Zukunft Wir nehmen die Zukunft in die Hand! Fünf Länder, eine Zukunft? Wie Menschen in unterschiedlichen Kulturen ihr Leben mithilfe von Technologie neu gestalten Kreative Megacitys Wie Bewohner ihre Stadt mitgestalten können Mission zum Mars Der Traum vom Leben auf dem Mars könnte wahr werden voestalpine AG voestalpine -Straße 1 4020 Linz, Austria T. +43/50304/15-0 F. +43/50304/55-0 www.voestalpine.com www.voestalpine.com Ausgabe 2016 voestalpine Magazin „Wir nehmen die Zukunft in die Hand.“ Liebe Leserinnen, liebe Leser, Sie kennen das Gefühl vermutlich selbst: Angesichts der ständig schneller ablaufenden Veränderungen in unserer Welt kann es schon einmal ein wenig schwierig werden, immer mit allen Themen Schritt zu halten. Die Welt ist mehr denn je im Wandel, permanent – und Wandel bedeutet stets neue Herausforderungen. Der englische Naturforscher Charles Darwin hat es sich einst zur Aufgabe gemacht, die laufenden Veränderungen des biologischen Lebens zu untersuchen. Von ihm stammt auch die Aussage „Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel“. Darwin rückt damit ins Bild, was wir gerne aus den Augen verlieren, was viele Menschen wohl am liebsten auch gar nicht wahrhaben möchten: dass der Wandel eine der wenigen verlässlichen Konstanten unseres Lebens darstellt. Dies bedeutet für uns als Konzern, aber auch für jeden Einzelnen, dass wir uns täglich den Herausforderungen der Veränderung stellen müssen – in wirtschaftlicher, technologischer, aber auch gesellschaftlicher Hinsicht. Wie dieses Sichstellen aussehen kann, zeigen die Artikel unserer aktuellen Ausgabe von Zukunft. Sie spiegeln die Art und Weise wider, wie Technologien unsere Welt verändern, und zeigen auch, welche Rolle kulturelle Unterschiede bei der Verbreitung und Akzeptanz neuer Techniken, neuer Technologien spielen. Unsere Autorin Luciana Ferrando etwa berichtet vom Fortschrittsenthusiasmus Argentiniens. Zu den Eigenheiten des Landes gehört, dass technologischer Wandel dort mit besonders großer Begeisterung aufgenommen wird. Technologie wird in Argentinien als Verstärker kultureller Entwicklung begriffen und hat positiven Einfluss auf das Denken und Handeln der Menschen im Land, auch wenn da oder dort eingeschränkte Ressourcen dem Fortschritt im Wege stehen. Michael Lind, Mitbegründer der New America Foundation, fragt sich im Gespräch mit unserer Redaktion, ob zu viel Technologie vielleicht sogar gegen die Natur des Menschen ist, kommt aber zu dem Schluss, dass es im Prinzip darauf ankommt, was wir daraus machen. Und auch Paul Sullivan geht in seinem Essay der Frage nach, inwiefern technologischer Wandel unser Leben bestimmt und wie wir durch einen Wechsel der Perspektive Veränderung auch als Chance begreifen können. Dabei eint unsere Autoren eine gemeinsame Sicht der Basis: Veränderungen betreffen stets unsere Gesellschaft als Ganzes. Durch Zusammenarbeit nehmen wir den Wandel gemeinsam in die Hand, begegnen wir ihm gemeinsam. Er lässt uns, wie die Autorin Louisa Preston beschreibt, sogar im wahrsten Sinne des Wortes nach den Sternen greifen. So ist eine ganze Reihe internationaler Missionen derzeit bestrebt, die ersten Menschen Richtung Mars zu entsenden. Nicht wenige Wissenschaftler träumen neben der Erforschung des roten Planeten sogar von seiner Besiedlung. Gerade solche Perspektiven sind geprägt von laufenden technologischen Innovationen und großen Visionen. Es sind diese Themen, die uns bei voestalpine besonders am Herzen liegen, uns faszinieren. Wir sollten die Innovationskraft der in dieser Ausgabe vorgestellten Menschen – besser vielleicht noch ihren Innovationswillen – als Aufruf an uns alle verstehen, sich ihnen anzuschließen. Nur das bewusste Engagement jedes Einzelnen von uns wird diese Welt im positiven Sinne verändern. Mit herzlichen Grüßen Ihr Wolfgang Eder, CEO voestalpine AG 3 Inhalt Da sein Vorausdenken Neugierig bleiben 12 30 60 Ausgabe 2016 Veränderung: Voraussetzung für Fortschritt und Verbesserung — Seite 12 Technologie: drei ganz unterschiedliche Sichtweisen — Seite 30 Spezialisten: vier Mitarbeiter mit besonderen Fähigkeiten — Seite 56 Die Macht der Veränderung Wie Wandel unser privates und berufliches Leben beeinflusst „Ein 16 Leben ohne Risiko ist nicht möglich“ 38 Unsere Zukunft 48 Wie Menschen von voestalpine die Zukunft sehen 6 Unsere Welt Wie wird unsere Welt von morgen aussehen? 8Mitwirkende Die Menschen, die dieses Magazin gemacht haben 8Impressum 4 20 Industrie im Zeichen des digitalen Wandels Traditionelle Unternehmen suchen die Nähe zu jungen und dynamischen Ideenschmieden 22 Ideen, die uns weiterbringen Fünf Länder, eine Zukunft? Volle Kraft voraus 66 Kreative Megacitys 70 Spezialisten sind unersetzbar Wir stellen vier Menschen aus dem Unternehmen vor Wenn Essen Leistung steigert Können wir uns schlauer, gesünder und schöner essen? 74 Wie Bewohner ihre Stadt mitgestalten können 56 Lichtblicke aus dem Orbit Spektakuläre Aufnahmen der Erde vom Satelliten Suomi NPP So funktionieren effiziente Kraftwerke der Zukunft 52 Mission zum Mars Der Traum vom Leben auf dem Mars könnte wahr werden Wie Menschen in unterschiedlichen Kulturen ihr Leben mithilfe von Technologie neu gestalten Interview mit Wolfgang Eder 18 Technologie Welche Rolle spielt sie bei der Lösung globaler Herausforderungen? Clevere Riesen Entwicklungen bei Nutzfahrzeugen 76 Individualisierung des Alltags Wenn Dienstleistungen den Menschen in den Mittelpunkt stellen Wir stellen aufgeweckte Gründer vor, die unsere Welt verändern wollen 5 Unsere Welt Wie wird unsere Welt von morgen aussehen? Das sind die Orte, an denen wir in dieser Ausgabe nachforschen. Island Deutschland Washington, D.C. Silicon Valley, USA Vorbild ist das Silicon Valley: Um radikale Innovationen zu ermöglichen, suchen immer mehr Unternehmen die Nähe von Start-ups. Industrie im Zeichen des digitalen Wandels — Seite 20 Mumbai Kenia Washington, D.C., USA In Washington sprechen wir mit Autor Michael Lind über Technologie und ihre Rolle im Heute und Morgen. „Es gibt kein Zurück“ — Seite 34 Island Unsere Autorin Louisa Preston geht in der marsähnlichen Landschaft von Island mit dem Gründer des Besiedlungsprojekts Mars One spazieren. Mission zum Mars — Seite 60 6 Malaysia Americana Americana, Brasilien Lara Baralhas aus Americana möchte neue Planeten kennenlernen. Unsere Zukunft — Seite 18 Argentinien In Argentinien spielen Roboter in der Bildung eine immer größere Rolle. Fünf Länder, eine Zukunft? — Seite 38 Japan Silicon Valley Melbourne Argentinien Deutschland Wie sich mit Abwärme von Kraftwerken aus Brennstoff mehr Strom gewinnen lässt. Volle Kraft voraus — Seite 48 Mumbai, Indien Tool Houses bieten Flächen für Wohnraum und Produktionsbetriebe. Kreative Megacitys — Seite 52 Japan Klischee oder Realität: Können auch technische Dinge eine Seele haben? Fünf Länder, eine Zukunft? — Seite 38 Kenia Die Vergasung von Biomasse eignet sich besonders für Länder wie Kenia, wo die Stromnetze schlecht ausgebaut sind. Volle Kraft voraus — Seite 48 Malaysia Mohammad Asadullah will Biomasse vergasen. Das braucht weniger Brennstoff als Kraftwerke mit Dampfturbine. Volle Kraft voraus — Seite 48 Melbourne, Australien Bewohner hatten die Idee zur Little Library, einer Bibliothek, die die Benutzer selbstständig organisieren. Kreative Megacitys — Seite 52 7 Impressum Mitwirkende Die Menschen hinter „Zukunft“ Mitwirkende Veränderung ist Teil unseres Lebens – ohne sie gibt es keinen Fortschritt. Mit diesem Heft wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie wird sich unser Leben verändern und welche Rolle spielt dabei die Technik? Von Argentinien bis Japan und von Kalifornien bis Australien: Wir haben unsere Reporter buchstäblich in jede Ecke der Welt geschickt, damit sie uns von den spannendsten Veränderungen erzählen. Einen Teil der Menschen, die an dieser Ausgabe von Zukunft mitgewirkt haben, möchten wir Ihnen auf diesen Seiten vorstellen. Chris Schinke Luciana Ferrando Paul Sullivan Impressum Journalist ( Deutschland ) Zu Chris Schinkes Schwerpunkten gehören Themen rund um Technologie, Kino, Literatur und Theater. Er lebt und arbeitet als freier Journalist in München. Für das vorliegende Magazin hat Schinke einen Beitrag über kreative Megacitys verfasst. Journalistin (Deutschland) Für ihren Beruf taucht Luciana Ferrando immer wieder in neue Welten ab – für Zukunft in die der Technologie: In einem Artikel untersucht sie deren Akzeptanz in ihrer Heimat Argentinien, in einem anderen in welcher Beziehung der Mensch zu ihr steht. Autor und Fotograf (Deutschland) Paul Sullivan ist Brite und lebt in Berlin. Seine Arbeit umfasst hauptsächlich Kultur-, Lifestyleund Reisethemen. Für diese Ausgabe von Zukunft nähert er sich dem Thema Veränderung und Wandel in einem Essay. — Seite 52 — — Seite 32 — — Seite 12 — Eigentümer und Medieninhaber: voestalpine AG voestalpine - Straße 1 4020 Linz, Austria Herausgeber: Peter Felsbach Chefredaktion: Maria Reibenberger T. + 43 / 50304 /15- 5432 [email protected] Konzept und Redaktion: Barbara Ecker, Anne Kammerzelt und Björn Lüdtke Gestaltung: Sandra Stäbler Druck: Kontext Druckerei GmbH Spaunstraße 3 a 4020 Linz, Austria 8 Louisa Preston Raouia Kheder Björn Lüdtke Astrobiologin und -geologin (Großbritannien) Louisa Preston, Astrobiologin und -geologin sowie TED Fellow, beschäftigt sich mit der Entdeckung von Leben auf dem Mars und der Besiedlung von anderen Planeten und Monden durch den Menschen. Für das Magazin Zukunft nimmt sie uns mit auf ihre Mission. Journalistin und Radio-Moderatorin (Tunesien) Raouia Kheder berichtet vor allem über Gesellschafts- und Kulturthemen aus ihrem Heimatland Tunesien und dem arabischen Raum. In diesem Heft untersucht sie, welchen kulturellen Stellenwert Technologie in ihrem Land einnimmt. Redakteur (Deutschland) Björn Lüdtke ist seit Beginn mitverantwortlich für Konzept und Redaktion des Magazins Zukunft. Die Spezialgebiete des freiberuflichen Fachjournalisten sind eigentlich Mode und Marketing. Für voestalpine befasst er sich aber auch gerne mit Veränderung und Technologie. — Seite 60 — — Seite 38 — — Seite 38 — 9 Da sein Menschen Halt und Sicherheit geben Aufgrund unserer dezentralen Struktur können wir schneller agieren und reagieren. So sind wir für all unsere Anspruchsgruppen greifbar und versuchen, ihre Bedürfnisse mit einem Höchstmaß an Flexibilität und Dynamik zu erfüllen. Wir packen Probleme an der Wurzel und lassen nicht locker, denn für die Zukunft lohnt es sich zu kämpfen. 12 Die Macht der Veränderung Wie Wandel unser privates und berufliches Leben beeinflusst 16 „Ein Leben ohne Risiko ist nicht möglich“ Interview mit Wolfgang Eder 18 Unsere Zukunft Wie Menschen von voestalpine die Zukunft sehen 20 Industrie im Zeichen des digitalen Wandels Traditionelle Unternehmen suchen die Nähe zu jungen und dynamischen Ideenschmieden 22 Ideen, die uns weiterbringen Wir stellen aufgeweckte Gründer vor, die unsere Welt verändern wollen 10 11 Da sein Da sein Die Macht der Veränderung „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ — Heraklit von Ephesus Text Paul Sullivan © iStock Paul Sullivan über Wandel und wie er unser privates und berufliches Leben beeinflusst 12 Der Wandel ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Das könnte man zumindest meinen, wenn man unsere Generation mit früheren vergleicht. Diese haben sicher nicht die schwindelerregend schnellen technischen Umbrüche erlebt, die heute unseren Alltag verändern. In keiner früheren Kultur wurde „gesurft“, „gewischt“ oder „gescrollt“, so viel ist sicher, aber seit Anbeginn der Zeit hat fast jede Gesellschaft zu einem gewissen Grad intensiven Wandel und Veränderung erfahren. Sogar in den angeblich so unbeweglichen vormodernen Gesellschaften fanden Umbrüche statt: religiöse Auseinandersetzungen und Stammeskriege, Überschwemmungen und Kälteperioden, Aufruhr und Krankheitsepidemien und nicht zuletzt all die schrittweisen Entwicklungen, die langsam aber sicher unseren heutigen Lebensstil begründeten. In Wahrheit ist Wandel ein grundlegender Teil unseres Lebens und der menschlichen Natur. Schon Heraklit, der griechische Philosoph aus der Zeit vor Sokrates und einer der ersten, der sich mit dem Konzept von Wandel beschäftigte, bestätigte dies mit seiner berühmten Aussage „Nichts ist so beständig wie der Wandel“. Zur Verdeutlichung fügte er hinzu: „Kein Mann steigt zweimal in denselben Fluss.“ Ob wir es mögen oder nicht, wir erleben jeden Tag Veränderungen, egal ob es sich um kleinere, unwichtig erscheinende tägliche Ereignisse wie Änderungen im Busfahrplan, das Schließen eines Lieblingsgeschäftes, einen kleinen Lotteriegewinn handelt oder um einschneidende Ereignisse wie Geburt und Tod, Umzug oder Beruf, einen neuen Freund kennenlernen oder sich verlieben. Letzteres übrigens kann fast beiläufig und je- derzeit passieren und doch nachhaltigen Einfluss auf unser Leben haben. Wir Menschen neigen dazu, Veränderungen mit einer Mischung aus Furcht und Sehnsucht zu begegnen. Sie sind von Natur aus unvorhersehbar und nicht selten mit einem Risiko behaftet. Wandel ist eine unsichtbare Macht, die unsere Welt immerwährend beeinflusst. Mit der Zeit haben wir Menschen geschickt gelernt, mit dem Wandel klarzukommen – was die Grundlage für einen proaktiven Blick nach vorne ist. Das wiederum ist positiv für uns als Individuen, aber auch für unser berufliches Handeln und die Gesellschaft als Ganzes. „Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.“ — Mahatma Gandhi Wandel ist untrennbar mit der Vorstellung von Fortschritt und Verbesserung verbunden. Denn schließlich ist Letzteres nicht ohne ein gewisses Maß von Ersterem möglich. Es ist wohl keine Übertreibung, dass sowohl die Gesellschaft als auch jeder Einzelne in sich den Wunsch trägt, sich weiterzuentwickeln und sich zu verbessern. Wir brauchen uns nur umzusehen: Die positiven Seiten von Wandel sieht man überall. Wir können uns heute eine Welt ohne Smartphones, MP3-Player oder Reisen mit dem Flugzeug nicht mehr vorstellen – und doch war das vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten noch völlig normal. Und wer hätte es sich damals träumen lassen, dass 3DDrucker, fahrerlose Autos oder künstliche Intelligenz bei medizinischen Diagnosen im Jahr 2016 zum Alltag gehören? Das Gleiche gilt für soziale Entwicklungen. Einer der wichtigsten Faktoren in unseren sich permanent wandelnden Gesellschaften ist die Macht der Ideen, die ihrerseits im Laufe der Zeit Veränderungen erfahren. Unsere heutigen Demokratien, wenn auch nicht annähernd perfekt, sind hoch entwickelt und sie sind es aufgrund von bedeutenden sozialen Veränderungen in der Vergangenheit: der Abschaffung der Sklaverei, der Einführung des Wahlrechts für die Frau, der Bürgerrechtsbewegung und nicht zuletzt der Aufklärung und der industriellen Revolution. Auch heute noch finden solche Veränderungen statt. So war der Klimawandel vor zwei oder drei Jahrzehnten nicht mehr als ein Randthema, das von vielen Regierungen oder großen Unternehmen nicht ernst genommen wurde. Heute ist die Problematik in der Mitte der Gesellschaft angekommen und wird auf beinahe allen Ebenen angegangen. Die komplizierte Kriegslage in Syrien und dem Nahen Osten löste eine der größten humanitären Krisen der jüngeren Geschichte aus – vielleicht wiederholt sich hier Geschichte, aber die Situation bringt auch völlig neue Herausforderungen mit sich. Auch der Feminismus, der auf einer Jahrhunderte lang währenden Tradition der Befreiung der Frau beruht, bekommt seit Kurzem neuen Auftrieb aus dem Internet und den sozialen Medien. Das führt dazu, dass die männliche Vorherrschaft erneut infrage gestellt wird und sich Menschen auf allen Ebenen für eine Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen. All diese sich permanent ändernden Themen bieten den Menschen und Regierungen die Gelegenheit, zusammen positiven sozialen Wandel zu gestalten. Auch technischer Wandel kann heute zum Treiber für soziale Veränderung werden. So hat das Internet einen bisher nicht dagewesenen Zugang zu Information und Bildung ermöglicht (Wikipedia, YouTube, E-Learning) und immer neue Apps liefern zum Beispiel Wetterinformationen für 13 Da sein „Überleben wird nicht der Stärkste, auch nicht der Intelligenteste, sondern der Anpassungs- und Wandlungsfähigste.