Was sie vor dem 1. Jänner 2016 unbedingt Wissen sollten.

e
r
e
i
r
r
a
b
i
e
fr
Was sie vor dem 1. Jänner 2016 unbedingt Wissen sollten.
Barrierefrei15.indd 1
13.10.15 13:49
Wir sehen die Zukunft
Cover: dan raCe/Fotolia; sabine Klimpt
Mit der Sonnenkraft hoch hinaus –
Solar Impulse 2 & Schindler 3300 Solar
Wir fördern die Idee von nachhaltiger Mobilität – Solar Impulse 2
fliegt dank 17.200 Solarzellen um die Welt. Die Erkenntnisse
dieser Forschungsreihe fließen in alle Schindler Produkte, wie zum
Beispiel den Solar Aufzug, welcher auf Basis des Schindler 3300
entwickelt wurde.
www.schindler.at
Schindler_SolarImpulse_148x210abf.indd
1
Barrierefrei15.indd 2
02.10.15
13.10.15 00:13
13:49
3
editorial
Herausforderung
barrierefreiheit
A
b dem 1. Jänner 2016 gelten die
kaufskomfort und Be-
Bestimmungen des „Bundes-Behin-
hinderungsabbau eine
dertengleichstellungsgesetzes“ (BGStG):
entscheidende Rolle. Die
Der Gesetzgeber postuliert darin unter
damit verbundene Kom-
anderem den barrierefreien Zugang zu
fortverbesserung kann –
allen Warenkäufen und gewerblichen
wird sie vom Unterneh-
Dienstleistungen. Es geht dabei nicht
men „gelebt“ – zu einem
Mag. dagmar Lang, MbA
geschäftsführerin und Heraus­
geberin, Manstein Verlag
primär um den viel zitierten „Rollstuhl-
sehr wichtigen Wettbe-
fahrer“, sondern generell um die Vermei-
werbsfaktor in Handel
dung von Zugangs- bzw. Zugriffsbarrie-
und Dienstleistung werden. In Österreich
ren, egal aus welchen Gründen diese von
leben derzeit rund eine Million Menschen
einzelnen Menschen als solche empfun-
mit Bewegungseinschränkungen. Davon
den werden. Das BGStG zielt daher nicht
brauchen mehr als 50.000 einen Rollstuhl.
nur auf konkrete, äußerlich meist erkenn-
Mehr als 300.000 Menschen leiden unter
bare körperliche Behinderungen ab,
einer Sehbehinderung. Das Thema ist
sondern will auch älteren Menschen oder
ohne Zweifel eine Herausforderung für
Familien mit Kindern Barrieren für das
Unternehmen …
Cover: dan raCe/Fotolia; sabine Klimpt
Kundesein im gewerblichen Bereich aus
00:13
dem Weg räumen.
Was in dieser kurz gefassten Information
Damit sind diese Bestimmungen und not-
vorliegt, ist ein Statusbericht mit vielen
wendigen Rahmenbedingungen für unsere
wichtigen Hinweisen für die Unterneh-
Kernlesergruppen aus den Bereichen Ein-
mensleitungen. Bei Inkrafttreten des
zelhandel, Gastronomie, Hotellerie und
Gesetzes wird noch bei Weitem nicht
Großverpflegung von vitalem Interesse.
alles verwirklicht sein. Es bleibt auf dem
Deshalb widmet sich der Manstein Verlag,
Weg zur Barrierefreiheit noch viel zu tun.
mit seinen Fachmagazinen in diesen
Wir werden dem Thema jetzt viel öfter
Branchen stark präsent, in dieser Sonder-
als bisher begegnen.
beilage diesem Thema.
Die Redaktion verantworten MMag. Claudia
In einer älter werdenden Gesellschaft
Stückler und Dkfm. Milan Frühbauer
spielen die neuen Regelungen für Ein-
als Chefredakteur.
Barrierefrei15.indd 3
■
13.10.15 13:49
4
intervieW
„es ist viel nachzuholen“
er wacht über die einhaltung der rechte von behinderten:
dr. erwin buchinger, behindertenanwalt des bundesministeriums
für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, ist für die gleich­
behandlungsfragen zuständig. der ehemalige Sozialminister
weiß um die Probleme von behinderten naturgemäß bestens
bescheid. im interview gibt er einen Statusbericht zur barriere­
freiheit, die ab 2016 überall verwirklicht sein sollte.
Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der
emotionalen Gegenwind: Viele Verant-
investiven Vorbereitungen von Behörden,
wortliche fragen ängstlich, was denn da
Handelsunternehmen oder Tourismusbetrie­
schon wieder an Kosten und Bürokratie
ben für den barrierefreien Zugang und die
auf sie zukomme. Dennoch bin ich zuver-
problemlose Inanspruchnahme der Dienst­
sichtlich, denn es bewegt sich etwas. So
leistungen auch für behinderte Menschen?
legen uns etwa große Handelskonzerne
Erwin Buchinger: Seit rund zehn Jahren ist
Masterpläne vor und ersuchen um Exper-
bekannt, das ab Jahresbeginn 2016 im
tise und Begutachtung. Das ist erfreulich.
lungsgesetzes der Zugang zu öffentlichen
Der Handel hat in den vergangenen Jahren
Waren und Dienstleistungen barrierefrei
sehr viel in neue Standorte investiert …
sein muss. Bis vor rund eineinhalb Jahren
… und tut sich mit der Barrierefreiheit
war das kaum ein Thema in der Wirt-
mit Outlets auf der grünen Wiese natur-
schaft. Jetzt gibt es erkennbar einen
gemäß leichter. Schwieriger ist es für
Aufbruch, vornehmlich in Handel und
Unternehmen in den Stadtkernen, die oft
Tourismus. Es haben sich einschlägige
in historischer Bausubstanz angesiedelt
Plattformen gebildet, die die Unternehmen
sind. Oder jene, die auf zwei Ebenen
intensiv beraten.
verkaufen.
Also hat man bis zum letzten Augenblick
Wie sieht es mit den öffentlichen
gewartet oder die Sache überhaupt nicht sehr
Dienstleistern aus?
ernst genommen?
