Religion und fremde Gebraeuche

Religion, Gebräuche und interkultureller Umgang
Betrachtet man die heutige Weltkarte aus
glaubenstheoretischer Perspektive, werden häufig nur
vier große Religionen angesprochen. (Christentum,
Judentum, Islam und Buddhismus). Viele Gebräuche,
Rituale, Umgangsformen, Regeln und Freiheiten
werden durch diese Religionen beeinflusst. Oft sind
Bezüge zu alltäglichen Handlungen oder Sitten für
Außenstehende, wie Austauschschüler und Touristen
unverständlich! Doch der bedeutende Unterschied
sollte sein, dass einige Touristen auch nach der
Abreise kein Verständnis über bestimmte Vorgänge
haben werden, Austauschschüler hingegen sollten es
geschafft haben, zumindest einen kleinen Einblick in
die Zusammenhänge zwischen Gesellschaft und
geistlich-kulturellem Leben bekommen zu haben.
Oft wird die Religion im Ausland viel stärker
ausgelebt als hier zu Lande. So werden in Südamerika
ganz stark christliche Feiertage zelebriert und
christliche Werte geachtet. Der sonntägliche Gang zur
Kirche ist für viele Familien und auch für die
Jugendlichen obligatorisch. Wir werden nie vergessen,
als wir auf einer Europatour mit unserer Gruppe von
Inbounds, die sich sonst wie ein Sack Flöhe verhielt, in
den Dom von Budapest gegangen sind. Es war eine
beunruhigende Stille und Ehrfurcht der sehr stak
gläubigen Süd- und Mittelamerikaner sowie großer
Respekt vor diesem Ort aller Zugehörigen anderer
Religionen.
In einigen Ländern, wie z. B. Südafrika, liegt auch
noch eine sehr strenge Trennung von Mann und Frau
in allen Lebensbereichen bis zur Ehe vor und der
Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit (auf der
Straße) wird als charakterliche Schwäche verstanden.
In Australien und Neuseeland werden neben der
englischen Kirche mit etwas liberaleren Ansichten
auch die einheimischen Sitten und Gebräuche verehrt!
So ist es z. B. bei Maoris Brauch, sich zur Begrüßung
die Nasen aneinander zu reiben, als Zeichen des
Vertrauens zu seinem Gegenüber. Wer darüber lacht,
fällt gleich unangenehm auf. Traditionen aus anderen
Kulturen mögen für uns häufig amüsant und
„komisch“ wirken, sollten aber mit dem nötigen
Respekt behandelt werden.
Die Situation in Nordamerika ist natürlich etwas
schwieriger zu bewerten als in Ländern mit einer
klaren Leitreligion. Man richtet sich generell und
offiziell ja auch politisch an christlichen Grundwerte
aus. Diese werden jedoch dann von verschiedenen
Kirchen im Land unterschiedlich stark, konservativ
oder liberal ausgelebt! Auch hier ist in vielen kleineren
Städten wie in Australien, Nord- und Südamerika, der
Kirchgang am Sonntag ein besonderer Termin.
Als Austauschschüler, egal welche Auffassung man
hier zu Hause in Bezug auf Religion für sich selbst hat,
gehört es zur allgemeinen Höflichkeit, eine Einladung
zum Besuch eines Gottesdienstes oder einer religiösen
Zusammenkunft nicht auszuschlagen.
Selbstverständlich muss man in seinem Austauschjahr
nicht konvertieren, dennoch ist die Begleitung der
Gastfamilie, auch in diesem Bereich, genauso zu sehen
wie
zu
Sportveranstaltungen
Einladungen.
und
anderen
Wir wollen hinzufügen, dass es zudem ein wahrhaft
spannendes Erlebnis sein kann, wenn man die
Abhaltung eines Gottesdienstes im Ausland miterlebt,
da gewisse Abläufe denen hiesigen ähneln und zum
Teil sogar in mitreißender, unterhaltsamer Weise
geschehen (Gospelgesang in den USA), wie es in
Deutschland unüblich ist.
