Eine Stellungnahme der Werra-Weser

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Detaillierter Bewirtschaftungsplan / Detailliertes Maßnahmenpro ­
gramm 2015 bis 2021 für die Flussgebietseinheit Weser bzgl. der
Salzbelastung
Eine Stellungnahme der Werra-Weser-Anrainerkonferenz
für den Vorstand: Dr. Walter Hölzel
8. April 2016
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Vo r b e m e r k u n g
Die EU-Kommission führt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, weil die
bisher vorgelegten Bewirtschaftungspläne für die Flussgebietseinheit Weser gravierende Mängel aufweisen.
Es ist deshalb von besonderen Interesse, ob der im März 2016 beschlossene "Detailierte Bewirtschaftungs­
plan Salz 2015-2021" den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügen könnte.
Die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) muss von den Mitgliedsstaaten in Bewirt­
schaftungsplänen geplant und dokumentiert werden
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verpflichtet die Anrainerstaaten, in den Wasserkörpern bis zum Jah­
re 2015 bestimmte Qualitätsziele zu erreichen. Für die Oberflächengewässer ist dies der "gute ökologische
Zustand". In Ausnahmefälllen sind Verlängerungen bis 2021 bzw. 2027 möglich.
Die Oberflächengewässer sind in so genannten "Flussgebietseinheiten" (FGE) zu organisieren. Die Flussge­
bietseinheiten können grenzüberschteitend sein, ihre Bewirtschaftung verlangt dann eine grenzüberschrei­
tende Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten bzw. der Bundesländer. Dabei ist zu beachten, dass Beschlüsse
einvernehmlich gefasst werden. Es ist nicht zulässig, einzelne Mitgliedsstaaten bzw. Bundesländer zu über­
stimmen.
Die EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, die Umsetzung der WRRL für jede Flussgebietseinheit in Bewirt­
schaftungsplänen zu planen und zu dokumentieren. Es gelten die Planungsphasen 2009-2015, 2015-2021
und 2021-2027. Dabei sind gewisse Mindeststandards zu beachten. So muss für die zu ergreifenden Maß­
nahmen überprüfbar nachgewiesen werden, dass sie technisch und wirtschaftlich machbar sind sowie ob
und in welchem Ausmaß sie wirksam sind. Für den Fall, dass nach Meinung eines Mitgliedsstaats die Quali­
tätsziele grundsätzlich nicht erreicht werden können, muss auch dies überprüfbar nachgewiesen werden.
Ohne diese Mindeststandards ist ein zielführender Planungsprozess nicht denkbar.
Um im Falle der FGE Weser den bundesstaatlichen Besonderheiten Rechnung tragen zu können, ist die
Flussgebietseinheit Weser (FGG Weser) gegründet worden. In ihr arbeiten die Anrainerländer von Werra,
Fulda und Weser zusammen. Die FGG Weser muss bei ihrer Arbeit die Vorgaben der WRRL und des daraus
abgeleiteten Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) beachten. Einzige Aufgabe der FGG Weser ist die Erarbei­
tung von Bewirtschaftungsplänen, die den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügen. Beschlussor­
gan der FGG Weser ist der Weser-Ministerrat, dessen einzige Aufgabe es ist, die Bewirtschaftungspläne zu
beschließen.
Dabei gilt das Prinzip der Einstimmigkeit, Mehrheitsbeschlüsse sind nicht zulässig. Daraus leitet sich ab,
dass es nicht möglich ist, einem Bewirtschaftungsplan insgesamt zuzustimmen und gleichzeitig einzelne
Maßnahmen rechtswirksam auszuschließen. Diese Praxis würde dem Prinzip der Einstimmigkeit zuwider
laufen. Der Niedersächsische Umweltminister hat im März 2016 dem "Detaillierten Bewirtschaftungsplan
2015-2021" zugestimmt und gleichzeitig in einer "Protokollnotiz" festgehalten, dass das Land Niedersachsen
eine Verklappung von K+S-Abwässern in die Oberweser ("Oberweserpipeline") ablehne. Dieses Abstim­
mungsverhalten ist in der WRRL nicht vorgesehen. Die rechtlichen Folgen sind bislang unklar, aber es gibt
nur zwei Möglichkeiten: entweder ist der Bewirtschaftungsplan insgesamt ungültig oder die Protokollnotiz ist
rechtlich unwirksam. Die Frage wird möglicherweise in einem Vertragsverletzungsverfahren geklärt werden
müssen. Eine nachträgliche Änderung eines Bewirtschaftungsplans müsste ebenfalls einstimmig erfolgen.