Die Wiener Linien oder die ÖBB sind
Ich kritisiere das nicht, denn offensicht-
beispielsweise schon sehr gut aufgestellt,
lich liegt das in der menschlichen Natur,
das ist erfreulich. Der Bund hat sich aller-
erst im letzten Moment aktiv zu werden.
dings die Fristen für die eigenen Gebäude
Außerdem gibt es da und dort auch
bekanntlich bis 2020 verlängert, was aus
Barrierefrei15.indd 4
13.10.15 13:49
bmasK – bundesministerium Für arbeit, soziales und KonsumentensChutz
Sinne des Bundes-Behindertengleichstel-
dr. erwin buchinger:
„rechne mit mehr Schlichtungen,
aber keiner Klagsflut.“
Welche Möglichkeiten hat ein Behinderter, der
sich bei der Inanspruchnahme von Dienstleis­
tungen aller Art irgendwo diskriminiert fühlt?
Er kann sich an die Behindertenanwaltschaft wenden. Bei uns sind das derzeit
rund 1.300 Beschwerden im Jahr. Man
kann aber auch die Diskriminierung bei
Behindertenverbänden – etwa beim
Behindertensportverband – thematisieren.
Kann die Behinderung nicht sofort beseitigt werden, dann ist ein Schlichtungsverfahren vorgesehen. Dazu kommt es
derzeit in rund 200 Fällen jährlich. Ist
dabei keine Einigung erzielbar, so steht
meiner Sicht zu durchaus berechtigter
dem Betroffenen dann der Klagsweg
Kritik führt. Eines der Probleme ist etwa
beim Bezirksgericht offen. Dieser Weg ist
der gesamte universitäre Bereich. Die Situ-
gesetzlich vorgeschrieben. Das Problem
ation in Ländern und Gemeinden ist eben-
lautet jedoch: Worauf habe ich Anspruch
falls unbefriedigend. Hier gibt es Etappen-
in Sachen Schadensgutmachung? Dazu
pläne für Investitionen, die teilweise – etwa
gibt es noch keine Judikatur.
bmasK – bundesministerium Für arbeit, soziales und KonsumentensChutz
in Wien – bis 2042 reichen. Viele Schulen
etwa sind noch nicht entsprechend ausge-
Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie ab
stattet. Es gibt aber auch Gemeinden, die
dem kommenden Jahr?
sich im Gemeinderat mit dieser Thematik
Die Zahl der Schlichtungsverfahren wird
noch nie beschäftigt haben.
sicher zunehmen, ich rechne aber nicht
mit einer signifikanten Klagswelle. In
Die Bürgermeister berufen sich oft auf denk­
vielen Fällen wird man Lösungen finden.
malgeschützte Objekte, die nicht umgebaut
werden dürften.
Angenommen, man bewertet den Idealfall der
Die Ausrede Denkmalschutz ist zwar sehr
bundesweiten Barrierefreiheit in Österreich
beliebt, aber sie gilt nicht. Die Denkmal-
mit 100 Punkten. Wie würden Sie den Zustand
ämter sind in dieser Frage flexibel und
zum 1. Jänner 2016 quantifizieren?
auch die technischen Möglichkeiten
Leider unter 50. Aber es bewegt sich
werden immer ausgereifter.
bereits sehr viel.
Barrierefrei15.indd 5
■
13.10.15 13:49
6
handel
Zeit, zu handeln
Wie kaum eine andere branche ist der Handel von der umsetzung
der regelungen zur barrierefreiheit betroffen. Mit Jahresbeginn
müssen auch die barrieren in „alten“ bauwerken, die bereits vor
dem 1. Jänner 2006 genehmigt wurden, beseitigt werden.
D
er Handel nimmt das Thema Barrie-
Dabei sieht die Branche neben Heraus-
refreiheit ernst und setzt bereits seit
forderungen auch durchaus die positiven
geraumer Zeit Schritt für Schritt Aktivitäten
Aspekte der Neuregelung: „Der öster-
und Maßnahmen, speziell in Sachen Um-
reichische Handel ist für alle Menschen
setzung der baulichen Barrierefreiheit in
da und sieht die Barrierefreiheit als
den Geschäften“, erklärt René Tritscher,
Chance, sein schon vorhandenes hervor-
Geschäftsführer der Bundessparte
ragendes Service für sämtliche Kunden
Handel der Wirtschaftskammer Öster-
auszubauen“, so Bundesspartenobmann
reich (WKO). „Sowohl in den Geschäften
Peter Buchmüller.
haben die Handelsbetriebe in den vergan-
Service für Kunden ausbauen
genen Jahren bereits freiwillig viel inves-
Der richtige Umgang mit Personen mit
tiert, um Kunden und Mitarbeitern einen
speziellen Bedürfnissen stelle dabei auch
barrierefreien Zugang zu ermöglichen.“
für Mitarbeiter im Handel eine Herausfor-
So seien etwa Stufen oder andere bau-
derung dar: „Deshalb wurden schon in
liche Hindernisse beseitigt, WC-Anlagen
der Vergangenheit und werden auch zu-
ebenso barrierefrei umgebaut und Kunden-
künftig Arbeitnehmer im Handel speziell
parkplätze für Menschen mit speziellen
dafür geschult und sensibilisiert.“ Ein Pro-
Bedürfnissen geschaffen worden.
blem wären allerdings die unbestimmten
Barrierefrei15.indd 6
shutterstoCK, WKo (2)
als auch in den Verwaltungsgebäuden
13.10.15 13:49
Regelungen über die Gleichstellung
hätte für Menschen mit besonderen
von Menschen mit Behinderungen: „Viele
Bedürfnisse wohl bessere Lösungen gege-
Investitionen für die Barrierefreiheit
ben.“ Der finanzielle Aufwand ist ein
stehen unter dem Damoklesschwert einer
weiterer großer Kritikpunkt der Branche:
späteren Klage durch einen Betroffe-
„Die Investitionen sind in Zeiten sinken-
nen“, gibt Buchmüller zu bedenken.
der Margen immer schwieriger zu er-
Beispielsweise ermöglicht eine Zufahrts-
wirtschaften. Es gibt vielerorts wenig
rampe für einen Rollstuhlfahrer diesem
Verständnis bei den Händlern, wenn die
zwar den Zugang ins Geschäft, sie stellt
öffentliche Hand sich durch großzügige
für einen Blinden oder Sehbehinderten
Übergangsfristen ihre Hausaufgaben zur
aber noch keinen barrierefreien Zugang
Barrierefreiheit aufschiebt und Handels-
dar. „Die unterschiedlichen Facetten der
betriebe gesetzlich dazu verpflichtet
einzelnen Bedürfnisse machen es dem
werden. Diese Ungleichbehandlung
Handel daher besonders schwer, für alle
versteht niemand.“
Menschen mit speziellen Bedürfnissen
entsprechende Lösungen zu finden.
