Stellungnahme zum Bericht des Rechnungshofs

Anlage
Stellungnahme der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales zur Prüfungsmitteilung des Rechnungshofes von Berlin (Prüfung der Flüchtlingsunterbringung durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales)
Vorbemerkungen
Die vom Rechnungshof vorgenommenen Prüfungen betreffen im Wesentlichen Vorgänge
aus den Haushaltsjahren 2014 und 2015. Dieser Zeitraum war in flüchtlings- und migrationspolitischer Hinsicht maßgeblich von einem erheblichen Anstieg bei den in Deutschland gestellten Asylanträgen geprägt1. Die rapide anwachsende Zahl von Menschen, die in Deutschland Schutz vor politischer Verfolgung, Krieg oder Bürgerkrieg nachsuchen oder sich aus
anderen Beweggründen zur Flucht entschlossen haben, stellt vor allem die für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung zuständigen Stelle in den Landes- und Kommunalverwaltungen vor erhebliche Herausforderungen. Unter Berücksichtigung der weltpolitisch
angelegten wesentlichen Fluchtgründe muss davon ausgegangen werden, dass sich der
Flüchtlingszuzug zumindest in absehbarer Zukunft auf sehr hohem Niveau verstetigen wird.
Hinzu kommt, dass eine substantiierte Planung und Steuerung bei der Flüchtlingsunterbringung auf Landes- und Kommunalebene – vor allem für längerfristige Zeiträume – dadurch
erheblich erschwert wurde, dass die vom Bund den Ländern regelmäßig übermittelten Zuzugsprognosen, welche nach § 44 Absatz 2 AsylG (bzw. § 44 Absatz 2 AsylVfG a.F.) als
Grundlage für die Bedarfsplanung der Länder dienen sollen, stets hinter den tatsächlichen
Zuzugszahlen zurückgeblieben sind und diese Abweichungen zunehmend größer wurden.
So ging der Bund noch im Februar 2015 von 300.000 Asylanträgen im Jahr 2015 aus,
musste diese Prognose aber bereits im August auf 800.000 in der bundesweiten IT-Anwendung EASY registrierte Personen korrigieren. Somit sah sich der Bund veranlasst, innerhalb
eines Zeitraumes von nur sechs Monaten die Prognose über die Anzahl der von den Ländern aufzunehmenden Asylsuchenden um 170 Prozent anzuheben. Wird bedacht, welche
zeitlichen Vorläufe für eine belastbare Bedarfs- und Belegungsplanung in den Ländern und
Kommunen benötigt werden, so wird deutlich, als wie schwierig – wenn nicht gar nahezu
unmöglich - sich eine auf valide Vorhersagen gestützte Steuerung und Planung in Folge der
beträchtlichen Unwägbarkeiten beim Flüchtlingszuzug in den zurückliegenden Jahres erwiesen hat, was nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen anderen Bundesländern und Gemeinden zu Engpässen bei der bedarfsgerechten Versorgung von Flüchtlingen geführt hat
und weiterhin führt.
Diese bundesweiten Rahmenbedingungen wirken sich unmittelbar auf die Tätigkeit des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) aus, welches – da in Berlin staatliche und
gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt wird – sowohl auf Landesebene für die Erstaufnahme
von Asylbegehrenden nach § 44 Asylgesetz (AsylG; vormals § 44 Asylverfahrensgesetz –
AsylVfG) als auch auf kommunaler Ebene für die Unterbringung dieses Personenkreises in
Gemeinschaftsunterkünften nach § 53 AsylG (vormals § 53 AsylVfG) zuständig ist, was im
Verlauf des untersuchten Zeitraums zu einer erheblichen Ausweitung des Aufgabenumfangs
sowohl in quantitativer wie qualitativer Hinsicht führte.