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Ein beschlossener Bewirtschaftungsplan ist behördenwirksam, d.h. er bildet den rechtlichen Rahmen, inner­
halb dessen die Anrainerländer Erlaubnisse erteilen oder verweigern können. Für den jetzt beschlossenen
"Detaillierten Bewirtschaftungsplan 2015-2021" bedeutet dies, dass die hessischen Behörden auch die um­
strittenen Optionen der Laugenverpressung und der Oberweserpipeline genehmigen können - immer voraus­
gesetzt, dass diese Erlaubnisse nicht ihrerseits rechtswidrig sind. Gegen rechtswidrige Erlaubnisse müsste
unter großem Zeitverlust geklagt werden.
Die EU-Kommission hat die bisherigen Bewirtschaftungspläne für die FGE Weser fundamental kriti­
siert
Die EU-Kommission hat in einem anhängigen Vertragsverletzungsverfahren (Az. CHAP 2009(00578)) den
Bewirtschaftungsplan 2009-2015 und den Entwurf für den Bewirtschaftungsplan 2015-2021 grundlegend
kritisiert, weil sie Mindestanforderungen nicht erfüllen:
a)
Bewirtschaftungsplan 2009-2015
a).1
Der BWP enthält keine Angaben darüber, ob und bis wann die Ziele der Ziele der WRRL er
reicht werden sollen
a).2
Der BWP enthält keine Angaben darüber, ob und mit welcher Begründung Ausnahmeregelungen in Anspruch genommen werden sollen
a).3
Bei der einzigen, als zielführend bezeichneten Maßnahme, der Verklappung von Abwässern in
die Nordsee ("Nordseepipeline"), ist nicht nachgewiesen worden, dass sie technisch machbar,
genehmigungsfähig und wirtschaftlich zumutbar ist
a).4
Der BWP sieht vor, die Laugenverpressung bis Dezember 2015 einzustellen. Daran haben
sich die hessischen Behörden nicht gehalten
b)
Entwurf BWP 2015-2021
b).1
Der BWP nimmt Ausnahmeregelungen in Anspruch, weil die Qualitätsziele der WRRL nicht
erreicht werden. Es wird allerdings nicht nachgewiesen worden, dass die hierfür notwendigen
Voraussetzungen vorliegen
b).2
Der BWP belegt noch nicht einmal, dass die herabgestuften Qualitätsziele erreicht werden
können, weil bei keiner der aufgeführten Maßnahmen Wirksamkeit und Machbarkeit nachprüfbar nachgewiesen werden
b).3
Der BWP entspricht deshalb nicht den Vorgaben der WRRL. Die EU-Kommission kündigt an,
die Bundesrepublik wegen Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts zu verklagen, wenn ihre
Kritik nicht berücksichtigt wird.
Abgeordnete und die Öffentlichkeit sind falsch informiert worden
Die Kritik der EU-Kommission an den Bewirtschaftsplänen hat man den zuständigen Landtagsabgeordneten
in den Anrainerländern und der dortigen Öffentlichkeit jedoch verschwiegen und vielmehr den Eindruck er­
weckt, die FGG Weser sei mit ihren Bewirtschaftungsplänen auf dem richtigen Wege. So behauptet die Hes­
sische Umweltministerin Priska Hinz (B'90/Die Grünen) gegenüber Landtagsabgeordneten (in einer Sitzung
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des Umweltausschusses am 12.11.2015), das Vertragsverletzungsverfahren sei ausgesetzt worden. Ihre
Thüringer Kollegin und Parteifreundin Anja Siegesmund behauptet gegenüber der Tageszeitung Freies Wort:
"Die Europäische Kommission hat den Masterplan1 (...) positiv aufgenommen." (10.12.2015) Damit haben
sie den Eindruck erweckt, mit einer Einigung auf einen gemeinsamen Bewirtschaftungsplan könne eine Kla­
ge vor dem EuGH abgewendet werden.