info – Offensive der WKO
Erleichterung sollen dabei spezielle
ungleichbehandlung schafft Kritik
Förderungen für diese Investitionen
Mit dem gesetzlichen Zwang zur Umset-
bringen. Mitglieder können sich über
zung und Geldstrafen sei dem Anliegen
diese Möglichkeiten bei den Kammern
der Personen mit speziellen Bedürfnissen
informieren, die auch für alle anderen
nicht gedient. Besser wäre es gewesen,
Fragen zum Thema zur Verfügung ste-
bei den Unternehmen auf Freiwilligkeit
hen: „Nachdem das Thema den Handel
und positive Anreize bei der Umsetzung
wegen der zahlreichen Kundenkontakte
dieses Themas zu setzen: „So hätten sich
bewegt, startet die Bundessparte Handel
Händler viele Investitionen erspart und es
der WKO eine Informationsoffensive im
heurigen Herbst zu diesem Thema“, erklärt Bundesspartenobmann Buchmüller.
Die Händler erfahren dabei aus erster
Hand im Rahmen einer Roadshow zur
Barrierefreiheit Genaueres zu diesem
wichtigen Thema. Weitere Services um-
shutterstoCK, WKo (2)
fassen die Broschüre „Die Einstellung
macht’s“, die Plattform wko.at/barrierefreiheit oder den „Online Barriererené tritscher, WKO:
„Handel hat bereits
viel investiert.“
Barrierefrei15.indd 7
Peter buchmüller, bundes­
spartenobmann: „ungleichbe­
handlung versteht niemand.“
Check“, der Unternehmen einen ersten
Einblick in das Thema geben soll.
■
13.10.15 13:49
8
handel
barrierefreies
einkaufsvergnügen
der tägliche einkauf kann für Konsumenten zum Hürdenlauf werden: nicht
nur Menschen mit behinderung stehen hier vor Herausforderungen. Auch für
ältere Personen oder Frauen mit Kindern gibt es barrieren zu überwinden.
D
ie großen Lebensmitteleinzelhändler
Behindertenorganisationen aufgenommen.
des Landes sind bereits seit Jahren
„Um dieses wichtige Thema in Zukunft
intern wie extern stärker vorantreiben zu
Nicht wegen der Vorschrift, sondern in
können, starten wir heuer mit der Ent-
erster Linie, um ihren Kunden das Leben
wicklung einer Disability-Strategie“,
zu erleichtern. REWE beschäftigt sich
erklärt Pressesprecherin Lucia Urban.
seit 2008 mit dem Thema Disability.
„Um dafür Sorge zu tragen, dass hier
Damals wurde auch der Dialog mit
auch sinnvolle Maßnahmen entwickelt
spar, reWe/ p. J. hartberger
mit dem Thema Barrierefreiheit befasst.
Barrierefrei15.indd 8
13.10.15 13:49
Freundlicher Service soll
auch behinderten ein
einkaufserlebnis vermitteln.
2.500 Filialen der REWE-Handelsfirmen
baulich barrierefrei. Darüber hinaus gibt
es eine Fülle an Einzelbeispielen, wo auf
die Bedürfnisse von Stammkunden mit
Behinderungen hin Maßnahmen realisiert
wurden, etwa bei BILLA im Auhofcenter
in Wien. Hier gibt es speziell für Rollstuhlfahrer Gemüsewaagen mit Bildschirm
unterhalb der Waagschale.
„Innerhalb des nächsten Jahres soll eine
komplett barrierefreie Musterfiliale
entstehen“, so Urban. Das bedeute nicht
nur rollstuhlgerecht, sondern auch mit
Hilfen für seh- und hörbehinderte Menschen. „Ausgehend von diesem Pilotpround umgesetzt werden, wurde eigens
jekt und den Erfahrungen, die wir dort
eine Disability-Managerin eingestellt,
machen werden: Für alle Handelsfirmen
die seit Mitte August ausschließlich für
sollen Barrierefrei-Standards entwickelt
mehr Barrierefreiheit für Mitarbeiter und
werden.“ Aber Internetseiten und Online-
Kunden zuständig ist, mit dem Ziel, Best
shops sollen mittelfristig barrierefrei ge-
Practice für die Integration von Menschen
staltet werden – mittels Vorlesefunktion.
spar, reWe/ p. J. hartberger
mit Behinderungen zu schaffen.“ Darüber
hinaus wurde eine interne Arbeitsgruppe
„Für uns als REWE International AG hat
gegründet, die das Thema Chancengleich-
das Projekt vor allem das Ziel, Integra-
heit und Barrierefreiheit vorantreibt.
tion von Behinderten – als Mitarbeiter
„Denn der Aufbau eines Netzwerks in
ebenso wie als Kunden – verstärkt zum
einem Unternehmen ist eine sehr wesent-
öffentlichen Thema zu machen. Es ist
liche Voraussetzung für die erfolgreiche
uns wichtig, dieses Thema umfassend,
Umsetzung einer Disability-Strategie.“
strategisch und nachhaltig wirksam anzugehen“, so das Ziel des Unternehmens.
integration und Vorbildwirkung
Außerdem möchte man andere Unterneh-
Als Ergebnis dieser Maßnahmen sind
men motivieren, auch aktiv zu werden.
bereits deutlich mehr als 90 Prozent der
Diese Verantwortung der Vorbildrolle
Barrierefrei15.indd 9
13.10.15 13:50
10
handel
habe REWE als eines der größten Unter-
oder Akustikbojen am Eingang zur
nehmen und Arbeitgeber des Landes.
Orientierung für Sehbehinderte“, unterstreicht PR-Verantwortlicher Mag. Lukas
SPAr will den einkauf erleichtern
Sövegjarto. Zusätzlich gibt es auch ein
Auch beim großen Mitbewerber SPAR ist
Blindenleitsystem mit im Boden integrier-
die Barrierefreiheit seit Jahren ein Thema:
ten Leitstreifen. Diese führen den Kunden
Stufenloser Zugang in die Märkte, breite
vom Parkplatz zum Eingang. An zahlrei-
Gänge, automatische Türen, Behinderten-
chen Standorten wurden auch Rufhilfen
und vielfach Familienparkplätze sind
installiert, mit denen bereits am Eingang
Standard in allen SPAR-Filialen. Neben
eine Einkaufsassistenz angefordert
der baulichen Ausstattung sind aber auch
werden kann.
