Mit Einfluss JIM YOUNG/REUTERS Die Stimmen der Schwarzen haben im US-Wahlkampf Gewicht. Viele unterstützen den Kandidaten Bernard Sanders. Auch sonst steht die Black Community mehrheitlich hinter der Demokratischen Partei. Von Jürgen Heiser SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · MONTAG, 11. APRIL 2016 · NR. 84 · 1,50 EURO · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Recht erkämpfen Blockade brechen Rücktritt fordern Brecht singen 3 5 7 11 Großbritannien: Tausende auf der Straße gegen Premier Cameron. Von Christian Bunke Zehn Chöre, 300 Sänger, eine kommunistische Ethik. »Die Maßnahme« in der Berliner Philharmonie Die Aufrechten von Paris Hunderttausende bei Protesten gegen »Gesetz der Bosse« in Frankreich. »La nuit debout« widersetzen sich Gewaltherrschaft des Kapitals. Von Hansgeorg Hermann, Paris I Gegen die Demontage des Arbeitsrechts: Vor allem junge Menschen demonstrierten am Samstag in Paris bilisierung des Arbeitsmarkts«. Die neue »Geschmeidigkeit« soll Firmen das »Risiko« bei der Einstellung von Arbeitskräften nehmen und es – nach Ansicht der Protestierenden – vollends auf die Schultern der Lohnabhängigen verlagern. Die Novelle würde, sollte sie in ihrer jetzigen, bereits mehrfach umgeschriebenen Fassung vom Parlament verabschiedet werden, die in Frankreich seit mehr als 15 Jahren bestehenden Regelungen zur 35-Stunde-Woche unterminieren. Der Protest artikulierte sich daher am Samstag auch gegen die von Unternehmern und Regierung geplante Verlängerung der Arbeit auf bis zu zwölf Stunden pro Tag. »Mehr arbeiten, um weniger zu verdienen – das kann so nicht weitergehen«, hieß es am Samstag während der Kundgebungen in Paris. Die aus dem Protest gegen das »Gesetz El Khomri« hervorgegangene Aktion »La nuit debout« (Aufrecht durch die Nacht) hat inzwischen mehr als 100 französische Städte erreicht und die Grenzen nach Spanien und Belgien überschritten. Sie wird von überwiegend jungen Menschen – Schülern, Studenten, Auszubildenden, jungen Lohnabhängigen – getragen und versteht sich als eine der Parteipolitik ferne, in erster Linie soziokulturelle Bewegung. Ihre Aktivisten besetzen zentrale Plätze und veranstalten Diskussionsrunden, aus denen heraus detaillierte Forderungen zur Veränderung einer gegenwärtig kapitalistisch bestimmten und regierten Gesellschaft gestellt werden. In Frankreich ist Paris der Mittelpunkt der Bewegung, die ihre Geburt am 31. März auf der Place de la République erlebte. Die junge Generation protestiert mit ihren nächtlichen Aktionen gegen ihre eigene, von Regierung und Kapital »jetzt schon festgelegte Prekarisierung« – aber auch gegen die »Gewaltherrschaft des Kapitals mit Krieg und Vertreibung in Folge«. Weltbank-Gelder fließen in Steueroasen Oxfam veröffentlicht Bericht zur Kreditvergabepraxis und fordert neue Finanzierungsregeln D erzeit herrscht viel Aufregung um die Nutzung von Briefkastenfirmen durch Reiche, Konzernchefs und Politiker zwecks Steuervermeidung. Die Entwicklungsorganisation Oxfam hat nun den Blick auf das Wirken halbstaatlicher Institutionen gelenkt, die solches Verhalten fördern. In einem von ihr in der vergangenen Nacht veröffentlichten Bericht wird festgestellt, dass drei Viertel der Unternehmen, die 2015 Kredite der Weltbank-Tochter International Finance Corporation (IFC) für Investitionen in afrikanischen Staaten südlich der Ukrainischer Premier Jazenjuk tritt zurück Kiew. Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk (Foto) ist am Sonntag zurückgetreten. Grund sei die »politische Krise der Regierung«, erklärte er in einer Fernsehansprache. Formell werde er seinen Rücktritt am Dienstag im Parlament einreichen. Jazenjuk ist seit 2014 im Amt. Präsident Petro Poroschenko schloss Neuwahlen aus. Unterdessen kam es am Wochenende zwischen der ukrainischen Armee und den Aufständischen zu schweren Gefechten nördlich der Großstadt Donezk im Donbass. Die Europäische Union und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerten sich sehr besorgt. OSZEBeobachter verzeichneten an Frontabschnitten um Donezk Hunderte Explosionen und Feuerstöße. Zum zweiten Mal in einer Woche gerieten sie am Samstag selber unter Beschuss. (dpa/Reuters/jW) PICTURE ALLIANCE / ABACA/MUSTAFA YALCIN / ANADOLU AGENCY n mehr als 200 Städten haben am Samstag Menschen in Frankreich