“ — Charles Darwin Auch wenn diese Themen universal scheinen, so haben sie selbstverständlich an verschiedenen Orten unterschiedliche Wirkung: Die Flüchtlingskrise wird in Südamerika anders aufgenommen als in Europa; Europa spürt die direkten Folgen der Erderwärmung anders als beispielsweise Bangladesch oder Kalifornien; der Neo-Feminismus westlicher Prägung wird in vielen Ländern des Nahen Ostens stark eingeschränkt. Die jeweils vorherrschende kulturelle, politische und gesellschaftliche Struktur bestimmt, wie eine Gesellschaft von Wandel beeinflusst wird. Es ist kein Zufall, dass das Konzept des Wandels – und das Annehmen von Wandel – in den letzten Jahrzehnten auch in Unternehmen ein wichtiges Thema war. Sie stehen unter dem permanenten Druck, sich an der Spitze behaupten zu müssen, sei es in Bezug auf interne Kommunikation oder externes Marketing. Dabei ändern sich viele Aspekte täglich 14 aufgrund von neuen Technologien. Die sozialen Medien sind hier das beste Beispiel: Noch vor zehn Jahren waren sie nicht sehr relevant, heute muss jedes Unternehmen auf Facebook oder Twitter präsent und online sichtbar sein. Die Globalisierung hat die Geschäftswelt dabei noch offener für Veränderungen gemacht. Als die Märkte sich durch das Internet öffneten und sich so eine Fülle von neuen Möglichkeiten und Gelegenheiten ergaben, wurden Ausdrücke wie „Mobilität“ und „Flexibilität“ Teil des Standardvokabulars. Die ultra-flexible Startup-Kultur verdeutlicht das vielleicht am besten. 2001 erkannte eine Gruppe von 17 Softwareentwicklern die dringende Notwendigkeit, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen und verabschiedete das „Agile Manifest“. Ein zentraler Punkt darin ist die „Notwendigkeit, auf Veränderungen zu reagieren, anstatt einem Plan zu folgen“. Die guten wie die schlechten Dinge sind vergänglich Am deutlichsten sichtbar ist die neue Kultur der Flexibilität in den PR- und Marketingabteilungen. Das Image oder die Marke eines Unternehmens ist von enormer Wichtigkeit und beide darzustellen und zu kommunizieren, ist für die meisten Unternehmen ein permanentes und sich kontinuierlich entwickelndes Thema. Eine überholte Website, die nicht nutzerfreundlich ist, oder nicht aktualisierte Facebookoder Twitter-Accounts werden von draußen als mehr oder weniger nicht existent wahrgenommen. Die Regeln fürs Überleben sind überall gleich, auch im Geschäftlichen. Wer die Herausforderungen einer wenn man sein Haus neu einrichtet oder alte Kleider durch neue ersetzt. Die natürliche Angst überwinden zu lernen und Wandel anzunehmen, scheint nur vernünftig zu sein. Letztlich haben Menschen, Unternehmen und Regierungen, die bereit sind, Risiken einzugehen, bessere Chancen auf Erfolg. Sich an neue Umgebungen, Leute und Situationen anzupassen, bringt einen weiter – die eigene Persönlichkeit, das Einkommen, das Wertesystem. Es gibt verschiedene Wege, um sich sich ständig verändernden Welt nicht annimmt, wird aussterben – wie die Dinosaurier. Sich auf diese Bedingungen einzulassen, erfordert Flexibilität und die Fähigkeit, die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Kunden zu verstehen oder gar vorauszusehen. „Ein Pessimist sieht in jeder Gelegenheit eine Schwierigkeit, ein Optimist sieht in jeder Schwierigkeit eine Gelegenheit.“ — Winston Churchill Trotz der Vielzahl an Beispielen, wie Wandel unser berufliches oder persönliches Leben positiv beeinflussen kann, stehen doch die meisten von uns dem Wandel kritisch gegenüber. Wie der amerikanische Wirtschaftsautor Alan Deutschman in seinem dramatisch betitelten Buch Change or Die („Verändere dich oder stirb“) aus dem Jahr 2007 aufzeigt, halten sich die meisten von uns lieber innerhalb ihrer persönlichen Grenzen auf, in denen sie sich wohlfühlen, als sich dem Unbekannten auszusetzen – selbst dann, wenn ein gutes Ende wahrscheinlich ist. Deutschmann zeigt an unterschiedlichen Beispielen – vom Herzpatienten bis zu festgefahrenen Unternehmen –, wie sehr wir uns Veränderungen widersetzen und doch gleichzeitig die angeborene Fähigkeit haben, sie zu bewältigen. Letzten Endes spielt es aber keine Rolle, ob wir Veränderungen fürchten oder nicht. Furcht wird den Lauf der Zeit und die damit einhergehenden Veränderungen nicht aufhalten. Wir können dem Unausweichlichen nicht entkommen. Es gibt eine Vielzahl von guten Beispielen, wo Wandel neue Möglichkeiten eröffnet – sei es die neue Aufgabe am neuen Arbeitsplatz, die Befriedigung, die man verspürt, Eine andere Möglichkeit ist, sich bei Weltanschauungen zu bedienen, die Veränderungen wohlwollend gegenüberstehen. Viele östliche Philosophien beschäftigen sich mit dem Konzept des Wandels. Aus dem 2.600 Jahre alten chinesischen Buch I Ching kann man beispielsweise lernen, dass die guten, aber eben auch die schlechten Dinge in unserem Leben vergänglich sind. Die ultimative östliche Philosophie von Unbeständigkeit ist vielleicht der Taoismus. Einer seiner zentralen passieren‘ und sich umso mehr bemüht, den Dingen eine andere Richtung zu geben.“ Eine weitere Strategie könnte darin bestehen, den Blickwinkel zu ändern. Nicht jeder Wandel ist gleich. Wenn die kleinen Veränderungen zu viel werden, lohnt es sich vielleicht, einen Schritt zurückzutreten und die größeren Veränderungen zu betrachten – denen häufig weniger Wandel innewohnt. Verwirrt? Ein Beispiel: Wer vom permanenten Informationsstrom aus den sozialen Medien gestresst ist, der sollte sich daran erinnern, dass die Inhalte, die er konsumiert, eigentlich nichts anderes sind als Geschichten, früher erzählt, heute gelesen. Das Medium mag neu sein, der Kern der Sache nicht. Wandel ist Teil unseres Lebens © iStock afrikanische Landwirte oder exakte Standortdaten für Erdbebenopfer. Social-Media-Plattformen wie Twitter, WhatsApp und Facebook haben nicht nur dabei geholfen, schnell und in großem Umfang Proteste oder Hilfe bei Massenfluchten zu organisieren, sondern haben die Welt auch näher zusammenrücken lassen. Über diese Plattformen stehen wir direkt mit Menschen aus der ganzen Welt in Kontakt und haben so das Gefühl, dass auch weit entfernte und abgelegene Orte Teil unserer eigenen globalen Nachbarschaft sind. Da sein anzupassen. Schwierig sind sie alle nicht. Eine Möglichkeit ist, sich die positiven Bedeutungen von Wandel zu verinnerlichen. Betrachtet man einige Synonyme genauer – Innovation, Entwicklung, Umwandlung, Diversifikation, Verfeinerung, Vielfalt –, dann erkennt man schnell, dass der Begriff voller Begeisterung und Positivität steckt. Lehrsätze lautet: „Schwimm mit dem Strom.“ In Benjamin Hoffs bezauberndem Buch Tao Te Puh. Das Buch vom Tao und von Puh dem Bären vermittelt uns Puh der Bär taoistische Leitsätze: „Alles fügt sich auf die richtige Weise und zur rechten Zeit. Zumindest wenn man es zulässt, wenn man die Umstände annimmt, anstatt zu sagen ‚das darf so nicht Heraklits paradoxe Aussage, dass Wandel eigentlich beständig ist, kann ganz ähnlich als Anker dienen. Die Sonne jeden Morgen aufgehen und die Sterne nachts am Himmel leuchten zu sehen oder die Jahreszeiten in ihrem vorhersehbaren Wechsel zu erleben, gibt uns ein Gefühl von Ewigkeit. Genau wie Heraklits Weisheit erinnert uns die französische Redewendung „Plus ça change, plus c’est la même chose“ („Je mehr sich ändert, desto mehr bleibt gleich“) an das, was eigentlich jeder weiß: nämlich dass Wandel eher die Norm als die Ausnahme ist. Wer das akzeptiert, der wird Wandel für die eigene persönliche und berufliche Entwicklung nutzen können. Wer sich dem Unausweichlichen nicht in den Weg stellt und mit dem Strom schwimmt, wird sich als dynamischer Gestalter wohler fühlen als als trauriger alter Dinosaurier. 15 Da sein Da sein „Ein Leben ohne Risiko ist nicht möglich“ Text Paul Sullivan Interview mit Wolfgang Eder Haben Sie eine persönliche Philosophie in Bezug auf Wandel und Veränderung? Wandel und Veränderung sind Voraussetzung für Fortschritt in allen Lebensbereichen. Anders ausgedrückt: Stillstand heißt Rückschritt – oder vornehmer gesagt: Nichts ist beständiger als der Wandel. Wandel und Veränderung sind für mich damit die Regel und nicht die Ausnahme. Schauen wir uns doch nur die letzten 20 Jahre an und wie sich die Gesellschaft und die Wirtschaft allein in dieser vergleichsweise kurzen Zeit verändert haben: Unser Kommunikationsverhalten, die Produktionsprozesse, das Leben zu Hause – alles ist vernetzt. Ich sehe vieles davon durchaus kritisch, aber gerade deswegen muss man sich diesen Entwicklungen aktiv 16 stellen, muss man versuchen, sie in die richtige Richtung zu steuern. Wie wirkt sich das auf Ihre Rolle als Vorstandsvorsitzender der voestalpine AG aus? In welcher Beziehung steht hier das Persönliche und das Berufliche? Zunächst einmal gilt für mich wie für die meisten Menschen, dass die Rollen im Beruf und im Privatleben unterschiedliche Aufgaben, unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringen. Dennoch ist es immer ein und derselbe Mensch, der damit umzugehen hat. Die Bewältigung der verschiedenen Lebenssituationen, sei es als Vorstandsvorsitzender oder als Privatperson, bedarf trotz aller – häufig ohnehin nur vordergründigen – Unterschiede schon aus Gründen der Wolfgang Eder Dr. Wolfgang Eder ist Vorsitzender des Vorstandes und CEO der voestalpine AG persönlichen Glaubwürdigkeit gleicher Grundsätze und Kriterien. Gehen Sie mit Veränderung privat anders um als in Ihrer Position als CEO? Für mich persönlich heißt Veränderungsbereitschaft, sich privat mit der gleichen Offenheit und Unvoreingenommenheit neuen Herausforderungen zu stellen wie im Beruf. Natürlich sind die Aufgaben in einem internationalen Konzern mit fast 50.000 Mitarbeitern andere als in einer Familie. Dennoch geht es in beiden Fällen im Kern immer darum, Verantwortung zu übernehmen, und um die Einsicht, dass ein Leben ohne Risiko nicht möglich ist. Letztlich bedeutet Verantwortung zu tragen, ein einzugehendes Risiko gegen die diesem gegenüberstehenden Chancen abzuwägen – privat genauso wie beruflich. Gibt es so etwas wie eine offizielle und objektive Unternehmensrichtlinie in Bezug auf Veränderungen, um zum Beispiel übermäßige Risikofreude im Zaum zu halten? Ich glaube, dass man Veränderungsbereitschaft ganz generell nicht über Richtlinien reglementieren oder gar ein konkretes Ausmaß dekretieren kann. Sie können nur versuchen, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der stetiger Wandel und die notwendige Veränderungsbereitschaft Teil der Unternehmensidentität sind, das heißt bewusst und mit Überzeugung gelebt werden. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist aber wiederum, allen Menschen im Unternehmen verständlich zu machen, dass es nur durch Bereitschaft zur Veränderung gelingt, permanent Spitzenleistungen zu erbringen und damit auch die Keine Innovation ohne Veränderung eigene Zukunft bestmöglich abzusichern. Natürlich bedeutet Veränderung immer auch Risiko. Entscheidend ist dabei, dass solche Risiken überschaubar und damit managebar bleiben. Das lässt sich in sehr hohem Maß durchaus kalkulieren. Das größte Risiko ist aber zweifellos, in seiner Entwicklung stehen zu bleiben, Veränderung abzulehnen. Wie können Sie sicherstellen, dass Ihre Entscheidungen auch wirklich langfristig und nachhaltig orientiert sind und nicht durch kurzfristige Ziele überlagert und damit entwertet werden? Das ist eine Frage des grundsätzlichen Managementstils. So verfolgen wir etwa in der voestalpine seit vielen Jahren mit wirklich unbeugsamer Konsequenz eine klare Langfriststrategie weg vom klassischen Stahlhersteller hin zu einem metallbasierten Technologiekonzern. Diese langfristige Ausrichtung prägt auch unser kurz- fristiges Handeln und die damit verbundenen Ziele. Jede unternehmerische Entscheidung muss sich also an der Langfriststrategie orientieren. Steht sie dazu im Widerspruch, hat sie keine Realisierungschance. Was tun Sie, wenn Sie erkennen, dass eine Entscheidung falsch war? Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Strategien und Geschäftsmodelle konsequent leben, sie gleichzeitig aber auch immer wieder hinterfragen und gegebenenfalls veränderten Zukunftsszenarien anpassen, ohne sie jedoch in ihren Grundsätzen zu ändern. Gerade zu einer offenen Unternehmenskultur gehört auch die permanente Auseinandersetzung mit einem sich immer schneller ändernden wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Umfeld. Nur so können wir uns stetig verbessern und in diesem kontinuierlichen Wandel erfolgreich bestehen. 17 Da sein Da sein Unsere Zukunft LARS BECKER (43 ) Key Account Manager Löhne, Deutschland Text Anne Kammerzelt Wie Menschen von voestalpine die Zukunft sehen 1. Auf welche Veränderung freust du dich / freuen Sie sich im nächsten Jahr? 2. Wenn du / Sie eine Sache auf der Welt verändern könntest / könnten, was wäre das? 3. Welche Technologie sollte in den nächsten Jahren auf jeden Fall erfunden werden? 4. Was würdest du / würden Sie gerne einen Menschen aus der Zukunft heute fragen? „Was könnten wir heute anders machen?“ 1. Ich freue mich darauf, wieder öfter mit meiner Band Musik zu machen. 2. Wenn ich könnte, würde ich verhindern, dass so viele Menschen täglich auf der ganzen Welt unter Krieg, Armut und Krankheit leiden. 3. Als jemand, der beruflich viel Auto fährt: ein vollkommen selbstständig fahrendes – oder gerne auch fliegendes – individuelles Transportmittel. 4. Geht es euch gut – und wenn nicht, was könnten wir heute anders machen, um euch in der Zukunft zu helfen? Und: Habt ihr meinen Wunsch aus Frage 3 umgesetzt? LARA BARALHAS (5) Vorschulkind Americana, Brasilien „Ich möchte andere Planeten kennenlernen“ 1. Kommendes Jahr möchte ich zur Schule gehen und ganz schnell lesen und schreiben lernen. 2. Dass jedes Kind auf der Welt Spielsachen und Schokolade hat. Alle sollten spielen und leckere Sachen essen können. 3. Fliegende Autos, die man mit einer Fernbedienung steuern kann. 4. Ob wir in der Zukunft in Raketen fliegen, so wie heute in Flugzeugen. Ich möchte andere Planeten kennenlernen. OLESYA BONCHENKO (30 ) Vertriebsmanagerin Dubai, Vereinigte Arabische Emirate „Man vergisst manchmal, wie glücklich und privilegiert man ist“ „Gute Gesundheit und Glück“ 1. Weiterhin gute Gesundheit und Glück. 2. Ich würde gern die Erderwärmung stoppen. 3. Die Nutzung von Erdwärme. 4. Was hätten wir tun sollen, damit es euch besser geht? 18 Seite 18 –19 © Private HELMUT RASENBERGER ( 77 ) Berater Toronto (Ontario), Kanada 1. Ich werde Mutter und werde Arbeit und Mutterschaft vereinbaren müssen. Ich hoffe, mithilfe meiner Familie beides ausgewogen in Einklang miteinander bringen zu können. 2. Ich würde allen Kindern auf der ganzen Welt freien, kostenlosen Schulzugang ermöglichen. Wenn man in einem Land aufwächst, in dem die Schule für alle Kinder kostenlos ist und Schulpflicht besteht, dann vergisst man manchmal, wie glücklich und privilegiert man ist. 3. Hoch entwickelte Systeme zum Emissionsschutz für alle Bereiche, angefangen von Autos bis zu großen Fabriken. 