SPAR ist nach ÖGNI serienzertifiziert,
Bedürfnisse haben. „Über die Standard-
somit entsprechen alle SPAR-Neubauten
ausstattung hinaus testet SPAR an mehre-
den umfassenden ÖGNI-Standards, die
ren Standorten besondere Einrichtungen,
auch zahlreiche Punkte zur Barrierefrei-
die Menschen mit Beeinträchtigung das
heit umfassen. Bei bestehenden Märkten,
Einkaufen erleichtern, wie Induktionsan-
besonders in innerstädtischen Altbauten,
lagen für Hörgeräte zur besseren Verstän-
waren aber Platzmangel und Denkmal-
digung an Kassa und Feinkostbedienung
schutz teilweise eine Herausforderung. ■
Hilfe für Sehbehinderte ist auch ein Wettbewerbsfaktor.
im einkaufsalltag sichtbar erleichterung schaffen.
shutterstoCK
mit Menschen geschult, die besondere
spar, reWe/ p. J. hartberger
die Marktmitarbeiter auf den Umgang
Barrierefrei15.indd 10
13.10.15 13:50
Barrierefreiheit –
Chance und Herausforderung
a
spar, reWe/ p. J. hartberger
b dem 1. Jänner 2016 muss in allen geschäfts­
räumen und lokalen barrierefreiheit gegeben
sein. viele unternehmer sind verunsichert, was
das für sie bedeutet: barrierefreiheit bedeutet,
dass Waren und dienstleistungen, die öffentlich
verkauft werden, barrierefrei zugänglich sein
müssen.
shutterstoCK
räumlichkeiten müssen frei von baulichen
barrieren sein und alle Kundinnen und Kunden
müssen zugang zu informationen – beispielsweise
Webauftritt oder broschüren – haben. die Wirt­
schaftskammer Österreich unterstützt ihre mit­
glieder bei der umsetzung dieser maßnahmen, gibt
tipps und informiert über Fördermöglichkeiten.
besonders der Handel ist von den neuen rege­
lungen betroffen, entsprechend engagiert zeigt
sich die sparte handel, die eine ganze palette
an services bietet: einen ersten überblick über
die barrierefreiheit des eigenen unternehmens
kann man sich beim eigens eingerichteten online
barriere­Check verschaffen. neben der broschüre
„die einstellung macht’s“ bietet die WKo auch
ein umfangreiches beratungsangebot.
Barrierefrei15.indd 11
dabei beherzigt etwa die sparte handel auch
selbst den grundsatz der „barrierefreiheit“: im
rahmen einer bundesweiten roadshow werden
den handelsbetrieben alle Fragen zum thema
direkt, persönlich und aus erster hand beantwor­
tet. bis Jahresende machen die experten der WKo
noch in salzburg, oberösterreich, dem burgenland
und niederösterreich halt. im Frühjahr 2016 findet
dann eine veranstaltung in Wien statt.
„der österreichische handel ist für alle menschen
da und sieht die barrierefreiheit als Chance, sein
schon vorhandenes hervorragendes service
für sämtliche Kunden auszubauen“, betont
bundesspartenobmann Peter buchmüller. „da
das thema den handel wegen der zahlreichen
Kundenkontakte bewegt, hat die bundessparte
handel der WKo im herbst eine informations­
offensive zu diesem thema gestartet.“
unter wko.at/barrierefreiheit finden mitglieder
neben einer plattform zur erstinformation auch
alle termine der roadshow.
13.10.15 13:50
12
FragenKatalog
Fragen und Antworten
zur barrierefreiheit
im unternehmensalltag stellen sich rund um die barrierefreiheit viele
konkrete Fragen. noch wichtiger sind die Antworten. im Folgenden finden
Sie wichtige Hinweise auf akute Fragen rund um die barrierefreiheit ab
dem kommenden Jahr. ein Auszug aus Quellen des Sozialministeriums.
Kostet die Umsetzung der Barrierefreiheit
Kann ein Vermieter bzw. Verpächter eines
viel Geld?
Geschäftslokals von Kundinnen oder
Wenn Barrierefreiheit bei der Planung mitberücksichtigt wird, sind die Mehrkosten
Kunden wegen fehlender Barrierefreiheit
rechtlich belangt werden?
gering. Adaptierungen bestehender Ge-
Dies ist nicht möglich, da die Kundin
bäude kosten erfahrungsgemäß wesent-
oder der Kunde keine Rechtsbeziehung
lich mehr. Wenn Sie einen Umbau oder
zum Vermieter bzw. Verpächter hat.
eine Sanierung planen, lassen Sie sich auf
jeden Fall in Bezug auf die barrierefreie
Muss die Barrierefreiheit in Mietverträgen
Gestaltung Ihrer Angebote, beraten.
von Geschäftslokalen geregelt sein?
Bei neuen Mietverträgen empfiehlt es
Ist der Mieter eines Geschäftslokals für
sich, einen entsprechenden Passus über
die Barrierefreiheit verantwortlich oder der
die Zustimmung zur Herstellung von
Eigentümer?
Barrierefreiheit aufzunehmen.
Es ist immer der Anbieter einer Leistung
dafür verantwortlich, dass sein Angebot
diskriminierungsfrei – und damit auch
Darf der Denkmalschutz der
Barrierefreiheit widersprechen?
barrierefrei – ist. Die Herstellung bauli-
Denkmalschutz kann im Einzelfall der
cher Barrierefreiheit unterliegt neben den
Herstellung der Barrierefreiheit entgegen-
baurechtlichen Vorgaben auch den ent-
stehen. Allerdings gibt es viele Beispiele
sprechenden Rechtsnormen wie Mietrecht,
Wohnrecht und den Rechtsvorschriften
für Pachtverträge. Sehr oft erfordern
bauliche Maßnahmen die Zustimmung
shutterstoCK (2)
des Vermieters. Wesentlich ist auch, was
im jeweiligen Miet- oder Pachtvertrag
geregelt ist.
Barrierefrei15.indd 12
13.10.15 13:50
für Alternativlösungen, die trotz Denkmalschutzbestimmungen eine Nutzung
des Angebotes auch für Menschen mit
Behinderung ermöglichen.
