S.O.S. beim Wachwechsel im inhabergeführten Familienunternehmen: Die vier Untiefen bei der Unternehmensnachfolge Dr. Wolfgang Meyer-Hofmann und Wolfgang Seefeldt 1 Die Regelungen des Bordfunk: Wer kommuniziert mit wem, wie, worüber? Welche Firma lässt schon ihre eigenen Talente vertrocknen? Wer riskiert es, dass glühend motivierte Mitarbeiter im lauen Mittelmaß versacken? Und kreatives Potential schreddern, langjährige Erfahrungen in die Mülltonne treten – wie sieht es damit aus? Völlig undenkbar, möchte man abwinken. Und doch ist all das in vielen (Familien)-Unternehmen, wenngleich ohne Absicht, tägliche Praxis. Und die kostet wertvolle Ressourcen. Schlimmer noch: Springen qualifizierte Mitarbeiter reihenweise von Bord, weil sie sich nicht mehr zuhause fühlen – im Schlepptau ihr know how (Kollegen und die Kunden) – kann das Unternehmen sogar den Anschluss an die Zukunft verlieren. Denn letztlich geht auch ein unbezahlbarer Erfahrungsschatz verloren – oder er bereichert künftig den Konkurrenten, bei dem die Frustrierten anheuern. Von der Mastspitze aus betrachtet – die Kommunikationsexperten nennen es "Metaperspektive“ – erscheinen die Zusammenhänge logisch. Doch was dem Beziehungsprofi einleuchtet, erschließt sich dem Beteiligten erst über Umwege. Zunächst dümpelt diffuses Unwohlsein in seinen Gedanken, er trägt die Anspannung mit nach Hause, brütet dort seinen Zwiespalt aus, nicht selten auf Kosten von Psyche und Familie. Läuft der Leidensdruck aus dem Ruder, kommt es zur kopfinternen Kernschmelze. Wer nicht die Reißleine zieht, zupft sich die Situation anderswie erträglich: Dienst nach Vorschrift, öfter mal krank melden oder auch die viel zitierte „innere Kündigung“. Wahrlich kein seltenes Phänomen, der aktuelle Engagement-Index des Beratungsunternehmens Gallup definiert eine große Gruppe von Arbeitnehmern (70 Prozent) „mit geringer emotionaler Bindung“ an ihr Unternehmen. Ärmel aufkrempeln reicht heute nicht mehr aus, es muss miteinander geredet werden Auch zum Thema „Krankfeiern“ gibt es Fakten: Mitarbeiter, die wenig Gefühlsbindungen an das Unternehmen haben und sich nicht mit der Firma identifizieren, zeigen deutlich weniger Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft. Jährlich verursachen sie etwa doppelt so viele Krankheitstage wie motivierte Arbeitnehmer. Ähnliches ergab eine Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO): Mitarbeiter, die von ihren Vorgesetzten wenig Anerkennung erfahren, sind häufiger krank. Von der inneren Kündigung zur faktischen Kündigung ist es oft nur ein kurzer Weg. Der Firmenlenker registriert den Exodus seiner Getreuen zunächst mit Ratlosigkeit und Unverständnis. Vielleicht zu wenig Geld, so die reflexhafte Vermutung, wenn wieder mal jemand Abschied nimmt. Doch es steckt weitaus mehr dahinter. Oft ist es nämlich nicht der finanzielle Aspekt, der Menschen zum Ausstieg bewegt. Ploppt der Hauptgrund für den Mitarbeiter meuchelnden Motivations-Crash an die Oberfläche, trifft das viele Firmenoberhäupter wie eine Breitseite aus dem Hinterhalt. Doch seriöse Ursachenanalysen verdeutlichen immer wieder eines: Es klemmt an der Kommunika2 tion – besser gesagt an kluger Kommunikation. Zweifellos ein Reizwort für Patriarchen, die ihre Firma vorwiegend mit harter Arbeit nach oben geboxt haben. Doch Ärmel aufkrempeln allein, das reicht heute nicht mehr aus. Im Gegenteil, Führungsstil mit Fingerspitzengefühl ist gefragt, und dazu gehört, dass miteinander geredet wird, konstruktiv, mehrdimensional und möglichst mit einem filigranen und regelmäßigen Feedback. „Frontalfeedback to go“ zeigt niemandem eine Perspektive auf In der betrieblichen Praxis geschieht oft genug Gegenteiliges. Wer