Zweiwöchentliche Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der Republik China Herausgeber: Tsong-Ming Hsu, Chefredakteur : Sing-yue Wu Redaktion: Helga Doppler & Dr. Svenja Weidinger Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland, Büro München - Presseabteilung Leopoldstraße 28a/V 80802 München, Tel: 089-512679-10, Fax: 512679-59 Email: [email protected] Internet: www.taiwanembassy.org.de DPP will Status quo aufrechterhalten Erbschaftssteuer für die Langzeitpflege Scheidungsrate gestiegen Taiwanisches Identitätsbewusstsein auf 20-Jahres-Hoch Politik DPP will Status quo aufrechterhalten Die designierte Präsidentin Taiwans, Frau Tsai Ing-wen hatte, nachdem warnende Worte hinsichtlich Unabhängigkeitsbestreben aus dem festlandchinesischen Außenamt gekommen waren, erklärt, ihre Regierung werde in Übereinstimmung mit der Verfassung des Landes handeln. Die Verfassung der Republik China besagt unter anderem, dass sowohl Taiwan als auch Festlandchina Teil der Republik China sind. Außerdem versicherte sie, die Demokratisch Progressive Partei (DPP) werde den Status quo in der Politik über die Taiwan-Straße aufrechterhalten. Nr. 637 31.03.2016 24. Jahrgang ISSN 0945-618X Bei einer Pressekonferenz hatte Yang Chia-liang, der Sprecher der DPP, auf entsprechende Fragen der Journalisten geantwortet: “Die von den Wählern zur Präsidentin gewählte Frau Tsai Ing-wen hat mit aller Deutlichkeit erklärt, dass nach ihrer Amtseinführung und der Vereidigung der neuen Regierung ihr Kabinett danach streben werde, den Status quo und somit den Frieden und die Stabilität in der Taiwan-Straße im Rahmen der Verfassung der Republik China aufrecht zu erhalten und eine gezielte Entspannungspolitik zu betreiben.“ Abschließend sagte Yang: “Die DPP Regierung wird sich nicht an den verschiedenen Strömungen innerhalb der 2 Partei orientieren, sondern eine Politik verfolgen, die der öffentlichen Meinung entspricht und die Interessen der Bürger schützt.“ Der stellvertretende Regierungssprecher Tsai Chi-chang, der Frau Tsai bei einem Besuch in Taichung im Süden Taiwan begleitet hatte, wiederholte Yangs Kommentare und erklärte seinerseits, der Status quo der Republik China sei der grundsätzliche politische Leitgedanke der künftigen DPP-Regierung, und dies erlaube nicht den geringsten Spielraum für Konzessionen irgendeiner Art. “Wenn jetzt beide Seiten der Taiwan-Straße im gegenseitigen Austausch stehen und ein bilaterales Zusammenwirken anstreben unter dem Begriff des Status quo, so sollte Festlandchina nicht seinen Standpunkt ändern, nur weil eine andere Partei in Taiwan die Regierung übernommen hat,“ mahnte Tsai Chi-chang. Unabhängig davon erklärte Chen Ting-fei, Generalsekretär der DPP-Fraktion in Taipeh, Tsai Ing-wen werde die Angelegenheiten, die die Beziehungen über die Taiwan-Straße betreffen, in Übereinstimmung mit dem Status quo behandeln, so wie sie es in ihrer Wahlkampagne zur Präsidentenwahl versprochen hatte. (tt) Wirtschaft Erbschaftssteuer für die Langzeitpflege Die designierte Präsidentin Tsai Ing-wen nannte die geplante Langzeitpflege für ältere Menschen als eine der obersten Prioritäten ihrer künftigen Regierung. Sie sagte, das Programm werde vornehmlich über Einnahmen aus der Schenkungs- und der Erbschaftssteuer finanziert werden. Sie plane zu diesem Zweck beide Steuern leicht anzuheben. Für manche Steuerzahler in Taiwan liegen die entsprechenden Steuersätze derzeit zum Teil bei lediglich zehn Prozent. Kritische Stimme argumentieren, dies käme vornehmlich wohlhabenden Menschen zugute. Tsai hat in einem Zeitungsinterview versichert, sie plane weder die Schenkungs- noch die Erbschaftssteuer massiv anzuheben. Die Pläne, die Tsai und die Demokratisch Progressive Partei (DPP) für die Finanzierung der Langzeitpflege ausgearbeitet haben, sehen vor, dass das Programm für ältere Menschen durch Steuereinahmen getragen werden soll. Für das Pflegeprogramm würde ein Etat