Was mache ich, wenn in einem Baubescheid
Barrieren vorgeschrieben sind (z. B. Stufen
vor dem Eingang in einer hochwasser­
gefährdeten Ortschaft)?
Wenn die Herstellung der Barrierefreiheit
aus baurechtlichen Gründen verweigert
besteht, so sieht das Gesetz einen Min-
wird, darf auch die entsprechende bauliche
destschadenersatz von 1.000 Euro vor.
Maßnahme nicht durchgeführt werden.
Allerdings müsste man in einem solchen
Fall alternative Maßnahmen prüfen.
Wie ist das mit der Barrierefreiheit
im Brandfall?
Bei Evakuierungen ist auf die Bedürfnisse
Kann ich rechtlich belangt werden, obwohl
von Menschen mit Behinderung besonders
mir der Denkmalschutz den barrierefreien
zu achten, insbesondere sind Notsignale
Umbau verweigert hat?
im Zwei-Sinne-Prinzip auszuführen.
Wenn die Herstellung der Barrierefreiheit
rechtlich nicht möglich ist, sind alternative Möglichkeiten zur prüfen, etwa eine
mobile Rampe oder auch eine Klingel.
Muss man bei mehreren Filialen alle auf
einmal barrierefrei umbauen?
Es gilt das Prinzip der Zumutbarkeit. Grundsätzlich ist es immer sinnvoll, einen Plan
Wie hoch können Schadenersatz­
zur Herstellung der Barrierefreiheit zu er-
forderungen sein, wenn mein Geschäft
stellen, insbesondere dann, wenn es einer
nicht barrierefrei ist?
Vielzahl von Maßnahmen bedarf, um An-
Das Behindertengleichstellungsrecht sieht
gebote barrierefrei zugänglich zu machen.
den Ersatz des Schadens vor, der tatsächlich eingetreten ist, wie etwa den Ersatz
shutterstoCK (2)
einer Fahrkarte oder von Taxikosten.
Muss das gesamte Verkaufslokal
barrierefrei sein?
Dazu gibt es noch einen immateriellen
Mangelnde Barrierefreiheit kann zu einer
Schadenersatz für die erlittene Kränkung.
Diskriminierung von Menschen mit
Dazu gibt es allerdings noch wenig Judi-
Behinderung führen, wenn die Herstellung
katur. Wenn die Diskriminierung in einer
der Barrierefreiheit zumutbar ist. Bei
Belästigung (Mobbing, über längeren
Verkaufslokalen bilden Regalhöhen sehr
Zeitraum andauernde Kränkungen)
oft eine Barriere. Einschränkungen in
Barrierefrei15.indd 13
13.10.15 13:50
14
FragenKatalog
Im Unternehmen gibt es „nur“ ein
Kunden­WC, muss das barrierefrei sein?
Kunden-WCs, Informationsschalter,
Restaurants für Kunden etc. gehören
ebenfalls zum Leistungsangebot und sind
daher diskriminierungsfrei – und damit
auch barrierefrei – zu gestalten. Allerdings wird in jedem einzelnen Fall auch
der Höhe würden aber bedeuten, dass für
die Zumutbarkeit zu prüfen sein.
das gleiche Warenangebot ein viel größerer Platzbedarf bestehen würde. Dies
Das Unternehmen hat eine Kundengruppe,
wäre im konkreten Fall möglicherweise
bei der davon ausgegangen werden kann,
nicht zumutbar.
dass sie definitiv nicht behindert ist, muss ich
trotzdem mein Angebot barrierefrei anbieten?
Müssen alle Eingänge barrierefrei sein?
Ja, es sei denn, Maßnahmen zur Her-
Ein barrierefreier Zugang sollte über den
stellung der Barrierefreiheit sind nicht zu-
Haupteingang möglich sein. Falls dieser
mutbar. Dass keine behinderten Kunden
Eingang nicht barrierefrei zugänglich ist,
vorhanden sind, hängt eben oft mit der
sollte zumindest ein zweiter, gut erreich-
mangelnden Barrierefreiheit zusammen.
barer Eingang einen Zugang für mobilitätsbehinderte Personen ermöglichen.
Wie sieht die Sachlage aus, wenn Waren
nur einer bestimmten (vordefinierten)
Müssen in einem Hotel alle Zimmer
Kundengruppe angeboten werden?
barrierefrei sein oder reicht eine
Der im Behindertengleichstellungsrecht
bestimmte Anzahl aus?
festgeschriebene Schutz vor Diskrimi-
Wichtig ist zunächst die Barrierefreiheit
nierung gilt auch für Angebote, die nur
der allgemein zugänglichen Räumlich-
einer eingeschränkten Öffentlichkeit
keiten wie Speisesaal, Aufenthaltsraum,
zugänglich sind.
Bar, Wellness-Bereich etc. Für bestehende
dass in jedem Betrieb mindestens ein
Welche Servicestelle ist für ein
Schlichtungsverfahren zuständig?
Zimmer barrierefrei für Gäste mit Mobi-
Das Sozialministeriumservice ist eine
litätsbehinderungen vorhanden sein
Behörde mit neun Landesstellen, recht-
muss. Pro 60 weiteren Gästebetten oder
lich ist keine örtliche Zuständigkeit vor-
30 weiteren Unterkunftseinheiten
geschrieben. Der Schlichtungswerber
(Zimmer, Appartement) ist ein weiteres
entscheidet, zu welcher Schlichtungs-
barrierefreies Zimmer vorzusehen.
stelle er geht.
Barrierefrei15.indd 14
■
shutterstoCK (2)
Betriebe gibt die ÖNORM B 1600 vor,
13.10.15 13:50
Barrierefrei in
Niederösterreich
LAndeSFÖrderung Für uMbAuten
n
iederösterreich nimmt die Chancengleichheit sehr ernst: das land bietet für
die „barrierefreiheit“ der unternehmen umfassende beratung und vor allem
auch die Förderung von notwendigen investitionen.
aufgrund der rechtlichen vorgaben stehen viele betriebe vor notwendigen bau­
lichen maßnahmen. vor allem im tourismus sind für die erreichung des barriere­
freien zugangs zu allen angeboten teils umfangreiche investitionen erforderlich.
das land niederösterreich hilft. den unternehmen wird ein maßgeschneidertes
Förderpaket angeboten: im mittelpunkt stehen maßnahmen für die zugänglich­
keit von unternehmen für menschen mit behinderung. gefördert werden
beispielsweise investitionen wie
• Errichtung einer Rampe,
• Einbau eines Liftes,
• Schaffung von Behindertenparkplätzen,
• Installation von Leitsystemen für blinde oder schwer sehbehinderte Personen.
