Hausarbeit - Große Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene

Prof. Dr. Michael Kort
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht,
Gewerblichen Rechtsschutz und Arbeitsrecht
Hausarbeit
Große Übung Bürgerliches Recht für Fortgeschrittene
Sommersemester 2016
Sachverhalt:
Sie sind Rechtsanwältin/Rechtsanwalt in einer Kanzlei, die sich auf bürgerlich-rechtliche Fragen von Unternehmenskäufen spezialisiert hat. Zu Ihnen kommen mehrere Mandanten mit
Fragen:
1. Frau A will ihr in der Rechtsform einer GmbH betriebene Möbelproduktionsunternehmen
veräußern. A ist Inhaberin des einzigen Geschäftsanteils an der GmbH, also Alleingesellschafterin der GmbH.
a) Frau A hat beim Golfspielen von ihrem Bekannten, der M&A-Spezialist ist, gehört, dass es
zwei verschiedene Möglichkeiten des Unternehmenskaufs gibt, nämlich:
aa) den Verkauf des Unternehmens im Wege der Einzelrechtsübertragung (asset deal)
und
bb) den Verkauf des Geschäftsanteils an der GmbH (share deal).
Nun möchte Frau A von Ihnen wissen, welche bürgerlich-rechtlichen Fragen sich bei diesen
beiden Formen des Unternehmenskaufs stellen und welche der beiden Formen für Frau A im
konkreten Fall wohl besser geeignet ist.
Frau A bittet Sie, ausschließlich auf bürgerlich-rechtliche Fragen einzugehen (also nicht auf
gesellschaftsrechtliche, steuerrechtliche und sonstige Fragen, die nicht bürgerlich-rechtlicher
Natur sind).
b) Frau A möchte wissen, inwiefern bei dem geplanten Unternehmenskauf für sie als Verkäuferin sinnvoll, aber für den Käufer noch akzeptabel, von den gesetzlichen Gewährleistungsansprüchen des BGB vertraglich abgewichen werden kann. Ferner fragt sie, was sie als Verkäuferin beachten sollte, falls der Käufer – was wahrscheinlich ist – unternehmenskaufrechtliche
Garantien fordern wird.
c) Frau A möchte ferner wissen, ob der geplante Unternehmenskaufvertrag einer AGBKontrolle unterliegt.
2. Frau F liest ein von Herrn E aufgegebenes Inserat: „Renommiertes 4-Sterne-Hotel zu verkaufen“. Sie tritt in Kaufverhandlungen mit dem bisherigen Eigentümer und Verkäufer Herrn
E ein. Verkauft werden dann im Wege der Einzelrechtsübertragung das Grundstück und das
Gebäude, nicht aber das Zimmer-, Küchen- und sonstige Inventar. Laut Kaufvertrag wird die
Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel ausgeschlossen.
Die Käuferin Frau F stattet das Gebäude mit Inventar aus und betreibt es als Hotel. Kurze Zeit
nach dem Kauf stellt sich jedoch heraus, dass das Gebäude bis zu dem Verkauf nicht als re-
nommiertes 4-Sterne-Hotel betrieben worden ist, sondern als „Stundenhotel“, und zwar seit
mehreren Jahren. Zu ihrem Entsetzen muss Frau F feststellen, dass dieser Umstand auch weitläufig bekannt war. Frau F meint, sie sei „über’s Ohr gehauen worden“. Sie möchte das Ganze
rückgängig machen oder jedenfalls ihr Geld ganz oder zum Teil zurück.
Der Verkäufer Herr E meint, er habe nur einzelne Elemente des Hotels verkauft, aber kein
Unternehmen als Ganzes. Das Grundstück und das inventarlose Gebäude seien vollkommen
in Ordnung und nicht zu beanstanden. Der angeblich schlechte Ruf würde nicht die Qualität
des Grundstücks und des inventarlosen Gebäudes betreffen. Außerdem habe er die Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel ausgeschlossen.
Ihre Mandantin Frau F meint, das „könne doch nicht wahr sein“. Sie ist der Auffassung, dass
selbst für den Fall, dass ihr kaufrechtliche Vorschriften nicht weiterhelfen sollten, doch vielleicht andere bürgerlich-rechtliche Möglichkeiten bestünden, um zu ihrem Recht zu kommen.
Bitte nehmen Sie zu diesen Fragen unter allen bürgerlich-rechtlichen Aspekten Stellung!
3. G, H und I sind Brüder. G hält 50 %, H 49 % und I 1 % an der K-GmbH, einem Unternehmen der Autozubehörindustrie.
G und H (nicht aber I) veräußern ihre Geschäftsanteile im Rahmen eines Kaufvertrags an Frau
L.
Frau L ist unzufrieden: I, der bei der K-GmbH als ausgebildeter Steuerberater für die Buchführung zuständig war, hatte gegenüber Frau L bei den Verkaufsgesprächen in Anwesenheit
von G und H die Ertragskraft der K-GmbH während der letzten fünf Jahre vor dem Verkauf
der Geschäftsanteile sowie die Zahlungsfähigkeit der K-GmbH viel zu positiv dargestellt.
Überdies war Frau L nicht darüber aufgeklärt worden, dass das Auftragsvolumen der KGmbH in den letzten Wochen vor dem Kauf von 200.000 Euro auf 110.000 Euro zurückgegangen ist.
