Predigt, zum Sonntag Quasimodogeniti, 2016, Lebendige Hoffnung

Predigt, zum Sonntag Quasimodogeniti, 2016,
Lebendige Hoffnung
Der Friede Christi sei mit Euch allen, Amen
Liebe Gemeinde,
manchmal währt die ungetrübte Freude an einem Fest nicht lange,
weil andere Ereignisse diese Freude überdecken. Ein bisschen so war
es vergangene Woche mit Ostern, als noch am Sonntag bekannt
wurde, dass in Lahore in Pakistan radikale Taliban eine Bombe in
einem Vergnügungspark gezündet hatten, die vor allem Christen
treffen sollte, die dort Ostern feiern wollten, eigentlich das Fest der
Hoffnung für alle Menschen.
Für mich war es ein kleiner Schock: 72 Menschen starben, etwa die
Hälfte davon Kinder. Mehr als die Hälfte der Getöteten waren
Moslems, aber das nahmen die Attentäter offenbar billigend in Kauf.
Dieser Anschlag reiht sich ein in eine lange Reihe von Berichten über
Attentate auf Christen in aller Welt:
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So wurde im März ein Christ, der 1999 konvertiert war, in
Bangladesch offenbar von radikalen Moslems auf offener
Straße erstochen.
Im Jemen wurde ein christlich geführtes Altenheim überfallen,
acht Mitarbeiter wurden getötet, darunter mehrere Nonnen.
In den vergangenen Jahren haben gerade auch Christen unter
den Kriegen im Irak und in Syrien gelitten. Die Christen
werden in dem Bürgerkrieg, der sich dort abspielt, zerrieben
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zwischen den Interessen der verschiedenen moslemischen
Gruppen und der in dem Krieg mitmischenden Großmächte.
Gräbt man ein wenig im Internet, stößt man auf den
Weltverfolgungsindex, ein Negativ-Ranking des Netzwerks
Open Doors, das Christenverfolgung in 50 Staaten der Welt
anprangert. Den Machern der Untersuchung zufolge hat sich
die Zahl der wegen ihres Glaubens ermordeten Christen im
vergangenen Jahr von 4344 auf 7100 erhöht. Angriffe auf
Kirchen weltweit hätten sich mehr als verdoppelt, von 1062
auf 2406. An der Spitze dieses zweifelhaften Rankings stehen
Staaten wie Nordkorea, Irak, Eritrea, Afghanistan und Syrien,
aber auch Pakistan und Iran sind weit oben gelistet.
Nein, Christen haben es in vielen Teilen dieser Welt nicht leicht.
In dieser Situation die österliche Hoffnung zu bewahren ist schwer –
auch für uns, die wir in dieser globalisierten Welt solche Nachrichten
immer als Schlagzeilen präsentiert bekommen. Die wirklichen
Hoffnungszeichen in unserer Welt werden in den Nachrichten
dagegen gerne übersehen. So wirkt die Welt immer ein bisschen so,
als komme der Untergang jeden Tag ein Stück näher.
Die Situation ist durchaus vergleichbar mit der Zeit der frühen
Christenheit, in der es für die häufig verfolgten Christen wirklich
schwer gewesen sein muss, Hoffnung zu bewahren – und in der
gerade die Christen das baldige Ende dieser Welt erwarteten. In dieser
Zeit ist der erste Petrus-Brief entstanden, der als übergemeindlicher
Brief, sozusagen als Rundbrief, aus Rom an heidenchristliche
Gemeinden in Kleinasien, also in der heutigen Türkei, ging.
Der Brief ist in erster Linie gedacht, um in diesen Gemeinden
Hoffnung zu stiften – aber auch zur Ermahnung. Ich lese den
Predigttext für den heutigen Sonntag Quasimodogeniti. Er steht im
1. Petrusbrief im 1. Kapitel, Verse 3-9, also ganz am Anfang des
Briefes:
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns
nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer
lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von
den Toten,
zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen
Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für Euch,
die Ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur
Seligkeit, die bereit ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.
Dann werdet Ihr Euch freuen, die Ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn
es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen,
damit Euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als
das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob,
Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus.
Ihn habt Ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun
glaubt Ihr an ihn, obwohl Ihr ihn nicht seht; Ihr werdet Euch
aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude,
wenn Ihr das Ziel Eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen
Seligkeit.
Wort des allmächtigen Gottes, Amen
Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,
„an die auserwählten Fremdlinge“ in den Provinzen Kleinasiens des
Römischen Reiches schreibt Petrus diesen Brief. Ein interessanter
Nebenaspekt. Christen sind in dieser Zeit und in diesem Teil der Welt
Fremdlinge. Sie gehören nicht wirklich zur Gesellschaft. Durch die
Verweigerung der Anbetung des Römischen Kaisers werden sie
vielerorts verfolgt. Sie sind mancherlei Anfechtungen ausgesetzt,
wie es heißt.