Antragsberechtigt sind Klein- und Kleinstunternehmen, die ein Projekt am
Standort Niederösterreich realisieren.
die Förderbedingungen konkret:
• Förderbar sind Beratungskosten sowie dem Projekt direkt zurechenbare Erst­
investitionen.
• Zur Evaluierung der Ist­Situation sowie der Planung der Investitionen sind Bera­
tungskosten in einem ausmaß von max. 20 stunden förderbar. die finanzielle un­
terstützung beträgt max. 75 % bei einem beraterstundensatz von bis zu 90 euro.
• Die Investitionsförderung für Barrierefreiheit des Landes NÖ ist eine Ergänzung
zur bundesförderung (diese unterstützt investitionen bis 50.000 euro).
Für projekte mit investitionskosten zwischen 50.000 und maximal 100.000 euro
wird vom land nÖ für den vom bund nicht geförderten Kostenteil ein zuschuss
shutterstoCK (2)
von bis zu 20 prozent gewährt.
das ziel der aKtion:
bArriereFreieS niederÖSterreiCH
Barrierefrei15.indd 15
13.10.15 13:50
16
tourismus
Wo ein Wille,
da auch ein Weg
Viele Hotels, restaurants oder Freizeiteinrichtungen leben unter
anderem von ihrem Charme und ihrem Ambiente – nur leider
stellen gerade historische baujuwele oder Lokale mit besonderem
Charakter eine Herausforderung für die barrierefreiheit dar.
H
otellerie und Gastronomie sind
stehen den Betrieben im Rahmen von
sicher Branchen, die von den neuen
unzähligen Einzelberatungen mit Rat und
Regelungen am stärksten betroffen sind.
Tat zur Seite.“ Man weise die Branche
Neben baulichen Besonderheiten sind
bereits seit Längerem darauf hin, Barriere-
es die hohe Kundenfrequenz, aber auch
freiheit – soweit finanzierbar – in die
der ausgeprägte Service-Charakter, die zu
Investitionsvorhaben miteinzuplanen:
Herausforderungen werden können.
„Wir informieren unsere Betriebe laufend
Bundesspartenobfrau Petra Nocker-
über alle uns zur Verfügung stehenden
Schwarzenbacher bietet ihren Berufskol-
Kanäle über Barrierefreiheit, es gibt eine
legen dabei umfassende Unterstützung:
Vielzahl an Publikationen, angefangen von
„Unsere Mitglieder sind auf einem guten
den baulichen Notwendigkeiten bis hin zu
Weg. Damit aber auch alle ans Ziel
barrierefreien Natur- und Freizeitan-
kommen, weisen wir auch weiterhin in
geboten, aber auch Fördermöglichkeiten.“
Workshops, Broschüren und im Rahmen
von Informationsveranstaltungen auf die
gesetzlichen Voraussetzungen hin und
„extrawürste“ führen
zur ungleichbehandlung
Eine der Hürden für die Umsetzung der
bundesspartenobfrau Petra
nocker­Schwarzenbacher:
„Klares bekenntnis gegen
die diskriminierung.“
Barrierefreiheit ist für die oberste Standesvertreterin jedoch die zeitliche Vorgabe:
„Vor allem angesichts der Tatsache, dass
der öffentlichen Hand eine drei Jahre
länger dauernde Übergangsfrist zur
Stadt Wien konnte sich sogar eine Übergangsfrist bis 2042 ausverhandeln.
Das sehe ich schon als krasse Ungleichbehandlung an. Wir werden uns jeden-
Barrierefrei15.indd 16
WKÖ, shutterstoCK
Adaptierung zugestanden wurde. Die
13.10.15 13:50
eine broschüre fasst
alle infos für den
tourismus zusammen.
führt. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten könnten dadurch neue
Märkte eröffnet werden“, ist NockerSchwarzenbacher überzeugt.
Die Branche bekenne sich ganz klar zum
WKÖ, shutterstoCK
Schutz vor Diskriminierung von Menfalls weiterhin dafür einsetzen, damit wir
schen mit Behinderungen: „Es ist aller-
hier eventuell noch eine Gleichstellung
dings auch eine Tatsache, dass viele un-
für unsere Unternehmen mit der öffentli-
serer Mitglieder bauliche Gegebenheiten
chen Hand erreichen können.“
haben, die nur mit sehr hohen Investiti-
Andererseits ergeben sich Chancen aus
onen barrierefrei zu adaptieren sind.
der Bewusstmachung des touristischen
Das kommt just zu einer Zeit, wo sich
Potenzials, das das Stichwort „Barriere-
unsere Unternehmer auch mit Allergenen,
freiheit“ mit sich bringt: „Angesichts der
Tabakgesetz, Mehrwertsteuererhöhung,
prognostizierten Überalterung der Bevöl-
Verlängerung der Abschreibungsdauer
kerung wird der Bedarf an barrierefreien
etc. auseinanderzusetzen haben“, gibt die
Produkten und Dienstleistungen kontinu-
Bundesspartenobfrau zu bedenken. Eine
ierlich steigen. Mobilitätsbeeinträchtigte
wahre Reglementierungsflut. Dennoch
Menschen inklusive der steigenden Zahl
habe die Branche erkannt, dass sie sich
älterer Menschen sind eine wichtige
dieser Entwicklung – nicht nur aufgrund
Zielgruppe, deren Reiseintensität durch
der Gesetze, sondern auch aus demo-
barrierefreie Angebote erhöht werden
grafischen Gründen – anpassen muss.
könnte, was wiederum zu Nachfragestei-
Frei nach dem Motto „Wo ein Wille, da
gerungen außerhalb der Hauptsaisonen
ist auch ein Weg“.
