Weitere Einschränkungen bei der Verlustverrechnung?!

Weitere Einschränkungen bei der Verlustverrechnung?!
EuG bestätigt Beschluss der EU-Kommission vom 26.01.2011
über die Europarechtswidrigkeit der Sanierungsklausel
[31.03.2016]
Von: Dr. Axel von Bredow und Maximilian Därr
Bereits am 26.01.2011 hat die EU-Kommission in einem Beschluss die Sanierungsklausel
nach § 8c Abs. 1a KStG als unionsrechtswidrige Beihilfe qualifiziert (vgl. Abl. EU 2011,
L 235/26). Mit den nun am 04.02.2016 veröffentlichten Urteilen (T-287/11 „Heitkamp
Bau Holding“ und T-620/11 „GFKL Financial Services“) hat das Europäische Gericht
(EuG) zwei Nichtigkeitsklagen gegen den Beschluss der EU-Kommission als unbegründet
abgewiesen. Nachstehend soll aufgezeigt werden, welche praktischen Folgen sich daraus für die Anwendung der Sanierungsklausel im Speziellen sowie für die Mantelkaufregelung des § 8c KStG im Allgemeinen ergeben.
Verlustuntergang bei Anteilseignerwechsel und Sanierungsklausel
Gemäß § 8c KStG gehen bislang nicht genutzte Verluste – insbesondere bestehende Verlustvorträge – einer Kapitalgesellschaft bei einem schädlichen Beteiligungserwerb zwischen 25 % und 50 % anteilig und bei einem Anteilseignerwechsel von über 50 % vollständig unter (sogenannte „Mantelkaufregelung“). Um jedoch gerade in Krisenzeiten
eine Durchführung gesamtwirtschaftlich sinnvoller Sanierungsmaßnahmen nicht durch
einen (anteiligen) Verlustuntergang zu gefährden, hat der Gesetzgeber im Rahmen des
sogenannten „Bürgerentlastungsgesetzes 2009“ die in § 8c Abs. 1a KStG normierte Sanierungsklausel eingefügt. Demnach gehen Verlustvorträge bei schädlichem Anteilseignerwechsel nicht unter, sofern die Anteilserwerbe auf die Sanierung des Unternehmens
– also die Verhinderung bzw. Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
sowie den Erhalt wesentlicher Betriebsstrukturen – gerichtet sind.
Entscheidung der EU-Kommission vom 26.01.2011
Bereits kurze Zeit nach Einführung der Sanierungsklausel initiierte die EU-Kommission
ein Prüfverfahren, ob diese eine europarechtswidrige Beihilfe darstellt. Letztlich sah sich
die Finanzverwaltung veranlasst, die Anwendung des § 8c Abs. 1a KStG vorläufig zu
suspendieren.
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Die EU-Kommission kam schließlich mit Beschluss vom 26.01.2011 zu dem Ergebnis,
dass die Sanierungsklausel als eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe zu werten sei. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass das deutsche Unternehmenssteuerrecht im Normalfall keine generelle Möglichkeit der Verlustverrechnung
zulasse, sobald ein maßgeblicher Wechsel in der Eigentümerstruktur vollzogen werde,
weshalb die Sanierungsklausel angeschlagenen Unternehmen und möglicherweise auch
deren Käufern einen finanziellen Vorteil gegenüber gesunden Unternehmen verschaffe.
Demzufolge seien jegliche seit dem 01.01.2008 gewährten Beihilfen zurückzufordern.
Gegen den Beschluss wurden zum einen von der Bundesrepublik Deutschland und zum
anderen von mehreren privaten Unternehmen Nichtigkeitsklagen erhoben. Die Anwendung des § 8c Abs. 1a KStG ist nach § 34 Abs. 6 KStG bis zur endgültigen Klärung der
Frage hinsichtlich der Europarechtskonformität der Sanierungsklausel ausgesetzt worden.