4. Ich würde fragen, ob Reisen ins Weltall oder Ferien auf dem Mond alltäglich geworden sind. 19 Da sein Da sein Industrie im Zeichen des digitalen Wandels Text Hans Schürmann Traditionelle Unternehmen suchen die Nähe zu jungen und dynamischen Ideenschmieden D ie Digitalisierung verändert die Welt. Technologien, die es ermöglichen, jederzeit und blitzschnell auf Informationen und Daten zuzugreifen, führen zu Innovationen, die nicht nur die Gesellschaft, sondern auch Unternehmen und Märkte verändern. Plattformen im Internet, über die Firmen nicht nur ihre Kunden besser kennenlernen, sondern auch mit Lieferanten schneller und enger zusammenarbeiten können, der Trend zu einer digital vernetzten Fabrik – das sind Trends, die neue Chancen bieten, gleichzeitig aber gewohnte Geschäftskonzepte herausfordern. Standen bislang vor allem Produkte im Fokus, geht es künftig mehr um intelligente und individualisierte Dienstleistungen. Sowohl Konzerne als auch mittelständische Unternehmen müssen sich im Zuge der Digitalisierung neu erfinden, wenn sie im globalen Markt Schritt halten wollen. Sie müssen in kurzer Zeit innovativer werden, alte Managementmethoden und Organisationsformen anpassen. Doch das ist nicht 20 so einfach. „Wenn eine Organisation einmal etabliert ist und jahrzehntelang besteht, dann ist es schwierig, vorherrschende Denk- und Handlungsmuster zu verlassen und komplett neue Ideen und Geschäftsmodelle zu entwickeln“, sagt Stephan Grabmeier. Der Unternehmensberater hat Um Innovationen zu ermöglichen, suchen Unternehmen die Nähe von Start-ups mehrere Jahre die digitale Transformation bei der Deutschen Telekom begleitet und unterstützt zwei Start-ups nicht nur finanziell, sondern auch mit seinen Praxiserfahrungen. Der digitale Wandel ist dabei nicht nur ein Problem der Telekommunikationsbranche, sondern trifft auch viele Bereiche des Handels und der Industrie, wie beispielsweise den Maschinenbau. Durch die Vernetzung der Produktion werden die Firmen zwar flexibler und können schneller auf Kundenwünsche reagieren, gleichzeitig werden aber auch die Innovationszyklen kürzer und die Märkte globaler. Die Folge: Die Unternehmen müssen deutlich schneller neue Produkte entwickeln und auf den Markt bringen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Um radikale Innovationen zu ermöglichen, suchen immer mehr Unternehmen deshalb die Nähe von Start-ups. Diese haben große Vorteile, wenn es um marktverändernde Innovationen geht. „Sie müssen auf kein margenstarkes Kerngeschäft Rücksicht nehmen, außerdem können sie strukturell bedingt schneller und flexibler agieren als große Konzerne“, erläutert Markus Struppe, Partner der UnternehmerTUM GmbH, dem Zentrum für Innovation und Gründung an der Technischen Universität München. Die auf neue Technologien fokussierten jungen Unternehmen können es © iStock Digitale Transformation in der Praxis sich leisten, etwas Neues auszuprobieren, ohne vorher zu wissen, ob es am Markt auch erfolgreich sein wird. Sie begegnen diesen Unsicherheiten durch ein iteratives Vorgehen. Das bedeutet: Es gibt kein finales Endergebnis, vielmehr werden Ergebnisse immer weiter optimiert und Projektziele angepasst. Dazu suchen sie immer wieder den Kontakt zu potenziellen Kunden, sie erstellen Prototypen und diskutieren mit den künftigen Nutzern. Das sei ein entscheidender Vorteil vor allem vor dem Hintergrund immer kürzerer Innovationszyklen, sagt der UnternehmerTUM-Berater. Ein etabliertes Unternehmen muss auf sein Image Rücksicht nehmen und kann daher nicht unter seinem Namen „unfertige“ Produkte bei seinen Kunden testen. Eine frühzeitige Kooperation könnte für beide Seiten ein Gewinn sein, ist Struppe überzeugt. Während Start-ups innovativ und flexibel sind, verfügen Großunternehmen über ein nachhaltiges Branchenund Kundennetzwerk und Know-how bei der Umsetzung und Skalierung von neuen Produkten. Unter anderem tummeln sich Automobilkonzerne in der Start-up-Szene. Die BMW Group hat vor Kurzem sehr medienwirksam eine Start-upGarage gegründet. Ziel ist es, junge Unternehmen mit Potenzial früh zu fördern und Start-up-Technologien in die eigenen Innovationsprozesse einfließen zu lassen. Andere lieben es leiser: Ein deutscher Baugerätehersteller beispielsweise arbeitet seit einigen Jahren mit einem jungen Softwareunternehmen zusammen. Hinter der Mini-Firma stecken experimentierfreudige Ingenieure, die mit ihren Programmen dafür sorgen, dass Steuerungen für mobile Arbeitsmaschinen intelligenter werden. Die Softwareschmiede hat für den Maschinenbauer dabei eine besonders ausgeklügelte Baggersteuerung entwickelt. Auch Energiekonzerne hoffen, durch eine stärkere Zusammenarbeit mit jungen, agilen Firmen auf frische Ideen zu kommen, die ihnen bei der Bewältigung des Wandels helfen. Dabei denken Konzerne wie EnBW an Start-ups, die Innovationen für das Smart Home, das vernetzte Haus, entwickeln. Solche Unternehmen könnten beispielsweise intelligente Lösungen erarbeiten, die in Verbindung mit einem intelligenten Stromnetz (Smart Grid) dazu beitragen, dass Schwankungen in einem Netz, das von erneuerbaren Energien gespeist wird, besser ausgeglichen werden können. Das Interesse von großen Unternehmen an Start-ups gibt es schon länger. Die Motive der Großunternehmen haben sich jedoch gewandelt: „Ist es früher hauptsächlich um finanzielle Beteiligungen gegangen, steht heute vor allem das Innovationsmanagement im Mittelpunkt“, so Transformationsberater Stephan Grabmeier. Der Trend zur Digitalisierung hat beide Seiten näher zueinander geführt und gezeigt, dass sie sich sehr gut ergänzen und voneinander profitieren können. 21 Da sein Da sein Ideen, die uns weiterbringen Text André Uhl Spielzeug für die digitale Generation von morgen: TinkerBots 22 Seite 22 – 23 © Kinematics Wir stellen aufgeweckte Gründer vor, die unsere Welt verändern wollen Bausteine für das digitale Zeitalter Spielzeug ist vor allem dann gut, wenn es die Fantasie anregt. Und es ist noch besser, wenn Kinder es mit Spaß zusammenbauen und nach ihren eigenen Vorstellungen weiterentwickeln können. Die Gründer von Kinematics aus Deutschland hauchen mit ihren TinkerBots Bausteinen Leben ein. Im Zentrum steht das sogenannte Power Brain, ein roter Würfel, der über seine Sensoren Gelenke, Greifer und Motoren steuert. Alle Module werden ohne Kabel verbunden und einfach zusammengesteckt. Die fertigen Roboter lernen geschickt immer neue Bewegungen und die Kinder werden zu neugierigen Nachwuchsforschern. Das passende Spielzeug für die digitale Generation von morgen. 23 24 © Vitameter Gemeinsam sind wir schlau Ideen teilen, Notizen austauschen, sich gegenseitig unterstützen – die meisten Schüler wissen, dass gemeinsames Lernen effektiver ist, als allein im stillen Kämmerlein vor sich hinzubrüten. Die Macher von BrainShare, einer BildungsApp aus Uganda, übertragen dieses Prinzip in die digitale Welt. Mit ihrer Online-Social-Media-Plattform vermitteln sie Spaß am gemeinsamen Lernen und ermöglichen ein einfaches Teilen von Lehrinhalten, egal ob es sich um private Mitschriften, Beiträge oder Videos handelt. Wenn sich Schüler, Lehrer und Eltern in einem virtuellen Klassenzimmer treffen, bleibt niemand allein – eine soziale Innovation, von der alle profitieren können. Da sein © iStock Da sein Gesunder Durchblick Wer zu wenige Vitamine zu sich nimmt, wird schneller krank – das wissen wir alle. Ebenfalls bekannt ist, dass ein hoher Vitaminüberschuss negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben kann. Wäre es da nicht praktisch, einen Überblick über den eigenen Vitaminhaushalt zu haben? Die Erfinder des Vitameters aus Kanada sind angetreten, um dies zu ermöglichen. Mit Erkenntnissen aus der Nanotechnologie und mithilfe von Biosensoren prüft das Gerät innerhalb weniger Minuten den persönlichen Vitaminlevel des Anwenders, der damit den eigenen Körper besser verstehen, seine Ernährung auf den Prüfstand stellen und letztendlich gesünder leben kann. 25 26 © Cityflo Neues Wissen in Rekordzeit Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, die Inhalte ganzer Bücher innerhalb kürzester Zeit erfassen zu können? Die Gründer des Berliner Start-ups Blinkist haben aus diesem Wunsch eine pfiffige Geschäftsidee gemacht. Anstatt sich stundenlang durch hunderte von Seiten quälen zu müssen, können die Kerngedanken von mehr als 1.000 Sachbüchern in nur wenigen Minuten über eine App auf dem Smartphone, dem Tablet oder in jedem Browser bequem und zwischendurch gelesen werden. Eine ideale Lösung für alle, die sich immer wieder schnell neues Wissen aneignen müssen und dafür die vielen freien Momente unterwegs nutzen wollen. Da sein © iStock Da sein Entspannt ans Ziel Oft sind die einfachsten Ideen zugleich die besten. Wie ist es möglich, den notorisch überlasteten öffentlichen Nahverkehr in der indischen Millionenmetropole Mumbai zu entspannen? Jerin Venad, indischer IT-Experte und Gründer der Initiative Cityflo, hat die Antwort: Indem private Minibusse die wichtigsten Strecken abfahren und damit eine echte Alternative für Pendler bieten. Über eine App können sich die Passagiere anmelden und Tickets lösen, die Routen können sie über Google Maps einsehen. Damit wäre einmal mehr bewiesen: Das „Rad“ muss nicht unbedingt neu erfunden, sondern nur sinnvoll eingesetzt werden. 27 Vorausdenken Bewegung schaffen und mit Energie versorgen Wir treiben Entwicklungen voran – offen gegenüber Neuem und mit der Neugier des Forschenden denken wir visionär und weit über das Bestehende hinaus. Einfallsreichtum prägt unsere Produkte und Prozesse genauso wie die Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Denn nichts ist so gut, als dass wir es nicht noch verbessern könnten. 30 Technologie Welche Rolle spielt sie bei der Lösung globaler Herausforderungen? 38 Fünf Länder, eine Zukunft? Wie Menschen in unterschiedlichen Kulturen ihr Leben mithilfe von Technologie neu gestalten 48 Volle Kraft voraus So funktionieren effiziente Kraftwerke der Zukunft 52 Kreative Megacitys Wie Bewohner ihre Stadt mitgestalten können 56 Spezialisten sind unersetzbar Wir stellen vier Menschen aus dem Unternehmen vor 28 29 Vorausdenken Vorausdenken Technologie Text Luciana Ferrando, Björn Lüdtke Überall auf der Welt gibt es Herausforderungen, denen wir Menschen uns stellen müssen. Welche Rolle kann Technologie dabei spielen? Oder liegt die Bewältigung der Herausforderungen schlussendlich an uns selbst? Drei ganz unterschiedliche Sichtweisen zum Thema. Technologie von innen: ein Serverraum 30 31 Vorausdenken Vorausdenken „Mensch und Maschine“ — wer braucht wen? formatik ein Werkzeug, um Wissen besser zu vermitteln. „In gefährlichen Bereichen ist es jedoch ein Vorteil, dass Maschinen autonom handeln, zum Beispiel bei Missionen im All.“ Aber selbst in solchen Fällen ist eine Kooperation von Mensch und Maschine erforderlich, denn der Mensch muss die Daten interpretieren, die der Computer im All sammelt. In den FabLabs steht wiederum die menschliche Neugier und Kreativität im Mittelpunkt. In diesen weltweit verbreiteten Hightech-Werkstätten dürfen alle die neuesten technischen Geräte wie 3D-Drucker oder Lasercutter ausprobieren. Das Ziel? Technologie selbst in die Hände zu nehmen, sie besser zu verstehen und für eigene Zwecke zu nutzen. Ein weiterer unentbehrlich gewordener Vorteil der Technik ist die Ent- Text Luciana Ferrando 32 Villaplana, Technologie-Philosoph an den Universitäten von Madrid und Costa Rica. Der heutige Computer werde seiner Meinung nach idealisiert: Er sei schneller und präziser als der Mensch, er werde nie müde. „Als würden Maschinen für sich stehen und mit dem Menschen konkurrieren“, so Villaplana. Doch Computer haben dem Menschen gegenüber Nachteile: Sie besitzen keine Spontaneität. Sie brauchen klare Muster und Kommandos, die vorgeben, wie es weitergeht. „Computer können ganz prima Anweisungen befolgen, aber sie sind schrecklich im Improvisieren“, sagt der Autor Nicholas Carr in der New York Times. „Ihre Talente enden an den Grenzen ihrer Programme. Menschliche Fähigkeiten kennen eine solche Beschränkung nicht.“ Für die Designforscherin Andrea Augsten ist die große Herausforderung, das, was den Mensch zum Menschen macht, vom Analogen ins Digitale zu transferieren. „Wenn wir in einem Workshop zusammen arbeiten, lachen und Ideen austauschen, bleibt diese Stimmung im Raum. Sobald alle wieder an ihren Computern sitzen, geht sie verloren“, sagt die Expertin für Zukunftsfragen rund um Design, Wirtschaft und Politik. „Wir versuchen, diese Erinnerung digital zu erhalten, aber sie kann nur auf einem Kanal dokumentiert werden, mit Bildern zum Beispiel.“ Für sie spielen Faktoren wie Lebenserfahrung oder emotionale Intelligenz eine wichtige Rolle. „Das sogenannte stille Wissen, das nicht in Worten auszudrücken ist und das Menschen einfach haben, ist digital nicht abdeckbar.“ Bei dem Forschungsansatz „Affective Computing“, der sich mit Computern und Emotionen beschäftigt, gab es dennoch überraschende Ergebnisse: Software kann aus Gesichtern Gefühle ablesen. 2013 zeigte eine Studie der Universität von North Carolina, wie eine trainierte Software Gesichtsausdrücke erkennen und mit Begriffen wie „Frustration“ oder „Motivation“ assoziieren konnte. Diese Software soll Lehrer bei ihrer Erziehungsarbeit unterstützen. Für Álvaro Villaplana bringt allerdings nur die Kombination menschlicher und technischer Kräfte wirkliche Fortschritte. Im Bildungsbereich ist für ihn der Mensch noch zentral und In- Im Gegenteil. Gleichwohl sollte der Mensch weiterhin danach streben, sein Verhältnis zur Technik zu optimieren. Die Entwicklung der Robotik, für die Pflege oder im Automobilbau beispielsweise, zeigt für Augsten deutlich, wie Maschinen unser Leben erleichtern können, wenn sie von uns gesteuert werden. Denn der Mensch kann auf Unvorhergesehenes reagieren, die Maschinen folgen nur Regeln. Alltäglich, nah und immer intensiver: Das Verhältnis des Menschen zur Technik ist in seinem Leben heute so präsent wie seine zwischenmenschlichen Beziehungen. Allerdings ist der Mensch auch für die Technik unverzichtbar, denn er ist es, der sie schafft, der sie programmiert – oder auch wieder den Stecker zieht. 3D-Drucker: Bald Alltag für alle? Seite 30 – 31 © iStock Rechts © iStock A uf die sanfte Stimme des Navigationsgerätes zu antworten, sauer auf das Smartphone zu sein oder Geräusche mit Klingeltönen zu verwechseln – das sind keine merkwürdigen Verhaltensweisen mehr, sondern Hinweise auf eine immer größer werdende Vertrautheit mit technischen Geräten. Technologie ist ein selbstverständlicher Teil unseres Alltages geworden. Maschinen übernehmen viele unserer Aufgaben und manche befürchten bereits, der Mensch werde bald überflüssig. Könnte es tatsächlich so weit kommen? In Zeiten der Digitalisierung vergessen die Menschen oft, dass sie selbst diejenigen sind, die hinter der Entwicklung stecken. Mitte des 18. Jahrhunderts war „Computer“ eine Berufsbezeichnung für menschliche Rechner, die komplexe mathematische Probleme lösten oder numerische Analysen durchführten. „Ohne Menschen wie Alan Turing, Erfinder des Computers, oder Gottfried Wilhelm Leibniz, der das binäre Zahlensystem entwickelte, hätten wir heute keine Maschinen, die fast so genial sind wie ihre Erschaffer“, sagt Álvaro lastung bei der Wissensspeicherung. Studien beweisen, dass Mensch und Maschine sich dabei gut ergänzen. „Was wird aus den Ressourcen, die im Gehirn frei werden, wenn Daten extern gespeichert werden?“, fragten sich Ende 2014 Ben Storm und Sean Stone vom Memory Lab der University of California. „Das digitale Abspeichern von Daten, die man sich sonst merken müsste, erleichtert das Lernen neuer Informationen“, schrieben die Forscher im Fachblatt Psychological Science. Probanden konnten sich Wörter aus einem PDF besser merken, wenn sie wussten, dass sie die Datei speichern durften. Wenn es nach Andrea Augsten geht, wird es eine Zukunft, „in der Maschinen uns im Griff haben und wir nicht mehr selber denken können“, wie manche befürchten, nicht geben. 33 Vorausdenken Vorausdenken „Es gibt kein Zurück“ — eine Unterhaltung mit Autor Michael Lind zum Thema Technologie Text Björn Lüdtke Z u jeder Zeit hatten und haben Menschen bestimmte Vorstellungen davon, wie die Zukunft aussehen könnte. In den 1960 er Jahren dachten sie beispielsweise, dass wir in den 2010er Jahren in Raumschiffen zu unseren Mondkolonien fliegen würden. Wie wir wissen, ist das nicht der Fall. Dafür tragen wir Computer in Form von Telefonen in unseren Taschen herum, deren Rechenleistung damals völlig utopisch war. So oder so, bei den meisten Visionen für die Zukunft spielen neue Techniken und Technologien eine entscheidende Rolle. Wie diese Rolle tatsächlich aussieht, versuchen wir im Gespräch mit Michael Lind herauszufinden. Lind ist Autor und Mitbegründer von New America, einer Organisation, die sich bei Entscheidungsträgern unter anderem für eine Neuausrichtung der US-amerikanischen Politik im digitalen Zeitalter einsetzt. Neue Technologien werden heute oft als disruptiv bezeichnet, das heißt, sie verändern den Markt und das Nutzungsverhalten nachhaltig. 