Diese Anfechtungen kann man sich lebhaft vorstellen: Regelmäßig
wird der eine oder andere einem strengen Verhör unterzogen und
vielleicht auch eingesperrt. Vielleicht gibt der eine oder andere auch
dem Druck nach und lässt sich zur Anbetung des Kaisers zwingen.
Vielleicht wird die Gemeinde auch dadurch verunsichert, dass manche
Familien, die sich in der Erwartung eines baldigen Endes der Welt
haben taufen lassen, nun ungeduldig werden. Sie fragen, wann denn
die Versprechungen der Apostel, dass das Reich Gottes kommen
werde, in Erfüllung gehen.
So ähnlich mag es auch heute in christlichen Gemeinden in Ländern
sein, in denen Christen verfolgt oder nicht geachtet werden:
Verhaftungen, Todesdrohungen, Probleme im Beruf oder auch Druck
sich zu der herrschenden Religion zu bekennen, um wieder ganz am
gesellschaftlichen Leben teilzuhaben oder den eigenen Kindern eine
sichere Zukunft zu ermöglichen. Da haben wir es in Deutschland
derzeit wirklich gut im Vergleich.
Damals war die Erwartung tatsächlich gewesen, dass die Zeit nach der
Auferstehung Jesu Christi nur eine kurze Übergangszeit sein werde.
Die Zeit aber wurde lang und länger – und anders als die Apostel
haben die Glieder der Gemeinden, an die der Brief geschickt wurde,
ihn nicht gesehen und sie haben ihn doch lieb, wie es in dem Brief
heißt. Da ist es nicht einfach, beim Glauben zu bleiben.
Wir haben es ja eben in der Lesung gehört, wie schwer es selbst dem
Apostel Thomas gefallen ist zu glauben,
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dass Jesus tatsächlich nach dem Tod wieder auferstanden war,
zu glauben, dass er den Tod besiegt hat.
Dass seine Wundmale noch da waren – und er doch wieder
lebte.
Thomas erhielt die Chance, Jesus nach der Auferstehung anzufassen
und so wirklich zu erfahren, was geschehen war. Alle, die später
kamen, auch wir, sind ganz auf den Glauben angewiesen.
Welche Wirkung ein Brief wie der von Petrus in den Gemeinden
haben kann, das kann ich mir lebhaft vorstellen. Vielleicht wurde er in
der Gemeinde vorgelesen. Und dann hörten die Christinnen und
Christen Sätze wie diesen (übrigens auch der Wochenspruch für diese
Woche). Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu
einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi
von den Toten.
Die Wirkung ist eindeutig: Da ist zunächst einmal der Zuspruch von
außen. Für die Empfänger hieß der Brief aus Rom zugleich: Wir sind
nicht allein in der Welt, es gibt auch andere, die der Botschaft Christi
vertrauen – eine Art Rückversicherung, auf dem richtigen Weg zu
sein.
Und gerade dieser erste Satz unseres Textes ist gleich auch die
Botschaft, um die es geht: Wir sind es, die durch Jesus Christus und
durch unsere Taufe zur lebendigen Hoffnung werden – die Glieder der
Gemeinden damals und in der Nachfolge auch wir.
Also, der Kontakt untereinander über die Briefe brachte den frühen
Christen Rückversicherung: Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir
Christen uns auch heute weltweit immer wieder solidarisieren. Dass
wir Glaubensbrüdern in fernen Ländern Zeichen geben, dass sie nicht
allein sind. Dass wir denen helfen, die verfolgt werden. Wie Christen
im Iran ihren Glauben leben, häufig ungetauft, war erst gestern in der
FAZ in einem großen Beitrag zu lesen. Dort feiern sie Gottesdienste
in Hauskreisen, teilweise per Skype, also per Internet-Telefon,
verbunden mit einem Priester, der in diesem Fall in Kanada saß.
Christen aus Eritrea und aus dem Iran, aus Syrien und aus dem Irak
kommen heute nach Deutschland und brauchen Hilfe. Manche lassen
sich erst hier in Deutschland taufen, weil das in ihrer Heimat nicht
möglich war. Einige von Ihnen sind seit einiger Zeit auch in unserer
Gemeinde und bereichern unsere Gemeindearbeit. Das ändert manche
Perspektive, wie ich zum Beispiel bei unserem internationalen
Gastmahl am Gründonnerstag gelernt habe, als Flüchtlinge von ihrem
Schicksal berichtet haben.