Barrierefrei15.indd 17
■
13.10.15 13:50
18
FlughaFen Wien
erfolgsbeispiel
Flughafen Wien
A
ls eines der größten Unternehmen in
Aus Fehlern gelernt
der Ostregion hat der Wiener Airport
Die Kompetenz kommt nicht von unge-
beim Thema Barrierefreiheit nicht nur
fähr: „Nach der Eröffnung des neuen
viel Erfahrung, sondern mittlerweile auch
Terminals wurde von einigen Behinder-
Vorbildfunktion. Mit dem Ausbau des
tenorganisationen Kritik an uns herange-
Flughafens wurde die Barrierefreiheit
tragen“, so Kleemann. Man habe diese
nicht nur flächendeckend umgesetzt,
Kritik außerordentlich ernst genommen,
sondern auch noch weiterentwickelt.
sich mit den diversen Verbänden an einen
Seit 2007 liegt die sogenannte PRM-Ver-
Tisch gesetzt und jeden einzelnen Punkt
antwortung (Passengers with Reduced
besprochen. Aus einem Mangel sei so
Mobility) laut einer EU-Richtlinie nicht
eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit
mehr bei den Airlines, sondern bei den
entstanden. Diese Kooperation mit den
Flughäfen: „Bei Barrierefreiheit geht es
betroffenen Verbänden habe sich in
nicht nur um Infrastruktur und bauliche
Arbeitsgruppen manifestiert, in denen
Maßnahmen, sondern im Besonderen
jedes Projekt bereits in der Planungs-
auch um Prozesse und Serviceleistun-
phase durchbesprochen wird. So können
gen“, erklärt Oliver Nettel, Projektverant-
Fehler von Anfang an vermieden werden.
wortlicher bei der Flughafen Wien AG.
„Spezialisten für Infrastruktur sind nicht
„Wir legen hier besonderen Wert auf
zwingend auch Experten für Barrierefrei-
die Serviceorientiertheit,“ betont auch
heit“, gibt Nettel zu bedenken. Die Erfah-
Presseverantwortlicher Peter Kleemann.
rungswerte von Betroffenen geben somit
Barrierefrei15.indd 18
pepo sChuster (3)
Jahr für Jahr nutzen 22,5 Millionen Passagiere den Flughafen Wien –
tendenz steigend. dazu kommen rund 20.000 Mitarbeiter.
insgesamt frequentieren täglich etwa 100.000 Personen den Airport.
Alle genießen barrierefreiheit mit hervorragenden Lösungen.
13.10.15 13:50
Absolute barrierefreiheit
als strategisches Konzept.
wertvollen Input. „Es gelte nicht nur, die
Tafel fahren, aber auch sehbehinderte
Norm zu beachten, sondern Maßnahmen
oder ältere Menschen profitieren von der
praktikabel umzusetzen. Wir klären De-
größeren, kontrastreicheren Anzeige.
tails über den gesetzlich vorgegebenen
Rahmen hinaus“, so der PRM-Verantwort-
Monitor für gehörlose
liche. „Es soll für jeden Menschen mit be-
Das Leitsystem wurde in Zusammenarbeit
sonderen Bedürfnissen ein akzeptabler
mit den Behindertenverbänden völlig
Zustand geschaffen werden.“ Ein Kon-
überarbeitet und zeigt sich nun ebenfalls
zept, von dem auch alle anderen Passa-
klarer, übersichtlicher und für alle besser
giere, Besucher oder Mitarbeiter am Flug-
lesbar. Das flächendeckende Blindenleit-
hafen profitieren: So wurden
system soll zudem noch weiter ausgebaut
beispielsweise völlig neue Monitore ge-
werden. Besonders beliebt bei allen Passa-
schaffen: Diese sind niedriger angebracht
gieren sind auch die besonders breiten
als herkömmliche Bildschirme.
Rampen: „Kaum jemand benutzt mehr die
Ein Rollstuhlfahrer kann so direkt vor die
Stiegen. Egal ob Trolley oder Kinderwagen,
alle sind auf der Rampe unterwegs“, registriert man in Schwechat. Herzstück des
PRM-Services ist jedoch ein eigener Infoschalter, bei dem jederzeit spezielle Hilfe
angefordert werden kann. Besonders stolz
ist man hier auf einen Monitor, über den
Gehörlose wichtige Informationen in
Gebärdensprache erhalten: „Wir haben
Leitsystem, das auch
Sehbehinderten die
Orientierung erleichtert.
das speziell entwickelt, es gibt nichts Vergleichbares“, so Nettel nicht ohne Stolz.
Auch für die Airlines, die Wien anfliegen,
und für den heimischen Fremdenverkehr
informationen
für behinderte
auf Augenhöhe.
bedeutet die Barrierefreiheit ein wichtiges
Asset, das den Standort noch attraktiver
macht. Besonders die Vertreter von
WienTourismus sehen im Flughafen ein
perfektes Entree, entsprechend gerne
arbeitet man zusammen. Kleemann zur
strategischen Ausrichtung: „Unser Service
pepo sChuster (3)
ist ein strategischer Eckpfeiler, aber wir
machen es, weil wir wollen und nicht
weil wir müssen.“
Barrierefrei15.indd 19
■
13.10.15 13:50
20
demographisChe entWiCKlung
Wir werden älter, aber
auch gebrechlicher
das thema barrierefreiheit gewinnt an brisanz, nicht nur weil es
gesetzliche bestimmungen gibt. die Menschen werden erfreulicherweise
älter, aber naturgemäß auch anfälliger für behinderungen aller Art.
doch sie wollen ein barrierefreies Leben führen.
D
ie Alterung der Gesellschaft ergibt
hat dazu interessante Daten zusammen-
sich aus zwei Trends, die in Europa
getragen. Sie müssen nicht nur nach-
stark ausgeprägt sind: die steigende
denklich stimmen, sondern unterstreichen
Lebenserwartung und die sinkende Kin-
die These, dass der Alterungsprozess
derzahl. Das gilt auch für Österreich. Der
einer Gesellschaft nicht nur viele medizi-
bekannte Bevölkerungswissenschaftler
nische Fragen, sondern auch Themen
und Chef des Erste Group Research and
des Zusammenlebens mit behinderten
Knowledge Center, Prof. Rainer Münz,
Menschen aufwirft.
europa ergraut:
bevölkerung eu­28 nach Alter und geschlecht und durchschnittsalter 1950, 2010 und 2050, Quelle: eurostat
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
1.00
0,75
0,50
0,25
0,00
in prozent
männer (2010)
männer (2050)
Barrierefrei15.indd 20
0,25
0,50
0,75
1,00
Frauen (2010)
Frauen (2050)
13.10.15 13:50
Seit 170 Jahren steigt die Lebenserwartung in den westlichen Industriestaaten
kontinuierlich an. Seit dem Jahre 1950
ist die Lebenserwartung der Österreicher
es gibt heute weniger Kinder
pro Familie als früher
Kinderzahl pro Frau (tFr), 1951–2012
Quelle: statistik austria
2,8
um etwa 20 Jahre gestiegen. Parallel
dazu hat sich die Kinderzahl pro Familie
signifikant verringert. Auf eine Frau im
2,0
gebärfähigen Alter entfielen noch am
1,6
Beginn der Sechzigerjahre des vergan-
1,5
1,4
1,4
1,4
1994
2000
2012
genen Jahrhunderts 2,8 Kinder. Derzeit
sind es – seit vielen Jahren weitgehend
konstant – statistisch rund 1,4 Kinder.