34 Sind neue Technologien wirklich so bahnbrechend? Ja, das sind sie. Allerdings werden viele Technologien meiner Meinung nach oft falsch eingeordnet. Die überwiegende Mehrzahl dieser sogenannten disruptiven Innovationen sind eigentlich revolutionäre Technologien, die schon Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden und die heute im Wesentlichen weiterentwickelt oder auf breiterer Basis genutzt werden. Nehmen Sie die Automatisierung von Autos, die zunehmende Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien in den verschiedensten Bereichen oder die sozialen Medien – die zugrunde liegenden Techniken wurden teilweise bereits in den 1930er Jahren entwickelt. Viele der heutigen Innovationen sind nicht wirklich transformative Technologien, die zu grundlegenden Veränderungen führen. Ein Beispiel: Die Erfindung des Elektromotors entspricht der Entwicklung des Computers zwischen den 1940er und 1980er Jahren. Die Elektrifizierung der Städte und ländlicher Gebiete entspricht der Entwicklung des Internets in den 1990er und 2000er Jahren. Und die heutigen Apps entsprechen den Fernseh- und Radioprogrammen, die erst durch den Ausbau des Stromnetzes möglich wurden. Ebensowenig wie das Fernsehnetz eine bahnbrechende Technologie ist, ist es eine App in den sozialen Medien – ganz im Gegensatz zum elektrischen Motor. Würden Sie sagen, dass es überhaupt eine digitale Revolution gibt? Ja, denn die wirklichen Produktivitätsgewinne und die eigentlichen Veränderungen in der Gesellschaft rühren ja nicht von der Erstentwicklung von sogenannten Basistechnologien oder wegweisenden Technologien wie der Dampfmaschine, dem Elektromotor oder dem Computer. Die wahre Veränderung entsteht durch die Anwendung dieser Technologien in verschiedenen, bereits existierenden Sektoren. Diese Bereiche sind alte Bekannte: Industrie, Landwirtschaft, Einzelhandel, Freizeit etc. Es gibt sie, die Transformation in unserer Gesellschaft, aber wir sollten die Anzahl an transformativen Technologien nicht überschätzen. Denken Sie, dass wir im Allgemeinen zu viel Hoffnung in neue Technologien stecken? Ja, vor allem in den USA, nicht so sehr in anderen Ländern wie zum Beispiel Deutschland. Der Fokus liegt gerade in den USA zu sehr auf disruptiven Technologien. Der breiteren Nutzung von bereits entwickelten Technologien wird zu wenig Beachtung geschenkt – zumindest was staatliche Maßnahmen angeht. Dabei führen gerade diese zu den wirklichen Produktivitätsgewinnen und zu einer Verbesserung unserer Lebensqualität. Manchmal entstehen in der Tat neue Sektoren. Aber größtenteils verändert Technologie altbekannte Bereiche. Mit dem Verbrennungsmotor wurde beispielsweise die Landwirtschaft mechanisiert: Der Traktor ersetzt Pferd und Mensch. Es ist immer noch Landwirtschaft, nur eben produktiver. Es gibt eine Bewegung namens Maker Movement, bei der es darum geht, viele Dinge wieder selbst herzustellen. Denken Sie, dass Selbermachen eine Möglichkeit für uns ist, um einige unserer Probleme wie Unterernährung oder die Bereitstellung erneuerbarer Energien zu lösen? Mit einem Wort: Nein. Ich bin sehr begeistert vom Maker Movement und ich glaube, es ist gut für eine Gesellschaft, wenn die Menschen nicht alles einfach nur in Geschäften kaufen. In den USA gibt es diese Tradition schon lange: Geschäfte für Heimwerker bieten Werkzeuge an, mit denen die Leute dann am Wochenende ihre eigenen Gewächshäuser bauen. Das ist gut und ich glaube, dass das durch Maschinen zur schnellen Herstellung von Musterbauteilen, Rapid Prototyping genannt, beschleunigt werden wird. Es ist aber utopisch zu glauben, dass die Wirtschaftlichkeit der Massenfertigung durch 3D-Drucker im Hobbykeller ersetzt werden kann. Es ist und bleibt sinnvoll, Produkte wie Autos oder Flugzeuge in der Masse herzustellen. Seit den Anfängen der industriellen Revolution gibt es die Hoffnung, dass man zu einer prä-urbanen, ländlichen Gesellschaft zurückkehren könne, nur mit neuen Werkzeugen. Das ist bisher nicht gelungen und ich glaube auch nicht, dass es jemals gelingen wird. Denken Sie, dass die Komplexität des heutigen Lebens bei den Menschen Unbehagen auslöst? Ja, ich denke schon. Es gibt da meiner Meinung nach eine Diskrepanz: Ich glaube, dass der Mensch traditionell in kleinen Gruppen funktioniert, die keine große wissenschaftliche oder technische Kompetenz erfordern. In der Tat aber leben wir in Staaten mit Grenzen und großen Gemeinschaften wie der Europäischen Union. Das ist nicht nur eine neue menschliche Erfahrung, ich glaube auch, dass es auf eine gewisse Weise gegen unsere Natur ist. Menschen wollen wie Schimpansen im Urwald in kleinen Gruppen wohnen. Um uns herum wuselt es aber wie in einem Ameisenhaufen. Das muss einfach alle möglichen sozialen und politischen Probleme mit sich bringen. Dabei sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Zehn Milliarden Menschen können nicht mit lokal hergestellten Produkten ernährt werden, die mithilfe von Solarstrom produziert werden. Die Deutschen versuchen das im Moment, aber es funktioniert nicht. Ein Dilemma: Die jetzige Situation sorgt bei vielen für Unbehagen und trotzdem verlassen wir uns mehr und mehr auf Technologie – man schaue sich nur die Finanzmärkte oder Autopiloten in Flugzeugen an, die immer mehr Funktionen übernehmen. Ich würde zwischen Technologie und Technik unterscheiden. Die Techno- logie ist die eigentliche Maschine, die Technik ist die Verwendung dieser Maschine. Die meisten dieser Beispiele für Technologie sind eigentlich Techniken. In den 1990er Jahren, bevor die USA den Finanzsektor deregulierte, war zum Beispiel genau dieselbe Technologie im Einsatz wie in den 2000er Jahren, also nach der Deregulierung. Es waren rein die rechtlichen Bedingungen, die sich veränderten. Wir haben eigentlich vollkommene Freiheit, wenn es darum geht, Dinge zu strukturieren. Es ist wie bei Leuten, die denken, sie lehnen Technologie ab. Eigentlich lehnen sie bestimmte soziale, politische und gesetzliche Rahmenbedingungen ab. Es spielt keine Rolle, welche Werkzeuge wir verwenden. Es gibt Kosten und es gibt Nutzen, alles eine Frage der Abwägung – aber unterm Strich liegt es an uns, die Gesellschaft so zu formen, wie wir sie haben wollen. Michael Lind US-amerikanischer Autor, der unter anderem für The New Yorker tätig war. Er ist Mitbegründer des Thinktanks New America. 35 Vorausdenken Vorausdenken „Ein Schubs in die richtige Richtung“ — Nudging als Alternative zu technischen Lösungen? schungsverbund Danish Nudging Network führte dazu folgendes Experiment durch: Neben den Lichtschaltern einer Universität wiesen Schilder darauf hin, dass 85 Prozent der Studenten das Licht beim Verlassen des Raumes ausmachen würden. Das führte dazu, dass das Licht insgesamt weniger oft angelassen wurde (ein Rückgang von 20 bis 26 Prozent) – es wurde effektiv Energie gespart. Und auch in den USA wird geschubst: Im heißen Kalifornien liegt es in der Natur der Sache, dass die Bürger bei Hitzewellen ihre Klimaanlagen einschalten. Das führte jedoch immer wieder zum Zusammenbruch der Stromversorgung. Psychologen kamen auf die Idee, die Einwohner darüber Text Björn Lüdtke 36 anstreben und weniger Wert auf die Einführung neuer Produkte legen. Soziale Innovationen sind neue Ansätze zum Erfüllen sozialer Bedürfnisse. Bekannte Beispiele sind fairer Handel, Mikrofinanzierungen, Arbeitszeitkonten, Gemeinschaftswährungen und mobile Apps zum Organisieren von Fahrgemeinschaften. Wie können Menschen zu sozialerem Verhalten angeregt werden? Ein neuerer Ansatz innerhalb der sozialen Innovationen ist das sogenannte Nudging, englisch für „schubsen“. Es handelt sich dabei um einen Ansatz, der sich mit der Frage beschäftigt, wie man Menschen zu sozialerem und produktiverem Verhalten anregen kann, ohne sie dabei zu bevormunden. Die Nudging-Theorie besagt, dass allein positives Feedback oder indirekte Anregungen – ein Anstoß oder eben ein Schubs – Gruppen und einzelne Personen genauso effektiv oder sogar effektiver beeinflussen können als direkte Anweisungen, Gesetze oder Zwang. Zum Einsatz kommen die sogenannten Nudges oft als Alternative zu technischen Lösungen. In einem Hotel in Dänemark beispielsweise hat man Äpfel in einer Auslage ausgestellt und versucht, mit einer alten Weisheit an der Wand dazu anzuregen, gesünder zu leben: „An apple a day keeps the doctor away.“ Die Konferenzteilnehmer fingen an, den gesunden Snack gegenüber Kuchen oder Schokolade zu bevorzugen, woraufhin das Hotel sein Obstangebot erweitern musste. Die technische Alternative? Mehr Diätprodukte entwickeln oder gar mehr Geld ins Gesundheitswesen stecken. Menschen auf die beschriebene Art und Weise dazu anzuregen, gesünder zu leben, ist jedoch auf jeden Fall nachhaltiger und kosteneffizienter. Nudges können auch ein einfaches und günstiges Mittel sein, um Menschen zum Energiesparen zu ermuntern. Der 2010 vom Dänen Pelle Guldborg Hansen gegründete For- Nudging-Klassiker: Anstoß zum Ausschalten des Lichts © iStock Ü berall auf der Welt sehen wir uns einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber: nicht nachhaltige Landwirtschaft, Klimawandel, hoher Energieverbrauch, eine alternde Bevölkerung und steigende Kosten im Gesundheitssektor sind dabei nur die dringlichsten. Traditionelle Ansätze scheitern immer häufiger bei dem Versuch, diese komplexen Probleme zu bewältigen. Staatliche Instrumente oder reine Marktlösungen genügen in den meisten Fällen nicht. Immer häufiger werden deswegen soziale Innovationen als Ergänzung oder Alternative zu traditionellen, meist technischen Problemlösungen gesehen. Dabei gibt es noch keine eindeutige Definition dafür, was soziale Innovationen eigentlich sind. Die Diskussionen dazu sind lang und zahlreich. Im Grunde genommen geht es aber schlicht um Folgendes: Jeder packt mit an, um positive Veränderungen für sich selbst und seine Mitmenschen herbeizuführen. Soziale Innovationen unterscheiden sich von technischen in erster Linie dadurch, dass sie die Veränderung bestimmter gesellschaftlicher Praktiken Im oft kalten Großbritannien liegt das Problem genau andersherum. Hier geht viel Wärme (und somit Energie) buchstäblich durch das Dach. Damit die Menschen ihre Heizungen weniger weit aufdrehen müssen – und somit der CO2-Ausstoß verringert wird –, wollte die britische Regierung die Bürger mit Subventionen zum Dämmen ihrer Dächer anregen. Das hat aber nicht funktioniert, die Subventionen wurden gar nicht erst abgerufen. Warum? Man hat herausgefunden, dass die Menschen vor einer Renovierung zurückschreckten, weil die meisten Dachstühle voll mit Gerümpel waren. Fortan gab man nicht mehr nur Finanzspritzen zum Isolieren des Dachs, sondern ließ gleich- zu informieren, wie sie im Vergleich zu ihren Nachbarn beim Stromverbrauch dastehen. Zusätzlich wurden auf den nächsten Rechnungen Smileys vergeben, je nachdem wie viel gespart wurde. Das verantwortliche Unternehmen Opower gibt an, seit 2007 2,8 Terawattstunden Strom eingespart zu haben. zeitig den Sperrmüll entsorgen. Das Resultat: Es wurden dreimal mehr Subventionen in Anspruch genommen. Die Idee, die Dachstühle räumen zu lassen, stammte vom Behavioural Insights Team, ein Beraterteam, das 2010 von der britischen Regierung gegründet wurde, um Verhaltens- wissenschaften im Allgemeinen und die Nudging-Theorie im Speziellen in praktische Anwendungen zu überführen. Das Team soll Menschen dabei helfen, bessere Entscheidungen für sich zu treffen. Eine erste Aufgabe des Teams bestand darin, mehr Steuern einzutreiben. Wie? Anstatt den Leuten mitzuteilen, dass sie noch Steuerschulden haben, lies man sie wissen, dass die meisten Einwohner ihrer Stadt schon bezahlt hätten. Das einfache Umformulieren der Briefe soll Mehreinnahmen in Höhe von 200 Millionen Pfund gebracht haben – und das ohne mehr Kosten zu verursachen. Das alles sind kleine Anstöße, die einen großen Effekt haben können. Beim Nudging geht es nicht um Verbote, sondern darum, Menschen frei entscheiden zu lassen – die Entscheidung jedoch zu lenken. Der Grat zur Bevormundung ist dabei aber schmal und so wundert es nicht, dass Nudging auch in der Kritik steht. Laut Theorie ist ein Schubs nur dann ein Nudge, wenn er das Verhalten von Menschen in einer vorhersehbaren Weise beeinflusst, ohne Optionen zu verbieten. Nicht jeder Eingriff, der einen frei entscheidenden und vernünftig handelnden Menschen beeinflusst, ist ein Nudge. Nudges setzen keine Anreize – weder positive noch negative. Ob das Ausnutzen von Schamgefühlen in diesem Sinne noch neutral ist, ist sicherlich diskussionswürdig. Außerdem wird die Nachhaltigkeit der Verhaltensänderung infrage gestellt. Allen Kritiken zum Trotz jedoch kann Nudging zu positiven Verhaltensänderungen beim Einzelnen und bei ganzen Gruppen führen. Nudges stellen oft günstige Alternativen zu so manch kostspieliger technischer Problemlösung dar. Werden sie mit gesundem Menschenverstand und Feingefühl angewendet, dann kann jeder von uns dazu angeregt werden, die Welt zu verändern – Schubs für Schubs. 37 Vorausdenken Vorausdenken Fünf Länder, eine Zukunft? W Text Björn Lüdtke, Yuki Sato, Ellen Lee, Angela Gruber, Luciana Ferrando, Raouia Kheder Fußball spielende Roboter 38 Links © Jiuguang Wang / Flickr (CC BY-SA 2.0) Rechts © HUISTEN BOSCH Wie Menschen in unterschiedlichen Kulturen ihr Leben mithilfe von Technologie neu gestalten ie in jeder Ausgabe von Zukunft schauen wir uns in fünf Ländern dieser Welt um. Wir wollen sehen, wo Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten liegen. Dieses Mal geht es dabei um neue technische Entwicklungen. Was sind die kulturellen Besonderheiten bei der Verbreitung und Akzeptanz von Technik in der jeweils betrachteten Kultur? Welchen Stellenwert nimmt sie in Japan, den USA, Deutschland, Argentinien und Tunesien ein und welchen Platz findet sie dort im Alltag? Den Anfang macht unsere Reporterin Yuki Sato in Japan. Japaner haben den Ruf, technischen Innovationen gegenüber besonders aufgeschlossen zu sein. Ist das tatsächlich so oder handelt es sich um ein Klischee? Und welche Erwartungen werden dabei an Roboter gestellt? Auch die USA sind immer ganz vorne mit dabei, wenn es um neue Anwendungen geht. Laut Ellen Lee könnte das vor allem am unangepassten Pioniergeist der Amerikaner liegen. Sie findet dort eine Kultur vor, „die Risikobereitschaft begrüßt und Menschen belohnt, die kluge Dinge tun“. Den Deutschen dagegen haftet das Image der Technik-Skeptiker an – und das, obwohl sie das Land der Tüftler und Denker sind. Haben sie dieses Image zurecht? Angela Gruber versucht, diese Frage zu beantworten. Luciana Ferrando schaut sich in Argentinien genauer um. Dort spielen neue Techniken im Alltag eine größere Rolle, als man das vielleicht vermuten würde. Das fängt schon bei der Bildung der Kleinen an und ist vor allem einem staatlichen Programm zu verdanken. Woran es in Tunesien liegt, dass es neue Technologien – abgesehen von Informations- und Kommunikationstechnologien – schwer haben, sich zu verbreiten, berichtet Raouia Kheder. Eines sei vorweggeschickt: An den Bürgern scheint es nicht zu liegen. Roboter am Empfang eines Hotels Japan — Roboter mit Seele Im Sommer 2014 stellte das japanische Telekommunikationsunternehmen SoftBank der Öffentlichkeit den humanoiden Roboter Pepper vor. Pepper hat einen menschenähnlichen Körper, zwei Augen, die blinzelnd Emotionen vermitteln, und einen großen Auftrag: Er soll Menschen glücklich machen, indem er „ihre Gefühle liest“. Touristen mag es überraschen, wenn sie in Japan in einigen Geschäften oder Hotels von humanoiden Robotern bedient werden. Für immer mehr Japaner werden sie indes zur Gewohnheit. Zugegeben, auch hier gehören Roboter noch nicht zum Straßenbild – das entspricht vielleicht eher einem Klischee. Trotzdem scheinen menschlich wirkende Roboter immer mehr Aufgaben zu übernehmen. Wieso ist man in Japan so offen für diese Art von Technologie? Ein Grund mag darin liegen, dass weltlichen und rationalen Werten hohe Bedeutung beigemessen wird, im Gegensatz zu traditionellen Werten, die sich um Familie, die lokale Gemeinschaft oder Religion drehen. In einer solchen Gesellschaft verlässt man sich lieber auf die Technik, als die Familie oder die Gemeinschaft um Hilfe zu bitten. Laut Shunsuke Aoki, CEO von Yukai Engineering, einem Unternehmen aus Tokio, das interaktive digitale Gadgets und Spielzeug herstellt, bevorzugen seine Kunden Produkte in Form von Puppen oder Figuren. Eines der Produkte ist Bocco, ein Familienroboter, der dafür sorgt, dass getrennt voneinander lebende Familienmitglieder in Verbindung bleiben. Er sieht aus wie ein Yokai, eine übernatürliche Figur aus dem japanischen Volksglauben. Aoki glaubt, dass Yokai eine wichtige Rolle bei der Einstellung zu Robotern spielen. „Seit dem Mittelalter glauben Japaner, dass Dinge, die immer wieder benutzt werden, wie zum Beispiel eine Tasse oder ein Teller, auch eine Seele haben und sich in ein Yokai verwandeln können. Diese Kultur beeinflusst noch immer die Interaktion der Menschen mit Dingen.“ Die Erwartung an Roboter als aktive Hilfe im Alltag scheint sich in der modernen japanischen Gesellschaft 39 Videobrille Oculus Rift immer stärker auszuprägen. Die öffentliche Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft New Energy and Industrial Technology Development Organization sagt dem heimischen Markt für Industrie- und Privat-Roboter ein Wachstum von 1,6 Billionen Yen im Jahr 2015 auf 9,7 Billionen Yen im Jahr 2039 voraus. Der Trend wird durch die demografischen Veränderungen in vielen kleinen und mittelgroßen Städten verstärkt. Die Gesundheitsverwaltung von Nanto zum Beispiel setzt für therapeutische Aufgaben Paro ein, eine Roboter-Puppe in Form einer Robbe. Sie soll einen beruhigenden Einfluss auf Patienten haben. Nach einer erfolgreichen Testphase beschloss die Stadt, sie in Dienst zu stellen, um Familien zu entlasten, die sich um ihre älteren Mitglieder kümmern müssen. Die Bevölkerung von Nanto ist in den letzten 25 Jahren um 40 20 Prozent auf 55.000 Einwohner zurückgegangen, wobei der Anteil der über 65-Jährigen 34 Prozent beträgt, 30 Prozent mehr als im japanischen Durchschnitt. Bevölkerungsverlust und eine alternde Gesellschaft sind Herausforderungen, denen sich viele japanische Städte gegenübersehen – und so steigen auch die Erwartungen an Roboter. USA — Offen gegenüber Neuem Eine Waschmaschine, die per SMS meldet, dass die Wäsche fertig ist. Ein selbstfahrendes Auto. Eine VirtualReality-Brille, mit der man ohne Schläger und Ball Tischtennis spielen kann. Bei der Verbreitung und Akzeptanz neuer Technologien setzen die Vereinigten Staaten immer wieder Maßstäbe. Woher kommt aber eine Kultur, die dem Neuen so offen gegenübersteht? Sie ist tief verankert in einer Gesellschaft, die auch heute noch die Unangepassten und die Risikobereiten feiert. Nehmen wir die amerikanische Popkultur, von Rock ’n’ Roll bis Hollywood. Oder die Erinnerungen an den Wilden Westen. Oder die stolze Historie von Immigranten, darunter Technikkoryphäen wie Elon Musk von Tesla oder Sergey Brin von Google. „Stellen Sie sich vor, wie es gewesen sein muss, als Amerika von europäischen Auswanderern besiedelt wurde. Sie mussten einfallsreich und risikobereit sein, um es überhaupt bis hierher zu schaffen“, sagt Lee Rainie, Direktor für Internet-, Wissenschafts- und Technologiestudien am Pew Research Center in Washington, D.C. „Das führt zu einer gewissen Kultur, die Risikobereitschaft begrüßt und Menschen belohnt, die kluge Dinge tun.