zwischen NT$ 30 und 40 Milliarden, umgerechnet zwischen knapp € 827 Millionen und 1,1 Milliarden, jährlich veranschlagt werden. Bestimmte Steuereinnahmen, darunter die Schenkungs-, die Erbschafts- und die Vermögenssteuer, würden für die Finanzierung heran gezogen werden. Um die Einnahmen zu TAIWAN AKTUELL Nr. 637 31.03.2016 3 erhöhen, würden die Schenkungs- und die Erbschaftssteuer anfänglich auf zwanzig Prozent erhöht werden, so sehen es Tsais Pläne vor. Während die Wirtschaft bereits Befürchtungen geäußert hat, dass zur Finanzierung der Langzeitpflege eine Anhebung der Umsatzsteuer geplant sein könnte, erklärte Tsai, es bestünden keinerlei Überlegungen in dieser Richtung. Tsais geplantes Langzeitpflege-System wurde von der Kuomintang (KMT) noch vor der Wahl im Januar kritisiert. Die KMT hatte eigene Pläne für ein solches System vorgelegt. Diese sehen vor, die Langzeitpflege in das System der Nationalen Krankenversicherung zu integrieren. Die Anhebung der Versicherungsbeiträge um einen Prozentpunkt würde der Regierung zusätzliche Einnahmen von über NT$ 100 Milliarden, umgerechnet in € ca. 2,8 Millionen, einbringen, um den geplanten Pflegedienst zu finanzieren. Tsai kündigte an, dass bei ihrem Modell in der Anfangsphase des neuen Pflegedienstes jährlich lediglich NT$ 30 Milliarden für die Finanzierung benötigt werden würden. Die Pläne der KMT jedoch würden ab Beginn NT$ 100 Milliarden kosten. Darüber hinaus könnten die Pläne der KMT zu einer Kommerzialisierung der Langzeitpflege führen, was sie dann für viele Menschen nicht mehr finanzierbar machen würde. Beim KMT-Modell würden von den benötigten 100 Milliarden NT$ 40 Prozent von der Regierung übernommen werden, 30 Prozent von den Arbeitgebern und die verbleibenden 30 Prozent müssten die Arbeitnehmer stemmen. Damit würden die Arbeitnehmer für die Finanzierung der Langzeitpflege dauerhaft steuerlich belastet werden, so die Kritik Tsais an diesem Modell. Im Jahr 2008 waren die Schenkungs- und die Erbschaftssteuer durch die Regierung Ma von ursprünglich 50 auf zehn Prozent gesenkt worden. Die Regierung wollte damals erreichen, dass wohlhabende Taiwaner ihr Geld nach Taiwan zurück transferieren und im eigenen Land investieren würden. Dieser Schritt hatte seinerzeit zu großen Kontroversen geführt, weil das zurückfließende Kapital nicht in der Industrie landete, sondern in den Immobilienmarkt investiert wurde. (tt) Gesellschaft Scheidungsrate gestiegen Im vergangenen Jahr ist die Scheidungsrate in Taiwan um 0,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 53 000 Ehen geschieden, so die Erhebungen der Generaldirektion für Budget, Rechnungswesen und Statistik. TAIWAN AKTUELL Nr. 637 31.03.2016 4 Bei ungefähr 20 Prozent aller geschiedenen Paare im Jahr 2015 war ein Ehepartner Ausländer. Laut den Statistiken repräsentieren diese 11 000 Scheidungen einen Rückgang um 3,3 Prozent im Vergleich zum Jahr 2014. Im Jahr 2010 lagen die Scheidungen von Paaren, bei denen ein Ehepartner kein Staatsangehöriger Taiwans war, noch bei 26,2 Prozent. Das entsprach einem 15-Jahres-Hoch und kam durch eine Scheidungsrate von 24,4, Prozent unter den Ehepaaren zustande, bei denen ein Ehepartner aus Festlandchina stammte. Seit 2010 ist die Scheidungsrate, gemessen an der Gesamtzahl der Scheidungen von Ehepaaren bei denen ein Ehepartner nicht aus Taiwan stammt, kontinuierlich rückläufig. Die Statistiken besagen auch, dass es sich bei 10 000 von den 11 000 im vergangenem Jahr geschiedenen Ehen bei denen ein Ehepartner Ausländer ist, um eine Ehe zwischen einem taiwanischen Mann und einer ausländischen Frau handelt, wobei 62 Prozent dieser Frauen die chinesische Staatsbürgerschaft haben, einschließlich Hongkong und Macau. Bei 37 Prozent dieser Scheidungsfälle kam die Ehefrau aus einem Land in Südostasien. Weiter belegen die Statistiken, dass im letzten Jahr in Taiwan insgesamt 154 000 Ehen geschlossen wurden, ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 3,4 Prozent. Von dieser Gesamtzahl wiederum waren 20 000 Ehen zwischen einem Ehepartner mit taiwanischer Staatsbürgerschaft und einem mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft geschlossen worden, hier ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 1,5 Prozent. (tt) Taiwanisches Identitätsbewusstsein auf 20-Jahres-Hoch Eine Mitte März dieses Jahres veröffentlichte Umfrage der in Taipeh ansässigen United Daily News hat ergeben, dass sich mittlerweile mehr Menschen als Taiwaner betrachten, als dies zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in den vergangenen zwanzig Jahren der Fall gewesen ist. Mit 73 Prozent gaben fast Dreiviertel der Befragten an, sie würden sich als taiwanisch betrachten, im Jahr 1996 waren es noch lediglich 44 Prozent der Befragten gewesen, die diese Angabe machten. Vor zwanzig Jahren war es das erste Mal, dass die Wähler auf der Insel an einer direkten Präsidentschaftswahl teilnehmen konnten. Bei der jetzigen Umfrage gaben nur elf Prozent der Befragten an, sie würden sich als Chinesen betrachten, und weitere zehn Prozent betrachteten sich selbst sowohl als taiwanisch wie auch als chinesisch. Ein weiteres Prozent machte keine Unterscheidung in der Sache, und die verbleibenden fünf wollten sich in der Angelegenheit nicht äußern. Die Bevölkerungsgruppe der 20- bis 29-Jährigen fühlt sich der Insel am engsten verbunden und bezeichnet sich zu 85 Prozent als taiwanisch. Insgesamt spiegelt der Trend die Ergebnisse einer jährlich in Auftrag gegebenen landesweiten Erhebung des Rats für Festlandangelegenheiten wieder, die seit dem Jahr 1992 durch das Studienzentrum für Wahlen an der Nationalen Chengdu Universität in Taipeh durchgeführt wird. TAIWAN AKTUELL Nr. 637 31.03.2016 5 Im Jahr 2015 hatten sich noch lediglich 59 Prozent der Befragten als taiwanisch bezeichnet, das war ein Plus von 24,1 Prozent gegenüber 1996. Nur 3,3 Prozent hatten sich im vergangenen Jahr noch als ausschließlich chinesisch betrachtet, während 33,7 Prozent sich noch als taiwanisch und chinesisch bezeichneten. Die Nationale Chengdu Universität fand außerdem heraus, dass 46 Prozent der Umfrageteilnehmer gerne den Status quo über die Taiwan-Straße beibehalten wollen, im Vorjahr waren es noch 55 Prozent, die dies befürworteten. Die Unabhängigkeit befürworteten nun 36 gegenüber 28 Prozent im Jahr 2015, während eine Vereinigung mit Festlandchina nur noch zwölf Prozent sehen möchten, ein weiteres Prozent weniger als noch im vergangenen Jahr. Die Umfrage war heuer zwischen dem 15. und dem 19. Februar landesweit per Telefon durchgeführt worden. Es wurden 1019 gültige Antworten ausgewertet bei einer statistischen Sicherheit von 95 Prozent und einer Fehlergrenze von plus oder minus 3,1 Prozent. (taito) Kurzmeldungen Regenbogen-Opa rettet Dorf vor der Abrissbirne. Zum Tag des Glücks am Sonntag, den 20. März 2016, war der malende Veteran aus Taichung sogar dem Weltspiegel im Ersten deutschen Fernsehen ARD einen Bericht wert, weil bei den vielen negativen Berichten und Nachrichten er im wahrsten Sinne des Wortes ein leuchtend buntes Beispiel für Glück ist. Der 93 Jahre alte Huang Yong-Fu bemalt die Häuser einer alten Militärsiedlung, in der er fast sein ganzes Leben verbracht hat. Von den ehemals 1 200 Häusern stehen nur noch elf, und die werden auch bleiben. Der Vertreter der Stadtverwaltung von Taichung hat das bereits bestätigt. Er sagte: “Das Dorf darf weiter leben. Wir müssen die Einzigartigkeit bewahren und planen sogar, Universitäten und Schulen einzubeziehen, um es weiter zu entwickeln.“ Fast jede Nacht macht sich Huang mit seinen grell bunten Farben ans Werk, am Tag würden ihn die Touristen nur stören. Er malt in einem Stil von Folklore, Kinderzeichnungen und das was ihm im Fernsehen begegnet. Er erklärt seine Begeisterung für die Malerei so: “Ich liebe Farben. Wenn ich Langeweile habe und mir etwas gefällt, dann male ich es. Ich hatte keinen Lehrer. Ich habe nicht mal die Grundschule zu Ende gemacht.