zum Gespräch an den Kapitänstisch muss, der erscheint dort meist mit schlackernden Knien. Was kann schon kommen, wenn man zum „Alten“ zitiert wird – Kritik, Vorwürfe, vielleicht eine Abmahnung? Aber sogar ohne Rüffel und Rügen herrscht meist Einbahnstraßenkommunikation, sozusagen „Frontalfeedback to go“. Dabei sind solche Vier-Augen-Situationen regelrechte Premium-Gelegenheiten für den Kapitän, motivationsbedingte Schlagseiten auszuloten, die Stimmungslage der Besatzung abzuhorchen – und letztlich regulierend einzugreifen, wenn der Kurs Knicke bekommt und die Segel rissig werden. Vor allem aber ist es eine hochformatige Chance, dem Gegenüber ein Stück „konkrete Zukunft“ zu vermitteln. Denn Unternehmen, die Mitarbeitern keine Perspektiven aufzeigen, segeln auf Risikokurs. Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels ist es regelrecht grob fahrlässig, diesen Aspekt der Mitarbeiterbindung zu vernachlässigen. Dabei ist eines nachvollziehbar: Wissen, woher der Wind weht, das wollen die allermeisten. Denn sie treiben perspektivisch- existentielle Fragen um: Welche Rolle spiele ich konkret im Besatzungsensemble, welche Wertschätzung erfahre ich? Welche Karrierechancen bietet mir die Firma? Wo sieht mich der Chef in 5 Jahren, und wie sicher ist mein Arbeitsplatz. Parallel dazu geht es um den persönlichen Anerkennungsbonus. Das können Aufstiegsmöglichkeiten sein, ein interessantes Praktikum im Ausland, ein flotter Firmenwagen oder auch soziale Sicherheit. Ab einem gewissen Alter ist man ausgesprochen dankbar, nicht noch mal andernorts anheuern zu müssen. Und diese Wertschätzung zahlt sich aus; sie kann zweifellos zu einem noch höheren Engagement für das Unternehmen führen. Kommunikation „al dente“ verbaut individuelle Lösungsansätze Mitarbeiter brauchen Feedback und das Gefühl, dass man sie wahrnimmt. Nichts ist schlimmer als Desinteresse oder administratorisch abgehandelte Zuwendungs-Alibis. Doch gerade dieses Wertschätzen fällt vielen Führungskräften der alten Schule schwer. Sie sind wenig bereit, sich Zeit dafür zu nehmen. Reden ist Silber, nur Arbeit bringt Gold. Aufmerksam zuhören, mal die Krawatte lösen, ein lockeres Wort zwischendurch, das ist zweifellos schwer, wenn man gewohnt ist, den ganzen Tag Anweisungen zu erteilen. Zudem verbaut Kommunikation „al dente“, nämlich mit zusammengebissenen Zähnen, auch individuelle Lösungsansätze. Wertschätzung lässt sich nämlich auch dadurch zeigen, dass man herausfindet, was dem einzelnen Mitarbeiter wichtig ist. Vielleicht hat die Mitarbeiterin ein krankes Kind zu Hause und geht deshalb immer so früh. Ihr könnte man mit flexiblen Arbeitszeiten entgegenkommen. 3 Solche Individuallösungen beflügeln nicht nur Einzelne. Es spricht sich rasch herum, dass sich der eine oder andere Frosch im Hals beim Chefgespräch kreativ entsorgen lässt. Das stärkt das Wir-Gefühl und bringt in der Summe Antrieb für alle. Leider kollidiert solcherart betriebliche Vorsorge oft mit beinharter Patriarchenmentalität. Ähnlich unterentwickelt zeigt sich bei professioneller Analyse auch die Kommunikation mit den übrigen Partnern im geschäftlichen Kosmos, etwa Kunden, Lieferanten oder Banken. Auch diese wollen gern auf dem Laufenden gehalten werden, allgemein atmosphärisch als auch von der Faktenlage her. Wer offensiv auftritt und Transparenz zeigt, implantiert gleichzeitig eine Art MisstrauensPrävention. Viel zu oft wird aber erst dann kommuniziert, wenn irgendwo der Schuh drückt – wenn der Kreditrahmen zwickt, wenn die Lieferkonditionen den Rechenstift rauchen lassen oder wenn eine Preiserhöhung die Atmosphäre würgt. Auch in diesen Segmenten stünde kluge Kommunikation dem einen oder anderen