Die Geschwister Jesu Hintergrundinfos für die Lehrperson Die biblischen Geschichten werden in der vorgeschlagenen Lektionsreihe „Geschwister Jesu erzählen“ im ökumenischen Lehrmittel „Gott hat viele Namen“ mit den Augen und Ohren, den Erwartungen und Befürchtungen der jüngern Geschwister Jesu wahrgenommen. Dadurch erhalten die Texte noch eine besondere Ausrichtung, Kraft und Zuspitzung. Die biblischen Texte Die Rahmenerzählung mit den Geschwistern Jesu ist fiktiv. Es stellt sich die Frage, ob Jesus überhaupt Geschwister hatte. Zweimal nennt das Neue Testament Brüder und Schwestern Jesu: Mk 3, 31-35 31 Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben vor dem Haus stehen und ließen ihn herausrufen. 32 Es saßen viele Leute um ihn herum, und man sagte zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und fragen nach dir. 33 Er erwiderte: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? 34 Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. 35 Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter. (Parallelstellen: Mt 12, 46 – 50 und Lk 8, 19-21) Mk 6, 2f 2 Am Sabbat lehrte er in der Synagoge (seiner Heimatstadt Nazaret). Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen! 3 Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab. (ParaIIelstelle: Mt 13,55f). Unterschiedliche Deutung in den christlichen Konfessionen Diese Stellen werden in den christlichen Konfessionen unterschiedlich gedeutet. In der evangelischen Kirche geht man davon aus, dass Jesus leibliche Geschwister hatte. Durch das Dogma der „immerwährenden Jungfrauschaft Marias“ und dessen biologische Deutung bedingt, sieht die Lehre der katholischen Kirche in den „Brüder und Schwestern“ nähere Verwandte von Jesus. Im Römischen Katechismus heisst es: „dass Maria stets wirklich Jungfrau geblieben ist. Deshalb hatte sie auch keine weiteren Kinder.“ Der Katechismus führt weiter aus: „Man wendet manchmal dagegen ein, in der Schrift seien von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede. Die Kirche hat diese Stellen immer in dem Sinn verstanden, dass sie nicht weitere Kinder der Jungfrau Maria betreffen. In der Tat sind Jakobus und Josef, die als „Brüder Jesu“ bezeichnet werden (Mt 13,55), die Söhne einer Maria, welche Jüngerin Jesu war und bezeichnenderweise „die andere Maria“ genannt wird (Mt 82,1). Gemäss einer bekannten Ausdrucksweise des Alten Testaments (z.B. Gen 13,8) handelt es sich dabei um nahe Verwandte Jesu.“ Diese Sicht wird allerdings auch von katholischen Exegeten und Theologen nicht immer geteilt (z.B. John P. Meier in Religion in Geschichte und Gegenwart). martin blatter 2004 In der orthodoxen Tradition gibt es die Auslegung, dass die Brüder und Schwestern Kinder des Josefs aus einer ersten Ehe sind. Dies lässt sich aber biblisch nicht erhärten. Ob man die Jungfrauschaft Maria biologisch versteht oder nicht, hat sie auf jeden Fall eine symbolische Bedeutung: 1. Die Einzigartigkeit von Jesus Christus - als vom "Geist gezeugt" wird ausgedrückt. (christologisches Argument) 2. Das Heilsgeschehen ist Tat Gottes und geht von seiner Initiative aus (theologisches Argument). 3. Maria ist Urbild des für Gott offenen Menschen. (mariologisches, ekklesiologisches Element) 4. Die alten Mythen von der göttlichen Geburt eines Königs werden aufgegriffen. (religionsgeschichtliches Argument) 5. Die patriarchale Sicht wird gebrochen, dass zur Befreiung immer das Zutun eines Mannes vonnöten ist. (feministisches Argument). Umgang mit der Lektionsreihe im Unterricht: 1. Schüler sollen wissen, dass Jesus in jedem Fall in einer Grossfamilie aufgewachsen ist, ob es nun leibliche Geschwister waren, oder nähere Verwandte in einem Clan. 2. Schüler sollen wissen, dass die christlichen Konfessionen die Frage nach den Geschwistern Jesu unterschiedlich deuten. (Beitrag zur religiösen Toleranz) 3. Schüler sollen wissen, dass die Rahmenerzählung erfunden ist und aus der Sicht von evangelischen Christen geschrieben wurde. Diese Erzählung hilft uns zu verstehen, wie Jesus damals gelebt hat und wie er angenommen und abgelehnt wurde. martin blatter 2004
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