SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
"Klassische Musik auf dem Weg in
andere Kulturen"
Klassik geht fremd (4)
Von Peter Krause
Sendung:
Redaktion:
Donnerstag, 14. April 2016
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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SWR2 Musikstunde mit Peter Krause
„Klassik geht fremd“ – Klassik auf dem Weg in andere Kulturen (4)
"Klassik und elektronische Musik"
Herzlich Willkommen – heute mit dem 4.Teil der Reihe „Klassik geht fremd“ –
Klassik und elektronische Musik – am Mikrofon Peter Krause
Titelmusik ca 10„„
Klassik und Elektronik? Kann das überhaupt zusammen funktionieren oder sind
das zwei verschiedene Welten? Hier die klassische Musik mit Partituren, die den
Instrumentalisten exakt vorgeben, was, wann und wie sie zu spielen haben, und
die zudem oft nur mit sehr viel Aufwand aufgeführt werden kann. Auf der
anderen Seite die Elektronische Musik, die digital ist und bei der man auf Musiker
und Instrumente verzichten kann und nicht viel mehr benötigt als einen
Computer, einen Sampler und 4 Wände. Doch die beiden Musikrichtungen sind
sich gar nicht so fremd, wie es auf den ersten Blick scheint. Schon vor 60, 70
Jahren haben sich viele bekannte Komponisten der zeitgenössischen Musik des
20. Jahrhunderts intensiv mit Elektronik befasst und das noch sehr neue Medium
für ihre Werke benutzt. Pierre Schaeffer, Pierre Henry, Pierre Boulez, Karl Heinz
Stockhausen, Edgar Varese und viele andere haben mit den elektronischen
Mitteln der damaligen Zeit experimentiert und versucht, Instrumente durch die
neuen technischen Möglichkeiten zu ersetzen. Diese Künstler haben den Weg für
geebnet, für die Musik, die heute in der 4. Sendung von „Klassik geht fremd“ im
Zentrum steht. Wir beschäftigen uns in „Klassik und Elektronik“ mit Musikern, die
bekannte klassische Stücke, oder auch nur Auszüge davon als Grundlage für
Elektronische Musik verwenden. Einer der Protagonisten ist der in Hamburg
lebende Musiker und Produzent Mathias Arfmann. Er bekam die Erlaubnis in das
Archiv der renommierten Plattenfirma Deutsche Grammophon hinab zu steigen
und sich bei Aufnahmen, die Herbert von Karajan dirigiert hatte, zu bedienen.
Arfman gab den Kompositionen von Dvorak, Smetana, Mussorgsky, Holst und
anderen eine Portion Swing, Dub oder Roots-Reggae. Auch „Sheherazade“ von
Nikolai Rimski-Korsakow unterzog er dieser musikalischen Prozedur und macht das
Stück dadurch tanzbar.
Musik 1
Nikolaj Rimskij-Korsakow / Mathias Arfmann:
Ausschnitt aus „Sheherazade“ Op 35
4:03
(Nikolai Rimsky-Korsakov-Deutsche Grammophon-LC 00173- Best Nr 00289 477
5763- Sheherazade Op 35-Matthias Arfmann)
3
Rimski-Korsakows Suite „Sheherazade Opus 35“ in der Version von Mathias
Arfmann. Der Musiker war Mitbegründer der Independent-Band Kastrierte
Philosophen, die sich 1997 auflöste. Arfmann selbst bekam als Kind klassischen
Klavierunterricht und sang im Schulchor als Mezzosopran Werke von Orff und
Händel. Doch als er die Punk-Musik für sich entdeckte, war es mit der Klassik
augenblicklich vorbei. Erst 2004, als sich die Deutsche Grammophon an ihn
wandte, weil sie klassische Werke von Musikern der Clubmusikszene neu
arrangieren und interpretieren lassen wollte, beschäftigte er sich wieder mit
klassischer Musik. Arfmann hat einen eher ironischen Blick auf die Werke große
Meister, die – wie er sagt – das Hauptthema ihrer Komposition durch einen
permanenten Dschungel an Variationen und Interpretationen schicken, bis es
am Ende wieder auftauchen darf. Seine Frage lautete also: Wo befindet sich in
den Originalstücken ein einzelner Song, ein Motiv, das er herauspicken und am
Computer bearbeiten kann. Mit seiner Interpretation von neun klassischen
Musikwerken startete die Plattenfirma ihre „Recomposed“-Reihe.