1
Antragszahlen aus der Geschäftsstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF),
veröffentlicht unter
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/statistik-anlage-teil-4aktuelle-zahlen-zu-asyl.html : 2013 = 127.023, 2014 = 202.834, 2015 (Januar bis November ) =
425.035
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In der Folge dieser Entwicklung wurde die Ausgestaltung der von der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung ausgeübten Fachaufsicht über das LAGeSo an die veränderten Bedingungen und gestiegenen Herausforderungen angepasst, wobei die zuständige Senatsverwaltung insoweit von dem in § 8 Absatz 3 Allgemeines Zuständigkeitsgesetz (AZG) eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat.
Bis Anfang 2014 war grundsätzlich davon ausgegangen worden, dass das LAGeSo die ihm
zugewiesenen Aufgaben im Rahmen der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung
selbstständig wahrnimmt, wobei die Fachaufsicht über das LAGeSo als kooperative Fachaufsicht wahrgenommen wurde. Die Grundsätze der Kooperation wurden, zuletzt in der für
2013 abgeschlossenen Zielvereinbarung, zwischen dem LAGeSo und der Senatsverwaltung
in Zielvereinbarungen festgehalten. Der regelmäßige Informationsaustausch fand jeweils
zwischen dem Staatssekretär für Soziales, der Staatssekretärin für Gesundheit und dem
Präsidenten des LAGeSo in einem Jour fixe statt.
Seit dem unerwartet starken Anstieg der Flüchtlingszahlen im Jahr 2014 und der in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe an einzelne
privatwirtschaftliche Betreiber von Gemeinschaftsunterkünften durch das LAGeSo hat die
Fachaufsicht verstärkt von dem Frage- und Einsichtsrecht des § 8 Abs. 3 AZG Gebrauch
gemacht. Da diese erhöhte Intensität bei der Ausübung der Fachaufsicht nur durch zusätzliche Ressourcen geleistet werden konnte, wurde unmittelbar bei der Leitung der Fachabteilung eine neue Arbeitsgruppe für Fachaufsichtsangelegenheiten eingerichtet. Für diese Arbeitsgruppe konnten im neuen Doppelhaushalt zwei Planstellen mit der Senatsverwaltung für
Finanzen vereinbart werden. Zusätzlich waren 2015 durch den Einsatz von externen Betriebsprüfern und abgeordneten Dienstkräften temporär zusätzliche Beschäftigte in der Arbeitsgruppe tätig.
Als ein Resultat dieser Neuausrichtung bestehen seit Anfang 2015 schrittweise aufgebaute,
umfangreiche Genehmigungs- und Zustimmungserfordernisse durch die Fachaufsicht zu
Verträgen im Bereich der Unterbringung. Weiterhin wurde mit der Standardisierung von Prozessen im Bereich Sachstandsvermerke, Vergabeverfahren, Aktenführung, Kalkulation und
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sowie dem Aufbau von Controlling begonnen.
Darüber hinaus veranlasste die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales im Rahmen
einer öffentlichen Ausschreibung die Überprüfung des recht- und ordnungsgemäßen sowie
wirtschaftlichen Verwaltungshandelns des LAGeSo bei der Auftragsvergabe für die Errichtung und/oder den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften durch ein externes Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Diese Überprüfung erfolgte vom 23.05.2015 bis 17.06 2015 und
wurde mit der Vorlage eines Abschlussberichtes beendet. In Umsetzung der dort ausgeführten Handlungsempfehlungen richtete die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales
u. a. kurzfristig ein Aufbaumanagement beim LAGeSo ein, das unmittelbar dem für Soziales
zuständigen Staatssekretär unterstellt und für folgende Aufgaben zuständig wurde:
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Implementierung von vergaberechtlichen Verfahren
Strukturierung von Auswahlprozessen für neue Unterkünfte
Festlegung klarer Prozessschritte für die Auftragserteilung an Dritte, einschließlich Dokumentationsanforderungen
Schaffung von Prozessen für das Vertragsmanagement einschließlich deren
Dokumentation
Definition von Prozessschritten und Kompetenzen in Bezug auf Vertragssanktionen
Erarbeitung von Standards der Aktenführung bzw. Einhaltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung
Aufbau eines strukturierten Controllings
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Der Senat hat ferner am 01.12.2015 das „Gesetz zur Errichtung eines Landesamtes für
Flüchtlingsangelegenheiten und zur Anpassung der weiteren betroffenen Gesetze“ beschlossen. Als weitere Reaktion auf den anhaltend hohen Flüchtlingszuzug sollen die Angelegenheiten der Asylbegehrenden und Flüchtlinge künftig durch eine eigenständige, ausschließlich für Flüchtlingsangelgenheiten zuständige Behörde geregelt werden.