“ Amerikanische Technikinnovationen basieren laut einem Bericht der Information Technology and Innovation Foundation, einem gemeinnützigen Thinktank in Washington, D.C., auch auf einem tief verwurzelten Interesse am Basteln, Erfinden und Verbessern. „In Kombination mit einer ausgeprägten Kultur des Individualismus macht es das leichter, eingefahrene Vorgehensweisen infrage zu stellen – ob Sie nun Steve Jobs oder ein Fabrikarbeiter sind“, stellt der Bericht fest. Es gibt aber auch Stimmen, die vor einer Kultur warnen, die nur noch von der nächsten Innovation besessen ist. Das American Enterprise Institute, ein weiterer Thinktank in Washington, D.C., warnt die Amerikaner davor, der „Faszination der Technikideologie“ zu erliegen. Das gefährde die Ethik und die Tugenden einer Gesellschaft. Immerhin sorgt man sich © iStock Vorausdenken © Kārlis Dambrāns / Flickr (CC BY 2.0) Vorausdenken seit Kurzem um Technikabhängigkeit – vor allem von Smartphones – und wie sie die Interaktion zwischen uns Menschen beeinträchtigt. Außerdem wird befürchtet, dass den USA bei den Innovationen die Puste ausgeht. Zum einen wird Unternehmern vorgeworfen, sie entwickelten nur noch Produkte, von denen nur wenige wohlhabende Menschen profitierten, und sie vernachlässigten größere, drängende Probleme wie Armut oder Klimawandel. Zum anderen weist zum Beispiel Eamonn Fingleton, der Autor von In the Jaws of the Dragon: America’s Fate in the Coming Era of Chinese Dominance („In den Klauen des Drachen: Amerikas Schicksal in der kommenden Ära chinesischer Dominanz“), darauf hin, dass chinesische Unternehmen in den letzten Jahren mehr Technikpatente angemeldet haben als USamerikanische. Trotzdem verläuft die technische Entwicklung im Land noch immer rasant. Da gibt es beispielsweise Oculus Rift, eine Virtual-Reality-Brille. Der erste Prototyp wurde 2012 von einem damals 20-jährigen Spielebegeisterten entwickelt und hat ein Wettrennen unter den Tech-Titanen Sony, Microsoft und Google ausgelöst: Wer kann als erstes Virtual Reality für den Massenmarkt anbieten? Im Jahr 2014 übernahm Facebook das Unternehmen Oculus VR. Die neueste Version der Brille wurde im Jahr 2015 vorgestellt, zusammen mit einem virtuellen Tischtennisspiel, das von Spielern gespielt werden kann, die Tausende von Meilen voneinander entfernt sind. „Ich glaube, ich habe in meinem Leben fünf oder sechs Computer-Demos gesehen, bei denen ich anschließend dachte, dass sie die Welt verändern würden“, sagte Chris Dixon, einer der Investoren von Oculus Rift dem Wired Magazine. „Apple II, Netscape, Google, iPhone – und jetzt Oculus. Das gehört in die gleiche, unglaubliche Kategorie.“ Deutschland — Tüftler und Denker Wer nach Deutschland kommt und ins Internet will, muss erst mal anfangen, nach Passwörtern zu fragen. Während man sich in anderen Ländern in jedem Café in ein offenes sierten Innenausstatter des Landes, gibt es seit Kurzem Glühbirnen zu kaufen, die sich per App steuern lassen. Die Digitalisierung kommt immer mehr in der Mitte der Gesellschaft an. Die Deutschen lieben Technik, Effizienz und Nützlichkeit der modernen Geräte. Gleichzeitig stellen sie Neuerungen infrage wie wenige andere Nachbarn. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aussieht, ist allerdings keiner. Deutsche Ingenieure beim Tüfteln WLAN einwählen kann, werden hier die Netzwerke geschützt. Der Grund: die Gesetzeslage. Denn wenn ein Dritter den Zugang zum Netz missbraucht, kann in Deutschland der Besitzer des Netzanschlusses haftbar gemacht werden. Gleichzeitig ist das Land Vorreiter in Sachen grüner Technologie: Überall stehen Windräder und Wasserkraftwerke, und Elektroautos sind hier nicht nur Utopie. Auch in den eigenen vier Wänden setzen die Deutschen auf Technik. Erfolgreiche Smart-HomeAnbieter wie das Münchner Start-upUnternehmen Tado mit seinem intelligenten Heizungssystem sind das beste Beispiel. Sogar bei Ikea, dem favori- „Weil das Neue eingespielte Prozesse durcheinanderbringt, wird es oft nicht nur als nutzlos, sondern als geradezu lästig empfunden“, moniert die Autorin Kathrin Passig in ihrem Text „Standardsituationen der Technologiekritik“. Dass Neues zunächst kritisch geprüft wird, bevor man es in den Alltag integriert, ist insbesondere in Deutschland der Fall: Ein neues Gerät, eine neue Technik, muss erst einmal seinen Mehrwert unter Beweis stellen. Die Deutschen haben bei technischen Neuerungen somit zwar hohe Ansprüche – richten sich dadurch aber letztlich so konsequent wie wenige andere Nationen in Richtung Fortschritt aus. 41 Vorausdenken Während Bürger anderer Nationen oft bedenkenlos in AGB und Nutzungsverträge internationaler Anbieter wie Facebook oder Skype einwilligen, sehen die Deutschen laut einer Umfrage von Statista aus dem Jahr 2014 auch das Überwachungspotenzial der Technik – die Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden trugen ihr Übriges dazu bei. In keinem anderen europäischen Land riefen sie eine solche Empörung hervor. Umfragen zeigen aber auch, dass das Image vom technikfeindlichen Deutschen keinesfalls gerechtfertigt ist. Ein gutes Drittel der Befragten kann sich laut der Umfrage aus dem Jahr 2014 ein Leben ohne Smartphone nicht mehr vorstellen. 47 Prozent finden es zudem „richtig spannend“, wie sich die technischen Möglich- Vorausdenken keiten im Zuge der Digitalisierung vervielfältigen. Im europäischen Vergleich blicken die Deutschen zwar insgesamt etwas nüchterner auf technische Neuerungen als ihre Nachbarn und stürzen sich nicht begeistert auf jede neue technische Spielerei, so der Dortmunder Techniksoziologe Johannes Weyer in einer Studie zum Thema. Die Daten liegen Weyer zufolge aber immer noch in der Nähe des europäischen Durchschnitts. In puncto neue Medien kommen die großen Entwicklungen – das tolle neue Smartphone oder die trendige App – eher aus dem angelsächsischen Raum. Die Deutschen dürfte das wenig stören. Das Hochtechnologieland ist der Platzhirsch wenn es um Ingenieurswesen und Maschinenbau Argentinien geht. Die technische Überlegenheit und das hohe Qualitätsbewusstsein zeigen sich in diesen klassischen Bereichen. Dort präsentiert sich Deutschland unangefochten als Land der Tüftler und Denker. Nicht zuletzt der Fokus auf diesen Kernbereich macht das Land zum nachhaltigsten Innovationsmotor Europas. Die Deutschen verteidigten auch 2014 ihren Spitzenplatz als „Patentkaiser“ der Europäischen Union. Knapp 32.000 Patente wurden 2014 angemeldet, die meisten aus der Industrie. Insgesamt gab es so viele Anmeldungen wie aus keinem anderen europäischen Land. Vielleicht ist eben das typisch deutsch: Kein großes Gerede über Innovationsfähigkeit, dafür die Zahlen für sich sprechen lassen. — Blick nach vorn 42 © TECHNIK BEGEISTERT e.V. © 2009, Intuitive Surgical, Inc. Da Vinci, das weltweit meistverwendete Operationsrobotersystem Aufregung und Enthusiasmus herrschten in der argentinischen Wissenschaftsgemeinde, als Buenos Aires, die Hauptstadt des Landes, Ende Juli 2015 Gastgeberin der International Joint Conference on Artificial Intelligence (IJCAI) war. Mit 1.200 Teilnehmern fand die weltweit wichtigste Konferenz im Bereich künstliche Intelligenz damit erstmals in Südamerika statt. Es ist wohl kein Zufall, dass Argentinien das auserkorene Land war. „Es ist eine Anerkennung und der Beweis, dass in Lateinamerika Argentinien im technologischen Fortschritt vorneweg ist“, meint Professor Guillermo Simari, Vorsitzender des lokalen Organisationskomitees der IJCAI. „Argentinier sind von neuen Ideen sofort begeistert und betrachten Technologie als Verstärker kultureller Entwicklung in allen Bereichen“, sagt Simari. Die Gründe für diese Offenheit sieht Simari, der auch Leiter des Instituts für Ingenieurinformatik an der Universidad Nacional del Sur in Bahía Blanca ist, in den kulturellen Eigenheiten der Argentinier. Der Satz des mexikanischen Autors Carlos Fuentes „Die Mexikaner kommen von den Azteken, die Argentinier von den Schiffen“ ist für ihn mehr als ein humorvolles Zitat. „Die Welle europäischer Immigration, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Argentinien ankam, hat einen klaren Unterschied zu anderen lateinamerikanischen Ländern hervorgebracht“, sagt Simari. „Immigranten möchten, dass ihre Kinder sich bilden, um bessere Positionen in der Gesellschaft zu erlangen. Dieser Input anderer Kulturen hat uns positiv beeinflusst. Er ist Teil unserer heu- Teilnehmerin bei der World Robot Olympiad ( WRO ) tigen Wesensart: Wir bewegen uns vorwärts und schauen nach vorn.“ Das spiegelt sich auch in der wachsenden Nutzung von Technologie und Robotik in der Bildung wider. Inzwischen gibt es alle Arten von Anwendungen in den Klassenzimmern. Grundschulkinder lernen programmieren, Schüler bauen Roboter, Rechner gehören zur Grundausstattung. Den Anstoß gab 2010 das staatliche Programm Conectar Igualdad, das landesweit 5,4 Millionen Netbooks an Schüler und Lehrer von Sekundarschulen verteilte. Bis dahin waren Netbooks exklusiver Luxus. „Conectar Igualdad hat ein Fenster zur Welt geöffnet und die technologische Kluft verkleinert“, sagt Monika Paves, Physikprofessorin und Geschäftsführerin von RobotGroup Argentinien. Das Unternehmen, das Roboter für den Erziehungsbereich baut, bietet Workshops (auch für Lehrer) an, arbeitet bei pädagogischen Projekten des Wissenschaftsministeriums mit und stellt didaktische Robotik-Kits her. „Wenn Kinder programmieren, eigene Ideen entwickeln und dann sehen, dass die Roboter, die sie bauen, so funktionieren wie sie sich das vorgestellt haben, wird ihre Motivation immer größer“, sagt Paves. So sieht das auch Marcelo De Vincenzi von der Universidad Abierta Interamericana (UAI). „Immer mehr Lehrer und Pädagogen nutzen die Robotik, um wissenschaftliche Grundlagendisziplinen zu erklären. Beispielsweise spielen sie Roboterfußball und die Kinder lernen dabei Mathematik oder Physik.“ Seit 16 Jahren organisiert die UAI die Olimpíadas Nacionales de Robótica (Robotik-Olympiade), bei der 250 Teams aus Schulen des ganzen Landes miteinander konkurrieren. Oder die Schüler designen selber Roboterteile und drucken sie mit einem 3D-Drucker aus. So macht es die Informatiklehrerin Alicia Siri mit Jugendlichen in ihren Klassen. Auch zu Hause ist Siri ein Tech-Fan. Sie hat einen Staubsauger-Roboter und bedient die Waschmaschine oder die Spülmaschine mit ihrem Smartphone. Die jungen Leute in ihrer 43 Vorausdenken lungsland sind.“ Doch die Experten sind sich einig: Talent, kreative Ideen und Know-how hat Argentinien in großer Fülle. Und mit Blick auf die jungen Generationen, die mit den neuen Technologien aufwachsen, sind sie überzeugt: Es wird noch besser! Neue Arten des Bezahlens in Tunesien Niere operieren lassen. Das Krankenhaus, wie auch das Hospital El Cruce-Néstor Kirchner, beide in Buenos Aires, besitzen „intelligente Operationssäle“ der neuesten Generation. „Vor 40 Jahren war mein Vater wegen einer ähnlichen Operation 15 Tage im Bett und hatte eine 30 Zentimeter lange Wunde. Meine maß nur drei Zentimeter und nach vier Tagen ging ich meinem normalen Leben wieder nach.“ Eine andere Anwendungsmöglichkeit von künstlicher Intelligenz, bei der eine Kamera Altenpfleger unterstützt, entwickelte Ricardo Rodriguez. Sie kam jedoch nicht zum Einsatz. „Für das Projekt gab es keine Investoren. Das ist ein häufiges Problem in Argentinien, da wir noch ein Entwick44 Tunesien — Lust auf mehr Mit einer Versorgungsrate von 53 Prozent liegt Tunesien bei der Internetnutzung auf dem zehnten Platz in Afrika. Knapp 6 der 11 Millionen Tunesier benutzen es. Bezogen auf die Zahl der User liegt das Land laut dem Marktforschungsinstitut Tunisie Sondage damit weltweit sogar auf Platz 66. Das ist beachtlich, bedeutet aber nicht, dass Tunesien seinem Ruf gerecht wird, wenn es um neue Technologien generell geht. „Neue Technologien“ bedeutet für die Mehrzahl der Tunesier ausschließlich „Internet“. Erwachsene über 40 Jahre räumen ein, nur grundsätzliche Anwendungen wie E-Mail oder Google zu benutzen, darüber hinausgehende Kenntnisse in Bezug auf Apps, Streaming oder Crowdsourcing aber nicht zu besitzen. Abdullah, ein 35-jähriger Verkäufer, beschränkt sich bei der Nutzung neuer Technologien auf Smartphone, Internet und Facebook: „Das ist alles, was ich nutzen kann. Sonst ist nichts zugänglich und sicher. Natürlich weiß ich, dass es andere Bereiche gibt, in denen neue Technologien zum Einsatz kommen. Die Automatisierung des Zuhauses ist ein gutes Beispiel. Natürlich gibt es die entsprechenden Technologien in Tunesien. Aber mir ist die Vorstellung, dass mein gesamtes Haus fernüberwacht wird, nicht geheuer. Was, wenn jemand mein Konto hackt? Mir ist absolut klar, dass so etwas anderswo funktionieren kann, aber nicht in Tunesien.“ Dieses Unbehagen ist tief verwurzelt und beruht auf Erfahrungen mit Korruption – von Computersystemen, Unternehmen, sogar der Regierung. Viele fürchten, Opfer von Betrug oder Hackerangriffen zu werden. Bei nachkommenden Generationen verschwindet diese Angst jedoch allmählich. In den Städten gibt es Communities von Computer-Geeks im Alter von 20 bis 30 Jahren, die alles ausprobieren: von Cloud Computing über Streaming bis hin zur Sharing Economy. Ramzi El Fekih beispielsweise versuchte mit mdinar, einem Projekt für mobiles Bezahlen, die Einstellung gegenüber dieser Technik in der Gesellschaft zu ändern. „Unser Projekt war in vielerlei Hinsicht seiner Zeit voraus. Und vor allem war es fortschrittlicher als die Verordnungen, die zu seinem Erfolg notwendig gewesen wären. Obwohl die Leute sich wegen der Sicherheit Sorgen machten, waren sie dem Produkt gegenüber sehr offen. Wir reden hier natürlich über die Jüngeren, die unter 35-Jährigen. Unser Problem waren die Verordnungen, die für unsere Entwicklung einfach nicht flexibel genug waren.“ Abgesehen von der ohnehin abnehmenden Skepsis gibt es nur wenige kulturelle Hürden, nämlich solche, die sich auf sensible Bereiche wie Religion und Tradition beziehen: Glücksspiel oder der Handel mit Aktien sind in vielen arabischen Ländern verpönt. Das größte Hemmnis ist der Zugang zu den neuen Technologien. „Ich kann mir keine spezielle Erfindung oder Technologie vorstellen, die nicht akzeptiert werden würde“, meint Ramzi El Fekih. „Ich denke, dass in Tunesien die Hindernisse mehr ökonomischer als kultureller Art sind. Der Wechselkurs und die fehlende Konvertierbarkeit des Dinars stehen der Entwicklung und Übernahme neuer Technologien sehr im Weg. Ich denke, dass die Tunesier jegliche neue Technologie übernehmen würden, wenn sie gut informiert werden und darin Vorteile erkennen.