Schon ein paar Jahre vorher, in 1997, veröffentlichte die japanische JazzMusikerin Keiko Matsui gemeinsam mit ihrem Gatten Kazu Matsui ein Album, das
sie „Tribal Mozart“ nannten. Darauf hat das Paar die Musik von Wolfgang
Amadeus Mozart auseinander genommen und neu zusammengesetzt. Pianistin
Keiko Matsui suchte sich 10 Stücke von Mozart aus, denen sie gemeinsam mit
Kazu Matsui an der Bambuslangflöte Shakuhachi und dem Programmierer,
Perkussionisten und Keyboarder Derek Nakamoto eine jazzige Note gab. Durch
den weichen Klang der traditionellen japanischen Flöte, die vor allem bei Zenbuddhistischen Zeremonien verwendet wird, bekam die Musik aus dem fernen
Westen einen östlichen Touch.
Musik 2
Kazu Matsui / Mozart: -Tribal Mozart (Klavierkonzert d-moll, KV 466) 3:54
Keiko Matsui, Klavier, Kazu Matsui, Flöte
(Mozart/Kazu Matsui-Planet Joy-Best Nr PJ 0007-Kazu Mazui-Tribal Mozart)
„Tribal Mozart“ von Keiku und Katsu Matsui. Als Grundlage diente ihnen der 3.
Satz des d-Moll Klavierkonzerts, KV 466 von Wolfgang Amadeus Mozart. Keiku
Matsui ist seit fast 4 Jahrzehnten musikalisch aktiv, sie lebt mit ihrem Mann in Los
Angeles und hat bereits mehrere Dutzend Tonträger veröffentlicht. Wer die
japanische Pianistin und Komponistin sucht, wird am ehesten unter den Sparten
Jazz und New Age fündig, da sie auch einen ausgeprägten Hang zu weichen,
sphärischen Klängen hat. Aber im Zentrum steht die Verknüpfung von
traditioneller asiatischer mit westlicher Musik. Von einem Österreicher des 18.
Jahrhunderts begeben wir uns zu einem Landsmann, der erst 20 Jahre nach
Mozarts Tod geboren wurde, zu Franz Liszt. Seine Musik haben der italienische
Produzent, Radio-DJ und Soundbastler Roberto Baldi und seine Frau, die Sängerin
4
Zenima Granieri remixt. Baldi, der aus Mailand stammt, ist vor knapp 3 Jahren
nach New York gezogen, weil ihm die Produktions- und Arbeitsbedingungen in
Italien zu eingeschränkt waren. Seine Karriere startete er im berüchtigten La
Bionda-Studio, in dem der italienische Disco-Sound mit erfunden wurde. Heute
verdient der 51-Jährige sein Geld hauptsächlich mit Musik für Werbeclips
weltbekannter Autofirmen, Möbelhersteller und Privatfernsehsender. Für das Stück
„Sunday Eclipse“ hat Baldi unter dem Projektnamen Resort die „Klaviersonate in
h-Moll“ von Franz Liszt gesampelt und daraus eine swingende Club-Jazzmelodie
kreiert.