Die Werra-Weser-Klägergermeinschaft ist Verfahrensbeteiligte in dem schon genannten Vertragsverlet­
zungsverfahren. Deren Rechtsanwalt, Prof. Dr. Rüdiger Breuer (Köhler&Klett, Köln), hat wegen der Aussa­
gen der Ministerinnen bei der Generaldirektion Umwelt in Brüssel nachgefragt und die Auskunft erhalten,
dass das Verfahren nicht ausgesetzt gewesen sei und somit weiter geführt wird. Der "Masterplan Salzredu­
zierung" und der daraus entwickelte "Detaillierte Bewirtschaftungsplan 2015-2021" können also von der
Kommission kaum "positiv aufgenommen" worden sein.
Aber auch in anderer Hinsicht sollten Abgeordnete und Öffentlichkeit offenbar getäuscht werden. In ihrer
Pressemitteilung zur Verabschiedung des Bewirtschaftungsplans sagt Priska Hinz "Die drei vorgesehenen
Maßnahmen sind intensiv mit dem Unternehmen K+S abgestimmt worden". Diese Behauptung hatte eine
besonders kurze Halbwertszeit, denn schon Minuten später stellt K+S klar: "... der jetzt verabschiedete Mas­
terplan Salzreduzierung (...) (stützt) sich auf Annahmen, deren Realisierbarkeit in den kommenden Jahren
noch intensiv untersucht und geprüft werden muss." K+S beruft sich damit auf die Kritik der EU-Kommission.
In der genannten Pressemitteilung lehnt das Unternehmen Verpflichtungen aus dem Bewirtschaftungsplan
ab und droht mit einer Klage. Dies bezieht sich ausdrücklich auf die von der K+S Kali GmbH angestrebte
Möglichkeit, jährlich bis zu 5,5 Mio. cbm Abwässer in die Oberweser zu verklappen ("Oberweserpipeline").
Damit ist die Liste der offensichtlichen Fehlinformationen noch nicht annähernd erschöpft 2. Der "Detaillierte
Bewirtschaftungsplan 2015-2021" geht davon aus, dass am Pegel Boffzen bis 2027 eine Chloridkonzentrati­
on von 300 mg/l erreicht werden könne und dass damit auch der "gute ökologische Zustand" als Ziel der
WRRL erreicht sei. Diese Behauptung ist falsch. Der in der Oberflächengewässerverordnung amtlich festge­
legte "Unbedenklichkeitsgrenzwert" für Chlorid liegt nämlich bei 200 mg/l. Oberhalb dieses Grenzwertes
kann der "gute ökologische Zustand" nicht erreicht werden. Selbst bei derartig leicht zu überprüfenden Tatsa­
chenbehauptungen scheuen die Autoren des "Detaillierten Bewirtschaftungsplans 2015-2021" offenbar nicht
davor zurück, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.
I
Zusammenfassung
Die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung gegen den Entwurf des Bewirtschaftungsplans 2015-2021 vor­
getragenen Bedenken bestehen fort:
•
1
2
Mit dem vorgelegten Bewirtschaftungsplan wird bis 2027 weder in der Werra noch in der Weser der
"gute ökologische Zustand" erreicht und somit das Ziel der EU-WRRL verfehlt. Es wird jedoch nicht
nachgewiesen, dass die für die Anwendung von Ausnahmeregelungen erforderlichen Vorbedingun­
gen erfüllt sind. Es wird zwar vorgetragen, dass der Rückfluss von Abwässern/Formationswässern in
die Werra ("diffuse Einträge") das Erreichen des "guten ökologischen Zustands" unmöglich mache.
Die diffusen Einträge werden jedoch durch die von K+S weiter betriebene Laugenverpressung und
das Versickernlassen von Haldenlaugen verursacht. Ohne diese Entsorgungsoptionen würden die
diffusen Einträge in die Werra stark zurück gehen im Jahre 2027 einer Zielerreichung nicht mehr ent­
gegenstehen.
