Datum Predigerin Predigttext 17.04.2016 Pastor Siek Postma 2. Korinther 5, 17 Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden, so ist der Sonntag und die neue Woche überschrieben mit einem Wort des Apostels Paulus aus dem 2. Korintherbrief, Kapitel 5, Vers 17. Man könnte es auch anders formulieren: Gehört jemand zu Christus, so ist er eine neue Schöpfung, wortwörtlich: Altes ist vergangen, Neues hat begonnen. Was unweigerlich zu einer Überlegung führt, die bei mir in diesen Tagen angestoßen wurde: wie ist das eigentlich, wenn Menschen Christen werden? Wie geschieht das eigentlich? Wie ereignet sich das? Es gibt Menschen, die meinen sehr genau zu wissen, wie das vonstatten zu gehen habe. Und doch nehme ich unterschiedliche Arten und Weisen des Christwerdens, des Christseins und Christbleibens wahr. Nicht wenige von uns sind mit den christlichen Werten, mit dem christlichen Glauben, schlicht und ergreifend groß geworden. Das bedeutet nicht unbedingt, dass man Christ wird, dass man das für sich annimmt. Aber bei etlichen ist das eben doch der Fall. Wieder andere haben so etwas wie eine spontane Umkehr erlebt und sind aus diesem Erlebnis heraus, aus dieser Situation heraus, zu Christinnen und Christen geworden. Wenn ich an unsere iranischen Freunde denke, mitten unter uns, für sie ist das ein besonderer Prozess gewesen, der in ihrem Heimatland angefangen hat, den sie in ihrem Heimatland nicht leben durften, und den sie nun für sich hier bei uns haben perfekt machen können, an dem Tag , als sie sich in unserer Gemeinde haben taufen lassen. Es gibt also sehr unterschiedliche Arten und Weisen zum Christ, zur Christin, zu werden, es dann auch zu sein und zu bleiben. Und Vorsicht, vor allem die, die behaupten, sie wüssten genau, wie es vonstatten zu gehen habe, die sozusagen ein Rezeptbuch haben, wie ein Mensch zum Christen oder zur Christin wird, die darauf bestehen, dass man Tag und Stunde benennen können muss, oder die darauf bestehen, dass, wenn jemand Christ wird und getauft wird, der Heilige Geist in einer solchen Weise Besitz von ihm oder ihr ergriffen hat, dass es zu spektakulären Äußerungen des Glaubens kommt. Das mag sein, dass es bei dem einen oder der anderen geschieht. Es mag sein, dass Chinesen und Asiaten und Südamerikaner, die zum ersten Mal mit dem christlichen Glauben in Berührung kommen, in ganz anderer Weise reagieren, als das in unseren Breitengraden geschieht. Es bedeutet aber nicht, dass alle, die mit dem christlichen Glauben zu tun bekommen, damit konfrontiert werden und ihn für sich annehmen, auf diese Art und Weise ihren Glauben annehmen, geschweige denn, leben müssen. Christ werden, Christin werden, es geschieht, es vollzieht sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Nun wagt Paulus aber eine ganz steile These: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Mit anderen Worten, ganz egal wie jemand zum Christen oder zur Christin wird, es ereignet sich etwas im Leben dieses Menschen, es verändert sich etwas. Da vergeht etwas und etwas Neues fängt an, so sagt er es jedenfalls. Ist das so? Es mag sein, dass es Veränderungen gibt, aber ist diese Veränderung so grundsätzlich? Und ist es nicht so, dass gerade den Christinnen und Christen der Kirche immer gern der Spiegel vorgehalten wird, was so im Laufe der Jahrtausende, der Jahrhunderte, seitens christlicher Kirche alles ausgefressen worden ist? Und dass das irgendwie wenig mit Neu, Neuschöpfung zu tun hat? Wahrscheinlich wird uns dieser Spiegel zu Recht vorgehalten. In der Tat, es ist immer gut, wenn man so etwas sagt, sich allerdings auch den eigenen Spiegel selber vorzuhalten, weil man schnell feststellen wird, dass das nicht nur für einen Glauben gilt, sondern offensichtlich