Die bisherigen Strukturen und Zuständigkeiten sollen grundlegend überprüft und optimiert
werden, wobei an die vorgenannten Konsequenzen aus der externen Überprüfung angeknüpft wird. Dies gilt in besonderem Maße für Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufnahme, Registrierung und Unterbringung von Asylbegehrenden sowie der Gewährung von
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dieser Bereich wird mit dem Errichtungsgesetz aus dem LAGeSo herausgelöst und dem neuen Landesamt übertragen. Hierdurch sollen die Voraussetzungen optimiert werden, um eine zügige Unterbringung und bedarfsgerechte Grundversorgung der in Berlin Schutz suchenden Menschen gewährleisten zu
können.
Das neue Landesamt soll perspektivisch dazu beitragen, dass auch die mit dem weiteren
Zuzug von Flüchtlingen einher gehenden weitergehenden gesamtstädtischen Herausforderungen bewältigt und die hierfür nötigen Ressourcen effizient eingesetzt werden können.
In der Summe der bereits umgesetzten bzw. in Umsetzung befindlichen Maßnahmen auf
Exekutivebene wurde somit bereits ein tragfähiges Fundament geschaffen, um zu gewährleisten, dass die in der Prüfungsmitteilung beanstandeten Mängel bei der Wahrnehmung der
Fachaufsicht im Bereich der Flüchtlingsunterbringung künftig vermeidbar sind.
Diese grundsätzlichen Ausführungen vorangestellt, wird zu den Beanstandungen des Rechnungshofs wie folgt Stellung genommen:
Zu T 2: Planung und Steuerung bei der Unterbringung
Kapazitätsausbau und berlinweite Verteilung
Um ungeachtet der stetig – und zuletzt stark beschleunigten – steigenden Zuzugszahlen alle
in Berlin aufzunehmenden Flüchtlinge unmittelbar nach ihrem Eintreffen in Berlin in festen
Quartieren unterbringen zu können, ohne dabei längerfristig auf behelfsmäßige Lösungen
wie Zelte o. ä. provisorische Unterkünfte zurückgreifen zu müssen, wurde als vorrangige
Zielsetzung der zügige Ausbau der landesweiten Unterbringungskapazitäten angestrebt und
erfolgreich bewältigt, wie sich aus folgender Übersicht ergibt:
Stand
01.01.2012
01.01.2013
01.01.2014
01.01.2015
01.12.2015
Gesamtkapazität
(gerundet)
3.300
5.200
8.000
13.600
37.500
Anzahl Unterkünfte
16
27
36
56
121
Übersicht: Gesamtkapazität einschließlich Notunterkünfte, Anzahl der Unterkünfte einschl. vertragsfreier Einrichtungen.
