Tag der angewandten Rechtspsychologie und Nachbarwissenschaften: „Die Besonderheit des Einzelfalls“ Mittwoch, 6. April 2016, 9.15 bis 17.00 Uhr im Hörsaal der SRH Hochschule Heidelberg, Ludwig-Guttmann-Straße 6, 69123 Heidelberg Eintritt frei! Anmeldung unter [email protected] Programm 9.15 - 9.30 Uhr: Begrüßung (Prof. Habermann) 9.30 - 10.15 Uhr: Vorwurf sexueller Missbrauch in familiengerichtlichen Verfahren Dipl.-Psych. Alexandra Ehmke, Praxis für Rechtspsychologie Heidelberg Nicht selten taucht im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs auf. Innerhalb der familienpsychologischen Begutachtung ist in einem solchen Fall auch aussagepsychologischer Sachverstand gefragt. Typische Fallbeispiele werden verdeutlichen, wie die Ausgangslage in der Begutachtung aussieht und worauf es im Begutachtungsprozess ankommt. Es wird aufgezeigt, was ein solcher Vorwurf für das betroffene Kind bedeutet und welche Fehler es im Interesse des Kindes zu vermeiden gilt. 10.15 - 11.00 Uhr: Scham und Gewalt Dipl.-Psych. René Cuadra, Oberpsychologierat, Leiter der Behandlungsabteilung JVA Offenburg Scham infolge erlebter Herabsetzung und Demütigung (Gewalt, Ausgrenzung, unzureichender Anerkennung, existenzieller Leugnung) kann in den Lebensläufen vieler Menschen in Haft ausgemacht werden. Beschämungen sind alltäglicher Bestandteil der Routinen, der baulichen und institutionellen Gegebenheiten und des individuellen Umgangs von Bediensteten mit Inhaftierten (und umgekehrt). Schließlich stellt sich auch die Frage, ob und in welcher Weise Scham in einer rückfallpräventiven, deliktorientierten Behandlung einen Platz haben kann. Der Referent berichtet von seinen Erfahrungen und beleuchtet diese Problematik anhand von Fallbeispielen. 11.00 - 11.15 Uhr: Pause 11.15 - 12.00 Uhr: Kriminalprognose und Kriminaltherapie - Das Zusammenspiel von Behandlung und Gefährlichkeitseinschätzung Dipl.-Psych. Marcus Müller, Forensische Psychiatrie und Psychotherapie , Univ.med. Mainz Psychologen, die mit straffällig gewordenen Menschen arbeiten, stehen nicht nur im Spannungsfeld zwischen ihrem Klientel und ihren Auftraggebern, sie erfüllen dabei zumeist auch noch das Doppelmandat von Behandlung und Gefährlichkeitseinschätzung. Wie ist diese in der Praxis übliche Konstellation hinsichtlich der Erreichung des Behandlungsziels (Reduzierung des Rückfallrisikos) zu bewerten? Welche Möglichkeiten der Bewertung der durchgeführten Behandlungsmaßnahmen gibt es? Und welche Bedeutung haben diese für die kriminalprognostische Einschätzung? 12.00 - 12.45 Uhr: Forensische Ambulanzen im Strafvollzug Dipl.-Psych. Michaela Stiegler, Therapeutische Leitung Forensische Ambulanz Baden Der Bedarf nach forensischer Nachbetreuung von Straftätern hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Nach Erläuterungen zum Auftrag, rechtlichen Rahmenbedingungen, Tätigkeitsfeldern und Fallgruppen erfolgt eine Vorstellung der Forensischen Ambulanz Baden als größte deutsche Nachsorgeambulanz mit Umsetzung der Idee des präventiven Opferschutzes durch die therapeutische Arbeit mit dem Straftäter. Es werden Einblicke in die Vielfalt deliktorientierter Einzeltherapien gegeben, wobei deutlich wird, dass jeder Klient Besonderheiten aufweist, die ein maßgeschneidertes Therapieangebot erfordern. 