Sperrstund` beim Dorfwirt

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TOP-THEMA
Donnerstag, 25. Februar 2016
LOS
GEHT’S
Bernd
Chibici
Wenn ein Gasthaus
zusperrt, fehlt ein
Kommunikationszentrum, wo die Menschen nach der Arbeit
oder am Wochenende zusammenkommen
und miteinander Meinungen und Informationen austauschen.
Sperrstund’ beim
■ Karl Brodschneider
Immer mehr Gemeinden beklagen
den Verlust von Traditionsgasthäusern.
Das hat auch spürbare Auswirkungen
auf das Dorfleben.
D
ie Betroffenheit bei Bürgermeister Anton Weber
ist groß. In der Marktgemeinde Dobl-Zwaring haben
mit Jahreswechsel gleich zwei
Traditionsgasthäuser für immer
geschlossen. „Das ist ein großes
Problem für unser Dorfleben.“,
bestätigt das Gemeindeoberhaupt. Auch sein Amtskollege
Erich Prem aus Gersdorf an der
Feistritz musste im vergangenen
Herbst Ähnliches erleben. Das
Gasthaus „Zur schönen Aussicht“ schloss seine Pforten. „Es
ist immer ein großer Verlust,
wenn ein Gasthaus zumacht“,
erklärt Prem.
Längst sind die Beispiele aus
Dobl-Zwaring und Gersdorf an
der Feistritz keine Einzelfälle
mehr. Fachgruppengeschäftsführer Christian Kolbl von der Wirtschaftskammer Steiermark bestätigt, dass in den vergangenen
zehn Jahren ungewöhnlich viele Landgasthäuser zu bestehen
aufgehört haben. „Die Betriebsart Gasthaus hat spürbar abgenommen“, weist Kolbl nach,
„dagegen nehmen Restaurants
und Cafes immer mehr zu.“ Viele dieser Lokale befinden sich in
Einkaufszentren oder sind so genannte Ethno-Betriebe mit chinesischen, türkischen oder italienischen Speisenangeboten. Daher ist die aktuelle Gesamtzahl
von etwa 6500 Gastronomiebetrieben in der Steiermark mit
Foto: WKO
Die Landflucht ist in ganz
Europa längst bittere Realität: In Österreich leiden zwei
Drittel der Gemeinden mehr
oder weniger intensiv unter
Abwanderung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Jede vierte Kommune hat bekanntlich nicht zuletzt auch deshalb nicht einmal mehr einen Nahversorger zu bieten.
Der rasante Zuzug in die
Ballungszentren ist ein mehrfach alarmierendes Phänomen: Die Städte sind mit der
Schaffung der dafür notwendigen Infrastruktur massiv überfordert und am Land rücken
die bedrohlichen Perspektiven
von leeren Dörfern und verödeten Landstrichen mit all
den damit verbundenen Konsequenzen immer näher auf
uns zu. Sie sind Gift für Wirtschaft, Tourismus und unsere gesamte Lebenskultur.
Wir müssen – und darin
sind sich die meisten Verantwortungsträger einig – bei dieser Form der Völkerwanderung
dringend die Notbremsen ziehen. Das gelingt aber nur damit, dass die elementaren Lebensbedürfnissen der Menschen im ländlichen Raum
weiterhin zu hundert Prozent
erfüllt werden. Und dazu zählt
nun einmal an vorderster Stelle die medizinische Versorgung.
Die soll im Bezirk Murau
(siehe Bericht auf den Seiten
8-9) in zwei konkreten Fällen
eingeschränkt werden. Was einerseits mit den Sparzwängen des Gesundheitssystemes durchaus plausibel erklärbar ist. Auf der anderen
Seite steht aber die brisante Tatsache, dass Einsparungen dieser Art im konkreten
Fall zum gefährlichen und irreversiblen Impuls für Landflucht werden können. Aus
dieser Sicht spart man also
absolut am falschen Platz!
Fotos: Wodicka, fotolia.com/Syda Productions
Sparen am
falschen Platz
Christian Kolbl, WKO: „Oft
fehlen Nachfolger.“
Vorsicht zu genießen und sagt
wenig über die Ist-Situation in
den ländlichen Gemeinden aus.
Das i-Tüpfelchen
Auch wenn in der öffentlichen
Diskussion Themen wie Allergenverordnung, Registrierkassenpflicht und Rauchverbot oft
als Grund für Gasthaus-Schließungen genannt werden, will
Christian Kolbl das nur bedingt
gelten lassen: „Sie sind meist nur
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zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gültigkeit mehr aufweisen müssen!
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