auch für andere Religionen und auch für andere Ideologien. Meine Vermutung ist, dass weniger der Glaube das Problem ist, sondern vielmehr der Mensch; ganz egal in welchen Bezügen, der alte Mensch, der immer wieder zum Vorschein kommt. Aber nun hält Paulus ja daran fest: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Wie stellt sich denn das dar? Entspricht das der Realität? Wer in die Bibel hinein schaut, der wird feststellen, dass auch Paulus Paulus geblieben ist. Paulus erlebt eine spektakuläre Bekehrung, so würden wir heute sagen. Er ist ein Christenverfolger, ein Christenhasser. Und er ist auf dem Weg, so wird es in der Apostelgeschichte berichtet, um Christen gefangen zu nehmen in Damaskus, im heutigen Syrien. Dort, wo Christen zurzeit womöglich, beispielsweise vom Islamischen Staat, wieder verfolgt werden. Wo, wie ich gestern gelesen habe, eine der ältesten Klöster überhaupt, nachdem der IS den Ort eingenommen hatte, erstmal dem Erdboden gleichgemacht wurde, damit man nur jegliche Erinnerung an das Christentum und an den christlichen Glauben ausmerzen kann. Dahin ist Paulus also unterwegs, man könnte sagen, geradezu auf den Spuren des Islamischen Staates. Und dann erlebt er spektakulär, dass er bekehrt wird. Paulus wird nie von sich sagen, ich habe mich bekehrt; ich habe mich Gott zugewandt, und ich weiß noch Tag und Stunde. Nein, er muss in den Staub der Straße vor Damaskus. Da kommt er wirklich, wortwörtlich, buchstäblich, zu liegen. Saul, so wird er zunächst genannt. Saul, Saul, was verfolgst du mich? Und innerhalb weniger Tage wird aus dem Christenhasser und Verfolger Saulus Paulus. Der Apostel der Heiden. Der, der leidenschaftlich das Evangelium verkündigt. Der, der wie kein anderer das ganze römische Reich bereist, um den Menschen die frohe Botschaft von der Versöhnung Gottes mit dieser Welt zu verkünden, um ihnen zu sagen, Gott hat überhaupt nichts gegen euch. Gott ist euch nicht feindlich gesinnt; legt doch endlich eure feindliche Gesinnung gegenüber Gott ab. Lasst euch versöhnen mit Gott, sagt er wenig später nach diesen Worten hier auch. Ja, Paulus ist wirklich auf einem völlig anderen Weg, sein Leben steht unter einem anderen Vorzeichen. Und trotzdem bleibt Paulus Paulus. So, wie er vorher mit großer Leidenschaft, allerdings auch mit Hass, die Christen verfolgt hat, so verkündigt er jetzt mit großer Leidenschaft den gekreuzigten Christus, der zum Auferstandenen geworden ist. Und es ist kein Zufall, dass im Galaterbrief überliefert wird, dass Petrus, der andere Kopf der urchristlichen Gemeinde, und er heftig aneinander geraten sind. Paulus und Petrus waren zwei Alphatiere. Was das bedeutet, weiß jeder von uns. Wenn an der Arbeitsstelle, in der Klasse oder in der Familie zwei absolute Alphatiere sind, kann das nicht gut gehen. Es sei denn, man ist wirklich ganz kontrolliert, ganz professionell und spricht ab, wer welches Ressort übernimmt. Paulus und Petrus prallen aufeinander. Ihr Leben steht unter einem anderen Vorzeichen als das vorher der Fall war. Aber sie bleiben Paulus und Petrus. Mit ihrer Leidenschaftlichkeit, auch mit ihrer Dickköpfigkeit, mit ihrer Entschlossenheit, mit allem, was ihr Leben ausmacht. Und darum, liebe Gemeinde, es ist in der Tat so: wenn wir Christen sind, Christen werden und Christen bleiben, dann steht unser Leben unter einem radikalen neuen Vorzeichen. Nämlich unter dem Vorzeichen, dass wir darum wissen, dass Gott es gut mit uns meint, dass er uns in keiner Weise feindlich gesinnt ist. Und dass auch wir unsere Ablehnung ihm gegenüber ablegen können, ja, dass wir mit ihm in Verbindung treten, mit ihm leben können und deswegen auch anders miteinander und mit anderen umgehen können. Doch eines sollten wir nicht