G und H meinen, die von I gegebenen Informationen seien schon deshalb unerheblich, weil
bloß ein Geschäftsanteilsverkauf vorliege. Auch hätte niemand die Pflicht gehabt, Frau L über
den Rückgang des Auftragsvolumens der K-GmbH zu informieren. Überdies gehe es sie, G
und H, nichts an, wenn der schließlich nicht am Kaufvertrag beteiligte I Angaben über die KGmbH gemacht habe. Möglichkeiten eines rechtlichen Vorgehens von Frau L gegenüber G, H
oder I bestünden daher nicht.
Frau L ist über den, wie sie meint, „Betrug“ empört: Sie möchte von Ihnen wissen, ob ein
bloßer Geschäftsanteilskaufvertrag oder aber ein Unternehmenskaufvertrag vorliegt und warum diese Unterscheidung wichtig sein mag. Ferner bitte sie Sie um Auskunft, was sie bürgerlich-rechtlich gegenüber G, H und I machen kann.
4. Frau M hat im Wege der Einzelrechtsübertragung (asset deal) ihr Unternehmen, ein Transportunternehmen, am 1.1.2013 an Herrn N veräußert.
Herr N erwarb dabei von Frau M als bisherige Eigentümerin unter anderem das Grundstück
und die auf ihm befindliche Lagerhalle Standort X-Stadt, Industriestr. 1 zu Eigentum. In dem
Unternehmenskaufvertrag war ferner vorgesehen, dass Herr N in alle in einer Anlage zum
Kaufvertrag aufgelisteten Dauerschuldverhältnisse mit schuldbefreiender Wirkung eintreten
solle. In dieser Anlage zum Kaufvertrag war unter anderem folgender Mietvertrag aufgelistet:
„Raummiete Lagerhalle X-Stadt, Industriestr. 1, monatlicher Mietzins 18.500 Euro, Mieter
Herr P.“
Der ursprüngliche, schriftliche Mietvertrag zwischen M und P sah eine Mietdauer vom 1.1.
2006 bis zum 31.12.2015 vor. Seit Januar 2013 zahlte Herr P den monatlichen Mietzins von
18.500 Euro für die Lagerhalle nicht mehr an Frau M, sondern an Herrn N, ohne dass eine
ausdrückliche Vereinbarung hierüber abgeschlossen worden war. Herr P hatte nur aufgrund
einer Email von Frau M, die er nicht beantwortete, von dem für ihn relevanten Teil des Inhalts
des Unternehmenskaufvertrags erfahren.
Herr P kommt zu Ihnen und beklagt sich darüber, dass Herr N trotz des Auszugs des Herrn P
zum 31.12.2015 den monatlichen Mietzins weiter von ihm verlange. Nach Ansicht von Herrn
N gilt das Laufzeitende 31.12.2015 aufgrund der geschilderten Umstände nicht mehr. Herr P
hätte nach Meinung von Herrn N vielmehr kündigen müssen.
Untersuchen Sie, ob Herr N oder aber Ihr Mandant Herr P recht hat!
Allgemeine Hinweise:
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Alle Aufgabenteile sind vollständig zu bearbeiten.
Die Bearbeitung darf – Deckblatt, Inhaltsverzeichnis, Aufgabenstellung, Literaturverzeichnis und Abkürzungsverzeichnis nicht mitgezählt – einen Umfang von maximal
50.000 Zeichen inklusive Fußnoten und Leerzeichen nicht überschreiten. Das Zeichenlimit überschreitende Darstellungen werden nicht gewertet.
Der Sachverhalt sowie die Aufgabenstellung müssen nicht abgeschrieben, sondern dürfen in Ablichtung vorangestellt werden.
Die Arbeit ist einmal ausgedruckt und gebunden sowie zusätzlich als Word-Dokument
auf einer CD abgespeichert abzugeben (CD mit Vor- und Nachnamen beschriftet in einer Versandtasche hinten in die Arbeit kleben).
Zur Vorbereitung der schriftlichen Seminararbeit verweisen wir auf die „Anleitung zum
Anfertigen wissenschaftlicher Arbeiten“, welche auf der Lehrstuhl-Homepage unter der
Rubrik „Downloads“ zu finden ist.
Die Bearbeitung ist bis Mittwoch, 30. März 2016, 11.00 Uhr, zum Prüfungsamt der
Universität (Briefkasten für Hausarbeiten im Foyer des Gebäudes der Juristischen Fakultät) einzureichen. Sie kann stattdessen bis zum Ende des Tages dorthin auf die Post
gegeben werden; in diesem Falle muss die Sendung den Poststempel (kein Friststempler) von spätestens dem 30. März 2016, 24.00 Uhr, tragen.
Die Postanschrift lautet:
Universität Augsburg – Juristische Fakultät
Prüfungsamt
(Hausarbeit Übung Prof. Kort)
Universitätsstraße 24
86159 Augsburg
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Besprechung und Rückgabe der Hausarbeit erfolgen im Laufe des Sommersemesters
2016. Der genaue Termin wird auf der Lehrstuhl-Homepage noch bekannt gegeben.
Die Ergebnisse trägt die Universität in das Datenverarbeitungssystem „STUDIS“ ein.
Die Prüfung der Teilnahmevoraussetzungen erfolgt gleichfalls über „STUDIS“. Die
Teilnehmenden müssen sich über „STUDIS“ anmelden. Der Anmeldezeitraum beginnt
am 15. März 2016 um 12.00 Uhr und endet am 29. März 2016 um 12.00 Uhr.