wieder gegen das neue Arbeitsrecht der sozialdemokratischen Regierung des Staatspräsidenten François Hollande und seines Premierministers Manuel Valls demonstriert. Am sechsten von den Gewerkschaften ausgerufenen nationalen Tag des Protests marschierten allein in Paris 110.000 Vertreter aller Berufsgruppen, Studenten und Schüler gegen Hollande, der sich für die kommende Präsidentschaftswahl im Mai 2017 »als Kandidat der Linken disqualifiziert« habe. Am Samstag abend versuchten zudem einige hundert Menschen zum Wohnsitz des Premiers zu gelangen, um »einen Aperitif bei Valls« zu trinken. Die Polizei setzte Tränengas ein. Insgesamt wurden in Paris und Rennes 17 Demonstranten nach Zusammenstößen mit Einsatzkräften festgenommen. Der Entwurf des nach Valls’ Arbeitsministerin benannten »Gesetzes El Khomri« wird derzeit in der Nationalversammlung beraten; nach Angaben aus dem Parlament liegen fast 1.000 Änderungswünsche vor. Der Protest gegen die Vorlage hält Regierung und Öffentlichkeit seit mehr als einem Monat in Atem. Nach Angaben der Gewerkschaften sind bisher mehr als zwei Millionen Menschen dagegen auf die Straßen gegangen. Die Kritik richtet sich in erster Linie gegen Regierungschef Valls, dem bei der Ausarbeitung der Novelle die Unternehmer die Hand geführt hätten. Demonstranten tauften das »Gesetz Gattaz« – Pierre Gattaz ist seit 2013 Präsident des französischen Unternehmerverbands Medef. Das veränderte Arbeitsrecht basiert in erster Linie auf einer von der Regierung proklamierten »Flexi- SERGEY DOLZHENKO/EPA/DPA-BILDFUNK Viele Baustellen: In der Tarifrunde des DGB-Demo in München für ein Gesetz öffentlichen Dienstes geht es um gegen den Missbrauch von Leihmehr als Lohnprozente arbeit und Werkverträgen Sahara bezogen haben, ihre Gewinne durch das Parken in Steueroasen dem Gemeinwesen entziehen. Der kurz vor der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank Ende kommender Woche publizierte Report »Die IFC und Steueroasen« zeigt, dass 51 von 68 durch die IFC kreditierte Unternehmen Verbindungen zu Steueroasen haben, »die keinen Bezug zu ihrem Kerngeschäft aufweisen«. Diese 51 Firmen haben demnach im vergangenen Jahr 84 Prozent der für die Länder südlich der Sahara vorgesehenen Gelder erhalten. Damit hat die IFC seit 2010 allein im Programmbereich »subsaharisches Afrika« ihre Investitionen in Unternehmen mit Bezug zu Steueroasen mehr als verdoppelt: von 1,2 Milliarden USDollar auf 2,87 Milliarden. Tobias Hauschild, Referent für Steuergerechtigkeit und Entwicklungsfinanzierung bei Oxfam Deutschland, kommentierte: »Es ist aberwitzig, dass die Weltbank einerseits Geld ausgibt, damit Unternehmen in Entwicklung investieren, und es andererseits zulässt, dass ihre Kreditnehmer arme Länder um die steuerlichen Früchte dieser Investitionen prellen.« Das 1945 als multinationale »Entwicklungsbank« gegründete Institut müsse künftig sicherstellen, dass Kreditnehmer ihre Gewinne ordnungsgemäß versteuern. Im Bericht fordert Oxfam Weltbank und IFC auf, umgehend neue Finanzierungsstandards einzuführen, die ihre Kreditnehmer wirksam auf Steuertransparenz und eine »sozial verantwortliche Steuerpraxis« verpflichten. Jana Frielinghaus Bericht online: www.oxfam.de/ifc-tax-havens Siehe Seiten 5, 7 und 9 Türkische Botschaft: Strafe für Böhmermann Berlin. Die türkische Regierung hat in einer Verbalnote an das Auswärtige Amt die Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann wegen seines Erdogan-Gedichts gefordert. Regierungskreise bestätigten am Sonntag einen entsprechenden Bericht des Berliner Tagespiegels. Der türkische Botschafter in Deutschland ließ die Forderung dem Auswärtigen Amt in Berlin zukommen. Die Bundesregierung werde zügig über den Umgang damit entscheiden, hieß es. Dazu sollten Mitarbeiter des Kanzleramts, des Auswärtigen Amts und des Justizministeriums Anfang der Woche zusammenkommen. Böhmermann hatte das Gedicht »Schmähkritik« über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am 31. März in seiner TV-Show »Neo Magazin Royale« präsentiert – und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits wegen mehrerer Anzeigen. (dpa/jW) wird herausgegeben von 1.817 Genossinnen und Genossen (Stand 11.3.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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