EuG-Urteile vom 04.02.2016
Nachdem die von der Bundesregierung am 07.04.2011 eingereichte Nichtigkeitsklage
nicht fristgerecht bei Gericht einging, hatte das EuG lediglich in den von privaten Unternehmen vorgebrachten Klagen bezüglich der Frage einer Vereinbarkeit der Sanierungsklausel mit dem EU-Beihilferecht zu entscheiden. In den beiden bereits eingangs erwähnten Urteilen vom 04.02.2016 schloss sich das EuG der Sichtweise der EUKommission an und wies die Musterklagen entsprechend zurück. Das EuG vertrat dabei
die Auffassung, dass bei der Beihilfeprüfung gemäß Artikel 107 AEUV der Verlustuntergang bei wesentlichem Anteilseignerwechsel als Referenzsystem heranzuziehen sei.
Somit werde Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ein selektiver Vorteil gegenüber wirtschaftlich „gesunden“ Unternehmen eingeräumt, indem diesen durch die
Sanierungsklausel eine vorteilhafte Ausnahme vom Verlustuntergang bei Anteilsübertragung gewährt werde.
Zukunft der Sanierungsklausel und Bedeutung für die Praxis
Aufgrund der mit den Urteilen vom 04.02.2016 verbundenen Entscheidung des EuG
steht die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG wohl kurz vor dem endgültigen Aus.
Mit Blick auf die positive Wirkung der Sanierungsklausel – insbesondere in Krisenzeiten
– bleibt zu hoffen, dass die betroffenen Unternehmen die EuG-Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur abschließenden Prüfung vorlegen werden. Schließlich
wird auch in der Literatur die Ansicht vertreten, dass lediglich ein unbegrenzter Verlustvortrag der grundlegenden Systematik des deutschen Steuersystems gerecht werde und
deshalb eigentlich als Referenzsystem heranzuziehen sei. Demnach wäre ein Verlustuntergang als Folge eines schädlichen Beteiligungserwerbes nicht die Regel, sondern viel2/3
mehr die nachteilige Ausnahme vom Referenzsystem und die Sanierungsklausel würde
keinen selektiven Vorteil darstellen, sondern vielmehr die Rechtsfolge des Referenzsystems wiederherstellen. Für den Fall einer endgültigen Einstufung der Sanierungsklausel
als unionsrechtswidrige Beihilfe wären, neben einer zukünftigen Nichtanwendbarkeit
der Verschonungsregelung und der damit verbundenen erschwerten Investorensuche
für sanierungsbedürftige Unternehmen, sämtliche bis dato von der Bundesregierung
Deutschland durch die Ermöglichung der Verlustverrechnung gewährten „Steuervergünstigungen“ zurückzufordern.
Auch die zeitnahe Veröffentlichung der lange erwarteten, überarbeiteten Fassung des
BMF-Schreibens zur Anwendung des § 8c KStG, welches das Schreiben vom
04.07.2008 ersetzen soll, ist wohl auch von der Rechtskraft der EuG-Urteile abhängig.
Das BMF-Schreiben soll Ausführungen zum unterjährigen Beteiligungserwerb sowie zur
Konzernklausel und zur Stillen-Reserven-Klausel enthalten, die nach derzeitigem Diskussionsstand teilweise zu erheblichen Nachteilen für die betroffenen Unternehmen führen
würden (vgl. Entwurf eines BMF-Schreiben vom 15.04.2014). Um negative Auswirkungen einer möglichen restriktiven Verwaltungsauffassung in diesem Zusammenhang zu
vermeiden bzw. abzumildern, ist eine sowohl zeitnahe als auch langfristige und umfassende Planung von Unternehmensseite her geboten. Im Zuge dessen werden wir Sie
über die weiteren Entwicklungen zum Thema Mantelkauf informieren und stehen Ihnen
bei Fragen zu diesem Themenkomplex gerne zur Verfügung.
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