
Ich gehe hinaus,
an Häusern
behutsam,
die grau bemalt
will den Frieden nicht stören.
stille halten
Auf den Wiesen liegen bunte Perlen,
aus hauchdünnem Glas.
Ich tanze
Hand in Hand
nach dem Gesang des Lebens.
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Jesaja
... doch über dir strahlt mein Licht auf, der Glanz meiner Gegenwart leuchte Dir.
In Zukunft brauchst du nicht mehr die Sonne als Licht für den Tag noch den
Mond für die Nacht; denn ich, der Herr dein Gott werde für immer dein Licht sein
und dir mit meinem herrlichen Glanz leuchten. Darum wird dein Licht nie mehr
untergehen wie die Sonne oder abnehmen wie der Mond. Ich leuchte dir in alle
Ewigkeit und deine Trauer wird für immer ein Ende haben.
Jes. 60 Verse 2, 19 + 20
aus „Die Gute Nachricht“
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Impressum
Feckler, Annegrete
Der Himmel ist offen
Lyrik & Gebet
Köln 2011
Texte und Bilder
© Annegrete Feckler
Redaktion
Karl-Hermann Büsch | Josef Sauerborn | Regina Henke
Layout
© Sensum · Graphikbüro
Bernd Schermuly | Wiesbaden | www.sensum.de
Druck
Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG
Herausgeber
Seelsorge & Begegnung für psychiatrieerfahrene Menschen
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