Musik 3
Roberto Baldi / Franz Liszt:
Resort-Sunday Eclipse (nach der Klaviersonate in h-Moll)
Roberto Baldi, Zenima Granieri
3:37
(Roberto Baldi, Zenima Granieri/Liszt-Edel Rec-LC 01666-Best Nr 0132672EREPResort/Roberto Baldi-Sunday Eclipse)
MOD 4
Resort, bestehend aus Roberto Baldi und seiner Frau Zenima Granieri mit einer
Adaption von Franz Liszt „Klaviersonate in h-Moll“. Granieri ist klassisch
ausgebildete Sängerin, sie hat schon mit Kate Bush und Andrea Boccelli
zusammen gearbeitet. Wir bleiben in Italien und gehen nach Neapel, der
heimlichen Hauptstadt der italienischen Musik. Aus der süditalienischen
Hafenmetropole kommen die bekanntesten Canzoni und viele der wichtigsten
Interpreten und Interpretinnen traditioneller und populärer Musik. Vito Ranucci,
Komponist, Instrumentalist und Werbefachmann, war schon als Kind fasziniert von
Musik. Mit 8 Jahren wollte er unbedingt Saxofon spielen, der Progressive Rock und
Jazz der beginnenden Achtziger, Bereiche in denen oft Blasinstrumente zu hören
waren, hatten es ihm angetan. Als er aber in der Plattensammlung seines Vaters
Musik von Paul Hindemith und Maurice Ravel entdeckte, öffnete sich ihm ein
bislang unbekanntes Universum. Bis heute ist er beiden musikalischen Welten treu
geblieben, empfindet sie nicht als getrennte Gebiete, zwischen denen es klare
Grenzlinien gibt. Nur Eines wirft er der Klassik und ihren Bewahrern vor: Dass man
sie immer in ihrem Urzustand konservieren soll und sie sich nicht in den Händen
der Musiker, die sie interpretieren, entwickeln darf. Vito Ranucci hat sich
jedenfalls nicht davon abhalten lassen, 13 bekannte Melodien von Mozart,
Vivaldi, Chopin, Puccini, Satie, Ravel, Bach und Beethoven elektronisch zu
bearbeiten, zu verändern, ihnen eine andere Struktur, andere Tempi und vor
allem einen mitreißenden Rhythmus zu geben. „Killing the Classics“ nannte er das
Album, das er vor 2 Jahren veröffentlicht hat und wenn er davon spricht, dass er
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die Klassik umgebracht hat, meint er das ganz und gar nicht despektierlich,
sondern liebevoll ironisch.
Musik 4
Vito Ranucci / Ludwig van Beethoven:
Lobet den Herrn, 3. Satz, 9. Sinfonie
4:06
Vito Ranucci
(Ranucci/Beethoven-Citimusic-Best Nr CNDL26896-Vito Ranucci-Lobet den Herrn)
MOD 5
SWR 2 Musikstunde „Klassik geht fremd“, heute Klassik und Elektronische Musik.
Der 3. Satz aus Beethovens 9. Sinfonie in d-Moll, Opus 125 in der Version von Vito
Ranucci. Viel Raum benötigt der neapolitanische Musiker und Komponist nicht,
seine Klassik-Bearbeitungen für die CD „Killing the Classics“ konnte er zuhause
machen, unterstützt von seiner Lebensgefährtin, der Sängerin Federica Mazzochi.
„Wenn man die Musik von Mozart für einen Waschmittel-Werbeclip verwenden
darf, dann kann ich auch damit machen, was ich will“, sagte Ranucci in einem
Interview. Für ihn ist Ersteres das wirkliche Sakrileg.
Jimi Tenor ist Finne und heißt eigentlich Lassi Lehto. Der Musiker hat eine Vorliebe
für überdimensionale Brillen, die ihn wie ein Insekt aussehen lassen. Ende der 80er
Jahre gründet er eine Band, die Musik mit Werkzeugmaschinen, Küchen- und
Haushaltsgeräten sowie selbstgebauten Instrumenten macht. Nachdem dieses
Projekt erfolglos blieb, verkauft er alles, was er besitzt auf dem Flohmarkt und
wandert in die USA aus. In der neuen Heimat New York verdient er sein Geld
anfangs als Fotograf, nimmt aber nebenher bereits seine ersten Soloalben auf.