Der überarbeitete "Entwurf des Maßnahmenprogramms 2012-2021" ist vorübergehend auch als "Masterplan Salz" bezeichnet wor­
den. Leider ist ein Durcheinander von Plänen und Bezeichnungen zu beklagen, das geeignet ist, die Ziele der FGG Weser zu ver­
nebeln. Rechtlich von Bedeutung sind nur der "Detaillierte Bewirtschaftungsplan bezüglich der Salzbelastung 2015-2021" und das
zugehörige "Detaillierte Maßnahmenprogramm bezüglich der Salzbelastung 2015-2021"
siehe dazu auch die Abschnitte II.1, II.2, II.3.a, II.3.b und II.3.c dieser Stellungnahme
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•
Für die auch als "Masterplan Salz" bezeichnete Maßnahmenkombination zur Reduzierung des Ab­
stoßes von Salzen wird der Nachweis der Machbarkeit und der Wirksamkeit nicht erbracht. Die an­
genommenen Effekte sind noch nicht einmal plausibel.
Die Wirksamkeit der "Kainit-Kristallisations-Flotationsanlage" wird im Bewirtschaftungsplan falsch
bzw. verschleiernd dargestellt.
Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass mit der Maßnahmenkombination des "De­
taillierten Bewirtschaftungsplans 2015-2021" dessen Zielwerte zu erreichen sind. Dieser Bewirt­
schaftungsplan verfehlt die Mindeststandards der WRRL und des WHG.
II
Die Maßnahmen in der Einzelkritik
Die Maßnahmen des Bewirtschaftungsplans sind von uns bereits ausgiebig diskutiert worden 3,4,5,6. An die­
ser Stelle werden nur notwendige Ergänzungen vorgenommen.
II.1
Kainit-Kristallisations-Flotationsanlageanlage ("KKF-Anlage")
Die Angaben zur der so genannten "KKF-Anlage" durch die K+S AG bzw. im "Detaillierten Ma9nahmenpro­
gramm 2015-2021" sind so unzureichend und widersprüchlich, dass die Wirksamkeit der Maßnahme nur un­
zureichend beurteilt werden kann. Es gibt lediglich den - unbewiesenen - Hinweis, dass mit dieser Anlage
jährlich der Abstoß von 1,5 Mio. cbm Abwasser vermieden werden könne. Diese Volumenangabe eignet sich
jedoch nicht, um beurteilen zu können, in welchem Ausmaß der allein maßgebliche Abstoß von Salzen ver­
ringert wird.
Mit den uns zusätzlich vorliegenden Aussagen der K+S AG 7 kann die Wirksamkeit der KKF-Anlage über­
schlägig errechnet und verglichen werden (bei einer Gesamtmenge zu entsorgender Salzrückstände von
2.326 kT/Jahr):
Wirksamkeit der KKF-Anlage
nach Annahmen des Detail­
lierten Maßnahmenpro­
gramms8
als Vergleich:
K-UTEC-Anlage
< 120
130
550
Ausbeute KCl kT/Jahr
0
130
0
Ausbeute NaCl kT/Jahr
0
nach Angaben der K+S AG
Ausbeute K2SO4 kT/Jahr
5
0
572
Rückstände kT/Jahr
> 2.206
9
2.066
1.34110
Abstoß an die Umwelt
kT/Jahr
> 2.206
2.066
0
< 5%
< 11%
100 %
erreichbare Reduzierung
des Salzabstoßes
Tabelle 1 Wirksamkeit der KKF-Anlage
3
4
5
6
7
Prof. Dr. R. Breuer, Einwendungen gegen den Bewirtschaftungsplan 2015-2021, 05.08.2015
Prof. Dr. R. Breuer, Einwendungen gegen die Strategische Umweltprüfung, 06.10.2015
WWA, Einwendungen gegen den Bewirtschaftungsplan 2015-2021, 08.08.2015
WWA, Einwendungen gegen die Strategische Umweltprüfung, 05.10.2015
siehe dazu: W. Hölzel, Wertstoffausbeute, Energieeffizienz und ökologische Sinnhaftigkeit der Eindampfverfahren, Stellungnahme
der WWA, 06.12.2015
8 FGG Weser, Detailliertes Maßnahmenprogramm 2015 bis 2021 für die Flussgebietseinheit Weser bzgl. der Salkzbelastung gemäß
§ 82 WHG, März 2021, S. 8+9
9 für die verbleibenden Rückstände fehlt jeder Entsorgungsnachweis
10 Entsorgung durch chemische Verfestigung und Versatz in die untertägigen Hohlräume
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Es ist noch zu betonen, dass die Annahmen des Detaillierten Maßnahmenprogramms (Rückgewinn von
130 kT K2SO4 und 130 kT KCl/Jahr mit der KKF-Anlage) keinesfalls nachgewiesen sind.