“ Wie so oft ist das Bild von fremden Kulturen mit Klischees behaftet. Dem einen oder anderen Klischee konnten wir auf die Schliche kommen. Wir haben herausgefunden, dass auch in Japan Roboter noch nicht zum Alltag gehören. In Argentinien dagegen spielen sie seit ein paar Jahren vor allem in der Bildung eine recht große Rolle. Die Deutschen schauen bei neuen Technologien zwar genauer hin, Technik-Muffel sind sie deswegen aber noch lange nicht. In Tunesien hätte man diese Probleme wohl gerne. Dort liegt es eher an äußeren Umständen, dass sich neue Technologien nicht so schnell verbreiten können. Nur die Amerikaner werden ihrem Ruf als unangepasste Pioniere gerecht – zumindest in unserer kleinen Reise um den Globus – und können zurecht als unerschrockene Vorreiter in Sachen Technologie gesehen werden. Eines aber haben alle Kulturen gemeinsam: Die Technik gehört zum Alltag und auch ihr kultureller Stellenwert verfestigt sich immer mehr. In dem einen Land vielleicht schneller als im anderen, aber tendenziell ist abzusehen, dass sich die Gewohnheiten in Bezug auf ihren Gebrauch weltweit angleichen. Wie wir sie für unseren eigenen Fortschritt nutzen – das liegt in unseren eigenen Händen. Die fünf Länder im Vergleich Japan USA Deutschland Argentinien Tunesien A. Auch vor der Ein- A. Sorgen um die A. Ein gutes Drittel A. 71 % der Befrag- A. Zwei von drei führung von Smartphones waren „normale“ Handys schon internetfähig Abhängigkeit von Smartphones machen sich breit B. Die ersten fahrer- B. Roboter sollen bei der Pflege der überalternden Gesellschaft helfen losen Autos fahren auf den Straßen von Kalifornien der Befragten einer Umfrage kann sich ein Leben ohne Smartphone nicht mehr vorstellen eine Seele haben Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen und risikobereit ten einer Umfrage gehen ohne das Smartphone nicht aus dem Haus B. Smart Homes werden immer beliebter Tunesiern hätten gerne ein Smartphone B. Neue Techno- B. Roboter werden C. Amerikaner sind C. Auch Technik kann © iStock Umgebung seien davon fasziniert, aber „Menschen über 45 sehen nicht, warum sie Geld dafür ausgeben sollen“. Sie selbst dagegen versteht die Nutzung von Technologie als Verbesserung ihrer Lebensqualität. Auch deswegen hat sie sich im Hospital Italiano von einem Roboter an ihrer Vorausdenken in der Bildung eingesetzt logien kommen hauptsächlich in den Städten zur Anwendung C. Argentinier beC. Neues muss sich erst bewähren trachten Technologie als Verstärker kultureller Entwicklung C. Nachwachsende Generationen verlieren Berührungsängste A. Smartphone-Gewohnheiten B. Technologie im Alltag C. Kulturelle Besonderheit 45 Vorausdenken 46 Vorausdenken 47 Vorausdenken Vorausdenken Volle Kraft voraus Generator übertragen. Dessen Herzstück ist ein Magnet, der sich, angetrieben durch die Turbine, in einer Spule bewegt. Dabei entsteht Spannung – und Strom fließt. Die derzeit effizientesten Stein- und Braunkohlekraftwerke verwandeln rund 46 Prozent der Energie, die im Brennstoff steckt, in Strom. Doch das Ende der technologischen Entwicklung ist damit noch nicht erreicht, meint Professor Alfons Kather, der das Institut für Energietechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg leitet. „Ein Wirkungsgrad von 50 Prozent ist mittelfristig durchaus möglich“, erklärt der Wissenschaftler. Der wichtigste Ansatzpunkt: Je höher Temperatur und Druck im Kessel, desto mehr Text Ralph Diermann Illustration Jan Erlinghagen Aus Brennstoff wird Hitze, aus Hitze wird Bewegung, aus Bewegung wird Strom — das ist das Prinzip vieler Kraftwerke. Forscher aus Industrie und Wissenschaft arbeiten daran, diesen Prozess noch effizienter zu machen. Strom lässt sich aus der Kohle holen. Bislang allerdings ist bei etwa 600 Grad und einem Druck von 300 bar Schluss, da die Komponenten der Anlage sonst zu schnell verschleißen würden. Industrie und Forschung entwickeln deshalb bereits neue, widerstandsfähige Werkstoffe auf Basis von Nickel. Die Werkstoffe sollen einer Temperatur von 700 Grad und einem Druck von 350 bar standhalten. Das kann den Wirkungsgrad um etwa zwei Prozentpunkte steigern. Und auch bei den Turbinen ist noch etwas zu holen, zeigt sich Kather überzeugt. „Die Strömungsführung lässt sich noch verbessern“, sagt der Forscher. Bilden sich nämlich Wirbel oder Abrisse, wenn der Dampf die Turbinen durchströmt, geht Energie verloren. Wissenschaftler der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule ( RWTH ) Aachen und der Universität Hannover arbeiten daher momentan an neuen Schaufelprofilen, die solche Strömungsverluste so weit wie möglich vermeiden sollen. Der Siemens-Experte Stefan Lampenscherf dagegen will die Abwärme der Kraftwerke nutzen, um aus dem Brennstoff mehr Strom zu gewinnen. Dazu entwickelt der Forscher mit seinem Team bei Siemens sogenannte thermoelektrische Generatoren. Das sind spezielle Halbleiter, an deren Oberfläche eine elektrische Spannung entsteht, sobald dort Temperaturdifferenzen auftreten – etwa wenn die eine Hälfte des Materials von einem Abwärmestrom aufgeheizt und A ls die EU vor einigen Jahren das Aus für konventionelle Glühlampen beschloss, hatten zwei Unternehmer aus dem Ruhrgebiet eine pfiffige Idee. Um das Verkaufsverbot zu umgehen, deklarierten sie die Birnen einfach als Miniatur-Heizkörper. Ihre Argumentation: Die Lampen liefern in erster Linie Wärme, das Licht ist nur ein Abfallprodukt. In der Tat beträgt der Wirkungsgrad einer Glühbirne gerade einmal fünf Prozent – nur ein Zwanzigstel der aufgewendeten Strommenge wird in Licht umgewandelt. Der große Rest entweicht als Abwärme in die Umwelt. Hoher Einsatz, niedriger Ertrag: Kein Wunder, dass die EU diese Technologie aus den Läden verbannt hat. Der Klimaschutz verlangt, Energie so produktiv wie möglich zu nutzen. 48 Effizienz ist also das zentrale Gebot. Das gilt jedoch nicht nur für den Verbrauch von Energie, sondern auch für deren Erzeugung. Denn je mehr Strom sich aus den eingesetzten Der Klimaschutz verlangt, Energie so produktiv wie möglich zu nutzen Ressourcen in den Kraftwerken gewinnen lässt, desto besser fällt die Klimabilanz der Anlagen aus. Die Internationale Energieagentur IEA erwartet, dass bis 2035 weltweit insgesamt 23 Billionen US-Dollar in konventionelle Kraftwerke – allen voran Kohlekraftwerke – investiert werden. Vor allem China und Indien sowie mehrere südostasiatische Staaten wollen in den nächsten Jahren zahlreiche neue Kohlekraftwerke bauen. Jeder noch so kleine Effizienzgewinn bedeutet daher eine spürbare Entlastung für das Klima. Kohlekraftwerke funktionieren im Grunde wie ein Schnellkochtopf: Durch das Verbrennen von Steinoder Braunkohle wird Wasser erhitzt bis es verdampft. Dabei baut sich im Inneren der Anlage ein hoher Druck auf. Der Wasserdampf wird zu einer Turbine geleitet. Dort entspannt er sich, indem er die Turbinenschaufeln durchströmt – ähnlich dem Öffnen des Ventils am Kochtopf. Vom Dampf in Bewegung gesetzt, rotiert die Turbine mit 3.000 und mehr Umdrehungen pro Minute. Diese mechanische Energie wird über eine Welle auf den © iStock Staudamm eines Wasserkraftwerks in Manitoba, Kanada 49 Vorausdenken stoff. Vielerorts ist aber gar nicht genug Biomasse verfügbar, um diesen Bedarf zu decken. Professor Mohammad Asadullah von der Technischen Universität MARA in Malaysia will dieses Problem jetzt Turbine im Inneren eines Wasserkraftwerks geht es zum Beispiel darum, aus der Abwärme eines Verbrennungsmotors Strom zu erzeugen, um die Lichtmaschine zu entlasten“, erklärt Lampenscherf. „Mit der Weiterentwicklung der Technik werden wir aber auch Anwendungen in der Industrie- oder Kraftwerkstechnik sehen, mit denen sich Leistungen im Kilo- oder sogar Megawattbereich erzielen lassen.“ Dampf und Druck, Turbine und Generator – dieses Prinzip funktioniert nicht nur mit Kohle, sondern genauso mit CO2-neutralen Brennstoffen wie Holz und anderer Biomasse. Technisch gesehen macht es kaum einen Unterschied, welcher Brennstoff die Hitze für die Verdampfung des Wassers im Kraftwerkskessel liefert. Deutlich größer dagegen ist die logistische Herausforderung, wenn Anlagenbetreiber Biomasse einsetzen wollen. Denn Dampfkraftwerke benötigen gewaltige Mengen an Brenn50 auf ungewöhnlichem Wege lösen: Er schlägt vor, die Biomasse nicht zu verbrennen, sondern zu vergasen. Solche Anlagen brauchen deutlich weniger Brennstoff als herkömmliche Kraftwerke mit Dampfturbine, da sie wesentlich kleiner sind. Die Vergasertechnologie ist dabei nicht neu. Doch erst jetzt haben Industrie und Forschung das Problem der Teerbildung in den Griff bekommen, die den kommerziellen Einsatz lange Zeit verhinderte. „Die Probleme sind gelöst“, sagt Asadullah. „Die Vergasung von Biomasse ist technisch wie wirtschaftlich machbar.“ Der besondere Charme des Konzepts liegt in der Vielfalt der möglichen Rohstoffe – ZuckerrohrBagasse zum Beispiel lässt sich genauso einsetzen wie Reisstroh oder Reststoffe aus der Palmöl-Produktion. Damit ist das Konzept besonders für Länder interessant, in denen das — Gas- und Dampfheizkraftwerk Stromnetz nur rudimentär ausgebaut ist (beispielsweise Vietnam, Nepal und Kenia) und die mit Kleinkraftwerken eine dezentrale Energieversorgung aufbauen wollen. Blockheizkraftwerke zum Beispiel arbeiten häufig mit Gasturbinen, wie sie auch – in deutlich leistungsstärkeren Varianten – in großen Gaskraftwerken zum Einsatz kommen. Sie werden nicht von komprimiertem Wasserdampf, sondern von einem Luft-Gas-Gemisch angetrieben. Wird dieses Gemisch verbrannt, dehnt es sich aus und setzt dabei die Turbinen in Bewegung. Und warum nicht zusätzlich auch die energiereichen Abgase nutzen, um Strom zu erzeugen? Dieser Gedanke stand Pate bei der Entwicklung der Gas- und Dampfkraftwerke, kurz GuD-Kraftwerke. Sie kombinieren eine oder mehrere große Gasturbinen mit einer Dampfturbine. Die heißen Abgase aus der Gasturbine werden genutzt, um Wasserdampf für die Dampfturbine zu erzeugen. Mit dieser Koppelung erreichen die Anlagen Wirkungsgrade von bis zu 60 Prozent. Keine andere Kraftwerkstechnologie verwertet den Energiegehalt der Brennstoffe so gut wie GuD-Anlagen. Zudem sind sie flexibel – sie können relativ schnell auf Schwankungen bei der Einspeisung von Wind- und Solarenergie reagieren. Damit bieten sie beste Voraussetzungen, um zum Wegbereiter der globalen Energiewende zu werden. Erdgas wird mit komprimierter, heißer Luft gemischt und verbrannt. Dabei entsteht ein über 1.000 Grad heißes Verbrennungsgas, das die Schaufeln einer Gasturbine mit hohem Druck in Rotation versetzt. Diese Drehbewegung treibt einen Generator an, der Strom erzeugt. Die Abgase aus der Gasturbine sind immer noch rund 5 3 9 1 7 4 8 Umdrehungen pro Minute der in Bewegung gesetzten Turbinen 3.000 10 2 6 © iStock die andere Hälfte der deutlich kühleren Umgebungsluft ausgesetzt wird. Je größer der Temperaturunterschied, desto stärker der Effekt. „Momentan konzentriert sich die Forschung vor allem auf die Verkehrstechnik. Da Vorausdenken 1 2 3 4 5 Luftzufuhr Kompressor Gaszufuhr Gasturbine Abhitzekessel 6 Dampfturbine 7 Heizkondensator 8 Generatoren 9 Transformator 10 Stromnetz 600 Grad heiß – genug, um in einem Abhitzekessel mithilfe eines Wärmetauschers Wasserdampf zu erzeugen, der dann in eine Dampfturbine geleitet wird. Vom Dampf unter Druck gesetzt, beginnen sich die Turbinenschaufeln zu drehen. Eine Welle überträgt diese Bewegung dann auf einen zwei- ten Generator. Nachdem der Wasserdampf die Turbine durchströmt hat, wird er in einem Kondensator abgekühlt. Aus dem Dampf wird wieder Wasser, das in den Abhitzekessel zurückgepumpt wird. So entsteht ein geschlossener Wasserkreislauf. Ein Transformator bringt den Strom aus den beiden Generatoren schließlich auf eine höhere Spannung, sodass er ins Stromnetz eingespeist werden kann. 51 Vorausdenken Vorausdenken Kreative Megacitys Text Chris Schinke Wie Bewohner ihre Stadt selbst mitentwickeln können Blaupause für die moderne Stadt: New York City, USA 52 © iStock D ie Zahlen klingen gewaltig. Laut aktuellen Schätzungen der Vereinten Nationen könnte die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2100 auf bis zu 12,3 Milliarden Menschen anwachsen. Den UN-Forschern zufolge ist mit einem Abflauen des Wachstums erst einmal nicht zu rechnen. Wo aber werden diese vielen Menschen leben? Und vor allem: unter welchen Umständen? Die UN-Zahlen legen ebenfalls nahe, dass in Zukunft zwei Drittel der Weltbevölkerung in Metropolen leben werden. Der Trend zur Urbanisierung ist also ungebrochen. Aus Citys werden so Megacitys – Städte, die sich ganz neuen, ungeahnten Herausforderungen zu stellen haben. Dieses Wachstum erfordert Planung und jede Menge kreative Gestaltung. Denn wo so viele Menschen zusammenrücken, muss ein funktionierendes Miteinan- der auch organisiert werden. Das ist die Aufgabe kreativer und vorausschauender Städteplanung. Neben den Verwaltungen stellen sich dieser Aufgabe auch vermehrt In Zukunft werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Metropolen leben kreative und engagierte Bürger, die sich zu privaten Initiativen zusammenschließen. Oft sitzen die Akteure in luftigen Künstler-Ateliers, DesignLabs und Architekten-Studios. Unter dem Schlagwort „Tactical Urbanism“ bündeln derzeit weltweit kreative Köpfe Ideen zur zukünftigen Gestaltung unserer Städte, auch von Megacitys wie Mumbai, Hongkong, Lagos oder New York. Aber wer sind diese Kreativen? Und wie stellen sie sich unser Zusammenleben in Zukunft vor? Einer von ihnen ist Pedro Gadanho. Er ist Kurator für zeitgenössische Architektur am MoMA, dem Museum for Modern Art in New York. In jüngster Zeit führte er für verschiedene Projekte interdisziplinäre Teams zur Arbeit an urbanen Fallstudien zusammen. Pedro Gadanho liegt eines am Herzen: die Gestaltung und Weiterentwicklung unserer architektonischen Wirklichkeit. Ihm zufolge müssen Einwohner diese – neben der Planung durch Behörden – zum Teil selbst in die Hand nehmen. Gefordert sind in Zukunft dabei auch ungewöhnliche Methoden. 53 Vorausdenken Vorausdenken 54 meller Mietmarkt in der Metropole am Hudson River entwickelt hat. Ausgehend vom Engagement lokaler Initiativen gelang es, die Anliegen von Mietern, Interessenvertretern der Kommune, Non-Profit-Unternehmen Derzeit bündeln weltweit kreative Köpfe Ideen zur zukünftigen Gestaltung unserer Städte und städtischen Behörden zu bündeln und einen Cooperative Housing Trust, einen Wohnbaugenossenschaftsfonds einzurichten, der langfristig bezahlbaren Wohnraum sichern und gleichzeitig soziale Gerechtigkeit schaffen soll. Ausgangspunkt der Überlegungen war der hohe Bestand an leerstehen- ren. Das Prinzip ist denkbar einfach: Leih ein Buch aus, lies es, bring es zurück oder, falls du es behalten willst, bring stattdessen ein neues. Von ihren Schöpfern ist die Little Library als gemeinschaftsbildendes Projekt gedacht – ein Merkmal, das viele Ansätze der Uneven-Growth-Initiative eint. Darüber hinaus soll es passionierte Leser in ihrer Liebe zur Literatur einander näher bringen. Und in der geschäftigen Vier-MillionenEinwohner-Stadt Melbourne bietet sie einen idealen Ort, um ein wenig Entspannung vom stressigen Alltag zu finden. Wie diese Beispiele für Tactical Urbanism zeigen, steht in dessen Zentrum die Idee, sich Wissen anzueignen, dieses Wissen mit der Gemeinschaft zu teilen und möglichst vielen In- dividuen den Zugang dazu zu ermöglichen. Ein Selbstzweck ist dieses Wissen dabei nicht. Es dient immer dazu, der bestehenden Realität neue Impulse für die Zukunft zu geben und Theorie in gelebte Praxis zu verwandeln. Eine Praxis, die auf eine Verbesserung des Lebens möglichst vieler Menschen abzielt. Das sieht auch Pedro Gadanho so. Auf die Frage, wie er sich seine Ideal-Stadt der Zukunft vorstellt, antwortete er: „Sie ist groß, lebendig, vielschichtig, dicht, ausgefallen und kulturell reichhaltig – allerdings mit einem Minimum an Verkehrsaufkommen und ohne extreme soziale Unterschiede.“ Alles in allem hört sich das nach einer Stadt an, in der es sich lohnen würde, zu leben. Von den Benutzern organisiert: die Little Library in Melbourne, Australien © The Shopping Sherpa / Flickr (CC BY-ND 2.0) Auch Pedro Gadanhos Visionen sind inspiriert von der immer beliebter werdenden Idee des Tactical Urbanism. Auf die Frage, wie er den Begriff für sich definiere, gibt Gadanho an: „Ich verstehe darunter spontane Bottom-upInterventionen in Städten.“ Diese Von-unten-nach-oben-Konzepte sehen vor, dass Bürger die Herausforderungen der realen Welt selbst angehen. „Umgesetzt werden sie von Künstlern, Architekten und Designern in Zusammenarbeit mit den örtlichen Kommunen. Dazu zählen aber auch Initiativen von engagierten Privatpersonen, auf deren Bedürfnisse die Behörden nicht immer reagieren.