Und beginnt aufzufallen, die Elektronikszene nimmt Tenor wahr und sogar die
Deutsche Grammophon ist von seinen Pop-Funk-Jazzstücken so angetan, dass sie
ihn für ihre „Recomposed“-Reihe engagiert. Jimi Tenor suchte sich aus dem
Archiv des Labels Stücke von Erik Satie, Edgar Varese, Pierre Boulez, RimskiKorsakow und Steve Reich aus und beschäftigte sich damit. Danach klang „Six
Pianos“ von Steve Reich so.
Musik 5
SteveReich; Six Pianos
5:00
Jimi Tenor, Synthesizer, Drum Machine, Computer und Sequenzer
(Steve Reich/Tenor-Deutsche Grammophon-LC 00173-Best Nr DG 476 5676-Jimi
Tenor-Six Pianos)
„Six pianos“, eine Komposition des Minimalisten Steve Reich, gespielt mit
Synthesizer, Drum Machine, Computer und Sequenzer. Jimi Tenor sagte, dass er
an dieses Werk ganz anders herangehen müsse, als an alle anderen Stücke,
denn Reichs Musik unterscheide sich in ihrer Struktur nicht so sehr von Pop, sie
6
habe einen konstanten Rhythmus und man könne sie ganz einfach per
Computer loopen. Das Produzieren dieser CD nahm genauso viel Zeit in
Anspruch, wie das Schreiben mancher Oper - drei ganze Jahre.
Urheberrechtsprobleme mit den Verlegern haben die Arbeit sehr erschwert und
dadurch verlangsamt. Ähnliche Urheberrechstprobleme hatte der britische
Musiker, Komponist und Produzent William Orbit, als er sich mit der Musik des
französischen Komponisten Camille Saints-Saens beschäftigte. Der 60-jährige
Orbit, der eigentlich William Wainwright heißt, ist ein Pionier der House und
Ambient- Music - Ambient wird eine Variante der elektronischen Musik
bezeichnet, bei der sphärische, sanfte, langgezogene und warme Klänge
dominieren. Orbit hat bereits Musik für Sting, Madonna, Blur, Peter Gabriel und
viele andere Popstars geschrieben und produziert. Zudem gilt er als ein MeisterRemixer, der es hervorragend versteht, bestehende Musik in einen ganz anderen
stilistischen Kontext zu übertragen und ihr eine neue Erscheinungsform zu geben.
Das hat er auch auf seinen CD„s „Pieces in a modern style“ Teil 1 und Teil 2
gemacht. Die Musik von Beethoven, Bach, Elgar, Grieg, Händel, Vivaldi und
einiger anderer bekannter Komponisten kam im Originalzustand in den
Computer und in einem modernen Stil wieder heraus. William Orbits Version von
„Aquarium“ aus dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saints-Saens.
Musik 6
Camille Saints-Saens: Aquarium aus “Karneval der Tiere”
3:30
William Orbits, Synthesizer
(Camille Saints-Saens-Decca-LC 00171-Best Nr 478 2538-Orbit-Aquarium)
„Aquarium“ von Camille Saint-Saens nach der Bearbeitung durch William Orbit .
