Schriftl. Bericht - Niedersächsischer Landtag

Drucksache 17/5526
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Schriftlicher Bericht
zum
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Jagdgesetzes
Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 17/2883
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und
Landesentwicklung - Drs. 17/5494
Berichterstatterin: Abg. Miriam Staudte (GRÜNE)
Der federführende Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung empfiehlt Ihnen in der Drucksache 17/5494, den Gesetzentwurf abzulehnen. Diese Beschlussempfehlung kam zustande mit den Stimmen der Ausschussmitglieder der Fraktionen von
CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Dagegen gestimmt hat das Ausschussmitglied der Fraktion
der FDP. Der mitberatende Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen hat sich der Empfehlung
mit demselben Abstimmungsergebnis angeschlossen.
Der Gesetzentwurf der Fraktion der FDP ist am 18. Februar 2015 erstmals im Plenum beraten worden. Gegenstand des Gesetzentwurfs ist die Aufnahme des Wolfs (Canis lupus) in die Liste der
dem Jagdrecht unterliegenden Tierarten - bei gleichzeitiger Festsetzung einer ganzjährigen Schonzeit. Der federführende Ausschuss ließ sich am 6. Mai 2015 von der Landesregierung über die
Auswirkungen einer solchen Regelung mündlich unterrichten.
Am 10. Februar 2016 führte der federführende Ausschuss eine mündliche Anhörung durch, die sich
sowohl auf den Gesetzentwurf bezog als auch auf die im Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz federführend beratenen Entschließungsanträge zum Thema Wolf, zu denen der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung nach § 28 Abs. 4
GO LT um Stellungnahme gebeten worden ist („Der Schutz des Menschen muss jederzeit höchste
Priorität haben - für ein konsequentes Handeln der Landesregierung im Umgang mit dem Wolf!“,
Antrag der Fraktion der CDU, Drs. 17/3709; „Rückkehr des Wolfes: Sicherheit des Menschen hat
Vorrang - Artenschutz ernst nehmen, Nutztierhalter unterstützen“, Antrag der Fraktion der SPD und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drs. 17/4256; „Für den Tierschutz und die Existenzfähigkeit
der betroffenen Schäfer - Goldenstedter Wolf umgehend entnehmen“, Antrag der Fraktion der
CDU, Drs. 17/4519; „Weidetierhaltung in Niedersachsen retten - Nutztierhalter für Wolfsrisse besser entschädigen“, Antrag der Fraktion der FDP, Drs. 17/4652). Mündlich angehört wurden Vertreterinnen und Vertreter der Landesjägerschaft Niedersachen e. V., des Sächsischen Schaf- und
Ziegenzuchtverbands e. V., der Weidehalter Nordostniedersachsens (WNON), des Landvolks Niedersachsen, der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände, der Vereinigung der niedersächsischen Schafzuchtverbände und des NABU - Projektbüro Wolf - sowie ein betroffener Weidetierhalter aus dem Bereich Goldenstedt. Zudem gingen dem Ausschuss mehrere schriftliche Stellungnahmen zu, die in die Beratungen einbezogen wurden.
Auf Bitten des Ausschusses nahm der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst (GBD) zu der Frage
Stellung, ob das Land über die notwendige Gesetzgebungskompetenz verfügt. Dazu gaben die
schriftlichen Stellungnahmen in der Anhörung unterschiedliche Sichtweisen wieder. Der GBD wies
darauf hin, dass der Gesetzentwurf einerseits den Kompetenztitel Jagdrecht (Artikel 74 Abs. 1
Nr. 28 GG) berührt, weil zum Jagdrecht traditionell die Bestimmung der jagdbaren Tiere gehört.
Andererseits ist der Kompetenztitel Naturschutz (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 29 GG) berührt, weil dieser
das Recht des Artenschutzes einschließt, auch bei jagdbaren Tieren, und der Wolf eine streng zu
schützende Art ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) kann eine
Regelung nicht mehreren Kompetenztiteln zugeordnet werden, sondern es muss festgestellt wer-
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Drucksache 17/5526
den, mit welchem Kompetenztitel die Regelung enger verzahnt ist; dazu muss die Gesamtregelung
in den Blick genommen werden. Hierzu konnte der GBD in Ermangelung von Fachkenntnissen
über die rechtlichen und praktischen Auswirkungen der Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht sowie mangels einschlägiger Rechtsprechung des BVerfG über die Abgrenzung der Kompetenztitel
Jagdrecht und Naturschutz kein abschließendes Votum abgeben. Da bei einer Aufnahme des
Wolfs in das Jagdrecht die Jagdausübung (als Form der Eigentumsnutzung) wegen vorrangiger naturschutzrechtlicher Regelungen nicht infrage kommt, sich aus der Regelung aber - z. B. durch die
Hegepflicht - weitere Verpflichtungen zum Schutz der Art ergeben dürften, sei es vertretbar, die
Regelung dem Kompetenztitel Naturschutz zuzuordnen. Da im Bereich des Artenschutzrechts das
Land über keine Abweichungskompetenz verfügt (Artikel 74 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG), würde es dem
Land dann an der nötigen Gesetzgebungskompetenz zur Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht
fehlen. Die Gegenauffassung, die die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht dem Kompetenztitel
Jagdrecht zuschlägt, sei aber ebenfalls vertretbar. Wie groß das mit der Regelung des Gesetzentwurfs verbundene verfassungsgerichtliche Risiko ausfällt, konnte der GBD aus den genannten
Gründen nicht prognostizieren.
Die Ablehnung des Gesetzentwurfs wurde von den die Beschlussempfehlung tragenden Fraktionen
damit begründet, dass die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht keine Auswirkungen auf die derzeitige Situation hätte und sich auch die Landesjägerschaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt dagegen
ausgesprochen habe. Ein Ausschussmitglied der CDU-Fraktion fügte hinzu, dass, solange der Wolf
den höchsten artenschutzrechtlichen Schutzstatus genieße (Anhang IV der europäischen FloraFauna-Habitat-Richtlinie), wichtigere Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Wolf zu klären
seien. Ein Ausschussmitglied der SPD-Fraktion wies ergänzend darauf hin, dass sich in der Anhörung niemand ausdrücklich für die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht ausgesprochen habe. Ein
Ausschussmitglied der Fraktion der Grünen fügte hinzu, dass für den Fall einer notwendigen Entnahme die erforderlichen naturschutzrechtlichen Regelungen zur Verfügung stünden.
Vonseiten des Vertreters der FDP-Fraktion wurde demgegenüber darauf hingewiesen, dass der
Gesetzentwurf keineswegs darauf abziele, den Wolf gegenwärtig zu bejagen, sondern die Möglichkeit zu eröffnen, mit dieser Tierart sachgerecht umzugehen, damit Jäger, wenn ein Tier dieser Art
zu Schaden gekommen sei, tätig werden könnten.
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(Ausgegeben am 11.04.2016)