Jedenfalls erlaubt die Gegenüberstellung in der Tabelle 1 die Aussage, dass mit der KKF-Anlage der Abstoß
von Abfallsalzen um wahrscheinlich weniger als 5%, höchstens aber um 11% gemindert werden kann.
Die Maßnahme "Bau einer Kainit-Kristallisations-Flotationsanlage" ist daher nicht geeignet, zur Zielerrei­
chung des "Detaillierten Bewirtschaftungsplans 2015-2021" ausreichend beizutragen.
II.2
Haldenabdeckung
Das "Detaillierte Maßnahmenprogramm 2015-2021" sieht vor, im Jahre 2016 mit der Erprobung einer Hal­
denabdeckung zu beginnen und diese mit einem Großversuch im Jahre 2021 zu beenden (siehe dort S. 9
bis 11). Eine Aussage über die Machbarkeit und Wirksamkeit dieser Maßnahme ist somit frühestens im Jah­
re 2021 möglich. Damit werden die Mindestanforderungen der EU-Kommission nicht erfüllt.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist keine Aussage darüber möglich, ob eine Haldenabdeckung technisch grundsätz­
lich möglich ist, welche Kosten sie verursachen wird und welcher Effekt damit erreicht werden könnte. Es
noch nicht einmal plausibel, dass eine Haldenabdeckung technisch möglich ist, weil sie bei derart steilen
Haldenflanken weltweit noch nie umgesetzt werden konnte bzw. nach dem Bau stabil geblieben wäre. 11
Solange der Nachweis der Wirksamkeit und Machbarkeit fehlt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass
eine Abdeckung der Rückstandshalden zu einer Verminderung des Salzabstoßes beitragen kann.
II.3
Einstapeln und Versatz untertage
Unter dieser Maßnahmenoption werden im "Detaillierten Maßnahmenprogramm 2015-2021" drei technisch
verschiedene Maßnahmen zusammengefasst:
•
Einstapeln von Salzlösungen (d.h.: Flutung von Bergwerken mit Abfalllaugen)
•
Versatz von verfestigten Abfalllaugen in Bergwerke
•
Dickstoffversatz bei steiler Lagerung
Für alle drei Verfahren wird eine Prüfzeit/Entwicklungszeit bis 2020 in Anspruch genommen. Auch hier fehlt
die Überprüfung der Machbarkeit und Wirksamkeit. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass
diese Maßnahmen einen ausreichenden Beitrag zum Erreichen der Zielvorgaben leisten können.
Die Maßnahmen werden jedoch im Detaillierten Maßnahmenprogramm unvollständig bzw. unrichtig be­
schrieben, so dass zusätzliche Hinweise nötig erscheinen.
11 WWA, Einwendungen gegen den Entwurf des Bewirtschaftungsplan 2015-2021 für die FGE Weser, 08.08.2015, S. 25-27
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II.3.a
Flutung von Bergwerken
K+S hatte die Option der Flutung von Bergwerken bereits 2009 aus Sicherheitsgründen aufgegeben
Als wichtiger Entsorgungsweg war die Flutung von aufgelassenen Bergwerken schon im „Maßnahmenpaket“
der K+S Kali GmbH vom Oktober 2008 enthalten.