“ Huang war Flieger in Chiang Kai-sheks Luftwaffe. Er flog eine F-86, wie er anmerkt nur ein kleines Flugzeug, aber das ist eine andere Geschichte. Huang sagte, “ich male mir die Welt, wie sie mir gefällt“. Schön und bunt, damit alle sie lieben. Zur Amtseinführung der designierten Präsidentin Tsai Ing-wen heuer am 20. Mai haben bisher sechs Staaten ihre Teilnahme angekündigt. Laut Außenminister David Lin wird mit weiteren Zusagen gerechnet. Bisher seien Einladungen an die Botschaften aller 22 Länder weitergegeben worden, die mit Taiwan diplomatische Beziehungen unterhalten. Zugleich äußerte sich der Außenminister zu Bedenken, nach denen viele Länder in Erwägung zögen, diplomatische Beziehungen mit China aufzunehmen. Lin sagte dazu, dass die Beziehungen zu den meisten dieser Länder nach wie vor stabil seien. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Gambia am 17. März hat in Taiwan zu Bedenken geführt, TAIWAN AKTUELL Nr. 637 31.03.2016 6 dass in Zukunft weitere diplomatische Verbündete den offiziellen Kontakt zu Taiwan abbrechen könnten. Gambia hatte Ende 2013 seine diplomatischen Beziehungen mit Taiwan beendet. An der Earth Hour am Samstag, den 19. März 2016, hat sich auch Taiwan beteiligt. Die Earth Hour, die Stunde der Erde, ist eine weltweite Aktion, die das Bewusstsein für die Umwelt stärken soll. Am Abend wurden eine Stunde lang die Lichter ausgeschaltet, um auf die Bedeutung von Energiesparen und Reduzierung von Treibhausgasen hinzuweisen. In Taiwan blieb daher am 19. März unter anderem das höchste Gebäude Taiwans, das Taipei 101, ab 20:30 Uhr Ortszeit eine Stunde lang unbeleuchtet. Auch zahlreiche Unternehmen beteiligen sich an der Aktion, zum Beispiel durch Abschalten ihrer Leuchtreklamen. Die “Society of Wilderness” hatte in diesem Jahr fünf Themenrouten unter dem Motto Ozean, Fluss, Wald, Feuchtgebiet und städtische Grünfläche geplant. Die Organisation hatte dazu eingeladen, nicht nur das Licht abzuschalten, sondern sich als Tier- oder Pflanzenart zu verkleiden und das Motto “Viele Spezies, eine Familie“ zu symbolisieren. Ein vierjähriges Mädchen wurde am Montag, den 28. März 2016, gegen Mittag in Taipeh auf brutale Art und Weise mit einem Fleischerbeil ermordet. Das Mädchen befand sich mit ihrer Mutter auf dem Weg zur U-Bahnstation Xihu. Nachdem das kleine Mädchen offensichtlich ein Problem mit ihrem Fahrrad hatte, kam ein Mann auf das Kind zugelaufen und köpfte es mit dem Beil. Die Tat ereignete sich so schnell, dass die Mutter, die nur wenige Meter vor dem Kind mit ihrem Rad gefahren war, ihrer Tochter nicht mehr rechtzeitig zur Hilfe kommen konnte. Ladenbesitzer, die durch die Schreie der Frau aufmerksam geworden, überwältigten den Mann, der als Wang Ching-yu identifiziert und von der Polizisten verhaftet wurde. Der Mann soll das Fleischerbeil am selben Tag gekauft haben, das Motiv für die Enthauptung ist weiterhin völlig unklar. Er soll das Mädchen nicht gekannt haben. Es wird angenommen, dass der 33-jährige Arbeitslose an einer Geisteskrankheit leidet. Als der Mann später aus der Polizeistation abgeführt wurde, konnte die Polizei eine aufgebrachte Menge nur mit Not daran hindern ihn zu lynchen. Am Tatort sind inzwischen riesige Mengen von Blumen niedergelegt worden. Veranstaltungshinweis Klavierabend mit Ching-Yen Jenny Ku-Friedrich Samstag, 16. April 2016 um 19:30 Uhr Kleiner Konzertsaal Gastteig München Rosenheimer Straße 5 Eintritt 20€, erm. 10 € Abkürzungen: (cp) China Post; (cna) Central News Agency; (cht) China Times (tn) Taiwan News; (tt) Taipei Times; (ten) Taiwan Economic News; (taito) Taiwan Today; (rti) Radio Taiwan International; (fotai) Focus Taiwan; (tnen) Taiwan New Economy Newsletter; (eB) eigener Bericht; (udn) United Daily News TAIWAN AKTUELL Nr. 637 31.03.2016
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