“ Vor Pedro Gadanhos Haustür des MoMA findet sich ein Beispiel einer solchen Bottom-up-Intervention: Bekanntermaßen ist der New Yorker Wohnraum kaum noch bezahlbar. Globale Investmentbewegungen und auch profitorientiertes Bauen haben die soziale Kluft in New York in den letzten Jahren immens vergrößert, sodass sich in jüngster Zeit ein infor- breite Öffentlichkeit, ihrerseits Beispiele für urbane Taktiken abzugeben. Die Aktion war ein voller Erfolg. Hunderte Zuschriften, die auf der Website einzusehen sind, zeigen, dass die Idee des Tactical Urbanism beginnt, weltweit Funken zu schlagen. Engagierte Aktivisten aus ganz Europa, Lateinamerika, Südostasien und den USA bilden dabei eine Bewegung, auf deren zukünftige urbane Visionen man gespannt sein darf. Ein besonders kreativer Beitrag kam dabei aus der australischen Metropole Melbourne. Die Bewohner der zweitgrößten Stadt des Kontinents hatten die Idee zur Little Library – einer spontan in einem ehemaligen Einkaufszentrum eingerichteten Bibliothek mit einem Gratis-Ausleihsystem, das die Benutzer selbstständig organisie- © iStock Bahnhof in Mumbai, Indien dem Wohnraum in New York, der durch den gemeinnützigen Trust erworben werden soll. Im Laufe der letzten Jahre gelang es dem Genossenschaftsfonds so, Wohnraum für annähernd 200.000 Menschen zu schaffen. Von dem Engagement profitieren Familien, ältere Menschen, Geringverdiener und sogar Obdachlose, denen der Zugang zum Mietmarkt bisher versperrt war. Das Problem unbezahlbar gewordener Mieten in der Ostküsten-Metropole ist damit zwar keineswegs gelöst, aber das Engagement zeigt für die Zukunft reale Alternativen zum scheinbar unveränderlichen Status quo auf. Auch ein Blick in andere Regionen der Welt lohnt sich, um Beispiele für Tactical Urbanism in der Praxis zu finden, etwa nach Indien. In der 12,5-Millionen-Einwohner-Metropole Mumbai, dem ökonomischen und kulturellen Impulsgeber des Landes, haben sich in den letzten Jahren einige besonders kreative Taktiken entwickelt, um mit dem rasanten Wachstum der Stadt Schritt zu halten. Ausdruck dieser architektonischen Kreativität ist ein vielversprechendes Modell: das der sogenannten Tool Houses. Sie bieten sowohl Wohnraum als auch Flächen für effizient wirtschaftende Unternehmen sowie für Produktionsstätten. Auf engstem Raum vereinen sie Gesellschaftsbereiche des öffentlichen Lebens und der Familie. Durch ihre kompakte Bauweise fügen sie sich optimal in bestehende Ensembles der Stadt ein, lassen sich in kürzester Zeit errichten und sind beliebig erweiter- und aufstockbar. In jüngster Zeit haben Mumbais Tool Houses derartig an Beliebtheit gewonnen, dass es selbst Modedesigner, Schriftsteller und Doktoren in die robusten Mini-Bauten zieht. Zurück zu Pedro Gadanho: Anfang 2015 startete er einen Aufruf auf der Online-Plattform „uneven-growth. moma.org“. Er appellierte an eine 55 Vorausdenken Vorausdenken Spezialisten sind unersetzbar DER TECHNOLOGIE-TÜFTLER Tobias Hägele, voestalpine Polynorm GmbH & Co. KG Schwäbisch Gmünd, Deutschland Es gibt Menschen, die haben ganz besondere Fähigkeiten. Im Falle von Tobias Hägele sind das Vorstellungsgabe, das Gespür für das Machbare und vor allem Beharrlichkeit. Der Projektleiter für die Serie und neue Technologien entwickelt nicht nur Verfahren bis ins kleinste Detail, er bringt diese auch zur Serienreife, wie beispielsweise bei der Produktion von Pressteilen für die Automobilindustrie. Bei Hägele und seinem Team treffen Geistesblitze auf Fachwissen – und daraus entsteht immer wieder etwas Neues. Text Björn Lüdtke Illustration Philipp Herrmann Um qualitativ höchstwertige Produkte anbieten zu können, braucht es weltweit Mitarbeiter, die auf ihrem Gebiet ganz besondere Fähigkeiten haben. Vier davon wollen wir Ihnen vorstellen. DER TALENT-FINDER Harald Mühleder, voestalpine Stahl GmbH Linz, Österreich Harald Mühleder hat einen treffsicheren Blick für Talente und sorgt so mit für unsere Zukunft. Er schätzt ab, wie sich ein Mensch mit Potenzial entwickeln wird. Dafür braucht es ein Gespür für technische und menschliche Entwicklungen, Einfühlungsvermögen, aber auch den prüfenden Blick, wie sich das gefundene Talent entwickelt. Ob er die richtige Einschätzung getroffen hat, zeigt sich bei Wettbewerben, zu denen die Talente entsandt werden. Belohnt wird er mit mehrfach preisgekröntem Nachwuchs, den er fordert und fördert. DER WALZEN-FLÜSTERER Wolfgang Hochfellner, voestalpine Schienen GmbH Leoben, Österreich Wolfgang Hochfellner ist Walzmeister bei der voestalpine Schienen GmbH in Österreich und sorgt mit dem Team des Walzwerks dafür, dass beim Walzen von bis zu 120 Meter langen Schienen alles glatt läuft. Der Walzvorgang ist komplex und das Produkt muss absolut fehlerfrei sein. Damit dies gelingt, sind die Voreinstellungen wichtig, aber auch die rasche und kontrollierte Reaktion, wenn es zu Unregelmäßigkeiten kommt. Läuft in der Tat mal etwas nicht rund, dann erkennt Hochfellner das am Geräusch – so gut kennt er die Walzanlage. 56 DER STAHL-ERFINDER Sebastian Ejnermark, Uddeholms AB Hagfors, Schweden Wer eine neue Stahlsorte braucht, für den ist Sebastian Ejnermark der richtige Mann. Er ist Materialentwickler und der Spezialist, wenn es darum geht, neue Legierungskombinationen zu finden, die ganz bestimmte Anforderungen unserer Kunden erfüllen. Ejnermark weiß: Die Mischung macht’s. Welche Legierungen bewirken was und mit welchem Verhältnis wird die gewünschte Eigenschaft im Endprodukt erreicht – von superhart bis extrem korrosionsbeständig. 57 Neugierig bleiben Ideen Wirklichkeit werden lassen Als weltweiter Verbund unabhängiger Spezialisten bringen wir für jedes Projekt die richtigen Köpfe und Kompetenzen an einen Tisch und bieten ein Maximum an Erfahrung und Know-how. So ermöglichen wir auf vielfältige Weise Vorsprung und Fortschritt und sichern damit auch den Erfolg unseres Unternehmens. 60 Mission zum Mars Der Traum vom Leben auf dem Mars könnte wahr werden 66 Lichtblicke aus dem Orbit Spektakuläre Aufnahmen der Erde vom Satelliten Suomi NPP 70 Wenn Essen Leistung steigert Können wir uns schlauer, gesünder und schöner essen? 74 Clevere Riesen Entwicklungen bei Nutzfahrzeugen 76 Individualisierung des Alltags Wenn Dienstleistungen den Menschen in den Mittelpunkt stellen 58 59 Neugierig bleiben Neugierig bleiben Mission zum Mars Text Louisa Preston Der Traum vom Leben auf dem Mars könnte wahr werden Mars-One-Siedlung 60 61 Neugierig bleiben 62 Die Entdeckung fremder Welten im All ist die größte Herausforderung für die Menschheit Wir sind aber immer noch äußerst optimistisch. Der Mars ist derzeit die einzige uns bekannte Welt, die ausschließlich von Robotern bewohnt ist: Bis jetzt wurden 14 Orbiter und mehrere Rover (Erkundungsfahrzeuge) auf seine Oberfläche geschickt. Sie sollen den Planeten nach Hinweisen auf kohlenstoffbasiertes Leben und Anzeichen von Leben absuchen. 2016 sollen mit dem ExoMars Trace Gas Orbiter der europäischen Weltraumorganisation ESA und dem NASAProjekt Insight zwei bahnbrechende Missionen auf den Weg zum Mars gebracht werden. Die Landung ist für Oktober geplant. Die dabei abgesetzten Messinstrumente sollen Antworten auf die Frage liefern, wie der Mars und andere Gesteinsplaneten entstanden sind und sich entwickelt haben. Daneben sollen sie den Zustand der Atmosphäre aufzeichnen und – ganz wichtig – dabei helfen, einen Landeplatz für den ExoMars Rover, der 2018 starten soll, zu finden. Dieses mobile Labor soll mithilfe von Bohrungen in den Untergrund nach Spuren von Leben im Gestein suchen. Bis zum Jahr 2020, so die Hoffnung, werden wir dann wissen, ob es Leben auf dem Mars gab oder gibt. All diese Missionen verfolgen aber noch einen anderen Zweck. Sie sollen uns Aufschluss über die gegenwärtigen und zukünftigen Bedingungen auf dem Mars geben. Damit könnte dann der nächste große Schritt für die Menschheit geplant werden: eine auf zwei Planeten beheimatete Gattung zu werden. Menschen haben bereits den Mond betreten und einige leben derzeit Farm in einer Mars-One-Kapsel Innenansicht einer Mars-One-Kapsel © Bryan Versteeg / Mars One Wohnbereich einer Mars-One-Kapsel Erde. Heute wissen wir, dass auf dem Mars Wasser rar und die Luft toxisch ist und dass der Planet kein Magnetfeld mehr besitzt. Ohne diesen Schutzschild ging die Atmosphäre des Planeten zu großen Teilen verloren; die Marsoberfläche war kosmischer Strahlung und Sonnenstrahlung ausgesetzt und wurde nahezu unbewohnbar. Seite 60 – 61 © Bryan Versteeg / Mars One Links © Bryan Versteeg / Mars One B ereits vom 19. Jahrhundert an gab es in der Populärkultur die Vorstellung, der Mars sei oder war bewohnt und es existiere dort eine fortschrittliche Lebensform, die den Planeten mit Wasserkanälen überzogen habe und vielleicht auch unmittelbar davor stünde, die Erde zu kolonisieren. Als die Technik dann soweit war, wurden Satelliten entwickelt, die den Mars umkreisen und die ersten Nahaufnahmen von seiner Oberfläche machen sollten. Die ersten Missionen endeten oft noch vor Austritt aus der Erdatmosphäre katastrophal. Erst der amerikanischen Sonde Mariner 4 gelang es im März 1965 nach einer 54,6 Millionen Kilometer langen, 7,5 Monate dauernden Reise durch das Weltall, am Mars vorbeizufliegen und dabei Aufnahmen vom roten Planeten zu machen. Dieser mit Spannung erwartete Vorbeiflug zerstörte jegliche Hoffnung auf eine üppige, erdähnliche Welt mit wasserführenden Flüssen und Städten, die von menschenähnlichen Marsianern bevölkert sind. Der Mars zeigte sich stattdessen als eine von Staub bedeckte, eisige und unfruchtbare Welt mit Kratern und tiefen Tälern. Eine Welt, die eher dem luftund leblosen Mond ähnelte als der Neugierig bleiben sogar im All. Sie fliegen mit fast acht Kilometern pro Sekunde über uns hinweg und umkreisen die Erde 15,5 Mal am Tag. Das ultimative Ziel von Raumfahrtbehörden, Non-ProfitOrganisationen und der Öffentlichkeit ist es aber, Menschen auf den Mars zu schicken. Elon Musk gründete SpaceX, um den Mars zu besiedeln, und Jeff Bezos (Amazon), Paul Allen (Microsoft) und der Computerspieldesigner John Carmack haben große Summen aus ihrem Privatvermögen in die Erforschung des Weltalls investiert. Die Frage ist nun lediglich, wer den Mars zuerst erreicht und ob diese mutigen Menschen jemals wieder zur Erde zurückkehren können. Angesichts der ungastlichen und im Wesentlichen toxischen Umgebung auf dem Planeten stellt sich auch die Frage, weshalb jemand überhaupt dorthin möchte. Eine Antwort könnte sein: zum Selbstschutz, als eine Art Lebensversicherung, um das Erdenleben zu bewahren, das von einer Vielzahl von Naturkatastrophen oder selbst herbeigeführten Katastrophen ausgelöscht werden könnte. Den Mars zu besuchen und zu erforschen, kann uns aber auch sehr viel über unsere eigene Geschichte und die der Erde lehren. Und schließlich steckt der Forscherdrang einfach in uns Menschen. Andere Welten im Kosmos zu entdecken und zu erfor- schen, ist die größte Herausforderung für die Menschheit und wird zugleich eine unserer großartigsten Leistungen sein, auch wenn nur eine Handvoll Menschen je selbst die Marsoberfläche betreten wird. Der schwierigste Teil einer Marsmission ist dabei nicht, auf den Planeten zu gelangen, sondern zurückzukommen. Die Landung auf einem fremden Planeten ist risikoreich – die Erfolgsrate auf dem Mars wird mit 30 Prozent Der Mensch auf dem Mars ist das ultimative Ziel beziffert. Und erneut zu starten, ist noch schwieriger. Der Start eines Raumschiffes erfordert auf der Erde bereits einen immensen Aufwand an Infrastruktur und Personal, ganz zu schweigen von der Treibstoffmenge, die nötig ist, um die Schwerkraft zu überwinden. All das steht auf dem Mars nicht zur Verfügung. Es ist auch völlig unklar, ob die Astronauten überhaupt physisch in der Lage wären, zur Erde zurückzukehren, nachdem sie unter den Schwerkraftbedingungen des Mars gelebt haben. Für die meisten von uns ist es mora- lisch und politisch undenkbar, Menschen für immer und ohne Rückkehrmöglichkeit auf dem Mars zu lassen. Staatliche Behörden wie NASA oder ESA können und werden sich mit solchen Überlegungen nicht befassen. Es gibt allerdings ein privates Unternehmen, das diese Bedenken nicht teilt. Die gemeinnützige Stiftung Mars One will eine ständige menschliche Siedlung auf dem Mars gründen und wurde mit der Idee einer Marsmission ohne Rückkehr bekannt. Der Unternehmer und Gründer von Mars One, Bas Lansdorp, will zunächst mit acht unbemannten Raketen Ausrüstung, Material und Roboter zum Bau einer knapp 200 m2 großen Basisstation auf den Mars schicken. Dort sollen die ersten Marssiedler leben und arbeiten. Im Rahmen von Mars One soll ab 2027 alle zwei Jahre ein vierköpfiges Team zum Mars gebracht werden. Auf einen Aufruf von Lansdorp im Jahr 2013 meldeten sich erstaunliche 202.000 Freiwillige aus der ganzen Welt, die die Anforderung, volljährig zu sein, erfüllten. Die ersten 1.058 Kandidaten mussten sich einer medizinischen Routineuntersuchung bei ihrem Arzt unterziehen. Aus den 660 verbleibenden Personen wurden die sogenannten Mars 100 ausgewählt: 50 Männer und 50 Frauen. Ich habe Bas Lansdorp 2015 getroffen 63 Neugierig bleiben Neugierig bleiben Landegerät während der Landung © Bryan Versteeg / Mars One Landegerät nach der Landung 64 und wanderte mit ihm drei Tage durch die kahle, marsähnliche Landschaft von Island. Ich konnte mich von seiner Leidenschaft, Dynamik, Ausdauer und Entschlossenheit überzeugen, Mars One im wahrsten Sinne des Wortes „abheben“ zu lassen. Könnte man ein solches Projekt allein durch Willen und Glauben realisieren, dann würde dieser Mann es schaffen. Leider ist das nicht möglich. Es ist letzten Endes immer eine Frage der Kosten und der Finanzierung. Lansdorp ist zurückhaltend in Bezug auf die finanzielle Situation von Mars One, die mit Sicherheit ausschlaggebend für den Erfolg sein wird. Das Ganze wird von Sponsoren, Partnern und einer sehr kontroversen Geldquelle, einer Reality-Show im Fernsehen, finanziert. Die Marsausgabe von Big Brother wird mit Sicherheit von der ganzen Welt gesehen werden, aber das Interesse wird wohl nicht von Dauer sein. Warum? Eine gute Reality-Show wird von Spannungen, Konflikten und Schwierigkeiten getragen. So ziemlich genau all das, was man auf dem Mars vermeiden will, soll die Mission Erfolg haben. Einfach nur den Astronauten bei der Erledigung ihrer täglichen Arbeiten zusehen, wird die Zuschauer aber nicht lange binden und damit auch keine hohen Einnahmen garantieren. Wie kann dann aber das Überleben der Marssiedler finanziert werden? Und was sind das überhaupt für Leute, die den Rest ihrer Tage auf dem Mars verbringen wollen? „Ich habe die einmalige Gelegenheit, die Hälfte meines Lebens auf einem und die andere Hälfte auf einem anderen Planeten zu verbringen – das ist das ultimative Abenteuer“, sagt die Mars-100-Kandidatin Clare Weedon aus dem Vereinigten Königreich. Als ich sie auf die Kritik und Skepsis ansprach, die ihr und den anderen Kandidaten entgegengebracht wurde, antwortete sie: „Das ist eine ehrgeizige und riskante Mission, aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Zeit für die Menschheit gekommen ist, den nächsten Schritt zu machen.“ Und was halten ihre Familie und Freunde von dem Plan, ihren Lebensabend auf dem Mars zu verbringen? „Sie haben mich fantastisch unterstützt. Sie kennen mich und wenn sie die Leidenschaft und den Glanz in meinen Augen sehen, wenn ich über Mars One spreche, dann können sie nicht anders, als mich zu unterstützen.“ Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass der Umzug auf den Mars möglicherweise mehr Herausforderungen als Vorteile mit sich bringt. „Am meisten gespannt bin ich darauf, wie es ist, sich jeden Tag extremem Stress und Druck auszusetzen und täglich ums Überleben kämpfen zu müssen; gleichzeitig ist es das, was ich am meisten fürchte“, sagt Clare. „Isolation, streng reglementierte Ernährung, nur im Raumanzug nach draußen gehen – das wird völlig neu für mich sein und ich werde erst wissen, wie ich damit fertig werde, wenn ich mich diesen Situationen aussetze.