Freitag, 18. März 2016 Focus 29 LOOK Das Béret: Von Emanzipation zu Provokation Wir haben ihn in letzter Zeit vernachlässigt: den kreisrunden Filzhut, genannt Béret. Die Frauen haben vergessen, wie sie diese Kopfbedeckung aus Napoleons Zeiten aufsetzen müssen, um sich in kokette «Garçonnes» zu verwandeln. So, wie es die Mode in den Dreissigern verlangte, als sich die Damen emanzipierten und anfingen, Hosen zu tragen. Zuerst Coco Chanel, später Marlene Dietrich. Eigentlich war das Béret (der Name stammt vom südfranzösischen Ort Béarn) der Lieblingshut des typischen Franzosen, der auf dem Velo, in Pelerine und mit tief ins Gesicht gezogenem Béret, seine Baguette nach Hause fuhr. In den 80erJahren kürte Jean-Paul Gaultier den Kopfputz zum trendigen Damenaccessoire. Doch so rasch, wie die Mütze in der Mode auftauchte, verschwand Weg vom Abstellgleis Männer werden interessant, Frauen werden älter, so das Klischee. Silvia Aeschbach schreibt dagegen und gegen das Unsichtbarwerden von Frauen ab 50 an. KATJA FISCHER DE SANTI Sie sieht gut aus. Sie ist erfolgreich als Journalistin und Autorin, diesen Sommer will sie heiraten, und meistens lebt sie «glücklich im Hier und Jetzt.» Aber manchmal, wenn ihr im Bus junge Männer den Vortritt lassen, wenn sie sich abends zu lange im Spiegel betrachtet, und Hitzewallungen sie im Winter schwitzen lassen, dann fühlt sich Silvia Aeschbach alt. Nicht richtig alt, mit 55 Jahren, aber auch nicht mehr jung. «Ich bin jetzt eine dieser Frauen, die man nicht mehr nach dem Alter fragt», sagt sie, lächelt gelassen und nimmt einen weiteren Schluck Kaffee. Einen Bestseller gelandet Gerade ist ihr zweites Buch «Älterwerden für Anfängerinnen. Willkommen im Klub!» im Wörterseh Verlag erschienen. Darin beschreibt sie persönlich und mit viel Humor ihr Hadern mit den Jahren. Und trifft damit einen Nerv. Bereits eine Woche nach Erscheinen ist der Titel auf den ersten Platz der Schweizer Sachbuch-Bestsellerliste geklettert. Denn das Älterwerden ist für Frauen, in einer auf Jugendlichkeit und Schönheit getrimmten Welt, alles andere als ein Zuckerschlecken. «Nicht genug, dass einen junge Männer plötzlich Madame nennen, auch Schokolade macht plötzlich dick, die Fältchen um die Augen gehen auch nach zehn Stunden Schlaf nicht mehr weg, und der Busen zieht südwärts», schreibt Aeschbach. Grauenhaft, dieser Einheitslook Für die Lifestyle-Journalistin sind es aber nicht die grauen Haare oder die ersten Fältchen, die ihr Mühe bereiten: «Ich fühle mich nicht alt, aber die Gesellschaft drückt mir diesen Stempel auf.» Das Schlimmste daran seien die Erwartungen, wie man sich als Frau im gewissen Alter zu verhalten habe: Möglichst unauffällig, immer vernünftig, ja nicht sexy, den Rock immer knielang und die Oberarme stets bedeckt. «Grauenhaft» findet sie diese Uniform, welche sich viele Frauen ab 50 Jahren zulegen. «Hauptsache unauffällig und altersgemäss.» Sie rät den Frauen, sich selbst weder geistig, körperlich noch modisch auf irgendein Abstellgleis zu schieben. «Mit 50 Jahren haben sie statistisch gesehen noch mehr als 30 Jahre zu leben, mit dieser Zeit lässt sich doch mehr anstellen, als darauf zu warten, Grossmutter zu werden und die Haare in blaue Wellen zu legen.» Ist das Altern weiblich? Und doch ist für Frauen das Älterwerden nach wie vor eine Zäsur. Der Verlust der sexuellen Attraktivität ist für die meisten von ihnen seit Jahrhunderten derart existenziell, dass die amerikanische Essayistin Susan Sontag 1978 die These aufstellte, das Altern selbst sei weiblich. Frauen ab einem gewissen Alter würden unsichtbar, weil sie ihr ‹gesellschaftliches Verfallsdatum› überschritten hätten, schreibt auch Bascha Mika, CoLeiterin der «Frankfurter Rundschau» in ihrer Abrechnung «Mutprobe – Frauen und das höllische Spiel mit dem Älterwerden». Alten Frauen, mit Ausnahme von alten Topmodels, wolle man beim Altwerden nicht zusehen müssen. Mit dem Finger würde auf jede Delle, jede Falte, jedes Erschlaffen gezeigt, als ob persönliches Versagen Buch 13 Frauen, 13mal Älterwerden werden für Anfängerinnen Erfrischend persönlich und mit einem Augenzwinkern schreibt die Zürcher Journalistin und Autorin Silvia Aeschbach in ihrem Buch «Älterwerden für Anfängerinnen», wie sie die mittleren Jahre erlebt. Sie erzählt von jüngeren Liebhabern, zickigen Freundinnen und verpassten Chancen, gibt aber auch Stil-Tips und schreibt über Schönheitsoperationen. Neben diesen pointierten Texten über sich selbst lässt sie in einem Interview auch die Gynäkologin