Kurzzusammenfassung des Vortrags

FRAUENGESUNDHEITSZENTRUM
beraten, begleiten, bewegen
14. Steirisches
Vernetzungstreffen Essprobleme
Essstörungen und sexueller Missbrauch
Dr.in Claudia Bieberger
Kurzzusammenfassung des Vortrags beim Steirischen Netzwerktreffen Essprobleme, am 6.10.2015
in Graz
Im Vortrag wurde der Zusammenhang von sexuellem Missbrauch und Essstörungen erörtert.
Essstörungen sind nicht nur als mögliche Folgesymptomatik eines sexuellen Missbrauchs zu sehen, sondern auch als Bewältigungsversuch, als aktive Auseinandersetzung mit erlebter Gewalterfahrung und erlittenen Grenzüberschreitungen.
Grundsätzlich kann angenommen werden, dass jede 4. bis 7. Frau im Laufe ihres Lebens vergewaltigt und jedes 3. bis 4. Mädchen sexuell missbraucht wird.
Wenn die Verarbeitung eines derart traumatischen Erlebnisses nicht gelingt, entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung.
Die Posttraumatische Belastungsstörung ist nicht durch das Trauma verursacht, sondern durch
inadäquates emotionales Verarbeiten eines traumatischen Erlebnisses. Das bedeutet nicht das
Trauma macht krank, sondern der mit den traumaassoziierten Folgesymptomen verbundene
Dauerstress.
Betroffene haben zusätzlich ein deutlich erhöhtes Risiko, andere psychische oder körperliche
Beschwerdebilder, also Komorbiditäten, zu entwickeln, wie zum Beispiel Depressionen, Dissoziative Störungen, Suchterkrankungen, Zwangs- oder Panikstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung, Sexuelle Dysfunktion oder eben Essstörungen.
Therapie bei sexuellem Missbrauch und Essstörungen
Sexuelle Gewalterfahrungen werden von Betroffenen oft lange nicht thematisiert. Es empfiehlt
sich bei schweren und langwierigen Verläufen, von der HelferInnenseite, Missbrauch im Hinterkopf zu behalten und im therapeutischen Umgang mit zu berücksichtigen.
Am Anfang muss der Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung stehen. Erst ein stabiles Arbeitsbündnis zwischen Klientin und Therapeutin bietet die Voraussetzung, alle drei notwendigen
Aspekte einbeziehen zu können, nämlich die Essstörung, die Komorbidität und den sexuellen
Missbrauch!
Von Anfang an muss daran gearbeitet werden, innere Sicherheit und Stabilität aufzubauen.
Die Arbeit an der Verbesserung von Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge kann gut in der
Gruppe erfolgen und stärkt auch die, die nicht traumatisiert sind. So auch alles, was mit einer
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besseren Regulation von Gefühlen und Spannungszuständen verbunden ist und die Erarbeitung
von Fähigkeiten im Umgang mit Krisen (so z.B. Notfallspläne).
Für die Betroffenen selbst ist zusätzlich eine gute Psychoedukation wichtig. Sie sollen die Folgen und die Symptome der Traumatisierung verstehen lernen. Wenn man weiß, was da mit
einem passiert und warum, reduziert das deutlich das Gefühl verrückt zu sein, bzw. die Angst
verrückt zu werden. Diese Arbeit kann im Einzelkontakt oder in einer ganz kleinen Gruppe erfolgen.
Ohne Traumatherapie kann es weder zu einer langfristig erfolgreichen Essstörungstherapie
kommen, noch zu einer Verringerung der Komorbiditäten.
So sind die Arbeit an den Ressourcen, der Aufbau von Sicherheit und die emotionale Stabilisierung bereits in der ersten Phase wesentlich, wenn es um eine Normalisierung des Essverhaltens,
Gewichtszunahme und/oder Verzicht auf Purging-Verhalten geht.
Patientinnen können parallel zur Essstörungstherapie bereits mit einer speziellen Traumatherapie bei einer anderen Therapeutin arbeiten.
Wird in der Traumatherapie dann in weiterer Folge an Konfrontation und Integration gearbeitet,
muss gleichzeitig die Aufrechterhaltung des bis dahin erreichten veränderten Essverhaltens
mitbedacht werden, bzw. muss der Fokus auch auf ein, wenn notwendig, Krisenmanagement
hinsichtlich der Essstörung gerichtet werden.
Jeder größerer Schritt muss mit einer erneuten Stabilisierung auf diesem neu erreichten Niveau
einhergehen.
Das erfordert einen langen Atem und eine gute Vernetzung der Helferinnen genau so, wie eine
Achtsamkeit auf die eigene Psychohygiene.