Im Zuge des im Senat im September 2014 vereinbarten „Paradigmenwechsels“ ist vorgesehen, künftig stärker als bisher geeignete landeseigene Immobilien und Grundstücke zu nutzen bzw. diese für die Unterbringung von Flüchtlingen zu ertüchtigen. Damit wird vor allem
auch das Ziel verfolgt, sich perspektivisch von der Abhängigkeit privatwirtschaftlicher AnbieSeite 3 von 8
ter derartiger Objekte lösen zu können und die Chancengleichheit bei der Vergabe des Betriebs solcher Einrichtungen für frei-gemeinwirtschaftliche Träger zu verbessern.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales bemüht sich seit Beginn der Legislaturperiode kontinuierlich um eine gesamtstädtisch ausgewogene Verteilung der Unterbringungskapazitäten für Flüchtlingsunterkünfte und legte bereits im November 2012 eine entsprechende Vorlage dem Rat der Bürgermeister (RdB) vor. Eine gleichmäßige – bzw. am
Bevölkerungsanteil ausgerichtete - Verteilung der Unterbringungskapazitäten auf das gesamte Stadtgebiet kann aber nur näherungsweise erreicht werden, weil die rechtlichen und
faktischen Standortvoraussetzungen für Flüchtlingsunterkünfte nicht in allen Bezirken
gleichermaßen vorliegen. Zumindest konnte erreicht werden, dass sich mittlerweile – anders
als noch zu Beginn der Legislaturperiode – alle zwölf Berliner Stadtbezirke an der Unterbringung von Asylbegehrenden beteiligen.
In dem vom Senat am 11.08.2015 beschlossenen Versorgungs- und Integrationskonzept ist
darüber hinaus vorgesehen, ein geeignetes Instrumentarium zu entwickeln, um das Controlling bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zu optimieren sowie eine bedarfsgerechte – auch im Hinblick auf spezifische Bedürfnisse bestimmter Personengruppen
wie traumatisierte Flüchtlinge, gewaltbetroffene Frauen oder Lesben, Schwule, Bi-, transund intersexuelle Flüchtlinge (LSBTI) - und effiziente Steuerung bei der Belegung der Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte zu gewährleisten.
Rahmenvereinbarung LAGeSo – Bezirke
Die Kündigung der Rahmenvereinbarung zur Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) zwischen den Bezirksämtern von Berlin und der Abteilung II (Soziales) des LAGeSo zum
31.12.2013 durch den Präsidenten war geboten, nachdem diese aus dem Jahr 1996 stammende Vereinbarung nicht mehr den in vielfacher Weise veränderten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten entsprach. Daher wurde eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe unter Bezirksbeteiligung mit dem Auftrag eingerichtet, den Entwurf einer aktualisierten Rahmenvereinbarung zu erstellen. Im Ergebnis dieser Abstimmung wurde die Neufassung der Vereinbarung inhaltlich auf die Erbringung von Serviceleistungen durch die Unterbringungsleitstelle des LAGeSo für die Bezirke in Bezug auf die gesamtstädtische Angebotsund Belegungssteuerung von Unterkünften für Wohnungslose beschränkt und in dieser Fassung in der Sitzung der Bezirksstadträtinnen und –stadträte am 13.11.2013 unterzeichnet.
Belegungssteuerung
Eine weitere Aufgabe besteht in der zielgruppenbezogenen Belegungsteuerung und damit
einer Erleichterung für einige Arbeitsprozesse des Referates II A im LAGeSo. Die Zielsetzung der zielgruppenorientierten Steuerung beinhaltet, für die unterschiedlichen Personengruppen (z.B. Familien, allein reisende Frauen, allein reisende Männer, Herkunftsländer,
Ethnie) die passenden Unterkünfte zu identifizieren und zuzuordnen. Der weitere Nutzen
entsteht über die Optimierung und Vereinfachung von Arbeitsprozessen für die Beschäftigten
in der Aufnahme- und Weisungsstelle (AuW), Erstaufnahmeeinrichtung/Zentrale Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAA), Zentrale Leistungsstelle für Asylbewerber (ZLA) sowie
dem Abrechnungsbereich. Da dieser Prozess viele Beteiligte und datenschutzrechtliche
Bestimmungen zu integrieren und zu berücksichtigen hat, besteht die Zielsetzung im April
2016 das Verfahren einzuführen.