Firmenlenker besser zu Gesicht als ein undurchsichtiges Pokerface. Nicht immer durchsichtig sind mitunter auch die internen Machtverhältnisse in der Kapitänskajüte. Zwar muss es nicht gleich eine Meuterei sein, aber Ränke und Rangeleien unter den Offizieren, das spricht sich rasch rum unter der Crew. Die aktuelle Stimmung und das Vertrauen in die Zukunft fördert es nicht. Weniger maritim marmoriert formuliert: Oft beschäftigt sich der Unternehmer nicht oder zu spät mit der Nachfolge. Was aber nicht klar geregelt ist, verursacht Missstimmungen und stichelt persönliche Befindlichkeiten an. In der Folge gärt und menschelt es unter der Ober- fläche. So kann es bei einem Gesellschafterkreis aus mehreren Familienmitgliedern zu einem zersplitterten Meinungsbild kommen, oder es entstehen sogar Pattsituationen. Zudem sind immer wieder Allianzen innerhalb der Familie und im Gesellschafterkreis zu orten, welche das Unternehmen nachhaltig lähmen und blockieren. Mitunter schwelen Neid und Eifersucht hinter den Familienkulissen. Aber auch falsches Gerechtigkeitsempfinden oder fehlendes Wissen können Ursachen sein, und auch durch Dritte drohen Konfliktfelder, etwa durch angeheiratete Familienmitglieder. Wer einen Notfallkoffer an Bord hat, vermeidet Chaos in der Kapitänskajüte Aber auch die Regelung der Altersversorgung des Firmenlenkers darf nicht unterschätzt werden. Hinzu kommen moralische Verpflichtungen des Unternehmers gegenüber seinen Kindern. Und letztlich hemmt mitunter die Eitelkeit des Patriarchen, der Probleme mit dem Loslassen hat. Klassische Generationenkonflikte wie diese können die Innovationskraft bremsen und den gesamten Geschäftsverlauf lähmen. Parallel dazu können emotionale und persönliche Aspekte der im Nachfolgeprozess involvierten Personen eine blockierende Rolle spielen. Selbst wenn es nicht zu Konflikten kommt – die Lösung familiärer Verquickungen lähmt den Nachfolgeprozess erheblich. Nicht selten gärt eine ungelöste Grundsatzfrage im Familienkorpus: Wer soll nach Ansicht des Patriarchen der Kronprinz werden? Eine Entscheidung, die gerne verschoben, vermieden, verdrängt wird, sogar über Jahre hinaus. 4 Doch wer sich vor diesem emotionalen Nadelöhr drückt, riskiert gleich zweierlei: Zum einen die persönliche Enttäuschung, wenn nämlich der Wunschnachfolger auf der Zielgeraden noch einen Rückzieher macht. Zum anderen liegen dringende und richtungweisende Entscheidungen währenddessen auf Eis. Deshalb: Karten auf den Tisch, und damit ist nicht eine Runde Poker gemeint. Im Gegenteil: Offen miteinander reden, auch wenn es wehtun mag. Eine Grundsatzentscheidung treffen – den Kurs bestimmen -, und das so frühzeitig wie möglich. Erst dann wird es gelingen, dass alle an einem Strang ziehen und zukunftssichere Details erarbeiten. All dies lässt sich durch einen sogenannten Notfallkoffer vermeiden. Darin könnten sich unter anderem Testament, Vollmachten und weitere relevante Informationen befinden, damit das Unternehmen in schwierigen Situationen wie Krankheit oder Tod manövrierfähig bleibt. Solch ein Vorsorge-Tool ist ein einfaches aber überaus probates Mittel gegen Chaos in der Kapitänskajüte. Allerdings haben nur 27 Prozent der befragten Unternehmer diesbezügliche Vorkehrungen getroffen, das geht aus dem IHK-Nachfolgereport aus dem Jahr 2014 hervor. „Fly ahead of your Aircraft“, dieses Motto zeichnet vorausschauend agierende Wirtschaftskapitäne aus. Wer aber weder eine Niederschrift über Procedere und Konditionen Nachfolge anlegt, noch relevante Familienangehörige und/oder Führungskräfte in den Nachfolgeprozess einbindet, programmiert nahezu vollautomatisch Zank, Krisensituationen und innerfamiliäre Händel und/oder innerhalb