Das unterstreicht den Alterungsprozess
in den kommenden Jahrzehnten.
■
1952
1964
1976
1982
die Jungen werden weniger, die Alten werden mehr
in mio.
bevölkerung nach Altersgruppen 1961–2060 Quelle: statistik austria
10
vorausschätzung 2012
9
8
65 und mehr Jahre
7
6
5
20 bis 64 Jahre
4
3
2
1
0 bis 19 Jahre
0
1961
65
70
75
80
85
90 95
2000 05
10
15
20
25
30
35
40
45 2050 55
60
iMPreSSuM Verleger manstein zeitschriftenverlagsges.m.b.h. Aufsichtsratsvorsitzender prof. hans­Jörgen manstein geschäftsführung
mag. dagmar lang, mba Chefredaktion dkfm. milan Frühbauer redaktion mmag. Claudia stückler Layout martin renner Lektorat
angelika hierzenberger­gokesch Anzeigen martina rosenauer Verlagssitz, Verwaltung, geschäftsführung, redaktion 2380 perchtoldsdorf,
brunner Feldstraße 45, tel.: +43/(0)1/866 48­0, Fax: dW ­100, www.manstein.at druck druckerei Friedrich vdv gmbh & Co. Kg, 4020 linz,
zamenhofstraße 43–45 erscheinungsweise einmal pro Jahr als beilage zu ausgewählten titeln des manstein verlags Auflage 72.555 exemplare
Barrierefrei15.indd 21
13.10.15 13:50
22
austrian standards
die ÖnOrMen als solide grundlage
D
ie Grundlage für die neuen Regelun-
auf Barrierefreiheit angewiesen sind, sollte
gen zur Barrierefreiheit sind natur-
völlige Barrierelosigkeit das Ziel sein.“
gemäß entsprechende ÖNORMEN. Dipl.-
Barrierefreiheit bedeutet im Wesentlichen
Ing. Stefan Wagmeister, stellvertretender
die Umsetzung baulicher Maßnahmen.
Leiter Standards Development und Mana-
Diese sind in der ÖNORM B 1600 „Barrie-
ger eines Komitees, in dem die Standards
refreies Bauen – Planungsgrundlagen“
für Barrierefreiheit entwickelt wurden,
geregelt. Darin ist zusammengefasst, was
erklärt den Zusammenhang: „ÖNORMEN
in diesem Bereich State of the Art ist. Die
sind keine Gesetze und keine Vorschriften,
darin angeführten Maßnahmen ermögli-
aber sie bieten anerkanntes Wissen, das
chen behinderten Menschen und vorüber-
Fachleute zusammengetragen haben“, be-
gehend bewegungs- oder sinnesbehinder-
tont der Experte. Dieses Wissen gibt den
ten Menschen die sichere Nutzung von
Planern die Sicherheit, dass sie die richtige
Gebäuden und Anlagen weitgehend ohne
Lösung finden, was wiederum dem Unter-
fremde Hilfe.
nehmer, der seinen Betrieb oder sein Hotel
Austrian Standards stellt dabei die ÖNORM
umbauen lässt, die Gewähr gibt, dass er
B 1600 als Basisnorm zum Thema Bar-
hier sinnvoll investiert hat und dass es
rierefreiheit sowie die drei ergänzenden
nachher keine Probleme geben wird.
Dokumente B 1601 bis 1603 für barriere-
„Die nachträgliche Adaptierung bestehen-
freie Gesundheitseinrichtungen, bzw. Bil-
der Bauten war auch ein zentrales Thema
dungseinrichtungen sowie Tourismus- und
bei der Erstellung der jüngsten Ausgabe
Freizeiteinrichtungen gegen Entgelt zur
der ÖNORM B 1600. Denn
Verfügung. „Außerdem gibt
bei älteren Bauten lassen sich
es ein bei Austrian Standards
mitunter nicht alle Anforde-
erschienenes und bereits
rungen vollständig umset-
vielfach bewährtes Handbuch
zen“, so Wagmeister. Deshalb
von Maria R. Grundner,
habe man ausdrücklich sinn-
die für die Mobilitätsagentur
volle Erleichterungen in der
Wien an der jüngsten Aus-
Norm vorgesehen. „Aber im
gabe dieser Norm engagiert
mitgearbeitet hat.“
Interesse aller Menschen, die
■
austrian standards
Austrian Standards ist das heimische Kompetenzzentrum rund um normen.
Seine Aufgabe besteht unter anderem darin, in normen festgehaltenes Fach­
wissen zu verbreiten. So sollen interessen zwischen Wirtschaft, industrie,
Forschung sowie Konsumenten und gesellschaft reibungslos gestaltet werden.
dipl.­ing. Stefan Wagmeister:
„die ÖnOrM ist State of the Art!“
Barrierefrei15.indd 22
13.10.15 13:50
MACHEN SIE IHR UNTERNEHMEN
BARRIEREFREI !
BARRIERE
CHE K
austrian standards
www.barriere-check.at
Testen Sie, wie barrierefrei Ihr Unternehmen ist. Die neue Webseite
www.barriere-check.at macht es möglich. Denn Barrierefreiheit ist
ein Mehrwert für alle!
Ein Angebot des ÖZIV in Kooperation mit der WKÖ.
Barrierefrei15.indd 23
13.10.15 13:50
Die beste Zugabe:
der Heimweg.
Ihr Ticket wird zum Fahrschein: Denn die Eintrittskarten für viele Veranstaltungen in Wien gelten
gleichzeitig als Netzkarten für alle öffentlichen Verkehrsmittel. Und zwar zwei Stunden vor bis
sechs Stunden nach Beginn. www.wienerlinien.at
Barrierefrei15.indd
013408T3 WL EistF 24
Arena POP 148x210 Beilage Barrierefreiheit COE.indd 1
13.10.15
01.10.15 13:50
09:30