Stephanie von Orelli und in Porträts dreizehn weitere Frauen zwischen vierzig und siebzig Jahren zu Wort kommen. Offen erzählen sie, wie sie diese turbulente Zeit erleben und wie sie sich den Veränderungen, die unaufhaltsam kommen, stellen. (kaf) Bilder: Gianni Pisano Schön, stark und im mittleren Alter: Edith Schmidt (64), ehemalige Geschäftsfrau; Silvia Aeschbach (55), Autorin; Corinne Denzler (50), Hoteldirektorin; Bea Petri (60), selbständige Maskenbildnerin. Schuld daran wäre. Ganz im Gegensatz zu älteren Männern, welchen auch mit schütterem Haar, Bauch und allerlei Falten Tür und Tor offenstehen. Männer welken anders Männer werden interessant, Frauen werden älter. Ein böser Spruch, der leider viel Wahres hat. Biologisch welken Männer ohne nennenswerte Tiefpunkte vor sich hin, sie können theoretisch bis ins hohe Alter Kinder zeugen. Während bei den Frauen die Wechseljahre unmissverständlich klar machen, dass sie nun zum alten Eisen gehören. Männer altern aber auch sozial anders – vor allem sehr viel später. Während die als typisch weiblich angesehenen Qualitäten wie Schönheit, Jugendlichkeit, Beweglichkeit, Charme im Alter verschwinden, nehmen die männlichen auf dieser Achse noch zu: Souveränität, Autorität, Weisheit, Macht. Doch die Zeiten ändern sich. Das weibliche Alter wird langsam salonfähig. Das älteste Top- model der Welt, die Britin Daphne Selfe, ist 87 Jahre alt. Die Werbeindustrie hat die «ältere Frau» zumindest für Anti-AgingProdukte und Geldanlagen entdeckt. In Hollywood bekommen Schauspielerinnen wie Meryl Streep oder Julianne Moore auch jenseits der Fünfzig interessante Rollenangebote. Und auch in den Verwaltungsräten und Regierungen dieser Welt sieht man die ein oder andere Frau mit grauen Haaren. Frauen ab 50 verschwinden Das sei alles schön und gut, doch weibliche Rollenmodelle fürs Älterwerden seien noch immer Mangelware, sagt Silvia Aeschbach. «Ab Mitte 50 verschwinden viele Frauen einfach von der Bildfläche.» Andere kämpfen mit Chirurgie und Fitness dagegen an, so alt auszusehen, wie sie sind. Und versinnbildlichen wie Donatella Versace mit ihrem von Botox entstellten Gesicht nur, wie traurig und aussichtslos der Kampf gegen das Altern doch ist. Dabei leben Frauen nicht nur länger als Männer, sie müssen sich heute gottlob auch nicht mehr mit der Rolle als Gebärmaschine und/oder Schönheitskönigin zufrieden geben. Frauen dürfen single bleiben, lesbisch werden. Sie können sich einen jüngeren Mann angeln, auswandern, mit 50 noch studieren, ein Tierheim aufbauen oder ein Buch schreiben. «Die Lebensmitte ist ein perfekter Zeitpunkt, sich selber zu fragen, was kann ich noch, was will ich noch», sagt auch Silvia Aeschbach. «Wer sich nur auf seine äusseren Attribute verlässt, der wird am Alter verzweifeln.» Sie rät den Frauen, sich früh genug auf andere Stärken zu besinnen. Es ist kein Zufall, dass von den 13 in Aeschbachs Buch porträtierten Frauen fast alle ihre eigenen Chefinnen sind. Und ausnahmslos alle haben ihrem Leben immer wieder eine neue Richtung gegeben. Damit die Schienen, auf denen es stets vorwärts geht, nicht aufs Abstellgleis führen. sie wieder. Um ausgerechnet jetzt, da wir längst emanzipiert sind, auf Guccis Laufsteg wieder aufzutauchen. Denn der neue Kreativchef Alessandro Michele liebt es, die Frauen mit Witz zu verkleiden. Und zwar in biedere Mädchen in hochgeschlossenen Kostümen, dazu übergrosse Gag-Brillen, floppige OmaTaschen und bunte Bérets. Und plötzlich ist die Baskenmütze wieder da: Weit nach hinten gerückt, seitlich zum Ohr gezogen, brav zur Stirne gedreht, aufgestellt oder flach gedrückt. Aus Filz, Stroh, gestrickt, gehäkelt, gestreift oder gar goldig bestickt. Was zählt, ist nicht mehr der «Garçonne»-Look, sondern provokativer Stilbruch. Yvonne Forster UND DAS NOCH «Am liebsten draussen» So heisst das grosse Heft, das dieser Tage unserer Zeitung beilag. Auf der Titelseite ein gedeckter Gartentisch, daran vergnügte Erwachsene und Kinder. Eine Frau lacht mich an, aus fast jeder Szene im Heft. Kein Zweifel, das ist Astrid Keller, Schauspielerin, Regisseurin und Co-Leiterin des See-Burgtheaters. Kaum ist sie in der «Ittingen Saga» aufgetreten, wirbt sie für das Möbelhaus eines Grossverteilers. Manche Schauspielerinnen verdienen sich so ein Zubrot, L’Oréal hat gleich mehrere Botschafterinnen. Aber wer ist der Mann neben Astrid Keller? Nein, nicht Leopold Huber. Ob er Regie geführt hat bei «Am liebsten draussen»? (dl)
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