Psalm 67,2 - Evang.-ref. Kirche Kanton Schaffhausen

Um den Segen bitten
Predigt über Psalm 67,2
Segnungsgottesdienst, 8. Nov. 2015
Pfr. Andreas Egli, Kantonsspital Schaffhausen
Gott sei uns gnädig und segne uns,
er lasse sein Angesicht bei uns leuchten.
I.
Bitte
Liebe Gemeinde, Menschen bitten gemeinsam um den Segen. Dies ist das
Besondere am Psalm 67. Er ist aus dem Blickwinkel der Gemeinde formuliert.
Der Wortlaut ist ganz ähnlich wie im klassischen Segenstext – dem Priestersegen im 4. Buch Mose. Aber dort spricht ein Priester zu einem Du – zu
einem einzelnen Israeliten oder zum ganzen Volk: «Der HERR segne dich
und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht zu dir leuchten und sei dir
gnädig.» (4. Mose 6,24f) Es ist der Blickwinkel des Priesters, und er gibt den
Segen als Zuspruch.
Im Psalm 67 ist die Richtung umgekehrt. Hier redet die Gemeinde und bittet
in der Wir-Form: «Gott sei uns gnädig und segne uns.» Was wird damit gesagt?
II.
Ich
«Gott sei uns gnädig und segne uns.» Es sind einzelne Menschen, die hier
mitbeten. Jeder von ihnen sagt: «Ich …» Wie es in den Psalmen sehr oft
heisst: «Sei mir gnädig und höre mein Gebet.» (Psalm 4,2)
Ein Mensch macht sich persönlich bereit, den Segen zu empfangen. Er sucht
die Begegnung mit Gott. Wenn die Bibel von dieser Begegnung redet,
braucht sie oft das Wort Gesicht. Von Gott wird gesagt: «Er lasse sein Angesicht bei uns leuchten.» Die Menschen werden aufgefordert, wie wir es in der
Lesung gehört haben: «Fragt nach dem HERRN und seiner Stärke. Suchet
sein Angesicht allezeit.» (Psalm 105,4)
Eine gute Begegnung hat etwas mit dem Gesicht zu tun. Für eine besonders
gute Begegnung sagt die Bibel: «von Angesicht zu Angesicht». (2. Mose
33,11) So hat Gott mit Mose geredet.
Segen empfangen heisst: Ich zeige Gott mein Gesicht. Ich bin eine Person,
die es nur einmal gibt. Als diese Person will ich einen Segen mitnehmen. Gott
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darf mein Gesicht sehen. Was mein Gesicht geprägt hat im Laufe des Lebens. Alte Erfahrungen und aktuelle Erlebnisse. Was sich auf meinem Gesicht ausdrückt an Gefühlen und Gedanken – an Freude und Sorgen. In der
Begegnung mit Gott ist alles dabei.
Segen empfangen heisst aber auch: Ich möchte wissen, wie Gott auf mich
schaut. Mit was für einem Gesicht er zu mir schaut. Die Bibel würde nie beschreiben, wie das Gesicht von Gott aussieht. Aber sie braucht das Wort Gesicht oft, wenn sie von Gott redet. Sie sagt damit, wie er in der Begegnung da
ist. Die Bibel hat eine tiefe Überzeugung, welche Haltung zu diesem Gesicht
gehört. Freundlichkeit, Liebe, Güte, Gnade. Eine liebevolle Zuwendung.
Segen empfangen heisst: Ich bin gemeint. Ich bin es wert, dass Gott mich so
anschaut. Im Segnungsgottesdienst kommt diese persönliche Dimension
deutlich zum Ausdruck. Wer sich segnen lassen will, wird nach seinem Namen gefragt. Als ganze Person darf er um den Segen bitten.
III.
Wir
«Gott sei uns gnädig und segne uns, er lasse sein Angesicht bei uns leuchten.» Jetzt kommt etwas Zweites. Der Mensch, der um den Segen bittet, ist
nicht allein. Er gehört zu einer grösseren Gemeinschaft, die «wir» sagt.
Im ursprünglichen Psalm waren es wahrscheinlich die Israeliten, die zum
Tempel kamen. Später sind die Worte in vielen Gottesdiensten gebetet worden – in jüdischen Gottesdiensten und in christlichen Kirchen. Im jüdischen
Gebet gehört der Psalm 67 zum Ende des Sabbats. Am Samstagabend ist
der Ruhetag vorbei, eine neue Woche fängt an.
Man kann den Segen nicht für sich allein behalten. Er ist immer etwas, was
wir mit anderen Menschen teilen. In einem modernen Lied heisst es: «Keiner
kann allein Segen sich bewahren.» (Lied 343) Der Segen ist nichts Exklusives, er reicht für alle.
Auch im Segnungsgottesdienst hat dieses Miteinander seinen Platz. Es sind
immer andere Menschen dabei, die auch Segen empfangen. Oder wir bitten
persönlich um einen Segen – und denken dabei auch an Menschen, die uns
lieb sind. Wenn Sie nach Ihrem Namen gefragt werden, können Sie dies sagen. Der Segen ist noch für eine andere Person, die Ihnen wichtig ist.
IV.
Welt
Der Psalm steckt den Kreis noch einmal weiter. Der Segen hat eine Wirkung
über Israel hinaus. In Jerusalem hat man gebetet:
Gott sei uns gnädig und segne uns,
er lasse sein Angesicht bei uns leuchten,
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dass man auf der Erde deinen Weg erkennt,
unter allen Völkern deine Hilfe.
Danken sollen dir die Völker, Gott,
danken sollen dir alle Völker. (Psalm 67,2–4)
Der Psalm macht hier eine Türe weit auf. Die Israeliten empfangen den Segen nicht nur für sich selbst. Es ist menschlich, dass man Grenzen braucht –
Grenzen des Volkes und des Landes. Aber jetzt geht der Blick über diese
Grenzen hinaus. Menschen aus allen Völkern sollen Gott kennen lernen. Sie
sollen Gott danken für seinen Segen. Die Zeichen des Segens sind nämlich
auf der ganzen Erde zu sehen.
Danken sollen dir die Völker, Gott,
danken sollen dir alle Völker.
Die Erde hat ihren Ertrag gegeben. (Psalm 67,6f)
Als Christen gehören wir zu diesen Völkern. Wir bekommen Anteil am Segen,
der dem Volk Israel gegeben ist. Durch Jesus Christus ist dieser Segen auch
zu uns gekommen (Galater 3,14).
Im Segnungsgottesdienst ist diese Dimension auch präsent. Es geht nicht nur
um das Individuelle und die Innerlichkeit. Wir bitten auch für unsere Welt –
um Frieden, um Gerechtigkeit, um Bewahrung der Schöpfung.
V.
Segnungsgottesdienst
«Gott sei uns gnädig und segne uns, er lasse sein Angesicht bei uns leuchten.» Im Segnungsgottesdienst nehmen wir es ernst: Der Segen ist uns als
Gemeinschaft geschenkt. Der Segen kommt von Gott – und nicht etwa vom
Pfarrer. Darum ist es nicht der Pfarrer, der segnet. Es ist ein Team von Freiwilligen, die den Segen weitergeben. Und wo passiert das Wichtigste beim
Segnen? Bei den Menschen, die den Segen erbitten und empfangen.
www.ref-sh.ch/kantonsspital
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