Der „Karneval der Tiere“ ist eine Suite für Kammerorchester, die der französische
Komponist 1886 geschrieben hat. 124 Jahre später hat sich die Musik ganz schön
verwandelt. William Orbit ist überzeugt davon, dass klassische Musik eine längere
Halbwertzeit als Pop hat, weil sie nicht so sehr mit Erinnerungen und Assoziationen
verknüpft ist wie große Teile der Popmusik. Orbit hat sich auch einen Namen als
Soundtrack-Komponist gemacht und das verbindet ihn mit Claudio Gianfreda,
der sich Balduin nennt. Er ist Schweizer, Multiinstrumentalist, Soundbastler, hat eine
„Ein Mann-Band“ die er „Creative Cooking“ getauft hat und er schreibt Musik für
Filme. Der in Bern geborene Musiker lässt sich gerne in psychedelischer Pose
ablichten, beispielsweise bekleidet mit einem bunten Flower-Power-Hemd und
einer Sitar in der Hand. Es sind vor allem die 60er Jahre, die es ihm musikalisch
angetan haben, viele seiner Helden waren in jener Zeit aktiv, allen voran die
Beatles. Auf Balduins Webseite findet man unter der Rubrik Inspirationen eine
schier unendliche Liste mit Musiker- und Bandnamen, die in eine lange
Aufzählung von klassischen Komponisten mündet, von Beethoven über Scarlatti
7
bis zu Strawinsky und Tschaikowsky. Dessen „Nussknacker-Suite“ hat der Musiker
auf seiner Platte „Rainbow Tapes“ veröffentlicht – in einer ganz eigenen Version.
Musik 7
Balduin / Peter Tschaikowsky:
Sugar Fairy (Zuckerfee) aus dem Ballett “Der Nußknacker”
3:01
Balduin
(Tschaikowsky/Balduin-Crippled Dick Hot Wax-LC 09759-Best Nr CDHW 072)
„Sugar Fairy“ – Zuckerfee des Schweizer Musikers Balduin, der hier Teile von
Tschaikowskys „Nussknacker-Suite“ recycelt hat. Dass die Klassik ein fester
Bestandteil seiner Musiksammlung und auch seiner musikalischen Vorlieben ist,
hat mit Balduins Mutter zu tun, die ihn schon als Kind damit angesteckt hat.
Maurice Ravel hat mit seinem „Bolero“ in den 30er Jahren des letzten
Jahrhunderts für großes Aufsehen gesorgt. „Ich habe nur ein Meisterwerk
gemacht, das ist der Bolero. Leider enthält er keine Musik“ sagte der Komponist
einst zu einem Kollegen.
2008 näherten sich die beiden Techno-Produzenten, der Hamburger Moritz von
Oswald und der Amerikaner Carl Craig, diesem aufsehenerregenden
rhythmischen Stück auf ihre Weise an und verfremdeten es zu einem fast
tranceartigen Dance-Track. Von Oswald ist ein Urenkel Otto von Bismarcks, er
war Mitglied bei der Neuen Deutschen Welle-Band „Palais Schaumburg“, bekam
aber auch schon als junger Mann Schlagzeug-Unterricht bei einem Solopaukisten
der Mailänder Scala. Da er sich fast gleichzeitig intensiv mit elektronischer Musik
auseinander gesetzt hat, entschied er sich relativ schnell gegen eine klassische
Laufbahn. Carl Craig, der aus der Autostadt Detroit kommt, war schon sehr früh
ein gefragter Remixer und hat viele Stücke anderer Technomusiker
neubearbeitet. Er wurde gemeinsam mit Moritz von Oswald von der Deutschen
Grammophon beauftragt, eine weitere CD in der Serie „Recomposed“ zu
machen. Die beiden bekamen Orchesteraufnahmen, die von Herbert von
Karajan dirigiert worden waren, zur Verfügung gestellt und sie suchten sich den
Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky sowie den „Bolero“
von Maurice Ravel aus. Von Oswald und Craig nahmen das rhythmische
Fundament des „Bolero“, loopten es, was nach Aussagen des Duos relativ
einfach war, da schon das Original Tanzmusik mit beinahe jazzigen Elementen ist.
Dann vermischten sie das Ganze mit Fragmenten der Mussorgsky-Aufnahme und
legten eigene Bass-, Synthesizer- und Percussions-Spuren darüber. Das Ergebnis ist
eine fast halbstündige hypnotische Reise durch zwei der bekanntesten Stücke
der klassischen Musikhistorie. „Intro“ und „Movement 1“ von Carl Craig und Moritz
von Oswald.