der Firma Machtspiele unter den Führungskräften. Old School-Chefs fürchten Change Management wie der Seebär den Klabautermann Es gibt viel zu tun an Bord, wenn Kommunikationsdellen oder persönliche Animositäten den Gemeinschaftssinn trüben und wichtige Motivationsreserven blocken. Hier gilt es anzusetzen beim „Klar-Schiff-Machen“. Doch ganz einfach lässt sich das Ruder nicht herumreißen. Es geistert ein Begriffsdoppel herum, das viele Old School Chefs fürchten wie der Seebär den Klabautermann: Change Management und auch Controlling! Die bewährten Gewohnheiten auf die Waagschale legen, weil das angesichts der sich rasant wandelnden geschäftlichen Gegenwart ratsam wäre? Sich in die Bücher schauen lassen? Dieser Gedanke ist für manchen Selfmade-Chef ein Gräuel, das lehnt er ab, das ging auch früher ohne und unfallfrei, da hört er gar nicht erst hin. Sollte er aber, sonst kann es schnell auf Klippen und Untiefen zugehen, die auf bisherigen Seekarten nicht verzeichnet waren. Der Ausweg: Wer solchen Havarien ausweichen will, engagiert einen erfahrenen Lotsen. Am besten ein kompetentes Team, das auch gleich die Segeln, den Mast und die Maschine überprüft und die verborgene Synergieeffekte in Kajüte, Kombüse, Maschinen- und Frachtraum aufspürt. Der ideale Zeitpunkt dafür ist dann, wenn sich absehen lässt, dass sich an Bord ein Wachwechsel andeutet. Unter diesen Aspekten fällt das Fazit mit Blick auf „Untiefe Nummer eins“ kaum überraschend aus: Nur ein Schiff mit klarem Kurs, mit permanenter Positionsbestimmung und mit einer hochgradig motivierten Mannschaft wird mit optimaler Segeltrimmung bei gutem Wind in die Zukunft segeln. 5 Leuchtturm im Ozean der Zahlen: EBIT klickt Licht ins Interpretationsgestrüpp Die zweite Untiefe ist zunächst einmal gekennzeichnet durch zweierlei Sichtweisen. In der Praxis schlägt sich das folgendermaßen nieder: Geht es um den Verkauf eines Unternehmens, stellen Firmenlenker gerne stolz ihre Kundenbindung oder ihren Umsatz ins Schaufenster. Andere hingegen bevorzugen es, ihre Gewinnmarge möglichst bunt zu beleuchten. Ein Dritter kokettiert vielleicht ganz offensiv mit dem Begriff „Traditionsunternehmen“. Doch weil der potenzielle Partner meist mehrere Objekte im Visier hat, drängt er auf objektive Vergleichsmaßstäbe. Statt EuroKonfetti oder Selbstbeweihräucherung will er knackiges Zahlenwerk sehen. Vor allem will er wissen, wie gut ein Unternehmen in seinem Kerngeschäft wirtschaftet. Für ihn ist eine attraktive Rendite wichtig; auch deshalb, weil er damit den Kaufpreis einmal bezahlen will. Und Recht hat er. Was nützt die großartige Galionsfigur vor der flotten Viermast-Bark, wenn’s unten im Frachtraum modert und das Logbuch sich ausschweigt über Reparaturkosten und Liegezeiten? Länge, Lackierung, Bruttoregistertonnen oder der Sternekoch in der Kombüse - das allein macht längst nicht den Wert eines Schiffes aus. Es fehlt eine Markierung, an der sich alle orientieren können Ähnlich denkt der investitionsbereite Interessent. Denn Gewinn ist allemal Ansichtssache. Um die wirtschaftliche Situation richtig zu beurteilen, ist er im Normalfall auf Angaben aus der Bilanz und der Gewinn-und-VerlustRechnung angewiesen. Doch kaum etwas lässt sich so gut manipulieren, frisieren oder auch modellieren wie eine Bilanz. Durch Jonglieren mit bestimmten Kosten, beispielsweise mit den Abschreibungen, lässt sich knitterfreie Kulissenbilanz betreiben. Insider nennen das „kreative Buchführung“; beziehungsmäßig interpretiert: ein Schleiertanz, der über die inneren Werte der Braut / des Bräutigams wenig aussagt. Unter diesen Aspekten ist die Aussagefähigkeit solcher Zahlen mit gesunder Skepsis zu betrachten. Hinzu kommt: Mögen Tabellen noch so taff designed daherkommen – sie dokumentieren, wenn überhaupt, Vergangenheit und Gegenwart, jedoch nicht die Zukunft. Also muss der geneigte Investor tiefer bohren: Ist das Unternehmen ordentlich finanziert? Wie hoch sind die Schulden, wie viel stille Reserven gibt es? Und: Wie hält man es hier mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz, welchen Stellenwert haben Mitarbeiter-Qualifizierung und Innovationswesen? Hinzu kommt die Frage nach der Außendarstellung. Wie sehen die Kunden das Unternehmen, welches Image hat es, etwa hinsichtlich Servicementalität oder Zuverlässigkeit? Alles Fakten, die man wissen will, wenn man mit einem Unternehmen Geschäfte machen möchte. Saubere Formel statt Bilanz-Kulissen – welche inneren Werte hat die Braut? Also muss EBIT her. Was sich anhört wie die Kurzbezeichnung einer Europäischen Eingreiftruppe, ist die Kennzahl zur Ermittlung der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens 6 – und damit ein treffliches Werkzeug zur Bilanzanalyse. Die Abkürzung steht für „earnings before interest and taxes“. In einen zifferfreien Satz gegossen: EBIT zeigt schnörkelfrei an, wie viel ein Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum erwirtschaftet hat. Bedeutet in der Kurzerklärung: Zins- und Steuererträge resp. Kosten werden bei der Berechnung außer Acht gelassen. Abschreibungen hingegen werden vom Ertrag abgezogen. EBIT stellt ein operatives Betriebsergebnis dar. So lassen sich – speziell im internationalen Vergleich (IFRS) – verschiedene Firmen fast auf einen Blick miteinander vergleichen. Denn mit dem Herausrechnen bestimmter Positionen entsteht ein unverzerrter Einblick in die wahre Ertragslage einer Firma, sogar unabhängig von der jeweiligen Währung. Apropos herausrechnen: Stille Reserven, etwa im Immobilienbestand, den Maschinen und im Rahmen der Altersversorgung des Patriarchen, können das Gesamtbild verändern, weil in der Regel ein Erwerber dafür nichts bezahlt. Dann kollidiert der Gedanke vom goldenen Lebensabend mit der Erwartung einer goldenen „Rendite“. Doch diese Dellen lassen sich ausbügeln, wenn im Vorwege diese stillen Reserven aufgedeckt und ausgeschüttet werden. Dadurch kann auch die Betrachtungsweise von „langfristig“ auf „shareholder value“ umgestellt werden und der Veräußerer kann die stillen Reserven dennoch genießen. Sinnvoller Weise sollte diese „Umschlüsselung“ erfolgen, bevor ein Interessent seine Aufwartung macht. Das Resümee bezüglich der sauberen Formel: Im Gegensatz zu Umsatz- und Ertragszahlen erlaubt die EBIT „Kennzahl“ eine präzise Aussage darüber, über welche (Ertrags)Werte das Schiff verfügt, respektive, ggf. welche Ertragspotentiale in ihr schlummern. Das klickt Licht ins Interpretationsgestrüpp und erlaubt einen wetterfesten Vergleich, national wie international, sogar zwischen verschiedenen Unternehmen und Branchen. Total-Analyse im Trockendock: Löcher, Leichen oder Lunten an Bord? Soll ein Unternehmen verkauft werden, verlangen potenzielle Investoren eine sorgfältige Prüfung und Analyse, insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse. In der Regel ist dann eine Due-Diligence fällig, frei übersetzt bedeutet das so viel wie „sorgfältiger Check“. Das damit verbundene Procedere entspricht, sehr salopp formuliert, in etwa der Untersuchung eines Profi-Fußballers, den das Ärzte-Team des neuen Vereins von Kopf bis Fuß unter die Lupe nimmt, angefangen vom Laktat-Test über MRT und EKG bis hin zur Gehirnstrommessung. Denn schließlich wollen die Club-Verantwortlichen genauestens wissen, ob der neue Kicker auch unter gesundheitlichen Aspekten eine Top-Investition ist. Ähnlich wie den Fußball-Bossen geht