Inzwischen gibt es eine „kleine Lösung“ die zu Erleichterungen für die Beschäftigten und für
eine validere Datenbasis bei den Kapazitäten führt. Diese „kleine Lösung“ beinhaltet die
zentrale Erfassung, Vorbuchung, Belegung und Freigabe von Plätzen in den Unterkünften.
Darüber hinaus werden noch zusätzliche Informationen erhoben bzw. an die Betreiber vermittelt. Diese Maßnahme verhindert Mehrfachbuchung, steigert die Auslastung und sichert
darüber hinaus die Ablaufstrukturen bei der Ersterfassung.
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Zu T 3: Vertragsmanagement und Qualitätsstandard
Differenziertes Vertragsmanagement
Die Übertragung der Erfahrungen beim Management der Vereinbarungen i.S.d. § 75 Abs. 3
SGB XII auf das Vertragsmanagement für den Betrieb von Flüchtlingsunterkünften ist, wenn
überhaupt, nur bedingt möglich, da sich die beiden Vertragsbereiche sowohl aus rechtlichen
wie auch aus tatsächlichen Gründen unterscheiden:
Bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen richten sich Art, Inhalt, Umfang und Vergütung der
ambulanten, teil- und vollstationären Leistungen, der Kurzzeitpflege sowie der Unterkunft,
der Verpflegung und der Zusatzleistungen in Pflegeheimen grundsätzlich nach den Bestimmungen des SGB XI (§ 75 Abs. 5 SGB XII). Die Zulassung zur Pflege erfolgt durch Versorgungsverträge, welche zwischen dem Träger der Pflegeeinrichtung und den Landesverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe abgeschlossen werden (§ 72 SGB XI). Der Sozialhilfeträger ist somit in Bezug auf zugelassene
Pflegeeinrichtungen an die für stationäre Einrichtungen maßgeblichen Pflegesatzvereinbarungen nach den §§ 85 ff. SGB XI und die für ambulante Dienste geltenden Vergütungsvereinbarungen nach §§ 89 SGB XI gebunden.
Zudem besteht eine völlig unterschiedliche Bedarfssituation zwischen beiden Bereichen.
Während bei der Unterbringung von Asylbewerbern täglich mehrere 100 Menschen unterzubringen sind, um akute Obdachlosigkeit zu vermeiden, gibt es im Bereich der Unterbringung
und Versorgung pflegebedürftiger Personen in stationären Langzeitpflegeeinrichtungen mit
Versorgungsvertrag bei einem für Berlin ermittelten Gesamtbedarf für 2015 von 28.981
Plätzen und einer Platzanzahl von 32.905 eine Überkapazität von 3.924 Plätzen (vgl. Pflegeund pflegeunterstützende Angebote in Berlin, Landespflegeplan 2011, S. 39).
Abschluss von Betreiberverträgen
Auf Grund der einleitend dargestellten Entwicklung war es unumgänglich, den Einsatz der im
LAGeSo verfügbaren Arbeitsressourcen auf den kurzfristig erforderlichen Kapazitätsausbau
zu konzentrierten. Daher kam es im Auswertungszeitraum zunehmend zu Verzögerungen
bei den schriftlichen Vertragsabschlüssen.
Für die in den Jahren 2014 und 2015 eröffneten Flüchtlingsunterkünfte bestehen zumindest
verhandelte vorläufige Tagessätze, sodass es auch in diesen Einrichtungen verbindliche
Absprachen zu Personal, Ausstattung, Brandschutz und zum Abrechnungsverfahren gibt.
Eine Einigung der Vertragsparteien über die wesentlichen Vertragsbestandteile lag somit mit
Ausnahme einer Einigung über den endgültigen Belegungssatz der Unterkunft vor.