vergessen, jeder nimmt sich selber mit. Jeder und jede von uns hat seine eigene Lebensgeschichte. Jeder und jede von uns hat seine ganz eigene Prägung. Und wer von uns einfach sein Leben mal so durchgeht, wer darüber nachdenkt, was ihn maßgeblich geprägt hat auf seinem Lebensweg, Vater, Mutter, Opa, Oma, bestimmte Musik, bestimmte Texte oder Literatur, die man gelesen hat, bestimmte Prediger oder bestimmte Predigerinnen, ganz egal was, der weiß, dass das Spuren in seinem eigenen Leben hinterlassen hat. Und diese Spuren, die begleiten mich ein ganzes Leben. Ich stehe unter dem Vorzeichen des Vertrauens auf den Gekreuzigten, der zum Auferstandenen geworden ist, und werde dennoch immer wieder erfahren und erleben, dass diese Spuren in guter und in unguter Weise Auswirkungen auf mein Leben haben. Wenn meine Eltern, ich sag jetzt ein überspitztes Beispiel, absolute Geizhälse gewesen sein sollten, dann werde ich mich nicht darüber wundern, wenn es in meinem Leben Spuren hinterlassen hat, dass ich mich manchmal auch so gebärde. Wenn meine Eltern mich in guter Weise gestärkt haben, dafür Sorge getragen habe, dass ich aufrechten Ganges und mit erhobenem Haupt und offenen Augen das Leben wahrnehme, dann werde ich diese Spuren in meinem Leben entdecken und wahrnehmen. Es muss uns allen nur eines klar sein, im Guten wie im weniger Guten, unser Leben mag unter dem Vorzeichen der Gnade Gottes stehen, unser Leben mag unter dem Vorzeichen der Hinwendung zu Gott stehen, wir werden unsere Lebensgeschichte und Prägungen, den Spuren, den weniger Guten und den Guten, immer wieder begegnen. Das, was Paulus sagt, Altes ist vergangen, Neues ist geworden, ist tatsächlich im Sinne zu verstehen von: Altes ist vergangen, Neues hat begonnen. Es ist ein lebenslanger Prozess, bis zum allerletzten Moment. Vielleicht kann man es so sagen, wie wir es Freitag im Taufgespräch auf den Punkt gebracht haben. Darin haben wir uns auch darüber, nicht im kleinen Taufgespräch, sondern im Taufgespräch in der großen Runde haben wir miteinander darüber gesprochen. Für Christen gilt, sie sind nicht anders und sie sind nicht besser, als andere Menschen. Für Christen gilt, sie sind besser dran. Weil sie wissen, zu wem sie gehen können. Weil sie wissen und darauf vertrauen, dass Gott sie freundlich und gnädig ansieht. Und sie ermutigt und ermächtigt, den Faden neu aufzunehmen und von vorne anzufangen. Martin Luther hat einmal gesagt im Blick auf den Menschen: Pecca fortiter, sündige tapfer. Das Wort finde ich nicht so toll. Weil, vorsätzlich möchte ich das nicht, wer will das schon? Es gibt ein Wort des Reformators Calvin: Perge fortiter, was so viel heißt wie: Kämpfe tapfer. Darum geht es, darum geht es dem Apostel Paulus in seiner Auseinandersetzung mit der Gemeinde in Korinth, und darum geht es auch in unserer Auseinandersetzung mit dem täglichen Leben, den täglichen Herausforderungen in unserem Glauben und durch unseren Glauben. Es gilt definitiv: Unser Leben hat als Christinnen und Christen ein neues Vorzeichen. Und so können wir uns auf den Weg machen. Ganz egal, ob wir möglicherweise auf spektakuläre Art und Weise zum christlichen Glauben gekommen sind, ob es ein Prozess gewesen ist, der gerade in unserer Gemeinde in den letzten Wochen zum Abschluss gekommen ist oder ob es etwas ist, was wir mit der Muttermilch aufgesogen haben; es spielt keine Rolle. Entscheidend ist das Vorzeichen, das neue Vorzeichen, das uns wissen lässt, dass wir Tag für Tag uns neu an die Arbeit machen können, tapfer kämpfen; immer daran denken, dass wir anderen das tun sollen, was wir uns von ihnen wünschen. Dass wir Gott lieben sollen und unseren Nächsten wie uns selbst. AMEN.
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