es dem Investor, der sich für ein bestimmtes Unternehmen interessiert. Er will sich der Qualität 7 des potentiellen Anlageobjektes versichern, indem er alle relevanten Aspekte aus seiner Sicht mustert, bis aufs Komma genau. Auch hier handelt es sich sozusagen um eine Überprüfung des Gesamtorganismus von Kopf bis Fuß. Flankierender Support: Ohne ausgewiesene Experten geht es nicht Und genau das ist das Ziel einer DueDiligence: sich bis in die kaufmännischen und technischen Kapillarsysteme hinein abzusichern, ob die Annahmen und Voraussetzungen, auf die sich ein Kaufangebot bezieht, in der betrieblichen Praxis wasserdicht und sturmfest sind. Parallel dazu gilt es, alle relevanten Risiken zu identifizieren. Denn wer will schon, aus maritimer Sicht argumentiert, ein Schiff kaufen, das Löcher, Leichen oder gar glimmende Lunten an Bord hat? Also ab ins „Trockendock“ zur Totalbegutachtung! Dort erfolgt eine systematische Analyse und Bewertung aller Sektoren hinsichtlich verborgener Schwächen und Risiken; gleichermaßen werden aber auch Erfolgspotentiale registriert. Weil es im Rahmen dieser Prozedur häufig tief in Detailbereiche hinein geht, gelingt eine seriöse Durchführung nur mit flankierendem Support durch ausgewiesene Experten. Hierfür beauftragt der Investor qualifizierte Fachleute, je nach Geschäftsfeld sind das spezialisierte Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Branchenanalysten, Techniker. Gemeinsam erarbeiten der Kapitän und ein anzuheuerndes M&A Team mit dem Lotsen die möglichen Heiratswilligen, die sich für das Unternehmen interessieren könnten. Es wird eine „long-list“ erstellt, dann eine „short-list“ erarbeitet und nur diese Interessenten erhal- ten nach Überlassung eines anonymisierten „Firmenprospekts“ und einer Verschwiegenheitsverpflichtungserklärung den Zugang zu dem Datenraum. Diese Datenräume sind heute meistens „virtuell. Diesem Due-Diligence Verfahren der Interessenten vorgeschaltet, bedarf es einer sorgfältigen Erstellung eines Datenraumen. Also eines Raumes, in dem alle diese „Geheimnisse“ gehortet und gestapelt werden. Oftmals sieht diese Datensammlung wie eine eigene Due-Diligence aus, denn welche Daten beschafft werden müssen, wird der Lotse mit einem M&A Team erarbeiten. Dabei wird auch oft dem Kapitän erst bewusst, was er alles hat und was er alles vermisst. Ein gutes M&A Team weiß, wie und wo diese Daten zu liegen haben und überwacht auch den Zugriff auf dieselben. Sinfonie in 3D: Der Interessent will den gesamten Firmenkosmos sehen Im Rahmen der Datensichtung haben die Interessenten alle Hände voll zu tun. So gilt es beispielsweise in der Teildisziplin FinancialDue-Diligence, die finanzielle Situation des Unternehmens zu „screenen“, heißt: Sichtung aller Verträge, Abschlüsse, Verpflichtungen und Forderungen sowie die Budgets, um ein genaues Bild über Plusbereiche und Minusfaktoren zu erhalten. Bei der Technical-DueDiligence hingegen durchleuchten Spezialisten entsprechende Anlagen, Immobilien und die dazugehörigen Informationen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Bereichen Instandhaltung und Instandsetzung. Auch das Modernisierungspotential muss auf den Prüfstand, ebenso wie der technische Zustand der Anlagen. Hinzu kommt eine fundierte Einschätzung hinsichtlich der benötigten Investi- 8 tionssumme und des künftigen Kostenszenarios. Parallel wird der Markt geprüft, einerseits hinsichtlich des Kundenpotentials, auf der anderen Seite, um die Konkurrenzsituation zu definieren. Währenddessen läuft auch die Corporate-Legal-Due-Diligence, welche die rechtliche Struktur des Unternehmens unter die Lupe nimmt, etwa Verträge über Kapitalerhöhungen und andere Kapitalmaßnahmen, aber