12.45 - 14.00 Uhr: Mittagspause (Möglichkeit zum Essen im CUBE oder Kurpfalzcafé) 14.00 - 14.45 Uhr: „Wegen nix“ getötet Dr. med. Roman Bux, stv. Leitung Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg Es wird vom "Eis de Rocco"-Fall berichtet, der als aufwendigster Kapitaldeliktsfall der Frankfurter Rechtsmedizin bekannt geworden ist. Es geht um eine Mehrfachtötung im Rahmen einer Auseinandersetzung zweier Familienclans und das komplexe Zusammenspiel der rechtsmedizinischen Teilgebiete, insbesondere der Blutspurenanalytik bei extrem großer Spurenmenge. 14.45 - 15.30 Uhr: Die Bewältigung komplexer Einsatzlagen – interdisziplinäre Herausforderungen am Beispiel einer Geiselnahme Bernd Fuchs, ehem. Leiter der Polizeidirektion Heidelberg, Chefredakteur Kriminalistik Fälle von Schwerstkriminalität wie Geiselnahmen, Entführungen oder Erpressungen stellen die Einsatzkräfte bei der Lagebewältigung und den anschließenden kriminalistischen Ermittlungen vor besondere Herausforderungen. Anhand eines praktischen Beispiels wird die spezifische Führungsverantwortung, die Aufgaben von Berater- und Verhandlungsgruppen sowie der Spezialkräfte und der Sonderkommission erläutert und dabei der interdisziplinäre Ansatz vor, während und nach entsprechenden Einsätzen besonders herausgestellt. 15.30 - 15.45 Uhr: Pause 15.45 - 16.30 Uhr Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug Rainer Glowalla, Justiziar der Vitos Kliniken für Forensische Psychiatrie Riedstadt und Eltville Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2011 die bestehenden Regelungen zu Zwangsbehandlungen im Maßregelvollzug in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg für verfassungswidrig erklärt. In anderen Bundesländern waren die Normen zur Zwangsbehandlung zwar nicht gerichtlich für ungültig befunden worden, allerdings oft den Regelungen vergleichbar, die das BVerfG bemängelt hatte. Folglich war es im Maßregelvollzug der meisten Bundesländer mangels verfassungskonformer Rechtsgrundlagen zeitweilig unmöglich, selbst schwer psychotische Patienten zu behandeln. Das führte oft zu zustandsbedingten dauerhaften Absonderungen und anderen negativen Folgen für die Patienten und auch die Kliniken. Mit der Novellierung der Maßregelvollzugsgesetze wurden verfassungskonforme Regelungen für die Option der Zwangsmedikation geschaffen, die jedoch durchaus wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren sein können. Im Rahmen des Vortrags werden die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen dieser Behandlungsform dargestellt und an Beispielen erläutert. 16.30 - 17.00 Uhr: Plenum Alle Referenten Abschließend besteht die Möglichkeit für offene Fragen und einen moderierten Austausch untereinander sowie mit dem Auditorium, wobei uns interessiert, was wir von heute voneinander mitnehmen können und v. a. welche tradierten oder auch neuen Perspektiven uns in den vielfältigen forensischen Disziplinen in Zukunft wichtig erscheinen. Hier geht es im fachlichen Diskurs nochmals um die Interdisziplinarität, die Überschneidungen und Grenzen der Anwendungsfelder, etwa wenn Sachverständige mit unterschiedlichen Fragestellungen zusammen im Gericht sitzen oder ein Justiziar sich mit den Konsequenzen von rechtlichen Entscheidungen, die aus einem Prognosegutachten resultieren, für die Klinik beschäftigen muss. Themenbezogene Fragen aus der Zuhörerschaft sind ausdrücklich erwünscht, insbesondere dürfen die Referierenden auch zu persönlichen Haltungen in Bezug auf ihre Vortragsthemen und ihre beruflichen Aufgaben gefragt werden.
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