Die Erfahrung von völlig neuen Religionen, wie z. B.
in Asien, kann eine sehr große Bereicherung sein, die
besonders zum Verständnis einiger soziokultureller
Verhaltensweisen essentiell ist und dazu auch mit dem
Besuch von Tempelanlagen eine „Sehenswürdigkeit"
darstellt!
Leider werden von den großen Weltreligionen viele
kleine, aus der Stammesentwicklung her rührende
Kulturen, an den Rand gedrückt!
Das Paradebeispiel sind die verloren gegangenen
Kulturen in Südamerika, (Inkas, Maya) und die der ins
Elend und in Armut getriebenen Schwarzen in Afrika
sowie die Aborigines in Australien. Häufig findet man
die Einheimischen als soziale Randgruppe in den
Aufgabenbereichen,
die
den
Kolonialisten
untergeordnet sind. Seit der offiziellen Abschaffung
der Apartheid in Südafrika, besteht zu den
Hausangestellten ein höfliches Miteinander. Auch als
Austauschschüler sollte man die Dienstleistungen der
Hausangestellten honorieren.
Es ist jedoch für Jugendliche aus beiden Kulturen
schwierig, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Die
europäischen Jugendlichen finden es zunächst
ungewohnt, jemanden zu haben, der das Zimmer
aufräumt, der die Schuhe putzt und das Bett jeden Tag
macht. Für die Gegenseite ist es jedoch unvorstellbar,
ohne diesen Service zu leben. Ein junger indischer
Austauschschüler stellte sich am Abend seiner
Ankunft in Deutschland mit ausgebreiteten Armen in
die Mitte seines Zimmers und wartete darauf, dass
seine Gastmutter ihn umzieht!
Wir glauben jedoch, dass ein verbessertes Verständnis
der Umgebung, Lebensart und der Personen, die den
Schüler während seines Jahres geprägt haben und die
er kennen gelernt hat, viele Probleme, die nach der
Rückkehr auftreten können, verringert.
Es liegt uns am Herzen, euch darauf vorzubereiten,
dass vielleicht auch einige Jugendliche vor Ort Witze
über das Elend der Einheimischen machen werden.
Besonders in Australien ist der Umgang mit den
Aborigines zum Teil erschreckend. Stoßt nicht mit in
dasselbe Horn, sondern bedenkt, dass die Situation
zwar so ist und auch nicht von einem
Rotaryaustauschschüler geändert werden kann, aber
man muss sich ja auch nicht dem Fehlbenehmen der
anderen anschließen!
Eine besonders schwere Aufgabe wartet auf die
Austauschschüler, denen es von Natur aus nah liegt,
helfen zu wollen, wenn sie mit der Armut in einigen
Ländern konfrontiert werden. Ob in Indien, Südafrika,
Thailand, Südamerika oder sogar Mexiko, einem
potentiellen Schwellenland, werden die Bilder der
Fernsehreportagen über Straßenkinder, verhungernde,
bettelnde Menschen und Armutsbehausungen
Wirklichkeit.
„Ich habe es selbst miterlebt, dass sich zum Teil
schreckliche Szenen abspielen, wenn man geneigt ist, auch nur
einen einzigen Cent einem Kind zu geben und dass man aus der
Traube von bettelnden Kindern, die einen umgeben, nicht mehr
herausfindet. Es erfolgt zwangsläufig eine Abstumpfung in
Hinsicht auf die einem umgebende Armut, denn man ist selber
nicht im Stande, die Situation zu ändern."
So hart sich dieses Problem nun anhören mag,
empfinden wir es als wichtig, nicht nur auf die blauen
Strände einiger exotischer Länder vorbereitet zu sein,
sondern sich auch auf solche Situationen einzustellen.