In einem Schreiben vom 26.11.2008 legt die K+S Kali GmbH den „Nachtrag 2.1 zur 4. Ergänzung zum Ab­
schlussbetriebsplan Werk Werra, Grube Merkers / Springen der K+S KALI GmbH“ vor und teilt mit, dass sie
´“beabsichtigt, sechs Schächte der Grube Merkers langzeitsicher zu verwahren. Dies sind im Einzelnen die
Schächte: • Alexandershall, Dietlas, Merkers 1, Springen 1, Springen 3, Abteroda.“ Die beantragte Verwah­
rung zeigt uns im Detail, dass die Gruben nun für eine Nassverwahrung ausgelegt werden sollen. Die Gru­
ben sind untereinander verbunden und bieten ausreichend Raum, um Abwässer aus vielen Produktionsjah­
ren aufzunehmen.
Die Flutung von Bergwerken mit gesättigten Salzlösungen ist technisch umstritten. Es wird auf das Risiko
hingewiesen, dass die Stützpfeiler durch Löseprozesse geschwächt und die Gruben zum Einsturz gebracht
werden: „Die Sicherheitsrisiken (Zersetzung und Auflösung von Stützpfeilern, induzierter Gebirgsschlag, Ver­
drängung des Flutungsmediums in benachbarte Bergwerke) sind auch primär ein physikalisch-chemisches
und erst sekundär ein gebirgsmechanisches Problem. Die Flutung der Hartsalz-Bergwerke mit wässrigen
Lösungen jeglicher Zusammensetzung ist aufgrund der metastabilen Phasenvergesellschaftungen katego­
risch abzulehnen!“12
Die Option der Flutung von Bergwerken wurde später von K+S zurückgenommen: „Die Flutung von Berg­
werken mit magnesiumchloridreicher Lösung wurde von K+S (Prof. Stahl) noch kürzlich mit Verweis auf die
Sicherheitsrisiken ausgeschlossen.“13 Auch der K+S-Sprecher Morgenthal hat gegenüber dem Hessenfern­
sehen am 27.05.2009 erklärt, dass eine Flutung von Bergwerken wegen der drohenden Bergschläge tech­
nisch nicht machbar sei.
Der "Versuchsbereich zur Einstapelung von Salzlösungen" ist ein ehemals genutzter und nicht sa­
nierter Notstapelbereich
Im ersten Halbjahr 2007 wurde die Erlaubnis zur Verpressung von Abwässern in Bereich des Standortes
Neuhof wegen der festgestellten Trinkwasserversalzung widerrufen. Diese Abwässer wurden zunächst in ei­
nem Bereich der Grube Springen II am Standort Werra gepumpt ("Zwischenlager Springen II"). Später wur­
den die Abwässer aus Neuhof an die Werra transportiert (zunächst per Lkw, später über die sog. Werrapipe­
line) und dort in den Fluss geleitet.
Die zunächst wegen Sicherheitsbedenken zugesagte Rückförderung der in der Grube Springen II "zwischen­
gelagerten" Abwässer ist offenbar nicht durchgeführt worden. Verwertbare Erkenntnisse über die Möglichkeit,
andere Grubenbereiche mit Abwässern zu fluten, sind aus diesem angeblichen "Versuchsbereich zur Einsta­
pelung von bestimmten Salzlösungen" grundsätzlich nicht zu gewinnen, denn bei der Flutung von Bergwer­
ken entsteht eine Gefahr dadurch, dass Abwässer eine Restlösefähigkeit für bestimmte Bestandteile der
Flöze aufweisen. Um Sicherheitsrisiken auszuschließen, müssten wegen ihrer unterschiedlichen RohsalzZusammensetzung
12 R. Krupp, Stoffliche Verwertung oder umweltfreundliche Beseitigung?, Vortrag, Gerstungen November 2007
13 R. Krupp ebenda
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alle Grubenbereiche gegenüber den unterschiedlichen Abwässern und über einen längeren Zeitraum geprüft
werden. Bei einer Änderung der Aufbereitungsverfahren müssten diese Untersuchungen erneut durchgeführt
werden, weil sich dann auch die Zusammensetzung der Abwässer ändert.