Allerdings kann es sich hierbei nur um vorübergehende Notlösungen handeln. Um dem
Schriftformerfordernis des § 57 Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. des Nr. 10.1 AV § 55
LHO zukünftig vor Inbetriebnahme einer Flüchtlingsunterkunft gerecht werden zu können,
werden mit den Betreiberinnen und Betreibern neuer Flüchtlingsunterkünfte vor oder unmittelbar nach Inbetriebnahme Absichtserklärungen über den Abschluss eines Betreibervertrages verhandelt und abgeschlossen.
Beantwortung schriftlicher Anfragen
Nach § 31 GGO II sind Schriftliche Anfragen im vorgegebenen Zeitrahmen mit den in dieser
Zeit zu ermittelnden Erkenntnissen zu beantworten. Die Antwort durch die zuständige Senatsverwaltung kann also stets nur auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Beantwortung
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bekannten– oder innerhalb des verfügbaren Zeitrahmens beschaffbaren – Erkenntnissen
erfolgen. Dies gilt insbesondere auch für die in der Prüfungsmitteilung zitierte schriftliche
Anfrage der Abgeordneten Breitenbach (Drucksache 17/16607). Die Frage bezog sich auf
den konkreten Zeitpunkt, an dem die Fachaufsicht der Senatsverwaltung für Gesundheit und
Soziales über das LAGeSo Hinweise darauf hatte, dass Erstaufnahmeeinrichtungen,
Gemeinschafts- und Notunterkünfte nicht ordnungsgemäß vergeben worden sind. Dies war
objektivierbar durch die Tätigkeitsberichte der Innenrevision im LAGeSo und durch den Abschlussbericht der Prüfung der Verwaltungsvorgänge durch die Wirtschaftsprüferinnen und
Wirtschaftsprüfer vom 17.06.2015 bekannt geworden. Die fünf Jahre zurückliegenden und
lediglich in internen Protokollen festgehaltenen Absprachen zwischen der Hausleitung der
seinerzeit zuständigen Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und der Amtsleitung des LAGeSo zu einem einzelnen Vertragsobjekt waren bei der Bearbeitung der
schriftlichen Anfrage durch die nunmehr zuständige Senatsverwaltung nicht bekannt.
Weder durch die amtierende Hausleitung noch durch die zuständige Fachabteilung ist eine
generelle Zustimmung zum Ausschreibungsverzicht für Flüchtlingsunterkünfte erteilt worden.
Zwar hat das LAGeSo im Rahmen von verschiedenen Nachfragen der Senatsverwaltung für
Gesundheit und Soziales bestätigt, dass Betreiber von Notunterkünften in einer freihändigen
Vergabe ausgewählt werden, und diese Verfahrensweise mit dem Zeit- und Handlungsdruck
begründet. Jedoch stellt eine freihändige Vergabe für sich allein noch keinen Verstoß gegen
einschlägige Rechtsvorschriften dar, so dass diese Aussage im Rahmen der Fachaufsicht
nicht grundsätzlich zu beanstanden war. Eine – explizite oder stillschweigende – Zustimmung zum Verzicht auf ein rechtmäßiges Vergabeverfahren lässt sich hieraus jedenfalls
nicht ableiten.
Qualitätsstandard in Gemeinschaftsunterkünften
In Berlin werden die Qualitätsstandards und Mindestanforderungen für den Betrieb und die
Ausstattung der Unterkunft im Betreibervertrag verbindlich vorgegeben. Es gelten die Qualitätsanforderungen des Landes Berlin, welche als Anlage regelmäßig Vertragsbestandteil der
Betreiberverträge für Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte werden.
Damit geht Berlin bezüglich der Qualitätsvorgaben in Flüchtlingsunterkünften weiter als eine
Vielzahl anderer Bundesländer, wie sich aus einer von der Senatsverwaltung für Gesundheit
und Soziales durchgeführten Länderumfrage ergibt und auch durch eine Untersuchung von
Pro Asyl (vgl. Kay Wendel, Die Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland, Regelungen
und Praxis der Bundesländer im Vergleich, S. 37) bestätigt wird.