Der Blick zu den Christen in Ländern wie dem Iran ist ein bisschen
wie ein Blick zurück in die Gemeinden, die damals Empfänger des
Petrus-Briefes waren. Woher hatten damals diese Menschen in
Kleinasien die Kraft, in Armut, Unterdrückung und Verfolgung zu
rufen: „Gelobt sei Gott!“? Die Zustände waren es sicher nicht. Sie
hatten ja unter ihnen zu leiden. Die Kraft fanden sie aber auch nicht in
Rache-Phantasien gegen ihre Peiniger und im Ruf nach Waffen. Den
Mut zu leben fanden sie im Blick auf Christus und seinen Weg durch
Leiden und Sterben hinein in die Auferstehung.
Das gibt uns auch heute noch Kraft: Wir sind wiedergeboren zu
einer lebendigen Hoffnung. Damit verbunden ist die Aufforderung,
den Anfechtungen zu widerstehen. Das heißt zum Beispiel, eben nicht
der Logik des Terrors zu verfallen, nach der es heißt, der Terrorismus
könne nur durch Antiterror besiegt werden. Doch wer genau hinhört,
ahnt es: Die Triumph-Meldungen über die Tötung von Führern des IS
unterscheiden sich im Wesen nur wenig von den Selbstbezichtigungen
der Terroristen, einen Anschlag erfolgreich verübt zu haben. Am Ende
schafft Gewalt immer wieder neue Gewalt.
Wiedergeboren zur lebendigen Hoffnung – Quasimodogeniti, so
heißt der heutige Sonntag: Wie die neugeborenen Kinder sind wir
Christen angesichts der österlichen Botschaft, das schreibt auch Petrus
in seinem Brief. Der Moment der Geburt ist gleichnisartig das, was
uns Gott zu Ostern schenkt: Neugeborene erfahren Geborgenheit
zuerst in den Armen ihrer Mutter, dann in den Armen ihres Vaters.
Mit Freude entdecken sie dann das Leben und die Wunder der Welt,
entfalten ihre eigenen Fähigkeiten, werden immer mehr selbstständig.
Dabei bringt das Leben viele Anstrengungen und auch Scheitern.
Beim Laufen holen sich die Kleinen Beulen und Schrammen. Und
doch lassen sie sich – vital und lustig wie sie sind – nicht abhalten,
den Weg ins Leben zu suchen, voller Hoffnung.
Quasi modo geniti, wie die neu geborenen Kinder erfahren auch wir
Christinnen und Christen: Das neue Leben ist nicht ohne Mühen und
Schmerzen zu haben und ist doch wunderbar, lebenswert.
So können wir uns darin üben, der Hoffnung einen zentralen Platz in
unserem Leben einzuräumen.
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Indem wir es immer wieder versuchen, Fürsprecher für die zu
sein, die nicht laut schreien und so auf sich aufmerksam
machen können.
Indem wir versuchen, auch den Menschen, mit denen wir
zusammenarbeiten, gerecht zu werden, sie so zu akzeptieren,
wie sie sind und so zusammen mit ihnen das Bestmögliche zu
erreichen.
Indem wir auch Schwerkranken immer wieder das Gefühl
geben, Teil der Gemeinschaft zu sein.
Von „Seligkeit der Seele“, von Rettung spricht der Apostel. Zur
Seligkeit gehört sicher das menschliche Glück. Die Sehnsucht nach
Glück gehört zum Leben. Aber die Sehnsucht wird ziellos, verirrt
sich, wenn sie nicht die Beziehung zu Gott findet. Wenn sie die
Beziehung zu Gott findet, dann ist genau das für uns das
unvergängliche und unbefleckte und unverwelkliche Erbe, das
aufbewahrt wird im Himmel für Euch, wie der Apostel schreibt
(was für eine Sprache!).
Die Christen, die in anderen Ländern verfolgt werden, leiden am Ende
nicht vergebens. Christus hat den Tod überwunden, und darauf
können auch wir hoffen, wenn wir den Anfechtungen widerstehen.
Und, liebe Gemeinde,
daran können wir arbeiten, jeden Tag. Das klappt sicher nicht gleich
auf Anhieb und auch nicht immer. Aber es ist ein Ziel, das wir wieder
und wieder neu anstreben können. Wohin uns das am Ende führen
wird, das wissen wir nicht – aber es ist doch auch spannend, offen zu
bleiben für das, was Gott noch mit uns vorhat.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,
erleuchte unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus,
unserem Herrn.
Amen
Jesus lebt, mit ihm auch ich, Nr. 115, 1-3 und 6