Die notwendigen Kenntnisse für die dauerhafte Nutzung von Bergwerken zur Flutung mit Abwässern sind
deshalb aus den Erfahrungen im Notstapelbereich Springen II nicht zu erzielen und sie wären bis zum Jahre
2027 auch nicht zu erwarten.
Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Flutung von Bergwerken mit Abwässern einen
Beitrag zur Zielerreichung bis 2027 leisten kann.
II.3.b
Versatz von verfestigten Abwässern in Bergwerke
Im Detaillierten Maßnahmenprogramm wird davon ausgegangen (S. 12), dass der Versatz von verfestigten
Abwässern bisher lediglich den Status eines F+E-Projektes habe. Diese Darstellung ist unzutreffend.
Der Versatz von chemisch verfestigten Abwässern bei flacher Lagerung wird im Bergwerk Glückauf in Son­
dershausen praktiziert; er ist auch Bestandteil der Vorschläge der K-UTEC AG für eine abstoßfreie Kalipro­
duktion im Werra-Fuldarevier. Der Versatz von chemisch verfestigten Abwässern ist somit Stand der Technik
in der Kali-Industrie.
Der Nachweis der Wirksamkeit und Machbarkeit des Versatzverfahrens wäre deshalb problemlos möglich
gewesen, ist aber auch hier unterblieben.
II.3.c
Dickstoffversatz
Der Dickstoffversatz in steiler Lagerung wird von K+S im Werk Werra in untergeordneter Größenordnung
praktiziert. Hier hätte problemlos geklärt werden können, ob die Lagerstätte eine Erweiterung des Dickstoff­
versatzes erlaubt und zu welchen Kosten dies möglich wäre. Diese Klärung ist unterblieben, es fehlt deshalb
der Nachweis, dass der Dickstoffversatz einen zusätzlichen Beitrag zur Verminderung des Salzabstoßes bis
2027 leisten könnte.
II.4
Optionale Maßnahmen
II.4.1
Produktionsdrosselung
Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz hat bei ihrer Einwendung gegen den Entwurf des Bewirtschaftungs­
plans 2015-2021 dargelegt, dass eine Produktionsdrosselung die Wirtschaftlichkeit der Werke Fulda und
Werra bedrohen könnte. Eine Produktionsdrosselung käme dann einer Produktionseinstellung gleich. Eine
Produktionsdrosselung wäre dann kaum als zumutbare Maßnahme anzunehmen.
II.4.2
Ausleitungen (Bypass)
Die K+S Kali GmbH hat im Januar 2016 ein Raumordnungsverfahren für den Bau einer Rohrfernleitung von
Philippsthal an die Oberweser beantragt, mit dem Ziel, jährlich bis zu 5,5 Mio. cbm ihrer Abwässer in die
Oberweser zu verklappen. Das Regierungspräsidium Kassel hat das Raumordnungsverfahren unverzüglich
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eröffnet, jedoch nach einem Protest des Landes Niedersachsen noch vor der Abstimmung im Weserrat und
bis Ende März 2016 ausgesetzt. Inzwischen ist die Auswertung des Raumordnungsverfahrens bereits wieder
angelaufen.
Das "Detaillierte Maßnahmenprogramm 2015-2021" enthält anstelle dieser, bisher "Oberweserpipeline" ge­
nannten Option einen "temporären Werra-Bypass" mit einer maximalen Kapazität von 0,8 Mio. cbm/Jahr. Der
"temporäre Werra-Bypass" soll nur dann realisiert werden, wenn das Detaillierte Maßnahmenprogramm nicht
zu den erwarteten Ergebnissen führt. Damit geht das "Detaillierte Maßnahmenprogramm 2015-2021" von
völlig unrealistischen Voraussetzungen aus.
Es ist vielmehr zu erwarten, dass ein - in dieser Stellungnahme vorausgesagtes - Versagen des Programms
wegen der dann drohenden Verletzung des Verschlechterungsverbots der EU-WRRL in der Werra eine Ab­
wasserpipeline in der von der K+S Kali GmbH beantragten Kapazität erzwingt.
II.4.3
F+E-Vorhaben und Flankierendes Monitoringprogramm (S. 14-16)
Diese Maßnahmenoptionen sind mangels Substanz nicht diskussionswürdig.
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