Notunterkünfte sollen grundsätzlich auch die Qualitätsanforderungen für Gemeinschaftsunterkünfte erfüllen, jedoch können diese nicht in jedem Objekt in vollem Umfang gewährleistet
werden, da sich nicht jede Notunterkunft aufgrund der Beschaffenheit und Unterbringungsbedingungen für eine dauerhafte Belegung mit Flüchtlingen eignet. Es liegt somit im Wesen
einer Notunterkunft, dass für diese keine einheitlich verbindlichen Qualitätsstandards bzw.
Mindeststandards vorgegeben werden können. Eine Notunterkunft soll die vorübergehende
und sichere Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen gewährleisten.
Berücksichtigung von zielgruppenspezifischen Bedürfnissen bei der Unterbringung
Mit ihrer spezifischen Ausstattung wurde die Gemeinschaftsunterkunft am Ostpreußendamm
108 (Kapazität 302 Plätze) gezielt an dem Bedarf von besonders schutzbedürftigen, traumatisierten Flüchtlingen im Sinne der Artikel 21 und 22 der Richtlinie 2013/33/EU ausgerichtet.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales und das LAGeSo entwickeln zudem ein
Verfahren, wonach mit Hilfe eines allgemein verständlichen Fragebogens möglichst viele
Anhaltspunkte für besondere Schutzbedürfnisse durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
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Landesamtes für Gesundheit und Soziales abgefragt werden sollen. Damit soll u. a. die Berücksichtigung besonderer Schutzbedürfnisse bei der Unterbringung ermöglicht werden.
Um eine fachgerechte Beratung und Betreuung von z. B. gewaltbetroffenen Frauen und Lesben, Schwulen, Bisexuellen und trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI), die um
Asyl nachsuchen zu gewährleisten, werden darüber hinaus seitens der Senatsverwaltung für
Arbeit, Integration und Frauen entsprechende Informations- und Fortbildungsangebote für
Beschäftigte in den Unterkünften erarbeitet und angeboten.
Im Übrigen wird die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales die Feststellungen des
Rechnungshofs in der in Bearbeitung befindlichen Neufassung des Muster-Betreibervertrags
entsprechend berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die Betreuung von schutzsuchenden, traumatisierten Flüchtlingen im Sinne der Artikel 21 und 22 der Richtlinie 2013/33/EU in
weiteren Flüchtlingsunterkünften.
Zu T 4: Wohnungsvermittlung durch privaten Dienstleister (EJF)
Der Nachweis der Ausgaben im sachlich richtigen Titel 54010 wurde bereits im laufenden
Haushaltsjahr im Rahmen der Haushaltswirtschaft realisiert. Ebenso wurden im Haushaltsplanentwurf 2016/2017 die Mittel-Veranschlagung bei diesem Titel berücksichtigt (s. Vorabdruck Einzelplan 11 - S. 205).
Im Übrigen wird die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales die Feststellungen des
Rechnungshofs zum Anlass nehmen zu prüfen, ob entweder die Rückübertragung der Wohnungsvermittlung (einschließlich begleitender Aufgaben wie z. B. Beratungsleistungen) in die
behördliche Aufgabenwahrnehmung erfolgt oder der Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem
EJF fristgerecht zu kündigen und ein öffentlich-rechtliches Vergabeverfahren durchzuführen
ist mit dem Ziel, die rechtmäßige und wirtschaftliche Fortführung der vom Vertragsverhältnis
betroffenen Aufgaben durch einen geeigneten Träger über den 31.12.2016 hinaus zu gewährleisten.
Zu T 5: Neue Organisationsstruktur
Mit der vorübergehenden organisationsrechtlichen Umstrukturierung der Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) durch die Organisationsverfügung des Senators für Gesundheit und
Soziales vom 18.06.2015 hat die Senatsverwaltung weder gegen die vom Landesgesetzgeber im Gesetz über die Errichtung eines Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin
und eines Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit
Berlin vom 12. November 1997, (GVBl. S. 596) getroffenen zuständigkeitsrechtlichen Entscheidungen noch gegen den Parlamentsvorbehalt des Landesgesetzgebers verstoßen.