8
Musik 8
Carl Craig und Moritz von Oswald nach Mussorgskys und Ravels „Bilder einer
Ausstellung“
Intro + Movement 1
4:41
Movement 2
1:02
Carl Craig und Moritz von Oswald
(Mussorgsky/Ravel/Craig/von Oswald-Deutsche Grammophon-LC 00173-Best Nr
476 691 3-Carl Craig+Moritz von Oswald)
Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ und Ravels „Bolero“ verwandelten sich bei
Carl Craig und Moritz von Oswald zu „Intro“ und „Movement 1 und 2“.
Szenenwechsel – der Londoner Musiker Ben Angwin hat in den 80er Jahren zuerst
als Keyboard-Spieler bei einer Rockband und kurze Zeit später als Techniker in
einem Tonstudio angeheuert. 30 Jahre danach ist er Besitzer einer renommierten
Produktionsfirma, die nicht nur Musik herausbringt, sondern sehr erfolgreich vor
allem kurze Musikstücke für die Werbebranche herstellt. Als Live-Musiker stand
Angwin unter anderem mit Al Green und Annie Lennox auf der Bühne und er hat
Songs von Sting oder Bob Marley remixed. Irgendwann stellte er sich die Frage,
wie man die Musik von Johann Sebastian Bach in die Zukunft transportiert
könnte? Die Antwort gab er selbst mit „Air“ aus der Suite Nr. 3 D-Dur von Johann
Sebastian Bach. Er nahm sich ein paar Passagen davon, zerlegte sie in ihre
Bestandteile und baute aus den Resten eine jazzige und sehr swingende
Tanznummer. Angwin hat für diese Produktion wie viele andere DJ‟s und
Elektronik-Produzenten auch, nicht seinen eigenen Namen benutzt, sondern sich
einen Projektnamen ausgedacht – bnm Corporation. Ben Angwin und bnm
Corporation mit „Bach to the Future“.
Musik 9
Ben Angwin
Bach to the Future
4:04
Ben Angwin und bnm Corpo
(Ben Angwin/Bach-Edel Rec- LC 01666-Best Nr 0132672EREP-bnm Corp-Bach to
the Future)
„Air“ aus der Suite Nr. 3 D-Dur von Johann Sebastian Bach für Orchester
tarnsformiert zu „Bach to the Future“ von der bnm Corporation. Im Gegensatz zu
aufwendigen Konzertaufführungen, die mit einem Orchester und vielen
Instrumentalisten einstudiert werden müssen, ist Elektronische Musik mit viel
weniger Aufwand und im Grunde überall machbar. Ein paar Instrumente,
Effektgeräte, Synthesizer und Sampler und natürlich der Computer ersetzen den
Weg in ein Studio oder den Konzertsaal. Wenn ein Stück dann fertig ist, bedeutet
es allerdings nicht, dass es so bleibt. Denn irgendwo in der Welt sitzen andere
9
Elektronik-Tüftler, hören sich das Ergebnis an, remixen es und lassen daraus wieder
etwas völlig Neues entstehen. Zum Abschluss des 4. Teils von „Klassik geht fremd“
in der Musikstunde von SWR 2 noch ein letztes Stück von Mathias Arfmann. Er hat
„Die Planeten“ von Gustav Holst auf die Hälfte gekürzt, die Musik nach Jamaika
verlegt und eine Dub Version daraus gemacht.
Musik 10
Gustav Holst/Matthias Arfmann Ausschnitt aus „Die Planeten“
Matthias Arfmann
3:42
(Gustav Holst/Matthias Arfmann-Deutsche Grammophon-LC 00173- Best Nr 00289
477 5763- Die Planeten-Matthias Arfmann)