UMGANG MIT DEN FEHLERN ANDERER 5. Fastensonntag Lesung: Jes 3,8-14 Evangelium: Joh 8,1-11 Der Wirt des Gasthauses SILBERSTERN kam trotz gemütlicher Einrichtung, freundlicher Bedienung und vernünftigen Preisen auf keinen grünen Zweig. Da wandte er sich verzweifelt an einen Weisen. Der riet ihm, den Namen des Gasthauses zu ändern. Er müsse das Gasthaus DIE FÜNF GLOCKEN nennen und über dem Eingang sechs Glocken aufhängen. Das sei absurd, entgegnete der Gastwirt. Doch der Weise beharrte auf seinem Vorschlag: “Versuch es einmal, und sieh selbst.” Der Gastwirt folgte dem Rat und staunte: Wer am Gasthaus vorbeikam, sah den Fehler, ging hinein, um auf ihn aufmerksam zu machen – und blieb, “um eine Erfrischung zu bestellen”. Jeder hatte geglaubt, außer ihm habe noch niemand den Fehler bemerkt. “Und das war die Chance, auf die der Wirt so lange gewartet hatte”, heißt es am Ende der Geschichte. (Geschichte: Gasthaus mit den 5 Glocken von Anthony de Mello) Soweit eine Geschichte von Anthony de Mello, die mir im Blick auf das heutige Evangelium und auch sonst immer wieder bei Alltagssituationen einfällt. Der Nachsatz von Anthony de Mello zu dieser Geschichte lautet: Nichts entzückt das eigene Ich mehr, als die Fehler anderer korrigieren zu können. Ich möchte mit euch heute nachdenken, wie wir mit den Fehlern anderer umgehen. Mir ist klar, dass der Blick auf die eigenen Fehler wichtiger ist. Aber heute absichtlich umgekehrt, natürlich auch mit dem Wissen, dass beides zusammenhängt. Ich werde drei Möglichkeiten darstellen und euch einladen zu schauen, welche sie am öftesten verwenden: 1. Unsere Vorliebe, uns an den Fehler anderer zu freuen und sie zu korrigieren Diese Methode zeigt die Geschichte vom Gasthaus und das heutige Evangelium sehr schön auf: Es wäre interessant und heilsam, mit der Uhr zu stoppen, wie viel Prozent unserer Gesprächsanteile nichts anderes als das genussvolle Aufzählen der Fehler anderer sind. Manche Zeitungen würden leer sein, wenn diese Teile wegfallen. Warum tun wir das? Weil „only bad news good news“ sind? Weil wir damit besser und größer sind? Weil das von uns ablenkt und unsere Fehler relativiert? 2. Da mische ich mich nicht ein, das geht mich nichts an Wie oft höre ich diesen Satz! Er zeugt zunächst davon, dass Leute ganz klar die Verantwortung bei den Betroffenen selbst sehen. Das ist eine wichtige Erkenntnis, dass alle selbst Verantwortung haben. Sich nicht Einmischen zeugt aber auch davon, dass wir manchmal zu feig sind, etwas Kritisches zu sagen. Wie könnten ja jemanden beleidigen oder bewirken, dass wir nicht mehr so beliebt sind, wenn wir Farbe bekennen! Womöglich schimpfen dann die Leute gegen mich? 3. Geschwisterliche Zurechtweisung (Correctio fraterna) Diese Methode verlangt einiges und bewirkt vieles: Das Mathäusevangelium beschreibt diese gegenseitige Hilfe in mehreren Schritten. Es ist ein Zufall, dass diese Worte im 18. Kapitel einen wichtigen Teil der sogenannten Gemeinderede ausmachen. Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurück gewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner. a) Corecctio fraterna beginnt beim Gespräch unter vier Augen. Ich meine es gut mit meiner Rückmeldung. Ich halte dabei die Wahrheit wie einen Mantel hin und nicht wie einen Waschlappen, den ich jemanden ins Gesicht schlage. Solche Vier-AugenGespräche sind nicht leicht, aber umso wichtiger. Gut, dass sie oft gelingen. b) Falls das Gespräch unter vier Augen nicht gelingt, hilft hoffentlich ein Gespräch mit 1-2 Zeugen. Heutzutage lebt der ganze Berufszweig der Mediatoren davon, andere zu beraten und deren Kommunikation untereinander zu fördern und zu schützen. Außenstehende können manches klarer sehen, weil sie nicht vereinnahmt sind. Ihre Worte werden leichter gehört. Bei einem Streit sagte vor Jahren eine Beraterin zu mir: „Alles was du sagst ist richtig, aber es muss jemand anderer sagen“. Wir haben oft Scheu, andere als Hilfe heran zu ziehen, auch weil es peinlich ist und unsere Hilflosigkeit und unsere Fehler aufzeigt. Das ist eine falsche Scheu. c) Hoffentlich hilft das Gespräch mit „ein bis zwei Zeugen“. Wenn nicht, dann sind meist auf der Gerüchtebörse schon viele Menschen in den Konflikt eingeweiht. Ab dieser Stufe ist ein gewisses Maß an Transparent notwendig, um Klarheit zu schaffen und Gerüchte zu relativieren. Schad ist es, wenn Konfliktlösungen auf dieser Stufe beginnen. Die heutigen Rundmails bei so manches Konflikten sind ein richtiges Gift, das Fronten meist verhärtet. d) Als moderne und tolerante Menschen tun wir heute so, als ob der Schritt des (Selbst-) Ausschlusses ganz schlimm wäre. Trotzdem geschieht er ständig und ist einfach Tatsache. Ich habe öfters schon gehört, dass jemand sagt: „Der ist für mich gestorben!“ Schlimm ist, wenn jemand diesen dummen Worten treu bleibt und nach einer Zeit des Abstandes und Nachdenkens nicht neue Schritte möglich sind. e) Der Bibeltext in Mathäus 18 kann deswegen die Zeit der Trennung und des Ausschlusses so klar thematisieren, weil damit noch nicht das letzte Wort gesagt ist. Wir übersehen oft, dass der Bibeltext bis Mt 18,20 eine Einheit bildet und folgende Verse zur Konfliktlösung noch dazu gehören: Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. (Mt 18,19-20) Gerade die Fähigkeit zu binden und zu lösen und das Gebet als letztes Mittel unterstreichen die anfangs genannte Verantwortung, den Bruder und die Schwester zurück zu gewinnen. Wir sehen: Für eine gelungene correctio fraterna ist die Reihenfolge ganz wesentlich. Sie hilft, selbstbewusst und demütig nicht in Selbstgerechtigkeit zu verbitten und auch die eigenen Teile im Konflikt zu sehen. Sie nimmt auch den Druck, jeden Ausschluss zu tabuisieren. Ob wir es wollen oder nicht. Der Umgang mit den Fehlern anderer und mit den eigenen gehört zu jedem Menschen. Gereifte Menschen achten ihre Nächsten, entweder weil sie gut sind oder damit sie gut werden. Gut, wenn wir uns immer wieder daran erinnern. Pfarrer Franz Troyer
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