Gesetzliche Grundlage für die Umstrukturierung sind § 2 des Gesetzes über die Errichtung
eines Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin und eines Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGeSo-Errichtungsgesetz),
§ 8 AZG sowie § 10 ASOG Berlin.
§ 2 Abs. 4 des LAGeSo-Errichtungsgesetzes gestattet die Aufgabenverlagerung vom LAGeSo zur zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Auch nach der Umstrukturierung wurden die Aufgaben des Referates II D des LAGeSo weiterhin dort wahrgenommen, es wurde lediglich eine vorübergehende Übertragung der fachlichen Weisungsbefugnisse auf den Staatssekretär für Soziales vorgenommen. Diese Maßnahme ist im Vergleich zur vollständigen und dauerhaften Aufgabenverlagerung, die nach § 2 des LAGeSoErrichtungsgesetzes zulässig wäre, als „Minus“ zu bewerten und daher zulässig.
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Zudem gestattet auch § 8 Abs. 3 Buchst. b AZG die Ausübung der Weisungsbefugnis durch
die Senatsverwaltung. Im Unterschied zum LAGeSo-Errichtungsgesetz ist die Fachaufsicht
auf Einzelmaßnahmen bezogen, doch ist diese Voraussetzung hier ebenfalls erfüllt. Bei einer
Gesamtbetrachtung der Vielzahl an Aufgaben des LAGeSo aus den Bereichen Gesundheit
und Soziales stellt die Akquise neuer Unterkünfte nur einen kleinen Teil des Bereiches Soziales dar, der zudem nur vorübergehend herausgelöst wurde. Das Gleiche gilt für die Ordnungsaufgaben nach dem ASOG. Auch für diese ist nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 ASOG die Übertragung der Weisungsbefugnis auf die Senatsverwaltung möglich. Aufgrund der gesetzlichen
Möglichkeit der Umstrukturierung kommt es nicht darauf an, ob in der Organisationsverfügung eventuell unzutreffend § 7 Abs. 4 GGO I als Grundlage bezeichnet wurde.
Zu T 6: Sonstige Beanstandungen
Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat die Herausgabe der Zwischenberichte der Wirtschaftsprüfer zunächst abgelehnt, weil es sich bei den Zwischenberichten um
noch nicht abgeschlossene laufende Verwaltungsvorgänge handelte, die zu diesem Zeitpunkt eine interne Willensbildung und eine Entscheidung der Verwaltung erst noch vorbereiten sollten. Derartige Zwischenberichte sind nach Rechtsaufassung der Senatsverwaltung
für Gesundheit und Soziales nicht von der Vorlagepflicht des § 95 Abs. 1 LHO erfasst.
Zwar steht dem Rechnungshof von Berlin ein uneingeschränktes Prüfungsrecht zu; gleichwohl kommt eine Beschränkung der Vorlageplicht auf bereits abgeschlossene Vorgänge in
Betracht. Der vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Herausgabeverlangen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse entwickelte Grundsatz des Schutzes
eines Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung (BVerfG, Urteil vom 17.06.2009, 2 BvE
3/07, juris Rn 122 mwN) gilt auch gegenüber dem Rechnungshof, zumal die Arbeit des
Rechnungshofs durch die Herausgabe des Abschlussberichts und die anschließende Übergabe aller Zwischenberichte in keiner Weise infrage gestellt wird.
Da zwischen der Anforderung der Zwischenberichte durch den Rechnungshof von Berlin mit
E- Mail vom 30. Juni 2015 und der Übergabe sämtlicher Berichte der Wirtschaftsprüfer am 9.
Juli lediglich 6 Arbeitstage lagen, ist auch nicht ersichtlich, dass der Prüfungsablauf beeinträchtigt wurde.
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