“ Das sind nur einige von zahlreichen Herausforderungen, mit denen sie und ihre Mannschaftskameraden auf dem Weg zum Mars zu tun haben werden. Unterkünfte zu bauen und instand zu halten, Nahrungsmittel, Wasser, Luft und Energie zu erzeugen – das ist nur der Anfang auf dem Weg zu einer autarken Marskolonie. Zahlreiche Kritiker des Unterfangens fragen sich, warum der Mensch denn auf den Mars muss, gibt es doch auf der Erde noch so viel zu tun und zu reparieren. Eine berechtigte Frage, aber für mich steht die Antwort fest: Sollen wir erst die Menschheit ändern und dann zum Mars fliegen, egal wann das sein wird? Oder sollen wir die Menschheit ändern, indem wir zum Mars fliegen? Die Erforschung des Weltalls und der Erhalt unseres Planeten müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. Wir können und sollten beides tun. Und es gibt Louisa Preston arbeitet im Moment an ihrem ersten Buch Goldilocks and the Water Bears: The Search for Life in the Universe, das im Juli 2016 bei Bloomsbury Sigma veröffentlicht werden soll derzeit mehr als genug Menschen auf der Erde, um beide Ansätze zu verfolgen. Auch wenn Mars One nicht abhebt, so hat das Projekt doch dem Forschungsdrang neue Impulse verliehen. Viele Kinder träumen immer noch davon, Astronaut zu werden und andere Planeten zu besuchen, wenn sie groß sind. Die heutige Generation kann diesen Traum wahr werden lassen. Entfernung Erde—Mars in Millionen Kilometern 54,6 65 Neugierig bleiben Neugierig bleiben Lichtblicke aus dem Orbit Text André Uhl Eigentlich ist die Mission von Suomi NPP, die Wetter- und Umweltverhältnisse auf der Erde zu beobachten. Doch wenn der Satellit in einer Höhe von über 800 Kilometern seine Arbeit verrichtet, entstehen dabei auch Aufnahmen von ganz besonderer Strahlkraft. Wenn es Nacht wird, präsentieren sich die Metropolen dieser Welt in vollem Glanz — und dank Suomi NPP können wir dies in einer nie zuvor dagewesenen Qualität bestaunen. Nächtlicher Blick auf die Welt durch die Linse des Satelliten Suomi NPP 66 67 Europa, Nordafrika und Westasien Australien 68 Seite 66 – 67 und rechts © NASA Earth Observatory / NOAA NGDC Links oben © NASA Earth Observatory Links unten © Craig Mayhew and Robert Simmon, NASA GSFC Neugierig bleiben Neugierig bleiben Osten der USA 69 Neugierig bleiben Neugierig bleiben Wenn Essen Leistung steigert Text Christian Heinrich In den Forschungslabors weltweit wird an der Ernährung der Zukunft gearbeitet: individuell auf den Einzelnen zugeschnitten, optimiert auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Wie können neue Technologien dabei helfen? Trend hin zu Bio-Lebensmitteln 70 © iStock E in individuelles Ernährungsprofil erstellen zu lassen, kostet Forschern der US-amerikanischen University of Minnesota zufolge 1.000 US-Dollar. Dabei handelt es sich um eine Art aktuellen Fingerabdruck des Stoffwechselhaushalts des Körpers. Welche Vitamine, Nährstoffe und Mineralien fehlen gerade und welche sind womöglich in zu hoher Dosis vorhanden? Das Ernährungsprofil liefert ein umfassendes Bild davon, was wir brauchen und was im Überfluss vorhanden ist. Es ähnelt der Bestimmung des Cholesterinwertes, der beim Arztbesuch im Blutbild erfasst wird – nur dass im Ernährungsprofil bis zu mehrere Dutzend Werte abgebildet werden, von Vitamin D bis hin zu Magnesium. Noch steckt das Konzept in seinen Anfängen, doch sollte es sich bewähren, wird es zu einer kleinen Revolution führen: Einer personalisierten Werden wir überhaupt noch an einem Tisch essen? Ernährung stünde dann nichts mehr im Wege. Das bedeutet, dass jeder ein eigenes, auf seinen Körper individuell abgestimmtes optimales Essen hätte – nicht mehr ein Gericht für alle, sondern für alle jeweils ein Gericht. Das wirft soziologische Fragen auf: Werden wir überhaupt noch an einem Tisch essen? Oder wird Essen in Gesellschaft vielleicht sogar wichtiger, wenn jeder seine eigene Nahrung zu sich nimmt? Außerdem hat eine personalisierte Ernährung Konsequenzen für Körper und Geist. Weil wir unseren Stoffwechsel genauer kennen, kann jeder individuelle Mängel- und Überdosierungen vermeiden. Wir können uns gezielt gesünder ernähren und uns mit einer allmählichen Erweiterung des Ernährungsprofils um Informationen über den Hirnstoffwechsel und den der Haut vielleicht sogar auch ein Stück weit klüger und schöner essen. Dass solche Gedanken keine Spinnereien sind, sondern tatsächlich die Zukunft beschreiben, zeigt ein Blick 71 Neugierig bleiben Neugierig bleiben Gezielt gesünder essen 72 © The Orange Chef Co. © iStock Hightech in der Küche: das Prep Pad in die Forschungslabors des Lebensmittelriesen Nestlé. 15 Wissenschaftler basteln am konzerneigenen Nestlé Institute of Health Sciences ( NIHS ) in Lausanne in der Schweiz im sogenannten Iron-Man-Programm bereits an einer Maschine, die auf Knopfdruck ein Pulver bereitstellt, das entsprechend des jeweiligen Ernährungsprofils individuell abgemischt ist. In den nächsten zehn Jahren sei die Marktreife der Maschine noch nicht zu erwarten, gibt man dort zu. Aber wenn es soweit ist, dann „kann es die nächste Mikrowelle in der Küche sein“, sagt Edward Baetge, Direktor des NIHS. Für Felix Tegeler, Innovation Analyst der Trendagentur TRENDONE, wäre das die endgültige Etablierung einer Entwicklung, die längst begonnen hat. Bereits heute definieren sich Gesellschaftsschichten immer stärker auch darüber, was man isst und was nicht. Die einen – viele von ihnen Vegetarier – greifen nur noch zu Lebensmitteln mit dem Biosiegel, andere wiederum essen jeden Tag mehrmals Fleisch und kurbeln so die Nachfrage weiter an. Ihnen allen ist gemein: Sie definieren sich ein Stück weit darü- ber, wie und was sie essen. „Ernährung bekommt einen immer stärkeren Lifestyle-Charakter“, sagt Tegeler. „Der Einzelne lebt zunehmend seinen Ernährungsstil nach außen, er wird gewissermaßen Teil der Identität.“ Und die ist heute extrem individuell. Kommt nun eine auf den eigenen Körper abgestimmte HightechErnährung hinzu, kann das auch zu Widersprüchen führen. Diejenigen etwa, die auf Selbstanbau und natürlich gewachsene Lebensmittel setzen, wird die neue Idee kaum begeistern. Doch bei der gigantischen Bewegung in Richtung zunehmende Individualisierung dürfte für beide Trends mehr als genug Platz sein. Schon heute bedienen Wirtschaft und Technologie das Bedürfnis nach personalisiertem Essen immer mehr. Im 3D-Drucker lassen sich bereits eigens designte Pasta und Schokolade drucken. Bislang geht es vor allem um die Form, bald aber dürfte es auch um den Inhalt gehen. Einzelne Restaurants bieten sogar schon heute personalisierte Kost an: Die Vista Kitchen im thailändischen Bangkok etwa richtet ihre Ernährungsangebote an der jeweiligen Blutgruppe der Kunden aus. Das wird von Wissenschaftlern zwar als unseriös eingestuft, zieht aber Scharen neugieriger Kunden an. Hilfreich beim Trend hin zur personalisierten Ernährung dürfte auch ein Computer sein, den IBM gerade entwickelt. Man gibt seine Lieblingszutaten – oder eben diejenigen Zutaten, die die eigene Performance am besten fördern – ein und der Rechner, bestens informiert über Küchen und Geschmacksrichtungen aus der ganzen Welt, spuckt die passenden Rezepte aus. Vonseiten des Essens und nicht vonseiten des Körpers nähert sich auch das sogenannte Prep Pad des USamerikanischen Start-ups Orange Chef dem Thema, das vielleicht schon in wenigen Jahren bei vielen Menschen auf der heimischen Küchenzeile liegen wird. Das Prep Pad ist eine Art Küchenbrett und analysiert das Essen, das man zu sich nimmt. Daraufhin gibt es individualisierte Ratschläge, was denn demnächst wieder auf den Speiseplan sollte. Die beiden Ansätze – Analyse des Stoffwechsels und Analyse der Nahrung – dürften in Zukunft immer mehr verschmelzen. Womöglich berät uns ja auch eines Tages der Tisch. Hand auflegen, ein kurzer Test, wie es aktuell im Körper aussieht, und der Tisch, der unser Essen der vergangenen Monate kennt, macht Vorschläge fürs Abendessen. Dabei könnte er gleich auch für die entsprechende Atmosphäre sorgen, etwa durch Licht und Musik. Guten Appetit! Kosten für ein individuelles Ernährungsprofil in US-Dollar 1.000 73 Neugierig bleiben Neugierig bleiben Clevere Riesen Text Jan Wilms Illustration Philipp Herrmann Entwicklungen bei Nutzfahrzeugen 2 1 6 4 5 3 1 Antriebe Der Antrieb der Zukunft ist elektrisch: Schon heute fahren Lieferwagen und leichte Nutzfahrzeuge mit Strom und damit lokal emissionsfrei. Leichte Lkws und Bagger kombinieren in ihren Hybridsystemen dafür Diesel- und Elektromotoren. Bald könnten diese Systeme auch für lange Schwerlastverkehr-Distanzen auf sogenannten E-Highways mit Oberleitungen weltweit eingesetzt werden. 74 2 Navigation Eine exakte Streckenplanung schont nicht nur die Nerven, sondern erhöht auch Effizienz und Sicherheit. Lkws verknüpfen die GPS-Daten der Strecke dafür mit der Motorsteuerung, zum Beispiel bei Steigungen und Gefällen. Noch präzisere Satellitendaten nutzen Bagger: Sogar die genaue Position und Tiefe des zu grabenden Lochs können hier vorprogrammiert werden. 3 Digitalisierung In einer Big-Data-Cloud können alle Betriebs- und Ortsdaten der Nutzfahrzeuge auf Autobahnen und Baustellen digital gesammelt und verknüpft werden. Der Fuhrpark ist so ständig unter Kontrolle, die Disposition kann Leerfahrten reduzieren. Dazu vernetzen sich die Fahrzeuge per Car-to-X-Kommunikation auch direkt miteinander. 4 Leichtbau Immer leichter, immer stabiler: Hochfeste und ultrahochfeste Stähle und andere Materialien wie Aluminium, zum Beispiel bei Achsaufhängungen für Lkws, Kräne, Betonmischer und andere Baumaschinen, können das Fahrzeuggewicht um bis zu 70 Prozent reduzieren. Das sorgt für mehr Transportleistung, mehr Effizienz und weniger CO2-Ausstoß. 5 Sicherheit In Lkws und Bussen sorgen unzählige Helfer für mehr Sicherheit: Notbrems-, Abbiege-, Spurwechsel-, Seitenwind- und Kollisions-Verhinderungs-Assistenten zum Beispiel. Bei Baggern und Kränen sind die Gefahren beim Umkippen unter Traglast am größten – weshalb ihre Sicherheitskabinen aus Spezialprofilen konstruiert werden. 6 Autonomes Fahren Ab 2020 sollen Lkws autonom fahren – also ohne Zutun des Fahrers. Dies spart Sprit und vermeidet Unfälle. Das System speist sich dann aus Daten und Sensoren, die es heute schon gibt: zum Beispiel aus GPS-Daten, 3D-Karten, dem Abstandsregeltempomat, Spurhalteassistent und Notbremssystem. Allerdings müssen Politik und Gesellschaft noch Fragen der Haftung bei Unfällen klären. 75 Neugierig bleiben Neugierig bleiben Individualisierung des Alltags Sich fast wie zu Hause fühlen: Lounge am Flughafen Helsinki, Finnland Text Verena Dauerer D er Flughafen – ein spannender Transit-Ort mit hoher Fluktuation, durch den täglich tausende Reisende strömen. Für viele ist es eine reine, aber notwendige Zwischenstation auf dem Weg zum Ziel, die auch mal ganz schön stressig werden kann. Die Flughafenbesucher müssen sich zurechtfinden, nach Informationen suchen und einige haben mit Sprachbarrieren zu kämpfen. Bei langer Wartezeit zum Umsteigen gilt es dabei, die Zeit möglichst effizient für sich zu nutzen. Bei geringer Wartezeit kommen die Fluggäste mitunter ganz schön ins Schwitzen, hetzen durch Zoll und Security und nach dem richtigen Gate suchend durch die Wartehallen. Dass Reisen aber auch zum angenehm fließenden Erlebnis werden kann, beweist der finnische Flughafenbetreiber Finavia am Flughafen Helsinki. Sein mit dem Award des internationalen Service Design Network ausgezeichnetes Projekt Travellab macht aus einem der größten Umschlagplätze für Reisende 76 nach Asien fast einen Ort der Besinnlichkeit. Ausschlaggebend waren die optimierten Service-Angebote, wie etwa ein Yoga-Bereich, Familienunterhaltung oder auch eine Grillstation am Gate, die den Gästen den Aufenthalt so angenehmen wir möglich Wir wollen uns in einer ständig wandelnden Umgebung wohlfühlen gestalten sollen. Finavia hat dabei die Methode des Service Designs angewandt und ist direkt auf die Bedürfnisse der Kunden eingegangen, indem Reisende im Vorfeld großangelegt nach ihren Wünschen befragt wurden. Beim Service Design steht der Mensch im Zentrum. Hierbei werden neue Hilfsdienste nicht im stillen Kämmerlein entwickelt und dem Nutzer als gegeben vorgelegt. Vielmehr setzen sich Designer und Entwickler mit den Konsumenten zusammen und erarbeiten gemeinschaftlich eine bestmögliche Lösung. Dieser DesignBereich ist heute notwendiger denn je: Die Technisierung der Umwelt und gleichsam die Digitalisierung des Alltags lassen viele mitunter straucheln. Jedoch wollen wir uns alle in einer ständig wandelnden Umgebung wohlfühlen. Und dafür benötigt es die Gestaltung von Dienstleistungen über alle Lebensbereiche hinweg. Der Begriff „Service Design“ hat sich in den letzten Jahren durch immer mehr digitale Services auf Webseiten und auch mobilen Endgeräten etabliert. „Service Design legt sich als Methode und als Disziplin zunehmend über alle Bereiche der Produkt- und Unternehmensentwicklung, quasi als ein Querschnittsthema“, erklärt Peter Bihr. Der Berliner befasst sich mit Service © Finavia Wenn Dienstleistungen den Menschen in den Mittelpunkt stellen 77 Neugierig bleiben Design und User Experience unter anderem als Kurator der jährlichen NEXT Konferenz. „Beim Service Design stehen die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer im Fokus. Damit ist Service Design ein zuverlässiger Weg hin zu bedienungsfreundlichen Produkten und Services“, so Peter Bihr weiter. Ein weiteres Beispiel für gelungenes Service Design im Bereich Mobilität ist die Reisestudie der internationalen Agentur edenspiekermann. Dabei wurde der Weg, den ein Reisender von Tür zu Tür von Tokio bis Amsterdam zurücklegt, genau unter die Lupe genommen und dazu jede Menge Daten ausgewertet. Das Ergebnis ist das Info Connectivity System ( ICS ), ein Reisesystem, das verschiedene, bislang nicht miteinander verbundene Informationen – Daten von verschiedenen Mobilitätsdiensten und aus dem öffentlichen Nahverkehr, Fluginfos, Daten von Flughafenbetreibern sowie Touristikinfos und Daten von Hotels – bündelt und auswertet. Mit dem System soll ein Reisender nicht nur bequem von seinem Smartphone zum Ziel geleitet werden. Vielmehr 78 soll er die speziell für ihn relevanten Infos auch jederzeit auf FlughafenTerminals, Ticketautomaten und sogar auf dem Screen des Bordprogramms im Flugzeug angezeigt bekommen. Ein ganzheitlicher, innovativer Ansatz, bei dem der Nutzer von Anfang bis Ende seiner Reise bei fließenden Übergängen an die Hand genommen wird. Und genau das ist ein Kriterium für gutes Service Design: es wird nicht bemerkt. Während der Bedarf nach digitalen Services mehr und mehr wächst, haben sich gleichzeitig auch die Wünsche und Bedürfnisse der Nutzer stetig weiterentwickelt. Thomas Schönweitz, Gründer und Geschäftsführer von Whitespring Service Design, einem Münchner Strategie-Netzwerk, erklärt: „Obwohl Millionen identischer iPhones verkauft werden, ist kein einziges wie das andere. Jedes ist individuell auf den Nutzer eingerichtet, denn jeder hat seine eigenen Apps, Klingeltöne oder Hintergrundbilder heruntergeladen.“ Diese Art von individuell maßgeschneidertem Produkt würden die Nutzer heute aber auch genauso in anderen Lebens- Hans Freudenthaler, Head of Engineering, Österreich Unsere aus Speziallegierungen geschmiedeten Triebwerksaufhängungen halten den enormen Belastungen und Temperaturschwankungen des modernen Flugbetriebs zuverlässig stand. Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir sie aber immer noch weiter – für mehr Freiheit und Sicherheit. Es ist diese © Finavia Angenehme Wartezeit am Flughafen Helsinki, Finnland bereichen erwarten. Alles müsse unkompliziert sein, jederzeit verfügbar und flexibel – und ohne Risiko, so Schönweitz. Ein gutes Beispiel dafür ist AirBnB, ein Service zum Buchen von privaten Unterkünften. Reisende können über eine Webseite oder mobile App eine Privatunterkunft buchen. Dabei erhalten sie eine genaue Karte von der Wohnung mit vielen Ausstattungsdetails und Fotos sowie das Profil des Anbieters. Buchung und Zahlung werden einfach und schnell abgewickelt. Doch was Service Design alles leisten kann, geht weit über ein angenehmes Buchungserlebnis hinaus. Smartphones und Tablets bis hin zu Sensoren in unserer Umwelt haben schon lange begonnen, miteinander zu kommunizieren – um dem User ein besseres Angebot zu liefern. Die Agentur Fjord identifizierte als einen der aktuellen Haupttrends beim Service Design die Kommunikation von smarten Objekten untereinander. Je intelligenter Gadgets werden, desto besser interagieren sie miteinander und desto besser können sie sich auf den User einstellen. Dies bedeutet aber auch, dass den Nutzern neue Formen der Interaktion zur Verfügung stehen. Man denke nur an die smarte Brille Google Glass, die der Träger mit Wortbefehlen bedient. Diese Entwicklung hat natürlich auch Folgen für das soziale Verhalten der Menschen und dafür, wie sie mit ihren Mitmenschen umgehen. Und es zeigt einmal mehr, dass Service Design weitreichende Auswirkungen auf die Gesellschaft hat und einen wichtigen Beitrag zu einem positiven Wandel im Dienstleitungssektor leisten kann. Eines ist klar: In zehn Jahren werden wir von noch mehr Technik umgeben sein. Service Design sorgt dafür, dass wir uns mit ihr wohlfühlen. Denn die Technisierung bringt uns nur Vorteile, so lange der Mensch auch im Mittelpunkt steht. „Wir geben mit unseren Triebwerksaufhängungen grenzenloser Freiheit mehr Sicherheit.“ Verlässlichkeit, diese Freude an der Herausforderung, die uns alle ausmacht. Wir nehmen die Zukunft in die Hand. www.voestalpine.com Zukunft Wir nehmen die Zukunft in die Hand! Fünf Länder, eine Zukunft? Wie Menschen in unterschiedlichen Kulturen ihr Leben mithilfe von Technologie neu gestalten Kreative Megacitys Wie Bewohner ihre Stadt mitgestalten können Mission zum Mars Der Traum vom Leben auf dem Mars könnte wahr werden voestalpine AG voestalpine -Straße 1 4020 Linz, Austria T. +43/50304/15-0 F. +43/50304/55-0 www.voestalpine.com www.voestalpine.com Ausgabe 2016 voestalpine Magazin
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