auch Beschlüsse der Gesellschafter sowie die Situation der Anteilseigner. Zeitgleich steht bei der IPR-Due-Diligence das betriebliche know how im Fokus, also rechtliche Angelegenheiten rund um die Themenbereiche Patente und Copyrights. Hochkritischer Showdown: Am Ende wartet ein temporäres Nadelöhr Am Ende des Analyse-Marathons der Interessenten, der unter Umständen viele Monate dauern kann, wird es dann plötzlich zeitlich brenzlig. Die Präsentation der „Total-Analyse im Trockendock“ hat ihre Tücken, die Konstellation gleicht einem Nadelöhr, das zudem noch höchst terminkritisch unter Strom steht. Denn für einen gewissen Zeitraum, auch wenn dieser minimiert ist, liegen die Firmendaten „blank“. Mitunter auch die Nerven der Beteiligten, auch wenn die Einsichtnahme in einer abgeschirmten Location stattfindet. Eine Situation, vergleichbar mit der eines Kapitäns, der gemeinsam mit seinem Lotsen sein Schiff sicher in den Hafen bringen will. Er weiß, dass die kritische Phase der Ankunft in der sauberen Ansteuerung und dem vorsichtigen Anlegen liegt. Der Kapitän kennt sein Schiff und dennoch vertraut auf seinen Lotsen, der der die Ansteuerung, die Untiefen, die Gezeiten und den Hafen kennt. Nach diesem teleskopartigen Einblick in den Kosmos der Firma samt ihrer Elementarteilchen haben die Interessenten ein komplettes 3D-Bild des Unternehmens. Fällt das in Sinne ihrer Erwartungen aus, geben sie ein Angebot ab. Nun ist es am Kapitän, zu entscheiden, ob und welchen Kandidaten er an Bord lassen will, oder – bei mehreren Bietern – welcher am besten zur Braut passt und/oder das beste Angebot gemacht hat. Es folgen dann lange und zähe Vertragsverhandlungen, die denn mit dem glücklichen Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages enden sollten. Die dritte Untiefe wäre dann passiert. Wunschtraum mit Widerhaken: Kapitäns-Zapfenstreich ist erst, wenn … Ende gut alles gut! Die große Fahrt hat ein Ende, der Kapitän geht von Bord. In Gedanken weilt er schon im Traumhaus am Te- gernsee oder sieht sich im Karibik-Ressort am Palmenstrand. Letzte Worte an die Zu- 9 rückgebliebenen: „Tschüss Leute, ich bin dann mal wech…“. Doch so einfach lässt sich das Ruder in Richtung Ruhestand nicht herumreißen. Maschine stopp und sich schnurstracks ausbooten, das mag beim Beamten blendend funktionieren. Der Unternehmer hingegen kann sich erst dauerhaft zurücklehnen, wenn jegliches Procedere ohne negativen Nachhall in trockenen Tüchern ist. Denn eine Weile bleibt er noch – ob in der Karibik oder in Bayern – im Sog seines Lebenswerks haften. Dies im wörtlichen Sinn, denn Haftungstatbestände verlöschen mitnichten, sobald jemand anderes am Ruder steht. Im Extremfall macht ein Bumerang-Gemenge die ersten Ruhestandsmeilen zur Vorhölle Ohne den Klabautermann an die Wand powerpointen zu wollen: Es kann allerlei schief laufen beim Ruderwechsel und dem Einlaufen in den neuen Heimathafen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass ein Unternehmenskaufvertrag stets Klauseln mit Vorbehalten einschließt, die dem künftigen Kapitän und seiner Crew einen Rückzug erlauben, falls sich bestimmte im Vorfeld definierte Eigenschaften als Luftnummer erweisen. Mit anderen Worten: Schlecht gewebte Verträge, zweideutiges Zahlenwerk, Kommunikations-Klippen unter den beteiligten Akteuren – aus all dem kann sich ein Bumerang-Gemenge entwickeln, das nach hinten losgeht. Solch ein Bumerang kann zB. die vertragliche (Nach)-Haftung sein, die eine Haftung des Veräußerers über den Zeitpunkt der tatsächlichen Übertragung hinaus verlängert. In der Regel beträgt diese Frist einige Jahre. In diesem „schwarzen Loch“ können Ansprüche lauern, die zeitlich deutlich nach der erbrachten Leistung oder dem Abschluss eines Projektes liegen. Der Verkäufer garantiert so zB auch mal die Wertigkeit bestimmten Forderungen oder bestimmter Verträge seiner Firma mit Kunden und / oder Lieferanten, und das Vorhandensein von Urheberrechten, Patenten und know-how. Im Extremfall mutiert dann der Ruhestand zur Vorhölle. Professionelle „Ausstiegs-Lotsen“ bewahren vor dem Kentern in letzter Minute Eine ganz andersartig aufgeschüttete Sandbank lauert bei einem oder mehreren Saleand-lease-back-Verfahren, auch als Rückmietverkauf bekannt. Verkauft nämlich ein Unternehmer das Unternehmen ohne die Immobilien, etwa Bürogebäude oder Maschinen, an einen Nachfolger und least dieser anschließend die Immobilien und Anlagen vom Veräußerer zurück, wird zwar zunächst durch den Verkaufserlös Kapital beziehungsweise Liquidität freigesetzt, die dem Veräußerer zusteht. Der Kauf wird so für den Nachfolger „günstiger“. Der Unternehmensverkäufer hatte dann die Immobilien zuvor von seinem Unternehmen an sich verkauft und „mutiert“ dadurch zum Vermieter seiner betriebsnotwendigen Immobilien und/oder Anlagen an „sein“ Unternehmen. In der Folgezeit allerdings belasten die nunmehr zu zahlenden Mietzinsen (Leasingraten) die Liquidität des Nachfolgers. Dennoch muss der Leasing-Nehmer, der Mieter 10 (Nachfolger) für laufende Kosten aufkommen, beispielsweise für Versicherungen, Reparaturen oder Instandhaltungsmaßnahmen. Gute Gründe also, die Übergabemodalitäten mit aller Bedachtsamkeit festzulegen, damit Kapitäns’ Wunschtraum frei von Widerhaken Wahrheit werden kann. Da dem Veräußerer dann die Mietzinsen zustehen, ist er weiterhin an sein Schiff gekettet und erhält diese Mietzinsen ja auch nur, wenn das Schiff weiterhin über viele Jahre hinaus auf guter Fahrt ist. Eine Lösung für alle Fälle (sozusagen eine festgezurrte Ausstiegsdramaturgie) gibt es allerdings nicht. Aber es stehen einige Leuchttürme und bereit, die das Umfahren der Untiefen ermöglicht. Meist können Kapitäne, die mit ihrem Lotsen alles richtig gemacht haben, in der persönlichen Rückschau eine Handvoll bestimmter „OkayHäkchen“ setzen: Nicht nur an Deck gilt jedoch immer folgendes: 1. Wenn ein Kapitän sein Schiff verlässt, gleicht kein Szenario dem anderen. Diese Szenarien sind stets andere. Jedes Unternehmen, jede Mannschaft und jeder Kapitän sind individuell. 2. Der Ausstieg muss rechtzeitig und professionell vorbereitet werden und diese Entscheidung ist mit allen Beteiligten in der richtigen, individuellen und angemessenen Form zu kommunizieren. Die Beteiligten dabei sind stets: Familie, Gesellschafter, Führungskräfte, Mitarbeiter, Banken, Kunden und Lieferanten. Einen Notfallkoffer sollte in jedem Falle zuvor stets griffbereit sein. 3. Um eine transparente Kaufpreisoptimierung zu erreichen, sollte das Unternehmen frühzeitig „auf Ertrag getrimmt werden“. Die Erfahrung zeigt, dass inhabergeführte Familienunternehmen häufig hohe Ertragspotentiale haben, die zügig auch zu einer Optimierung der Verkaufspreises führen können. 4. Die Übertragung und / oder Veräußerung sollte sehr sorgfältig vorbereitet werden. Eine Due-Diligence und Tender-Verfahren ohne professionelle Partner kann desaströs sein. Gleiches gilt für das Vertragswerk und dessen Verhandlung insgesamt. Wer dieses alles beachtet, der wird die Untiefen 1. 2. 3. 4. Kommunikation, EBIT, M&A und Übergabevertrag – im Sturm, bei Flaute, bei Tag, bei Nacht und auch im Nebel – sauber umfahren. Dr. Wolfgang Meyer-Hofmann ________________________ AM EICHENPLATZ 15 - 22549 HAMBURG T. +49 40 442989 - F. +49 40 442923 [email protected] WWW.TERRA-TRANSFORM.DE © WMH/WS 11
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